© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 076/15 Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen zum Deutschen Bundestag gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BWahlG Verfassungsmäßigkeit der Regelung und Verwaltungspraxis im Hinblick auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei internationalen Organisationen sowie rechtsvergleichende Betrachtung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 2 Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen zum Deutschen Bundestag gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BWahlG Verfassungsmäßigkeit der Regelung und Verwaltungspraxis im Hinblick auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei internationalen Organisationen sowie rechtsvergleichende Betrachtung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 076/15 Abschluss der Arbeit: 15. April 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 5 3. Hintergründe der Fortzugsfrist nach § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG 5 3.1. Entwicklung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche 6 3.2. Aktuelle Beschränkungen und ihre Begründung 8 4. Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG 10 4.1. Allgemeinheit der Wahl 10 4.1.1. Rechtfertigung: Fristenregelung 10 4.1.2. Rechtfertigung: Ausgestaltung der Befristung 13 4.2. Bestimmtheitsgebot 13 5. Verwaltungspraxis 16 6. Wahlrecht von im Ausland lebenden Staatsbürgern anderer EU-Staaten 18 6.1. Dänemark 19 6.2. Frankreich 19 6.3. Großbritannien 19 6.4. Österreich 20 6.5. Schweden 20 6.6. Spanien 20 6.7. Ungarn 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 4 1. Zusammenfassung Die nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Juli 2012 erfolgte Novellierung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche nach § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG, also Staatsbürgern, die am Wahltage nicht im Inland leben, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken . Insbesondere ist in dem Ausschluss der nicht die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG erfüllenden Auslandsdeutschen von der Wahl zum Deutschen Bundestag kein Verstoß gegen die in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Allgemeinheit der Wahl festzustellen. Bei der Ausgestaltung des Wahlrechts steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der gewisse Typisierungen ebenso zulässt wie die Einschränkung des Wahlrechts zur Sicherung der Kommunikationsfunktion der Wahl. Auch genügt die in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG enthaltene Formulierung der „persönlichen und unmittelbaren Vertrautheit und Betroffenheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland“ den Anforderungen an die Bestimmtheit von Gesetzen. Im Hinblick auf die Handhabung der Regelung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche ist mit Blick auf Mitarbeiter internationaler Organisationen, politischer Stiftungen u.ä., die mehr als 25 Jahre ihren Wohnsitz im Ausland haben, derzeit noch keine Verwaltungspraxis feststellbar. Insofern ist eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Verwaltungspraxis mangels tatsächlicher Grundlage nicht möglich. Aus einem Abgleich mit den Rechtsordnungen anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ergibt sich, dass einzig Großbritannien ein dem Wahlrecht für Auslandsdeutsche vergleichbares Regelungsmodell aufweist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 5 2. Einleitung Das Wahlrecht von Auslandsdeutschen ist in § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG1 geregelt. Diese Bestimmung lautet: „§ 12 Wahlrecht […] (2) Wahlberechtigt sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch diejenigen Deutschen im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes, die am Wahltag außerhalb der Bundesrepublik Deutschland leben, sofern sie 1. nach Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt oder 2. aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind. […]“ In der nachfolgenden Darstellung werden zunächst die Entwicklung der Regelungen zur Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen und ihre jeweiligen Begründungen aufgeführt. In einem zweiten Schritt wird die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG und anschließend dessen Vollzugspraxis erörtert. Abschließend wird ein Überblick über das Wahlrecht von Staatsbürgern anderer EU-Mitgliedsstaaten im Ausland gegeben. 3. Hintergründe der Fortzugsfrist nach § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG Zur Untersuchung der Hintergründe einer Fortzugsfrist von 25 Jahren in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BWahlG ist es erforderlich, die Entwicklung des Bundestagswahlrechts für Auslandsdeutsche mit Blick auf den Charakter von Wahlen zu betrachten. Eine Demokratie ist maßgebend abhängig von der Legitimation der Staatsorgane durch das Volk. Diese Legitimation wird unter anderem durch Wahlen bestimmt, die Ausdruck der politischen 1 Bundeswahlgesetz (BWahlG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 23.07.1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2014 (BGBl. I S. 1738). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 6 Willensbildung des Volkes sind, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG2.3 Charakterisierend ist dabei ein Zusammenspiel von Wählern und Gewählten. Um den politischen Willensbildungsprozess zu gewährleisten , bedarf es eines Mindestmaßes an Austausch von Informationen und Meinungen zwischen den Wählern und den von ihnen legitimierten staatlichen Einrichtungen, soll die Demokratie nicht zu einem rein formalen Zurechnungsprinzip werden.4 Die Willensbildung ist damit wesentlich von einem Kommunikationsprozess zwischen den Wählern und dem Parlament geprägt .5 Der Charakter der Wahl wird also maßgeblich durch ihre Kommunikationsfunktion bestimmt .6 3.1. Entwicklung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche Die Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht von Auslandsdeutschen ist seit 1953 in § 12 Abs. 2 BWahlG geregelt. Während die Inlandsbindung (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 BWahlG) im Bundeswahlgesetz seit jeher enthalten war, dehnte der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche in § 12 Abs. 2 BWahlG seit 1953 bis zu der heutigen Fassung schrittweise aus.7 Das Bundeswahlrecht kennt also seit langem Ausnahmen vom Erfordernis der Sesshaftigkeit im Bundesgebiet.8 In der Fassung des Bundeswahlgesetzes von 19539 waren zunächst nur Auslandsdeutsche und ihre Angehörigen wahlberechtigt, die sich als Angehörige des öffentlichen Dienstes auf Anordnung ihrer Dienstherren außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufhielten und daher besonders eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden waren.10 Mit dem Siebten Gesetz zur 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (BGBl. I S. 1) vom 23. Mai 1949 zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2438). 