© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 079/19 Bund-Länder-Vereinbarungen nach Art. 91b GG Aktualisierte Fassung der Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 118/16 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 079/19 Seite 2 Bund-Länder-Vereinbarungen nach Art. 91b GG Aktualisierte Fassung der Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 118/16 Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 079/19 Abschluss der Arbeit: 09.04.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 079/19 Seite 3 1. Fragestellung und Vorbemerkung Art. 91b Abs. 1 GG sieht vor, dass der Bund und die Länder bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre auf der Grundlage von Vereinbarungen zusammenarbeiten können. Nach Art. 91b Abs. 2 GG können Bund und Länder zudem auf der Grundlage einer Vereinbarung zusammenwirken , wenn dies der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen dient. In der Praxis werden solche Vereinbarungen häufig zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen getroffen (Verwaltungsabkommen), ohne dass der Bundestag oder die Landesparlamente diesen zustimmen müssen. Es ist daher die Frage aufgeworfen worden, in welchem Maße der Bundestag (und die Landesparlamente ) bei Vereinbarungen im Sinne des Art. 91b GG beteiligt werden müssen (dazu unten Ziff. 2.). Dabei soll auch dargestellt werden, ob die in der Praxis häufig fehlende parlamentarische Beteiligung bisher auf Kritik gestoßen ist (dazu unten Ziff. 3.). Schließlich soll erläutert werden, in welchem Verhältnis die Bund-Länder-Vereinbarungen nach Art. 91b GG zur Gesetzeskompetenz des Bundes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG stehen (dazu unten Ziff. 4.). 2. Parlamentarische Beteiligung im Rahmen von Art. 91b GG Die Regelung über die Bund-Länder-Vereinbarungen nach Art. 91b GG stellt eine Ausnahme von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz dar, dass Bund und Länder ihre Aufgaben getrennt und jeweils mit eigenen Mitteln zu erfüllen haben (Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung ).1 Nach Maßgabe dieser Regelung können die Länder an den Aufgaben des Bundes und der Bund an den Aufgaben der Länder beteiligt werden. Art. 91b GG spricht nur von „Vereinbarungen“, so dass auf seiner Grundlage sowohl Staatsverträge als auch Verwaltungsabkommen abgeschlossen werden können.2 Möglich sind auch bloße Absprachen, sofern ihnen ein entsprechender Bindungswille zukommt.3 Für die Frage, ob ein Staatsvertrag erforderlich ist, kommt es darauf an, ob von den Vereinbarungen Gesetzgebungskompetenzen betroffen sind. Ist dies der Fall, so ist ein Staatsvertrag abzuschließen, dem auch die Parlamente, d.h. der Bundestag und die Landesparlamente, zustimmen müssen.4 Sind allein Kompetenzen der Regierungen (Verwaltungskompetenzen) Gegenstand der Vereinbarung, handelt es sich um ein Verwaltungsabkommen, das nicht der Zustimmung der Parlamente bedarf. 1 Heun, in: Dreier, Band 3, 3. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 8. 2 Mager, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 91b GG Rn. 12; Siekmann, in: Sachs, 8. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 24; Heun, in: Dreier, Band 3, 3. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 9. 3 Siekmann, in: Sachs, 8. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 24 m.w.N. Trotz der Formfreiheit bestehe jedoch ein Schriftformerfordernis. 4 Schladebach, Staatsverträge zwischen Ländern, VerwArch 2007, 238, 244 m.w.N. in Fn. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 079/19 Seite 4 Wie eingangs erwähnt, wurden in der bisherigen Staatspraxis Bund-Länder-Vereinbarungen nach Art. 91b GG in der Regel als Verwaltungsabkommen geschlossen,5 so dass die Zustimmung der Parlamente dazu nicht eingeholt wurde. Dennoch ist bei jeder neuen Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zu prüfen, ob Gesetzgebungskompetenzen berührt sind oder nicht. Wird beispielsweise in einer Vereinbarung nach Art. 91b GG durch die darin vorgesehene Wissenschaftsförderung so weit in die Struktur der Wissenschaft und Lehre eingegriffen, dass darüber nur der Gesetzgeber entscheiden dürfte, so müsste dafür ein Staatsvertrag mit Zustimmung der Parlamente abgeschlossen werden. Bewegen sich die geplanten Vereinbarungen innerhalb der Verwaltungskompetenzen der Regierungen, ist ein Verwaltungsabkommen ohne Parlamentsbeteiligung zulässig. Die vertraglichen Verpflichtungen eines Verwaltungsabkommens gelten nur für die daran beteiligten Regierungen und nicht auch für die Parlamente.6 Dies bedeutet, dass die Parlamente als Haushaltsgesetzgeber rechtlich nicht an die Förderungsverpflichtungen aus dem Abkommen gebunden sind. Folglich müssen die Vereinbarungen über die Finanzierung und insbesondere die Kostentragung (Art. 91b Abs. 2 GG) von den Parlamenten in den jeweiligen Haushaltsgesetzen erst noch genehmigt und die entsprechenden Mittel breitgestellt werden. 