Deutscher Bundestag Verfassungsmäßigkeit des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 078/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 2 Verfassungsmäßigkeit des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 078/10 Abschluss der Arbeit: 17. März 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 4 3. Verletzung der Tarifautonomie 5 4. Verfassungsmäßigkeit der sachgrundlosen Befristung 6 4.1. Bestandsschutz gemäß Art. 12 Abs. 1 GG 6 4.2. Personaldispositionsfreiheit der Hochschulen gemäß Art. 5 Abs. 3 GG 8 4.3. Förderung des akademischen Nachwuchses gemäß Art. 5 Abs. 3 GG 8 5. Verfassungsmäßigkeit des Befristungsgrundes der Drittmittelfinanzierung 9 6. Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung von privaten Hochschulen/Forschungsein-richtungen 10 6.1. Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz 11 6.2. Verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung 11 6.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 4 1. Zusammenfassung Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (WissZeitVG) ist nicht verfassungswidrig . § 1 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG schränkt zwar die Tarifautonomie der Koalitionen ein, der Eingriff ist jedoch durch die in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen gerechtfertigt . Eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG liegt nicht vor. Die in § 2 Abs. 1 WissZeitVG geregelte sachgrundlose Befristung der Arbeitsverträge stellt keinen Verstoß gegen den aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bestandsschutz des Arbeitsplatzes dar. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer am Erhalt des Arbeitsplatzes und der Arbeitgeber an der Auswahl der Mitarbeiter getroffen. Die sachgrundlose Befristung stellt auch keine Verstoß gegen die sich aus der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG ergebende Förderungspflicht des Staates für den akademischen Nachwuchs dar, da sie eine geeignete und erforderliche Maßnahme zu dessen Förderung darstellt. Auch der in § 2 Abs. 2 WissZeitVG geregelte Befristungsgrund der Drittmittelfinanzierung stellt keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG dar. Die Beschränkung des institutionellen Anwendungsbereichs des WissZeitVG auf das Personal in staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 2. Einleitung Mit dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz – WissZeitVG), in Kraft getreten am 18. April 2007,1 wurden die Regelungen über die Befristung im Wissenschafts- und Forschungsbereich in einem eigenen arbeitsrechtlichen Befristungsgesetz zusammengefasst. Diese waren zuvor in den §§ 57a ff. des Hochschulrahmengesetzes (HRG) geregelt.2 Eine Neuregelung war unter anderem erforderlich, da der Bund aufgrund der Föderalismusreform I3 seine Zuständigkeit für das Hochschulrecht4 aufgegeben hat und die – weiter in der Bundeskompetenz verbleibenden arbeitsrechtlichen Befristungsregelungen5 – aus systematischen Gründen aus dem HRG herausgelöst werden sollten.6 1 Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft vom 12. April 2007, (BGBl. I S. 506). 2 Erstmals eingeführt durch das 5. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl. I S. 693). Dieses Gesetz wurde vom BVerfG durch Urteil vom 27. Juli 2004 (BVerfGE 111, 226 ff.) insgesamt für nichtig erklärt, obgleich Klagegegenstand nur die neu eingeführt Juniorprofessur war. Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3835) die Befristungsvorschriften erneut in Kraft gesetzt. 3 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2304). 4 Der Bund hatte die Rahmenkompetenz gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 a GG a.F. für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens. 5 Für diese kann der Bund sich auf seine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr.12 GG stützen. 