3 BVerfGE 1, 208 (225); Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung, MIP 2013, 5 (5). 4 Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung, MIP 2013, 5 (5); Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (474). 5 BVerfGE 132, 39 (50 f.); Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung, MIP 2013, 5 (5). 6 BVerfGE 132, 39 (53); BT-Drs. 17/11820, S. 3. Weitergehend zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung: Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6). 7 BVerfGE 132, 39 (41). 8 Sachs, Michael, Staatsorganisationsrecht: Allgemeinheit der Wahl – Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen, JuS 2013, 376 (376). 9 BT-Drs. 16/7461. S. 16. 10 Vgl. § 12 Abs. 2 BWahlG a. F. ; hierzu: BVerfGE 132, 39 (41); Schild, Hans-Herrmann, Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen zum Deutschen Bundestag und die Einteilung der Wahlkreise, NJW 1985, 3056 (3056). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 7 Änderung des Bundeswahlgesetzes von 198511 ist diese Ausnahme auf weitere im Ausland lebende Deutsche erweitert worden. Diesen wurde das Recht eingeräumt, sich an Wahlen zum Deutschen Bundestag aktiv zu beteiligen, soweit sie vor ihrem Fortzug aus der Bundesrepublik mindestens drei Monate ununterbrochen im Geltungsbereich des Bundeswahlgesetzes eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben und seit ihrem Fortzug nicht mehr als zehn Jahre vergangen waren. Für in den Mitgliedsstaaten des Europarats lebende Auslandsdeutsche wurde auf diese Fortzugsfrist hingegen verzichtet.12 Hiermit hat der Gesetzgeber also erstmals eine Fortzugsfrist eingeführt. Dabei ging er davon aus, dass die Zehnjahresfrist ein tragfähiges Indiz für die Loslösung Auslandsdeutscher von der Bundesrepublik sei.13 Auslandsdeutsche in Mitgliedsstaaten des Europarats waren von der Befristung ausgenommen, da man aufgrund der engen Verflechtung der Staaten von besseren Informationsmöglichkeiten ausging.14 Mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes von 199815 setzte der Gesetzgeber die Fortzugsfrist für außerhalb der Mitgliedsstaaten des Europarats lebende Deutsche von zehn auf 25 Jahre hoch. Begründet wurde dies mit der verbesserten Kommunikationsmöglichkeit in Bezug auf die Wahl. Danach sei die ursprüngliche Annahme von 1985 im Hinblick auf die technologisch bedingt verbesserte Möglichkeit kommunikativer Teilnahme am politischen Geschehen in der Bundesrepublik nicht länger zu rechtfertigen.16 Auch ein gänzlicher Wegfall der Fortzugsfrist wurde im Gesetzgebungsverfahren diskutiert. Der Gesetzgeber entschied sich jedoch gegen ein unbegrenztes Wahlrecht für Auslandsdeutsche, da dies dem demokratischen Sinn der Wahl nicht entspreche.17 Hintergrund dieser Entscheidung dürfte die Befürchtung gewesen sein, dass die erforderliche Kommunikation bei einem Wahlrecht für Auslandsdeutsche ohne Fortzugsfrist nicht gewährleistet sei. Schließlich gab der Gesetzgeber mit dem Bundeswahlgesetz von 200818 die für außerhalb der Mitgliedsstaaten des Europarats geltende Fortzugsfrist gänzlich auf. Begründet wurde die Aufhebung der Privilegierung der in den Mitgliedsstaaten lebenden Deutschen unter anderem mit der Erweiterung des Europarats von damals 21 auf nunmehr 46 Mitgliedsstaaten. Sei früher noch die geographische Nähe der Mitgliedsstaaten der maßgebende Grund für die Privilegierung gewesen, 11 Gesetz vom 08.03.1985, BGBl. I S. 521. 12 Schild, Hans-Herrmann, Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen zum Deutschen Bundestag und die Einteilung der Wahlkreise, NJW 1985, 3056 (3056). 13 Vgl. BT-Drs. 13/9686, S. 1. 14 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (474). 15 Gesetz vom 20.04.1998, BGBl. I S. 706. 16 BT-Drs. 13/9686, S. 1, 5. 17 BT-Drs. 13/9686, S. 5. 18 Gesetz vom 17.04.2008, BGBl. I S. 394. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 8 könne dieser Grund mit der angewachsenen Zahl der Mitgliedsstaaten nicht mehr aufrechterhalten werden.19 Zudem ermögliche die Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten jedem interessierten Auslandsdeutschen, unabhängig von seinem Aufenthaltsstaat , grundsätzlich, sich über Vorgänge in der Bundesrepublik zu informieren und daran Anteil zu nehmen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts konnte die bisherige Regelung, die ausschließlich einen dreimonatigen Inlandsaufenthalt zu einem beliebigen Zeitpunkt verlangte, die vom Gesetzgeber gewollte, auf eigenen Erfahrungen beruhende Vertrautheit mit den aktuellen politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland nicht gewährleisten.20 Denn Deutsche konnten einerseits das Wahlrecht durch einen Inlandsaufenthalt erwerben, der sehr lange Zeit zurücklag oder zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Betroffene noch nicht die dafür notwendige Einsichtsfähigkeit und Reife erwerben konnte (z.B. unmittelbar nach der Geburt). Andererseits konnten solche Deutsche vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, die zwar nie im Inland gelebt hatten, jedoch typischerweise aufgrund eigener Erfahrungen mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen waren.21 Somit erklärte das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 04. Juli 2012 die Regelung zum Bundestagswahlrecht für Auslandsdeutsche in der Fassung vom 17. April 2008 für mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG unvereinbar und nichtig. 