3. Kritik an der fehlenden Beteiligung der Parlamente bei Verwaltungsabkommen Verwaltungsabkommen nach Art. 91b GG wurden insbesondere in der früheren Literatur teilweise nicht unkritisch gesehen.7 Bedenken bestehen dabei vor allem hinsichtlich der Rolle der Landesparlamente aber auch im Hinblick auf eine allgemeine Schwächung des Föderalismus.8 Die Landesparlamente werden beim Abschluss der Verwaltungsabkommen zumeist nicht beteiligt. Bei der Bewilligung der notwendigen Haushaltsmittel stehen sie dann oft vor bereits vollendeten Tatsachen.9 Aufgrund dieser Verpflichtungen könne man von einer faktischen Einschränkung ihrer Haushaltshoheit sprechen.10 Weiterer Druck ergebe sich zudem auch daraus, dass die vom 5 Eine Auflistung von Verwaltungsabkommen findet sich bei: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, 14. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 21 sowie in der Vorauflage unter der Rn. 27 ff.; für den Befund ebenso: Heun, in: Dreier, Band 3, 3. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 9; Mager, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 91b GG Rn. 12. 6 Mager, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 91b GG Rn. 32; Volkmann/Kaufhold, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Band 3, 7. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 30. 7 Vgl. m.w.N. Siekmann, in: Sachs, 8. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 41 f.; eine umfassende Darstellung der Kritik an der Fassung des Art. 91b GG vor der Änderung im Jahr 2015 findet sich bei: Volkmann/Kaufhold, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Band 3, 7. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn 5. 8 Vgl. allgemein zur Schwächung des Föderalismus: Risse/Hoppe, in: Jahrbuch des Föderalismus 2017, S. 37 ff. 9 Siekmann, in: Sachs, 8. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 42 unter Verweis auf: Heun, in: Dreier, Band 3, 3. Auflage 2018, Art. 91a GG Rn. 26; Mager, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 91b GG Rn. 42. 10 Siekmann, in: Sachs, 8. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 41 f.; Volkmann/Kaufhold, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Band 3, 7. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 11 sprechen von einer „Entmachtung der Länderparlamente“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 079/19 Seite 5 Bund in Verwaltungsabkommen in Aussicht gestellten Mittel verloren gehen könnten, wenn das Landesparlament die von dieser Landeregierung ihrerseits zugesagten Landesmittel nicht genehmigt.11 Als gegenläufiges Argument wird jedoch vorgebracht, dass auch die Regierungen im Vorfeld des Abschlusses eines Verwaltungsabkommens unter einer erhöhten Rechtfertigungslast gegenüber ihren Parlamenten stehen würden, da diese die entsprechenden Haushaltsmittel genehmigen müssten. Folglich könnten die Parlamente schon zu einem führen Zeitpunkt Einfluss auf das geplante Abkommen nehmen.12 Außerdem habe die Bildungs- und Forschungspolitik, obwohl sie im Grunde im Kompetenzbereich der Länder liege, gesamtstaatliche Bedeutung. Daher würden gute Gründe für die Zusammenarbeit der Länder unter Einbeziehung des Bundes in diesem Bereich sprechen.13 4. Verhältnis der Bund-Länder-Vereinbarungen zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG verfügt der Bund über die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Ist eine bundesgesetzliche Regelung in diesem Bereich erforderlich (Art. 72 Abs. 2 GG), kann der Bund Regelungen über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, jedoch nicht über die Struktur der Forschung bzw. der Forschungseinrichtungen erlassen.14 Der Bund hat dabei insbesondere die Gesetzgebungskompetenz der Länder im Bereich des Hochschulwesens zu achten.15 Die von Art. 91b GG eingeräumte Möglichkeit, im Bereich der Bildungsplanung und Forschungsförderung Bund-Länder-Vereinbarungen zu treffen, steht neben der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Soweit Bund und Länder im Rahmen von Art. 91b GG Verwaltungsabkommen schließen, dürfte es (rechtlich) auch zu keinen inhaltlichen Überschneidungen kommen, da Gegenstand der Verwaltungsabkommen nur Verwaltungskompetenzen und gerade keine Gesetzgebungskompetenzen sein dürfen. Sollen in einer Vereinbarung nach Art. 91b GG dennoch auch Gegenstände geregelt werden, die Gesetzgebungskompetenzen betreffen, so wäre ein Staatsvertrag abzuschließen. In einem Staatsvertrag können inhaltlich auch solche Vereinbarungen getroffen werden, die der Bund aufgrund seiner Gesetzeskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG (i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG) auch alleine regeln dürfte. Hierfür wäre aber – wie bei allen Staatsverträgen – die Zustimmung aller Parlamente einzuholen. *** 11 Mager, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 91b GG Rn. 32. 12 Vgl. zum Ganzen insbesondere Mager, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 91b GG Rn. 32 m.w.N. 13 Volkmann/Kaufhold, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Band 3, 7. Auflage 2018, Art. 91b GG Rn. 11. 14 Degenhart, in: Sachs, 8. Auflage 2018, Art.74 GG Rn. 62; Kunig, in: von Münch/Kunig, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 74 GG Rn. 58. 15 Wittreck, in: Dreier, Band 2, 3. Auflage 2015, Art. 74 GG Rn. 65.