6 Vgl. BT-Drs. 16/3438, S. 9. Die §§ 57a-f HGR wurden durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft vom 12. April 2007,(BGBl. I S. 506) aufgehoben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 5 Das WissZeitVG regelt die Befristungsmöglichkeiten für Arbeitsverträge des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals mit Ausnahme der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an nach Landesrecht staatlichen oder als staatlich anerkannten Hochschulen. Ebenfalls erfasst werden die befristeten Arbeitsverträge des wissenschaftlichen Personals an staatlichen oder überwiegend staatlichen Forschungseinrichtungen. Der persönliche Anwendungsbereich erstreckt sich somit weder auf wissenschaftliches bzw. künstlerisches Personal an privaten Hochschulen noch in privaten Forschungseinrichtungen. Bereits mit der Reform von 20027 wurde das Befristungsrecht der Hochschulen von verschiedenen Sachgrundsbefristungen auf ein System der „sachgrundlosen Befristungen“ umgestellt, welches feste Höchstfristen für die Beschäftigungsdauer vorgibt.8 Nur im Bereich der „Finanzierung aus Drittmitteln“ sieht das WissZeitVG einen Grund zur sachlichen Befristung der Arbeitsverhältnisse. Die Ausarbeitung untersucht, ob die Regelungen des WissZeitVG verfassungsgemäß sind. 3. Verletzung der Tarifautonomie § 1 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG sieht vor, dass von den in §§ 2 und 3 des Gesetzes vorgeschriebenen Befristungsregelungen nicht abgewichen werden darf. Dies könnte die Tarifautonomie der Koalitionen einschränken und eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG darstellen. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet jedermann das Recht der allgemeinen Vereinigungsfreiheit. Dies beinhaltet als einen Unterfall auch den Zusammenschluss in „Koalitionen“ auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite und in diesen („individuelle Koalitionsfreiheit“) sowie durch diese Koalitionen („kollektive Koalitionsfreiheit“) Einfluss auf die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu nehmen.9 Eines der wesentlichen Elemente der kollektiven Koalitionsfreiheit ist die Tarifautonomie , d.h. die Freiheit der Koalitionen untereinander Tarifverträge zu schließen.10 In diese Freiheit greift das WissZeitVG ein, da es in § 1 Abs. 1 Satz 2 den Abschluss abweichender Tarifverträge für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen nicht gestattet. Das BVerfG hat im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zweier Gewerkschaften die ursprüngliche Regelung des § 57a HRG – die ebenfalls eine Tarifsperre vorsah – auf ihre Verfassungsgemäßheit geprüft.11 In seinem Beschluss vom 24. April 1996 kam es zu dem Ergebnis, dass zwar ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie vorliege, dieser aber durch die in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit gerechtfertigt sei. Art. 5 Abs. 3 GG enthalte eine objektive Wertentscheidung, die den Staat dazu verpflichte, die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen , finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern.12 Zur sachgerechten Förderung des akademischen Nachwuchses sei die generelle Befristung der Arbeitsverhältnisse von wissenschaftlichen Mitarbeitern geeignet und auch erforderlich. Die Regelung treffe die 7 5. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl. I S. 693). 8 Kortstock, Ulf, Befristung von Arbeitsverhältnissen im Hochschulbereich – Wissenschaftszeitvertragsgesetz in Kraft getreten, ZTR 2007, 350 (350). 9 Cornils, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 9 Überblick. 10 BVerfGE 94, 268, (283); Cornils, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 9 Rn. 61. 11 BVerfGE 94, 268 ff. 12 BVerfGE 35, 79 (114 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 6 Beschwerdeführer auch nicht unverhältnismäßig schwer, da sie nur einen kleinen Teil der von ihr vertretenen Arbeitnehmer betreffe und sich nicht auf Arbeitsentgelte oder andere materielle Arbeitsbedingungen erstrecke.13 Diese Argumentation gilt aufgrund der vergleichbaren Regelung des § 57 a HRG auch für § 1 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG. Wie im HRG soll das WissZeitVG die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit schützen. Zudem wurde im WissZeitVG der Eingriff in die Tarifautonomie abgeschwächt, da § 1 Abs. 1 Satz 3 GG eine Tariföffnungsklausel vorsieht.14 Diese ermöglicht die Abweichung von den in § 2 Abs. 1 WissZeitVG vorgesehenen Frist durch Tarifvertrag für bestimmte Fachrichtungen und Forschungsbereiche. Der Bund ist auch zuständig, eine derartige Tariföffnungsklausel im WissZeitVG zu regeln, dies ist von seiner Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr.12 GG gedeckt.15 Die Tarifautonomie erfasst sowohl die Befristungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG, als auch den Drittmitteltatbestand nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG.16 Die Tarifsperre gilt jedoch nur für das wissenschaftliche Personal im Sinne des § 1 Abs. 1 WissZeitVG und nicht für das nichtwissenschaftliche Personal nach § 2 Abs. 2 Satz 2 WissZeitVG. Eine Tarifsperre für das nichtwissenschaftliche Personal ließe sich nicht durch Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich rechtfertigen.17 § 1 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG ist demnach verfassungsgemäß.18 4. Verfassungsmäßigkeit der sachgrundlosen Befristung § 2 Abs. 1 WissZeitVG sieht ein System von festen Höchstbefristungszeiten für die Beschäftigten an wissenschaftlichen Hochschulen vor. So ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG genannten Personals, das nicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig. Verlängerungen des befristeten Arbeitsverhältnisses sind gemäß § 2 Abs. 5 WissZeitVG aufgrund der dort abschließend aufgezählten Gründe möglich. 4.1. Bestandsschutz gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Die sachgrundlose Befristung könnte einen Verstoß gegen den aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bestandsschutz des Arbeitsplatzes darstellen. 13 BVerfGE 94, 268 (286 f.). Vgl. Preis, Ulrich, WissZeitVG, Kommentar, 2008, § 1 Rn. 42 ff. 14 Preis, Ulrich, WissZeitVG, Kommentar, 2008, § 1 Rn. 43; Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 35. 15 Vgl. Preis, Ulrich, WissZeitVG, Kommentar, 2008, § 1 Rn. 43; a.A. Löwisch, Manfred, Die Ablösung der Befristungsbestimmungen des Hochschulrahmengesetzes durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, NZA 2007, 479 (480 f.). 16 Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 23. 17 Preis, Ulrich, WissZeitVG, Kommentar, 2008, § 1 Rn. 44; a.A. Müller-Glöge, Rudi, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht , 10 Auflage 2010, § 1 WZVG Rn. 18. 18 A.A. Hirdina, Ralph, Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter verfassungs- und europarechtswidrig!, NZA 2009, 712 (714). Hirdina bezweifelt, ob die Tarifsperre auch im Bereich der drittmittelfinanzierten Projekte gemäß § 2 Abs. 2 WissZeitVG das mildeste Mittel darstellt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 7 Art. 12 Abs. 1 GG garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Der Einzelne wird in seinem Entschluss , eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsplatzverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen. Hingegen ist mit der Berufswahlfreiheit keine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden .19 Da die Höchstbefristungszeiten des WissZeitVG die Aufgabe des Arbeitsplatzes nach einer bestimmten Zeit erzwingen, ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig. Die sachgrundlose Befristung gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG stellt auch einen Eingriff in das Grundrecht der hiervon betroffenen Arbeitnehmer dar. Art. 12 Abs. 1 GG ist zunächst ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe, entfaltet aber auch eine staatliche Schutzpflicht mit einem korrespondierenden Schutzanspruch im Privatrechtsverhältnis .20 Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich des Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen entschieden, dass aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Ausgleich zwischen den gleichermaßen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Arbeitnehmer am Erhalt des Arbeitsplatzes einerseits und der Arbeitgeber an der Auswahl der Mitarbeiter andererseits zu erreichen sei. Hierbei komme dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsfreiraum bei der Konfliktschlichtung zu.21 Ein Verstoß gegen die Schutzpflichten kann nur angenommen werden, wenn von einem angemessenen Ausgleich zwischen den Parteien nicht mehr gesprochen werden könne. Abgestellt wird nicht auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist vielmehr das Untermaßverbot.22 Hiernach muss die staatliche Schutzmaßnahme wirksam, ausreichend und angemessen sein. Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates könnte somit nur dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber mit dem WissZeitVG keinen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer und den Interessen der Arbeitgeber getroffen hat. Die im WissZeitVG enthalten Höchstfristen orientieren sich zum einen an den Interessen der Hochschulen, Stellen nicht dauerhaft zu blockieren und die Innovationsfähigkeit der Hochschulen aufrechtzuerhalten.23 Die Hochschulen können sich hierbei auch auf die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG stützen. Andererseits sollen die Höchstfristen auch die Arbeitnehmer vor unverhältnismäßig lang befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder sogenannten Kettenbefristungen schützen. Der Gesetzgeber verband damit auch die Erwartung, dass die Fristen ausreichend lang sind, um den „Nachwuchswissenschaftlern“ eine Entscheidung über eine wissenschaftliche Karriere an der Universität oder Forschungsstelle oder ein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zu treffen.24 Die Dauer der Befristungshöchstgrenzen trägt den Interessen der Mitarbeiter Rechnung in angemessener Zeit ihre wissenschaftliche Qualifizierung – Promotion 19 BVerfGE 97, 169 (175). 20 Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 12 Rn. 19; Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht , Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 36. 21 BVerfGE 97,169 (176). 22 BVerfGE 97,169 (176 f.); Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG Kommentar, 2009, Art. 12 Rn. 19; Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 36. 23 BT-Drs. 14/6853, S. 32; Lehmann-Wandschneider, Ulrike, Das Sonderbefristungsrecht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, 2009, S. 26. 24 BT-Drs. 14/6853, S. 32. Preis, Ulrich, WissZeitVG, Kommentar, 2008, Einleitung Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 8 oder Habilitation – abzuschließen. Ein unvorhersehbarer oder willkürlicher Arbeitsplatzverlust ist damit nicht zu befürchten.25 Eine Schutzpflichtverletzung des Gesetzgebers kann somit nicht angenommen werden, da ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen getroffen wurde. Ein Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG aufgrund der sachgrundlosen Befristung des § 2 Abs. 1 WissZeitVG liegt nicht vor.26 4.2. Personaldispositionsfreiheit der Hochschulen gemäß Art. 5 Abs. 3 GG Im Rahmen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit steht den Hochschulen auch das Recht der akademischen Selbstverwaltung zu. Dieses umfasst auch die Selbstverwaltung in personeller Hinsicht, d.h. die Hochschulen können unter anderem über die Besetzung von Stellen frei entscheiden und sie haben die Möglichkeit, die Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter nur befristet zu besetzen.27 Auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen , die der Staat unterhält, stehen im Rahmen der Zweckbestimmung des Forschungsinstituts unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG.28 Das WissZeitVG stellt keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dar, da es die Hochschulen nicht in ihrer Personaldispositionsfreiheit beschneidet.29 Das WissZeitVG ermöglicht es den Hochschulen die Arbeitsverträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter zu befristen, es ist ihnen aber auch gemäß § 1 Abs. 2 WissZeitVG unbenommen, die wissenschaftlichen Mitarbeiter in unbefristeten Stellen oder nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zu beschäftigen. 4.3. Förderung des akademischen Nachwuchses gemäß Art. 5 Abs. 3 GG Die sachgrundlose Befristung könnte aber gegen die sich aus der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergebende Förderungspflicht des Staates für den akademischen Nachwuchs verstoßen. Art. 5 Abs. 3 GG enthält eine objektive Wertentscheidung, die den Staat dazu verpflichtet, die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern.30 Unter den persönlichen Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG fallen im Bereich der Lehre und Forschung auch wissenschaftliche Mitarbeiter.31 Die durch das WissZeitVG vorgesehenen Höchstbefristungen stellen einen Eingriff in diesen Schutzbereich dar, da hierdurch die Förderung des akademischen Nachwuchses zeitlich beschränkt wird. Die sachgrundlose Befristung wird vom Gesetzgeber damit gerechtfertigt, dass den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein hinreichender Zeitraum zur Qualifizierung und den Hochschulen zur Nachwuchsförderung offen 25 Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 36. 26 Vgl. auch BAG, Urteil vom 14. Juli 2007, Az. 7 AZR 322/06, welches die in §§ 57a-f HRG geregelten sachgrundlosen Höchstbefristungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfte und keine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG feststellte. 