3.2. Aktuelle Beschränkungen und ihre Begründung Dem Bundestag war daher aufgegeben, eine neue, verfassungskonforme Regelung zu treffen, soweit den Auslandsdeutschen weiterhin das aktive Wahlrecht zustehen sollte. Mit dem 21. Gesetz zur Änderung des BWahlG22 traf der Bundestag eine Regelung, mit welcher das aktive Wahlrecht von Auslandsdeutschen beibehalten wurde. § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG unterscheidet nunmehr zwischen solchen Staatsbürgern, welche in den letzten 25 Jahren nach Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres im Inland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben, und solchen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Gemäß Nummer 2 erwerben diejenigen Auslandsdeutschen das Wahlrecht, die nicht die Nummer 1 erfüllen, erst, wenn sie aus anderen – mit Nummer 1 vergleichbaren Gründen – persönlich und unmittelbar mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik vertraut und betroffen sind. Die Voraussetzungen der Vertrautheit und Betroffenheit müssen demnach kumulativ erfüllt sein. Mit diesen Voraussetzungen übernahm der Gesetzgeber das vom 19 BT-Drs. 16/7461. S. 16. 20 BVerfGE 132, 39. 21 BVerfGE 132, 39; umfassend zu diesem Thema: Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, S. 5-22. 22 21. Gesetz zur Änderung des BWahlG vom 27.04.2013, BGBl. I S. 962. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 9 Bundesverfassungsgericht beschriebene Mindestmaß, welches ein Kommunikationsprozess zwischen den Wählern und dem Parlament erfordere.23 Welche Auslandsdeutschen die Voraussetzung der Vertrautheit und Betroffenheit in sich vereinen, ist im Gesetz nicht näher geregelt. Ein Vergleich beider Nummern zeigt, dass Nummer 1 die Voraussetzungen durch eine Typisierung der Vertrautheit und Betroffenheit vorsieht, während Nummer 2 eine einzelfallbezogene Prüfung verlangt. Zudem ist aus dem Wortlaut „aus anderen Gründen“ erkennbar, dass die in Nummern 1 und 2 gewährten Möglichkeiten einer Berechtigung zur Teilnahme an den Bundestagswahlen für Auslandsdeutsche in einem Subsidiaritätsverhältnis zueinander stehen. Dabei ist Nummer 2 gegenüber Nummer 1 als Generalklausel24 subsidiär. Nummer 2 erfasst damit einerseits jene Auslandsdeutschen, bei denen die Voraussetzungen aus Nummer 1 weggefallen sind, da ihr Fortzug mittlerweile mehr als 25 Jahre zurückliegt, und andererseits solche, die die Voraussetzungen bisher nie erfüllt haben.25 Die Ursache hierfür kann z.B. darin begründet sein, dass sie entweder keinen ununterbrochenen dreimonatigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nachweisen können oder dieser vor Vollendung des vierzehnten Lebensjahres abgeschlossen war.26 Auffallend ist, dass die Gesetzesmaterialien zu § 12 Abs. 2 BWahlG n.F. keine Begründung für die Wiedereinführung der Fortzugsfrist von 25 Jahren geben. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Wiedereinführung der Frist der Wiederherstellung der Kommunikationsfunktion diente, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hatte, dass ein ausschließliches Anknüpfen an einen dreimonatigen Aufenthalt/Wohnsitz hierzu nicht ausreiche. Dies kann auch darauf gestützt werden, dass der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Gesetzesmaterialien zur Wahlrechtsänderung im Jahre 1998 Bezug genommen hat.27 Hier hatte der Gesetzgeber die Frist auf 25 Jahre mit folgender Begründung verlängert: Im Hinblick auf die mittlerweile unter anderem durch das Internet existierenden weltweiten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sei eine kürzere Fortzugsfrist nicht gerechtfertigt.28 23 BVerfGE 132, 39 (53). 24 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (469). 25 BT-Drs. 17/11820, S. 5. 26 BT-Drs. 17/11820, S. 5. 27 BT-Drs. 17/11820, S. 5; 17/12174. 28 BT-Drs. 17/11820, S. 5; 17/12174. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 10 4. Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG 4.1. Allgemeinheit der Wahl Mit der Allgemeinheit der Wahl gewährt Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG die Gleichheit beim Zugang zur Wahl.29 Erfasst wird also die Inhaberschaft der Wahlberechtigung, nicht aber die Ausübung des Wahlrechts.30 Auslandsdeutschen wird das Wahlrecht aufgrund ihrer fehlenden Sesshaftigkeit im Bundesgebiet durch § 12 Abs. 1 BWahlG grundsätzlich verwehrt. Dies korrigiert § 12 Abs. 2 S. 1, indem es Auslandsdeutschen unter den dort benannten Voraussetzungen die Wahlberechtigung zuspricht. All jene Auslandsdeutschen, die weder die Voraussetzungen aus Nummer 1 oder Nummer 2 erfüllen, wird das Wahlrecht abgesprochen. § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG differenziert also innerhalb der Gruppe von Auslandsdeutschen. Folglich ist eine Ungleichbehandlung zuungunsten der nicht von § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG erfassten Auslandsdeutschen festzustellen. Die Beeinträchtigung der Allgemeinheit der Wahl kann jedoch durch einen besonderen und verfassungsrechtlich legitimierten Grund, dem mindestens das gleiche Gewicht wie der Allgemeinheit der Wahl zukommen muss, gerechtfertigt werden.31 Hierbei ist zwischen der Frage nach einer grundsätzlichen Zulässigkeit einer Befristung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche (hierzu 4.1.1.) und der Frage nach der konkreten Ausgestaltung der Befristung zu unterscheiden (hierzu 4.1.2.). 4.1.1. Rechtfertigung: Fristenregelung Als Rechtfertigungsgrund kommt die Sicherung der Kommunikationsfunktion der Wahl als Ausprägung des Demokratiegebots (Art. 20 Abs. 1, 2 GG) aus den bereits zu Anfang des vorangegangenen Abschnitts (hierzu 3.) erörterten Gründen in Betracht. Hiergegen wird vorgebracht, dass die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten in der heutigen Zeit bereits so weit fortgeschritten seien, dass bei Auslandsdeutschen nicht mehr von einer erschwerten Teilnahme am öffentlichen Kommunikationsprozess die Rede sein könne.32 Darum handle es sich um einen anachronistischen Rechtfertigungsgrund.33 Nach dieser Ansicht hinge die Teilnahme am Kommunikationsprozess alleine von dem politischen Interesse des Bürgers ab, das grundsätzlich jedem 29 Strelen, Karl-Ludwig, in: Schreiber, Wolfgang, Bundeswahlgesetz Kommentar, 9. Auflage 2013, § 12 Rn. 1; Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (467). 