© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 073/21 Unterschriftenerfordernis nach § 34 Abs. 2 S. 1 Bundeswahlordnung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Auch wurde gefragt , ob dem Vorstand des Landesverbandes ein Prüfungsrecht über die Kreiswahlvorschläge zusteht und wieweit dies gegebenenfalls reicht. Zudem wurde nach dem Vorgehen im Falle einer Nichteinreichung des Kreiswahlvorschlages durch eine Verweigerung der Unterschrift durch den Landesvorstand gefragt. 2. Unterschriften durch den Landesvorstand Als Bewerber einer Partei kann in einem Kreiswahlvorschlag nur benannt werden, wer in einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder in einer besonderen oder allgemeinen Vertreterversammlung hierzu gewählt worden ist, § 21 Abs. 1 S. 1 Bundeswahlgesetz (BWahlG)2. Kreiswahlvorschläge sind dem Kreiswahlleiter, Landeslisten dem Landeswahlleiter spätestens am neunundsechzigsten Tage vor der Wahl bis 18 Uhr schriftlich einzureichen, § 19 BWahlG. Das Unterschriftenerfordernis von mindestens drei Mitgliedern des zuständigen Landesvorstands nach § 20 Abs. 2 BWahlG i.V.m. § 34 Abs. 2 BWO dient der Sicherstellung der wirksamen Einreichung des Kreiswahlvorschlages einer Partei beim Kreiswahlleiter.3 Durch die Unterzeichnung des Kreiswahlvorschlages durch den Landesvorstand soll zudem die Einreichung mehrerer Wahlvorschläge durch verschiedene Organisationen oder Gruppen derselben Partei verhindert werden.4 § 11 Abs. 3 S. 1 Parteiengesetz (PartG)5 weist dem Vorstand eine Leitungs- und Geschäftsführungsfunktion zu, die nach Maßgabe der Beschlüsse der übergeordneten Organe wahrzunehmen ist. Die Beschlüsse der Mitglieder- oder Vertreterversammlungen sind für den Vorstand bindend.6 Der Landesvorstand hat, auch wenn er mit einer Nominierung nicht einverstanden ist, von sich aus kein Recht, die Einreichung eines endgültig beschlossenen Kreiswahlvorschlages beim Kreiswahlleiter zu verweigern.7 1 Bundeswahlordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 2002 (BGBl. I S. 1376), zuletzt geändert durch Artikel 10 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 2 Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. November 2020 (BGBl. I S. 2395). 3 Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Auflage, § 20 Rn. 5. 4 Seifert, Bundeswahlgesetz, Kommentar, 3. Auflage 1976, § 20 BWG S. 177. 5 Parteiengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), zuletzt geändert durch Artikel 13 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 6 Ipsen, in: derselbe, ParteienG, Kommentar, § 11 Rn. 22. 7 Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Auflage, § 21 Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 073/21 Seite 4 3. Einspruchsrecht durch den Landesvorstand Gegen den Beschluss einer Mitglieder- oder Vertreterversammlung können der Vorstand des Landesverbandes oder, wenn Landesverbände nicht bestehen, die Vorstände der nächstniedrigen Gebietsverbände, in deren Bereich der Wahlkreis liegt, oder eine andere in der Parteisatzung hierfür vorgesehene Stelle Einspruch erheben, § 21 Abs. 4 S. 1 BWahlG. Der Einspruch kann mit formalen Mängeln des Aufstellungsverfahrens, aber auch mit einer möglichen Ungeeignetheit des Kandidaten erhoben werden.8 Der Einspruch ist an keine Form oder Frist gebunden. Daher bedarf er keiner schriftlichen Begründung . Der Einspruch hat lediglich suspensiven Charakter.9 § 21 Abs. 4 S. 2 BWahlG sieht vor, dass auf einen solchen Einspruch die Abstimmung zu wiederholen ist. Ihr Ergebnis ist endgültig, § 21 Abs. 4 S. 3 BWahlG. Dies gilt auch, wenn derselbe Bewerber wieder gewählt wird. Diese „Endgültigkeit “ bezieht sich jedoch nur auf das Einspruchsrecht des Landesvorstandes. Weitere Initiativen, z.B. durch den Kreisvorstand und die dortigen Parteimitglieder, sind möglich.10 4. Rechtsfolgen einer Nichteinreichung des Kreiswahlvorschlages Reicht der Landesvorstand den Wahlvorschlag nicht ein, hat das wahlrechtlich keine Folgen. Jedoch können im Wahlkreis zum Bundestag wahlberechtigte Parteimitglieder ggf. die Verpflichtung zur Einreichung des Wahlvorschlages durch Klage vor den ordentlichen Gerichten oder einstweilige Verfügung nach § 935 ZPO erzwingen. Auch der als Kandidat Gewählte hat einen Rechtsanspruch gegenüber dem Landesvorstand auf Einreichung seiner Bewerbung, sofern er zu dem Personenkreis des § 21 Abs. 1 BWahlG gehört und damit „Beeinträchtigter“ ist.11 *** 8 Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Auflage, § 21 Rn. 35. 9 Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Auflage, § 21 Rn. 36. 10 Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Auflage, § 21 Rn. 36. 11 Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Auflage, § 21 Rn. 38.