27 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 5 Abs. 3 Rn. 364. 28 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 5 Abs. 3 Rn. 401. 29 Vgl. Lehmann-Wandschneider (Fn. 23), S. 18. 30 BVerfGE 35, 79, 114 f. 31 Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 5 Rn. 184. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 9 stehen soll. Der regelmäßige Austausch des Personals diene der Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre an den Hochschulen.32 Die Befristung der Arbeitsverträge ist geeignet und erforderlich, um den akademischen Nachwuchs zu fördern. Eine kontinuierliche Nachwuchsförderung in den wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen kann nur sichergestellt werden, wenn die beschränkt vorhandenen Stellen immer wieder frei werden. Zudem sind die Befristungszeiten ausreichend lang, um eine wissenschaftliche Qualifizierung zu erreichen. Ein milderes Mittel als die Befristung der Arbeitsverhältnisse ist nicht ersichtlich. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 24. April 1996 zum HRG in diesem Sinne entschieden und festgestellt, dass zur sachgerechten Förderung des akademischen Nachwuchses, einer aus Art. 5 Abs. 3 GG folgenden Aufgabe, die generelle Befristung der Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichen Mitarbeitern geeignet und erforderlich ist.33 Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 GG liegt demnach nicht vor. 5. Verfassungsmäßigkeit des Befristungsgrundes der Drittmittelfinanzierung § 2 Abs. 2 WissZeitVG sieht eine Befristung von Arbeitsverträge des wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen sowie des künstlerischen und nicht-künstlerischen Personals an staatlichen und als staatlich anerkannten Hochschulen vor, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird. Darüber hinaus muss die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt sein und der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt werden. Zu prüfen ist, ob die Befristung von Arbeitsverträgen im Falle eines drittmittelfinanzierten Projektes eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. In der Literatur wird die Vermischung von zwei verschiedenen Systemen im WissZeitVG – sachgrundlose und sachliche Befristung – für nicht unproblematisch gehalten.34 Der Sonderbefristungstatbestand der Drittmittelfinanzierung könnte den Druck auf Hochschulen und Forschungseinrichtungen mindern, die Qualifizierung junger Wissenschaftler zu fördern, um die Befristungserleichterungen der post-doc-Phase nutzen zu können.35 Die Befristung der Arbeitsverträge gemäß § 2 Abs. 2 WissZeitVG stellt einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG dar.36 Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates könnte dann vorliegen, wenn der Gesetzgeber mit dem WissZeitVG keinen angemessen Ausgleich zwischen den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer und den Interessen der Arbeitgeber getroffen hat. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Befristungsregelung einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Drittmittelforschung und damit zur Pflege der freien Wissenschaft in Deutschland zu leisten. Da drittmittelfinanzierte Projekte in der Regel zeitlich befristet sind, sind die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen darauf angewiesen, dass das 32 BT-Drs. 16/3438, S. 11. 33 BVerfGE 94, 268, 286, 34 Lehmann-Wandschneider (Fn. 23), S. 184; Kortstock, Ulf, Befristung von Arbeitsverhältnissen im Hochschulbereich – Wissenschaftszeitvertragsgesetz in Kraft getreten, ZTR 2007, 350 (351); Schmidt, in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 8. 35 Schmidt, in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 8. 36 Siehe ausführliche Prüfung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG oben Punkt 4.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 10 erforderliche Personal in zeitlicher Konkordanz befristet eingestellt wird.37 Die Befristung dient auch der Rechtssicherheit der Beschäftigten, da eine solide Prognosegrundlage für den späteren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bei Vertragsschluss geschaffen wird.38 Die Hochschulen können sich auch auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG stützen, da die Forschung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen im großen Umfang von der Drittmittelfinanzierung abhängt. Eine Schutzpflichtverletzung kann daher nicht angenommen werden, da ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen getroffen wurde. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG aufgrund der Befristung der Arbeitsverhältnisse gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG liegt nicht vor. 6. Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung von privaten Hochschulen/Forschungseinrichtungen Der Anwendungsbereich des WissZeitVG ist in institutioneller Hinsicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG auf alle Einrichtungen des Bildungswesens beschränkt, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Darüber hinaus finden die §§1 bis 3 und 6 entsprechende Anwendung auf die nach Landesrecht staatlich anerkannten Hochschulen (§ 4 WissZeitVG), sowie auf staatliche, überwiegend staatliche oder auf Grundlage von Artikel 91 b GG finanzierte Forschungseinrichtungen (§ 5 WissZeitVG). Die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern an privaten Hochschulen und Forschungseinrichtungen zählt nicht zum Regelungsbereich des WissZeitVG.39 Rechtshistorisch lässt sich der institutionelle Anwendungsbereich des WissZeitVG damit erklären, dass der Gesetzgeber die Regelungen des §§ 57a-f HRG a.F. in das WissZeitVG übertragen hat und der in § 1 HRG geregelten Anwendungsbereich entsprechend in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG übernommen wurde.40 Rechtsgrundlage für eine Befristung der Arbeitsverträge von wissenschaftlichem oder nichtwissenschaftlichen Personal in privaten Hochschulen oder Forschungseinrichtungen ist § 14 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG).41 Dieser sieht diverse Sachgründe für eine Befristung vor. Vereinzelte Stimmen in der Literatur halten die „Besserstellung “ von staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch das WissZeitVG im Vergleich zu den privaten Hochschulen für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.42 37 BT-Drs. 16/3438, S. 8. 38 BT-Drs. 16/3438, S. 14 39 Schmidt, in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 9; Müller -Glöge, Rudi, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10 Auflage 2010, § 1 WZVG Rn. 9. 40 Vgl. BT-Drs. 16/3438, S. 10. 41 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S1966 ff.), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 19. April 2007 (BGBl. I S. 538 ff.). 42 Hirdina, Ralph, Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter verfassungs- und europarechtswidrig!, NZA 2009, 712 (714 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 11 6.1. Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz Die diskutierte Differenzierung könnte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ 6.2. Verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung setzt voraus, dass vergleichbare Personengruppen oder auch Sachverhalte betroffen sind. Die Feststellung, ob die übereinstimmenden oder die verschiedenen Einzelmerkmale zweier Personengruppen den Ausschlag geben sollen, ist nur möglich, wenn man ein Differenzierungsmerkmal auswählt, anhand dessen der Vergleich angestellt wird.43 Es muss demnach ein gemeinsamer Oberbegriff für die in Rede stehenden Personengruppen gefunden werden. Die Auswahl dieses Oberbegriffs erfolgt nicht durch einen logischen Denkakt, sondern aufgrund eines Werturteils.44 Je genauer das Merkmal dabei bestimmt wird, umso kleiner wird die als gleich zu behandelnde Gruppe. Abgestellt werden kann auf die Gruppe der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter an staatlichen oder als staatlich anerkannten Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen auf der einen Seite und auf die gleiche Beschäftigungsgruppe an privaten Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen, die eine vergleichbare Gruppe darstellen. Die Beschäftigten an privaten Hochschulen werden ungleich behandelt, da sie nicht in den Genuss der sachgrundlosen Befristungen gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG kommen und auch keine Verlängerung ihres befristeten Arbeitsvertrags gemäß § 2 Abs. 5 WissZeitVG erreichen können. 6.