30 Strelen, Karl-Ludwig, in: Schreiber, Wolfgang, Bundeswahlgesetz Kommentar, 9. Auflage 2013, § 12 Rn. 1. 31 BVerfGE 132, 39 (48); Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6). 32 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (474). 33 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (469, 474 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 11 Staatsbürger unterstellt werden müsse.34 Insofern könne die Sicherung der Kommunikationsfunktion der Wahl nicht mehr als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden.35 Nach herrschender Ansicht sei der vorgenannte Grund einer Ungleichbehandlung beim Zugang zur Wahl für Auslandsdeutsche noch immer verfassungsrechtlich legitim und könne grundsätzlich zur Rechtfertigung herangezogen werden.36 Dies liege daran, dass bei bestimmten Personengruppen noch immer davon auszugehen sei, dass die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorgan nicht in hinreichendem Maße bestehe.37 Festzuhalten aber ist, dass aus Gründen der Gewaltenteilung dem Gesetzgeber ein Spielraum zusteht , wie verfassungsrechtlich legitimierte Ziele und der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl in einen Ausgleich gebracht werden.38 Zulässig ist es etwa, wenn der Gesetzgeber bei der Konkretisierung der Wahlberechtigung auf Typisierungen zurückgreift. Auf solche ist der Gesetzgeber zur Vereinfachung der Wahlen als Massenverfahren sogar angewiesen.39 Dies gibt der Verfassunggeber z.B. vor, indem dieser in Art. 38 Abs. 2 GG nur Personen als wahlberechtigt ansieht, die das 18. Lebensjahres vollendet haben.40 Auch darauf steht dem Gesetzgeber die Prognose darüber zu, ob und unter welchen Bedingungen der Kommunikationsprozess zwischen dem Volk und den Staatsorganen hinreichend gesichert und bei welcher Gruppierung deutscher Staatsbürger hiervon nicht ausgegangen werden kann. Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist somit eingeschränkt. Das Gericht prüft nur, ob die Grenzen überschritten sind.41 Dies bejahte es in seiner Entscheidung zu § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG a.F., da der Normzweck offensichtlich nicht erreicht werden konnte (hierzu 3.1.): Ein alleiniges Anknüpfen an einen dreimonatigen Aufenthalt zu einem beliebigen Zeitpunkt sei nicht tauglich, die erforderliche Vertrautheit der Staatsbürger zu den politischen Geschehnissen widerzuspiegeln, und führe zu Ungleichbehandlungen in beide Richtungen:42 Während die alte Regelung einerseits solche Staatsbürger zur Wahl zuließ, die trotz ihres dreimonatigen Aufenthalts eine auf eigenen Erfahrungen beruhende Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik nicht hatten, wurden auf der anderen 34 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (474). 35 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (474). 36 BVerfGE 132, 39 (53); Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6). 37 Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6). 38 BVerfGE 132, 39 (48). 39 Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6). 40 St. Rspr. d. BVerfG: BVerfGE 36, 139 (141 f.); zuletzt BVerfGE 122, 304 (309); Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6); Strelen , Karl-Ludwig, in: Schreiber, Wolfgang, Bundeswahlgesetz Kommentar, 9. Auflage 2013, § 12 Rn. 4 und 9. 41 BVerfGE 132, 39 (48). 42 Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, 5 (6). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 12 Seite solche Auslandsdeutschen von der Wahl ausgeschlossen, die zwar das Erfordernis eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet nicht aufweisen konnten, jedoch durchaus mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik vertraut und von diesen betroffen waren. Aufgrund dieser zum Normzweck im Widerspruch stehenden Konsequenz hielt das Bundesverfassungsgericht die Regelung für nichtig. Es gilt also zu prüfen, ob § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG n.F. – gemessen an diesen soeben aufgestellten Maßstäben – Bestand haben kann. Hierbei müssen die Nummern 1 und 2 des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG gemeinsam betrachtet werden, da sie unmittelbar zusammenhängen und sich gegenseitig bedingen. Fraglich ist also, ob der Gesetzgeber mit der Neuregelung das Mindestmaß an Inlandsbindung entsprechend dem Normzweck konsequent durchhält. Mit der Novellierung der Nummer 1 werden durch die 25-jährige Fortzugsfrist diejenigen Auslandsdeutschen ausgeschlossen, die typischerweise nicht mehr die hinreichende Vertrautheit und Betroffenheit aufweisen. Hiermit hat der Gesetzgeber im Vergleich zu der Regelung aus 2008 eine zusätzliche Einschränkung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche eingeführt. Eine solche Typisierung steht dem Gesetzgeber jedoch frei und überschreitet auch nicht die Grenzen des ihm zustehenden Spielraums. Schließlich kommt der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts nach, dass ohne eine Fortzugsfrist auch diejenigen Auslandsdeutschen wahlberechtigt wären, die keine Vertrautheit vorweisen können. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten Entscheidung zum Wahlrecht neben einer Altersgrenze auch eine solche Fortzugsfrist gefordert.43 Wie die Fortzugsfrist und die Altersgrenze ausgestaltet sind, ist weitestgehend dem Gesetzgeber überlassen.44 Nicht von Nummer 1 werden jedoch diejenigen Auslandsdeutschen erfasst, die die darin aufgestellten Anforderungen nicht erfüllen, aber mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik vertraut sind. Diese Regelung alleine kann den bereits benannten Widerspruch nicht lösen und würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung einer Gruppe von Auslandsdeutschen führen. Diese Bedenken hat der Bundesgesetzgeber allerdings mit der Einführung der Nummer 2 ausgeräumt: Hiernach werden nun auch Auslandsdeutsche erfasst, die sich zu keinem Zeitpunkt in der Bundesrepublik aufgehalten haben, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung ergibt, dass sie die erforderliche Vertrautheit und Betroffenheit aufweisen. Hiermit hat der Gesetzgeber also eine zusätzliche Möglichkeit der Wahlberechtigung geschaffen, die zwar nicht mehr als Typisierung bezeichnet werden kann, allerdings aufgrund ihres individualisierenden Charakters gegenüber einer Typisierung erst recht Verfassungsmäßigkeit für sich beanspruchen kann.45 Es ließe sich nun noch daran denken, dass die zusätzliche Beschwer der Auslandsdeutschen nach Nummer 2 nicht zu rechtfertigen wäre, da 43 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (469). 44 Kritisch zur 14-jährigen Altersgrenze, da diese im Widerspruch zu der Volljährigkeitsgrenze nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG stehe: Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (470 f.). 45 A.A.: Sacksofsky, Ute, Innenausschuss Wortprotokoll, Protokoll Nr. 17/89, 14. Januar 2013, S. 67, abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=2923&id=1223, zuletzt abgerufen am 27.03.2015 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 13 nur diese eine Nachweispflicht zu ihrer persönlichen Vertrautheit und Betroffenheit haben.46 Eine solche Nachweispflicht dürfte aber als zumutbar anzusehen sein. Der Gesetzgeber hat mit der Befristung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche somit nicht die Grenzen einer möglichen Ausgestaltung des Wahlgesetzes überschritten und hat zudem den in der früheren Regelung bestehenden Widerspruch aufgehoben. Die Einschätzung des Gesetzgebers , dass mit zunehmender Verweildauer im Ausland die Teilnahme am Kommunikationsprozess in der Bundesrepublik Deutschland für Auslandsdeutsche trotz der rein technischen Möglichkeit , sich über das Geschehen zu informieren, im Gegensatz zu den Inlandsdeutschen immer weiter abnimmt, ist nachvollziehbar und lässt eine Typisierung mittels einer Fristenregelung zu.47 4.1.2. Rechtfertigung: Ausgestaltung der Befristung Auch die Dauer der Befristung begegnet angesichts des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers keinen Bedenken. Zwar wurde schon die 25-Jahres-Frist in der Fassung des BWahlG von 1998 als wenig sachgerecht kritisiert.48 Allerdings macht die Entscheidung über die Frage, nach welcher Zeitspanne von einer fehlenden Vertrautheit der Auslandsdeutschen mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland auszugehen ist, eine Prognose- und Wertentscheidung des Gesetzgebers erforderlich, für die sich konkrete Aussagen der Verfassung nicht entnehmen lassen und daher dem Gesetzgeber zur Ausgestaltung überlassen werden muss.49 Somit kommt § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG insgesamt den Anforderungen der Allgemeinheit der Wahl nach. Ob allerdings der Inhalt der Nummer 2 hinreichend konkret gefasst ist, ist eine Frage der Bestimmtheit, die von der Frage nach einem Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG zu abstrahieren ist. 4.2. Bestimmtheitsgebot Nach dem aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten abzuleitenden Bestimmtheitsgebot müssen Gesetze, welche Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte beschränken, hinreichend konkrete Maßgaben für das Verwaltungshandeln aufstellen, um dieses nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen, den Bürgern Klarheit über mögliche belastende Maßnahmen zu verschaffen und eine gerichtliche Kontrolle anhand eindeutiger Maßstäbe zu ermöglichen.50 Unter Beachtung 46 In diese Richtung: Sengenberger, Werner, Das Wahlrecht für Auslandsdeutsche: Notwendigkeit und Chancen einer Reform, Wahlrecht-VDBIO, 12.05.2014 (aktualisiert am 01.12.2014), S. 6. 47 Breuer, Marten, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen, zugl. Diss. Jur. Universität Würzburg, 1. Auflage 2001, S. 239. 48 Zum Streit unter der Fassung des § 12 a.F. vgl. Breuer, Marten, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen, zugl. Diss. Jur. Universität Würzburg, 1. Auflage 2001, S. 239 f. 49 Breuer, Marten, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen, zugl. Diss. Jur. Universität Würzburg, 1. Auflage 2001, S. 239. 50 BVerfGE 113, 348 (375 ff.); zuletzt BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013, 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08, Rn. 126; Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (471). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 14 dieser Grundsätze ist es dem Gesetzgeber aber nicht verwehrt, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden , deren nähere Konkretisierung dann der Rechtsprechung obliegt.51 Fraglich ist, ob die Formulierung aus § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG diesen Anforderungen genügt. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die wesentliche Bedeutung des Wahlrechts für eine Demokratie.52 Darum sind an Einschränkungen der Allgemeinheit der Wahl strenge Anforderungen zu stellen.53 In der Literatur wird problematisiert, dass durch die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen die Entscheidung über die Wahlberechtigung in großem Umfang auf die Exekutive verlagert wird, obwohl die Entscheidung darüber aufgrund der Bedeutung des Wahlrechts von dem Gesetzgeber selbst getroffen werden müsse.54 Gleichzeitig bestehen für die Bestimmtheit einer Norm aber auch Grenzen. Solche zeigen sich besonders bei Regelungsgegenständen, die aufgrund einer Vielschichtigkeit von Lebenssachverhalten eine präzise Formulierung in vollem Umfang und in jeder Einzelheit nicht zulassen.55 In einem solchen Fall steht dem Gesetzgeber nur die Möglichkeit offen, den Regelungskomplex durch unbestimmte Rechtsbegriffe zu regeln .56 Auch die Vertrautheit und Betroffenheit eines Staatsbürgers mit den politischen Verhältnissen kann nicht allgemeingültig beschrieben werden, sondern hängt vom Einzelfall ab.57 Zudem gilt es zu bedenken, dass der Gesetzgeber mit der Wendung „aus anderen Gründen“ die Intensität der Vertrautheit vorgibt. Schließlich muss nach dieser Gesetzessystematik die Vertrautheit und Betroffenheit mindestens ebenso intensiv gegeben sein, wie dies bei den von Nummer 1 typischerweise erfassten Auslandsdeutschen der Fall ist. Letztlich gilt es auch zu bedenken, dass den Gesetzesanwendern mit den in der Gesetzesbegründung58 aufgezählten Beispielen eine Leitlinie vorgegeben wird, nach welchen Kriterien sich die Vertrautheit und Be- 51 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (472). 