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Nicht jede Ungleichbehandlung von vergleichbaren Personengruppen ist verfassungswidrig; vielmehr kann die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein. Nach früherer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, wenn wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich, und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt wird.45 Danach rechtfertigte das Vorliegen eines sachlichen Grundes eine Ungleichbehandlung. Nach der so genannten „neuen Formel“ müssen in bestimmten Fällen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.46 Einzelheiten und Folgen dieser Rechtsprechung sind umstritten47, ganz allgemein lässt sich aber festhalten , dass der Rechtfertigungsgrund „in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung “ stehen muss.48 Es kommt demnach auf die Intensität der Ungleichbehandlung an. Das Bundesverfassungsgericht fordert, eine strenge Prüfung vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen ungleich behandelt werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Beurteilung der hier zu prüfenden Ungleichbehandlung. 43 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2004, Art. 3, Rn. 18 und 23, m. w. N. 44 Gubelt, GG, Art. 3, Rn. 17, m. w. N. 45 BVerfGE 4, 144 (155); BVerfGE 27, 364, (371f.). 46 BVerfGE 55, 72 (88); BVerfGE 71, 146 (154 f.); BVerfGE 82, 126 (146). 47 Heun (Fn. 43), Art. 3 Rn. 21 f. 48 Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Abs. 1 Rn. 189, m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 078/10 Seite 12 Sachlicher Grund für die diskutierte Differenzierung könnten die Ziele des WissZeitVG sein. Ob sich der Gesetzgeber darauf beruft, ist unerheblich; es kommt auf eine objektive Beurteilung an.49 Die Befristungsregelungen des WissZeitVG orientieren sich zum einen an den Interessen der Hochschulen, Stellen nicht dauerhaft zu blockieren und die Innovationsfähigkeit der Hochschulen aufrechtzuerhalten.50 Andererseits trägt die Dauer der Befristungshöchstgrenzen den Interessen der Mitarbeiter Rechnung in angemessener Zeit ihre wissenschaftliche Qualifizierung – Promotion oder Habilitation – abzuschließen. Ein unvorhersehbarer oder willkürlicher Arbeitsplatzverlust ist damit nicht zu befürchten.51 Der Gesetzgeber verband damit auch die Erwartung, dass die Fristen ausreichend lang sind, um den „Nachwuchswissenschaftlern“ eine Entscheidung über eine wissenschaftliche Karriere an der Universität oder Forschungsstelle oder ein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zu treffen.52 Diese Ziele betreffen jedoch lediglich staatliche oder als staatlich anerkannte Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen, da lediglich dort eine staatlich anerkannte wissenschaftliche Qualifizierung erzielt werden kann. Private Hochschulen genießen die Privatschulfreiheit des Art. 7 Abs. 4 GG. Sie dürfen jedoch keine Hochschulgrade verleihen, wie es staatlichen oder als staatlich anerkannten Hochschulen nach dem Landesrecht gestattet ist. Somit ist ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der beiden Personengruppen gegeben. Zusätzlich zum Vorliegen eines sachlichen Grundes fordert das Bundesverfassungsgericht: „Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“53. Dabei ist allerdings nicht entscheidend ist, „ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste , vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat“54. Für die Angemessenheit spricht, dass der Personenkreis, der an Privathochschulen tatsächlich von den Regelungen des Wiss- ZeitVG profitieren könnte, wohl eher klein ist. Hierbei könnte es sich wohl nur um Personen handeln, die an einer privaten Hochschule arbeiten und gleichzeitig an einer staatlichen Hochschule promovieren oder habilitieren.55 49 BVerfGE 51, 1 (26 f.); Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 10. Auflage 2009, Art. 3 Rn. 26. 50 BT-Drs. 14/6853, S. 32; Lehmann-Wandschneider, Ulrike, Das Sonderbefristungsrecht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, 2009, S. 26. 51 Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht Kommentar, 3. Auflage 2007, § 1 WissZeitVG Rn. 36. 52 BT-Drs. 14/6853, S. 32; Preis, Ulrich, WissZeitVG, Kommentar, 2008, Einleitung Rn. 26. 53 BVerfGE 82, 126 (146), (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 54 Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1 5. Auflage 2005, Art. 3 Rn. 18, m. w. N. 55 Vgl. Beispiele bei Hirdina, Ralph, Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter verfassungs- und europarechtswidrig!, NZA 2009, 712 (714 f.).