52 BVerfGE 42, 312 (340); zuletzt BVerfGE 132, 39 (47); Strelen, Karl-Ludwig, in: Schreiber, Wolfgang, Bundeswahlgesetz Kommentar, 9. Auflage 2013, § 12 Rn. 1. 53 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (472). 54 Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (472); ebenso kritisch : Strelen, Karl-Ludwig, in: Schreiber, Wolfgang, Bundeswahlgesetz Kommentar, 9. Auflage 2013, § 12 Rn. 26. 55 Schnapp, Friedrich, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 20 Rn. 39; Sommermann, Karl-Peter, in: v. Mangoldt, Herrmann/Klein, Friedrich/Starck, Christian, Grundgesetz Kommentar , Band 2, 6. Auflage 2010, Art. 20 Rn. 289. 56 Schnapp, Friedrich, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 20 Rn. 39 Sommermann, Karl-Peter, in: v. Mangoldt, Herrmann/Klein, Friedrich/Starck, Christian, Grundgesetz Kommentar , Band 2, 6. Auflage 2010, Art. 20 Rn. 289. 57 Vgl. Sacksofsky, Ute, Innenausschuss Wortprotokoll, Protokoll Nr. 17/89, 14. Januar 2013, S. 68, abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=2923&id=1223, zuletzt abgerufen am 27.03.2015; ebenfalls von einer kaum zu lösenden Aufgabe der Definition des Begriffes „Vertrautheit“ sprechen sich aus: Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung, MIP 2013, 5 (11). 58 BT-Drs. 17/11820, S. 5 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 15 troffenheit richten können. Hierbei müssen die für eine Wahlberechtigung sprechenden „anderen Gründe“ aus Nummer 2 mit dem aus Nummer 1 vergleichbar sein.59 Der Gesetzgeber hält dies bei folgenden Auslandsdeutschen für gegeben: „u.a. Ortskräfte mit deutscher Staatsangehörigkeit an deutschen Auslandsvertretungen, deutsche Mitarbeiter an Goetheinstituten, an den deutschen geisteswissenschaftlichen Instituten im Ausland, an deutschen Auslandsschulen, bei den Auslandsbüros der politischen Stiftungen, der deutschen Entwicklungszusammenarbeit oder der Außenhandelskammern sowie Korrespondenten deutscher Medien.“60 Eine weitere – bereits im Urteil des Bundesverfassungsgerichts genannte – Fallgruppe können nach der Gesetzesbegründung folgende Personen umfassen: „Grenzpendler, die ihren Wohnsitz zwar im Ausland, zumindest nahe der Bundesgrenze haben, ihre Arbeits- oder Dienstleistungen aber regelmäßig im Inland erbringen.“ Die Gesetzesbegründung nimmt außerdem auf die vom Bundesverfassungsgericht61 genannte Gruppe derjenigen Auslandsdeutschen Bezug, „die durch ein Engagement in Verbänden, Parteien und sonstigen Organisationen in erheblichem Umfang am politischen und gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen.“ Zwar ist diese nicht abschließende Aufzählung – entgegen dem teilweise vermittelten Eindruck62 – nicht gesetzlich übernommen worden. Die oben aufgeführten Beispiele sind somit nicht rechtsverbindlich . Jedoch kann die beispielhafte63 Nennung bestimmter Gruppen Auslandsdeutscher bei der Anwendung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG zur Auslegung herangezogen werden. 59 BT-Drs. 17/11820, S. 5. 60 BT-Drs. 17/11820, S. 5. 61 BVerfGE 132, 39 (49 f.). 62 So erweckt z.B. folgender Beitrag den Eindruck, die vom Bundesverfassungsgericht genannten und in die Gesetzesbegründung übernommenen Beispiele seien gesetzlich niedergelegt: Sengenberger, Werner, Das Wahlrecht für Auslandsdeutsche: Notwendigkeit und Chancen einer Reform, Wahlrecht-VDBIO, 12.05.2014 (aktualisiert am 01.12.2014), S. 2, 7 f. 63 Anwendungshinweise des Bundesministerium des Innern, abrufbar unter: http://www.bundeswahlleiter .de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/auslandsdeutsche/download/AnwendHinweise _P12Abs2Nr2_BWG.pdf, zuletzt abgerufen am 26.03.2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 16 Angesichts der vorangegangenen Überlegungen dürfte § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes genügen.64 5. Verwaltungspraxis Nachfolgend wird die Handhabung der Wahlberechtigung von Mitarbeitern internationaler Organisationen , politischer Stiftungen u.ä. im Hinblick auf die Anwendung von § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG dargestellt. Zuständig für die Eintragung in die Wählerverzeichnisse sind die Gemeinden. Diese überprüfen auch die Voraussetzungen der Wahlberechtigung für Auslandsdeutsche (§§ 14 Abs. 1, 16 Abs. 7 BWO65). Für Auslandsdeutsche ist das Verfahren im Merkblatt aus Anlage 2 zur BWO66 zusammengefasst : – Auslandsdeutsche werden nur auf förmlichen Antrag und nur nach Abgabe einer Versicherung an Eides statt in ein Wählerverzeichnis eingetragen (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 BWO). – Die zuständige Gemeindebehörde ist die Gemeindebehörde der letzten – gemeldeten – Hauptwohnung in der Bundesrepublik Deutschland; für Deutsche, die nie in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet waren, die Behörde der Gemeinde, mit der sie im Sinne des § 12 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 des BWahlG am engsten verbunden sind (§ 17 Abs. 2 Nr. 5 BWO). – In Fällen eines Antrags nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG ist zu begründen, wodurch und in welcher Weise der Antragsteller/die Antragstellerin eine persönliche und unmittelbare (aufgrund eigener Erfahrung) Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben hat und inwieweit eine gegenwärtige Betroffenheit vorliegt. Nach Auskunft des Büros des Bundeswahlleiters hat sich noch keine Verwaltungspraxis hinsichtlich der Handhabung der Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen – mithin auch nicht von Mitarbeitern internationaler Organisationen o.ä. – herausgebildet.67 Schließlich fand die Regelung des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG bislang nur zu der Bundestagswahl 2013 Anwendung. Eine grundsätzliche Aussage zu der Vorgehensweise in den Gemeinden kann auch deshalb nicht erfolgen , weil die notwendige Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik 64 Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in den Stellungnahmen der Sachverständigen Grzeszick, Lang, Meyer, Schorkopf bestätigt worden: Öffentliche Anhörung des Innenausschusses zur Wahlrechtsreform, 04.01.2013, Stellungnahmen abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag .de/cgi/show.php?fileToLoad=2923&id=1223, zuletzt abgerufen am 27.03.2015; a.A.: Felten, Zur Verfassungswidrigkeit des neuen Wahlrechts für Auslandsdeutsche, DÖV 2013, 466 (469, 471ff.); Sacksofsky, Ute, Innenausschuss Wortprotokoll, Protokoll Nr. 17/89, 14. Januar 2013, S. 68, abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag .de/cgi/show.php?fileToLoad=2923&id=1223, zuletzt abgerufen am 27.03.2015. 65 Bundeswahlordnung (BWO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.04.2002 (BGBl. I S. 1376), zuletzt geändert durch Artikel 1 Zehnte ÄndVO 13.05.2013 (BGBl. I S. 1255). 66 Anlage 2 zur Bundeswahlordnung: Merkblatt zu dem Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis und zu der Versicherung an Eides statt. 67 Auskünfte des Büros des Bundeswahlleiters vom 26. und 30. März 2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 17 Deutschland in jedem Einzelfall einer individuellen Prüfung der Antragsbegründung unterliegt.68 Das Bundesministerium des Innern hat lediglich Anwendungshinweise69 herausgegeben. Diese erläutern § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG, greifen die Beispiele aus der Gesetzesbegründung teilweise auf und erweitern diese, ohne allerdings den Fall der Mitarbeiter internationaler Organisationen o.ä. aufzugreifen. Auch lassen statistische Erhebungen keinen Rückschluss auf die Verwaltungspraxis zu. Gesichert sind lediglich folgende Zahlen: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts der Europäischen Union (Eurostat) lebten im Jahr 2010 etwa 1,14 Millionen Deutsche im europäischen Ausland .70 Einer OECD-Studie aus dem Jahr 2005 zufolge lebten zum Erhebungszeitpunkt circa 3 Millionen deutsche Staatsangehörige im Ausland.71 Auch ist bekannt, dass für die Bundestagswahl 2013 insgesamt 67 057, davon 64 902 nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des BWahlG und 2 155 nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BWahlG in ein Wählerverzeichnis eingetragen worden sind. Hieraus lassen sich allerdings keine Rückschlüsse auf die Anzahl der zur Bundestagswahl 2013 als Mitarbeiter internationaler Organisationen o.ä. tätig gewesenen Auslandsdeutschen ziehen. Schließlich gibt es keine Auswertung über den tatsächlichen Erfolg von Anträgen gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG nach Status/Berufsgruppen.72 Dies ist auch nicht möglich, da eine solche Angabe für Auslandsdeutsche nicht gesetzlich vorgesehen ist und sich daher auch nicht in dem maßgeblichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis findet. Ebenso wenig sind verlässliche Zahlen darüber bekannt, wie viele Auslandsdeutsche für die Bundestagswahl 2013 einen Antrag gestellt haben.73 Die Bundesregierung veröffentlichte lediglich die ihr vorliegenden Angaben aus den Ländern. Danach seien etwa 1 000 Fälle bekannt, in denen Anträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BWahlG abgelehnt worden sind und etwa 500 Fälle, in denen die Ablehnung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BWahlG erfolgte. Aufgrund dieser mangelnden gesicherten Tatsachengrundlage ist eine verfassungsrechtliche Prüfung zu der Frage der Handhabung des § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG in der Verwaltungspraxis nicht möglich. Allerdings ist festzuhalten, dass eine Ablehnung eines Wahlantrags nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG aus dem alleinigem Grund, dass seit dem letzten Inlandsaufenthalt mehr als 25 Jahre vergangen sind, gegen § 12 Abs. 2 S. 1 BWahlG verstieße. Schließlich hat der Gesetzgeber die Nummer 2 gerade für die Fälle geschaffen, in denen die Voraussetzungen aus Nummer 1 nicht vorliegen. Würden nun Anträge allein aufgrund einer „Verfristung“ einer in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 68 Auskünfte des Büros des Bundeswahlleiters vom 26. und 30. März 2015. 69 Abrufbar unter: http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/auslandsdeutsche /download/AnwendHinweise_P12Abs2Nr2_BWG.pdf, zuletzt abgerufen am 14.04.2015. 70 BVerfGE 132, 39 (43). 71 Morlok, Martin/Bäcker, Alexandra, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung, MIP 2013, 5 (9). 72 Auskunft des Büros des Bundeswahlleiters vom 26. sowie 30. März 2015. 73 BT-Drs. 18/386, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 18 BWahlG nicht vorgesehenen 25 Jahres-Grenze abgelehnt, liefe Nummer 2 praktisch leer. Eine solche Verwaltungspraxis verstieße somit gegen die Systematik und den Zweck der Nummer 2. Folglich wäre ein entsprechendes Verwaltungshandeln rechtswidrig. Eine Ablehnung nach Nummer 2 ist bei einem länger als 25 Jahre zurückliegenden Fortzug möglich , wenn keine zusätzlichen Gründe die persönliche Vertrautheit und Betroffenheit stützen. Die Anforderungen an die Gründe sind dabei umso geringer, je kürzer die Fortzugsfrist überschritten wurde. Entsprechend höhere Anforderungen sind an die persönliche Vertrautheit und Betroffenheit zu stellen, je weiter der Fortzug die 25-jährige Frist übersteigt. Dies greifen auch die Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern auf: Hiernach kommt die persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit sowie Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland typischerweise in Betracht, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BWahlG teilweise, aber nicht vollständig erfüllt sind.74 Ist beispielsweise ein deutscher Staatsbürger vor 26 Jahren aus Deutschland fortgezogen und hat dieser durch jeweils weniger als 3 Monate dauernde Deutschlandbesuche den Bezug zu Deutschland aufrechterhalten , liegt nach den Anwendungshinweisen die Annahme eines Falls von Nummer 2 nahe, da die Nähe des Sachverhalts zum Fall der unwiderleglichen Vermutung aus Nummer 1 auf der Hand liegt.75 6. Wahlrecht von im Ausland lebenden Staatsbürgern anderer EU-Staaten Zum Schluss soll ein Überblick über das Wahlrecht von im Ausland lebenden Staatsbürgern anderer EU-Staaten gegeben werden. Die nachfolgend dargestellten Erkenntnisse ergeben sich aus einer Abfrage 76. Die Auswahl der hier dargestellten Mitgliedstaaten orientiert sich an einzelnen 74 Abrufbar unter: http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/auslandsdeutsche /download/AnwendHinweise_P12Abs2Nr2_BWG.pdf, zuletzt abgerufen am 13.04.2015. 75 Abrufbar unter: http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/auslandsdeutsche /download/AnwendHinweise_P12Abs2Nr2_BWG.pdf, zuletzt abgerufen am 13.04.2015. 76 , Wahlrechtsausübung durch im Ausland lebende Wahlberechtigte, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3-3000-06/15), S. 6 ff.; . Zur Ergänzung der Antworten durch die Mitgliedsstaaten wurden folgende Quellen genutzt: - - Bauer, Wahlsysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung, April 2014; - International Institute for Democracy and Electoral Assistance, Voting from Abroad: The International IDEA Handbook, Stockholm, 2007, abrufbar unter: http://www.idea.int/publications/voting_from_abroad/ (zuletzt abgerufen am 25. Februar 2015); - Costa Lobo, Marina, Portugal (Case Study): extended voting rights and decreasing participation, in: Voting from Abroad: The International IDEA Handbook, 2007, S. 83 ff.; Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 19 unmittelbaren Nachbarstaaten sowie dem Ziel, möglichst unterschiedliche Regelung zum Umgang mit dem Wahlrecht der jeweiligen Auslandsstaatsangehörigen darzustellen. Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche abgefragte EU-Staaten – mit Ausnahme Tschechiens und Griechenlands – ein Wahlrecht für im Ausland lebende Staatsbürger unter unterschiedlichen Voraussetzungen bereithalten. Im Übrigen weist einzig Großbritannien ein dem Wahlrecht für in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbares Regelungsmodell auf. 6.1. Dänemark In Dänemark ist das Wahlrecht für Auslandsdänen zunächst an die Vollendung des 18. Lebensjahres gebunden. Im Übrigen sind sie wahlberechtigt, wenn ihr Auslandsaufenthalt einem bestimmten Zweck dient. Hierzu zählen: Beschäftigung beim dänischem Staat, dänischer Behörde, dänischer Hilfsorganisation, Internationaler Organisation, sofern Dänemark dort Mitglied ist, Privatunternehmen oder Verband; Ausbildung; Gesundheit; gleichwertige Fälle. Auslandsdänen, die mit einer Person zusammenleben und verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, die sich zu einem dieser Zwecke im Ausland aufhält, sind ebenso wahlberechtigt . Ist ein solcher Zweck nicht gegeben, ist die Wahlberechtigung zu bejahen, sofern die Rückkehr nach Dänemark innerhalb von 2 Jahren nach Abreise beabsichtigt ist. Es muss zudem alle 2 Jahre ein Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis gestellt werden. 6.2. Frankreich Ebenfalls wahlberechtigt sind Auslandsfranzosen sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben und die französische Staatsbürgerschaft innehaben. Zudem müssen sie im Besitz der bürgerlichen und politischen Rechte sein und dürfen nicht nach dem Gesetz geschäftsunfähig sein. Die Eintragung ins Wählerverzeichnis geschieht mit Erfüllung der zuvor genannten Merkmale automatisch . Im Übrigen besteht die Möglichkeit, sich direkt an die französische Botschaft oder eine konsularische Vertretung Frankreichs zu wenden, um in das entsprechende Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden. Weitere Beschränkungen bestehen nicht. 6.3. Großbritannien Ebenso müssen Auslandsbriten in das Wählerverzeichnis eingetragen sein. Dies geschieht, sofern der Auslandsbrite (oder dessen Eltern, sofern der Auslandsbrite bei Ausreise das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte) in der Vergangenheit in Großbritannien als Wähler registriert war oder die Registrierung beantragt hatte und noch keine 15 Jahre seit der Ausreise vergangen sind. Innerhalb der ersten 15 Jahre nach Abreise bekommen wahlberechtigte Auslandsbriten von den inländischen Wahlbüros ihres alten Wahlkreises jährlich ein Formular zur Bestätigung der Registrierung zugesendet. Für Streitkräfte, im Dienst der Königin stehende Personen, staatliche An- - Niederländische Wahlkommission, Electoral register for Dutch voters abroad, 2013, abrufbar unter: https://www.kiesraad.nl/en/news/electoral-register-dutch-voters-abroad (zuletzt abgerufen am 25. Februar 2015); - Pieters/Jacobs, Electronic Voting in the Netherlands: From Early Adoption to Early Abolishment, Berlin, 2009. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 076/15 Seite 20 gestellte und deren Ehepartner bestehen hiervon abweichende Reglungen. Im Übrigen gibt es neben der allgemeinen Voraussetzung der Vollendung des 18. Lebensjahres keine weiteren Beschränkungen . 6.4. Österreich Auslandsösterreicher haben, sofern sie das 16. Lebensjahr vollendet haben, die Möglichkeit, einen Antrag auf Eintragung bzw. Verbleib in eine sogenannte Wählerevidenz einer Gemeinde zu stellen. Die Eintragung erfolgt zunächst für die Dauer von 10 Jahren automatisch. Danach ist ein Antrag erforderlich. 6.5. Schweden Eine ähnliche Regelung sieht Schweden vor: Auslandsschweden müssen in das Wählerverzeichnis eingetragen sein. Innerhalb der ersten 10 Jahre nach Ausreise erfolgt die Eintragung automatisch . Nach diesem Zeitraum erfolgt sie nur, sofern der Auslandsschwede den Behörden seine Adresse mitteilt. Sofern eine Stimme von einem nicht registrierten Wähler spätestens einen Tag vor der Wahl bei der Wahlbehörde eintrifft, wird die Stimme gezählt und der Absender der Stimme in das Wählerverzeichnis eingetragen. 6.6. Spanien Auslandsspanier mit festem Wohnsitz im Ausland, die im Auslandswählerverzeichnis eingetragen sind, können an Parlamentswahlen teilnehmen. Zur Wahlrechtsausübung ist binnen 25 Tagen nach Bekanntmachung des Wahltages ein Antrag an die regionale Außenstelle der Wahlverzeichnisbehörde erforderlich. 6.7. Ungarn Auslandsungarn ohne festen Wohnsitz im Inland können an nationalen Listenwahlen, nicht jedoch an direkten Kandidatenwahlen teilnehmen. Die Eintragung in das Wählerverzeichnis ist erforderlich . Spätestens 15 Tage vor dem Wahltag muss Briefwahl beantragt werden. Die Registrierung im Wählerverzeichnis erfolgt zunächst für 10 Jahre. Sofern der Wähler während dieses Zeitraums aktiv war, d.h. bei einer Wahl teilgenommen hat, eine Änderung von Daten mitgeteilt hat oder die Verlängerung der Registrierung beantragt hat, wird dieser Zeitraum jedoch zurückgesetzt und beginnt von Neuem zu laufen. Andernfalls wird der Auslandswähler aus dem Wählerverzeichnis entfernt.