© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 073/17 Fragen zur Freistellung von Bundesbeamten von dienstlichen Tätigkeiten für die Gewerkschaftsarbeit Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Fragestellung In den vergangenen Wochen gab es mehrere Presseberichte über einen Beamten der Polizei in Nordrhein-Westfalen, der, ohne Mitglied des Personalrates gewesen zu sein, mehrere Jahre unter Fortzahlung der Besoldung „faktisch“ vom Dienst als Polizeibeamter „freigestellt“ worden sei, um seiner Tätigkeit als Vorsitzender einer Gewerkschaft nachgehen zu können.1 Vor diesem Hintergrund wurde gefragt, ob die dauerhafte vollständige Freistellung von dienstlichen Tätigkeiten unter Fortzahlung der Bezüge für Gewerkschaftsfunktionäre, die nicht Mitglied des Personalrates seien, analog zur Freistellung von Personalräten rechtlich zulässig sei. Zudem wurde um Auskunft gebeten, ob eine Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge ohne entsprechende Rechtsgrundlage den Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch (StGB) erfülle. Vorliegend wird die Rechtslage nach den bundesbeamtenrechtlichen Vorschriften erläutert. Das Dienstrecht der Landesbeamten wird von den einzelnen Bundesländern geregelt und kann von den bundesgesetzlichen Bestimmungen abweichen. 2. Mögliche Rechtsgrundlagen für die Freistellung von dienstlichen Tätigkeiten für gewerkschaftliche Zwecke 2.1. Freistellung analog den Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes Fraglich ist, ob Bundesbeamte, die nicht Mitglied im Personalrat sind, analog den Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) von ihrer dienstlichen Tätigkeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt werden können. Gemäß § 46 Abs. 3 S. 1 BPersVG sind Mitglieder des Personalrates von ihrer dienstlichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit es nach Umfang und Art der Dienststelle zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Personalrat entscheidet durch Beschluss, welche seiner Mitglieder der Dienststelle zur Freistellung vorgeschlagen werden sollen, um Personalratsaufgaben wahrzunehmen, vgl. § 46 Abs. 3 S. 2 BPersVG. Erst durch die Entscheidung des Dienststellenleiters werden die betreffenden Personalratsmitglieder von ihren Dienst- oder Arbeitspflichten befreit.2 Bei der Auswahl hat der Personalrat zunächst die Vorstandsmitglieder und dann die Ergänzungsmitglieder des Vorstands zu berücksichtigen, § 46 Abs. 3 S. 2 bis 5 BPersVG. § 46 Abs. 4 BPersVG legt die Anzahl der in der Regel freizustellenden Personalratsmitglieder fest, abhängig von der Anzahl der Beschäftigten der entsprechende Dienststelle. Im Einvernehmen zwischen Personalrat und Dienststellenleiter kann von der Anzahl der in der Regel freizustellenden Personalratsmitglieder abgewichen werden. 1 Z.B. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wundersame Sold-Fortzahlung, 19. März 2017. 2 Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012, BPersVG § 46, Rn. 55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 073/17 Seite 4 Die Frage, ob und wenn ja, inwieweit Beamte, die nicht im Personalrat vertreten sind, analog § 46 BPersVG für die Gewerkschaftsarbeit von ihren dienstlichen Tätigkeiten freigestellt werden können, wurde, soweit ersichtlich, bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erörtert. Voraussetzungen für die analoge Anwendbarkeit einer Norm sind grundsätzlich, dass zum einen der zu beurteilende Sachverhalt mit einem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand im Hinblick auf die Interessensituation so vergleichbar ist, dass die Erstreckung der in der Norm vorgesehenen Rechtsfolge in Anbetracht des Regelungszwecks und -plans des Gesetzgebers geboten erscheint. Zum anderen muss im Hinblick auf den zu entscheidenden Fall eine planwidrige Regelungslücke bestehen. Grundlage der Analogie ist daher der Gerechtigkeitsgedanke, dass wesentlich Gleiches in rechtlicher Hinsicht nicht ungleich behandelt werden darf.3 Die Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist vorliegend zweifelhaft. Das BPersVG regelt ausschließlich Aufgaben und Rechtsstellung des von den Beschäftigten gewählten Personalrates und seiner Mitglieder . Sinn und Zweck der Freistellung ist es, den Personalratsmitgliedern die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer personalvertretungsrechtlichen Aufgaben zu ermöglichen, ohne dass sie eine Minderung ihres Einkommens zu erleiden.4 Die Erhebung eines Beitrags, wie es bei Gewerkschaften üblich ist, ist dem Personalrat ausdrücklich gesetzlich untersagt, § 45 BPersVG. Gewerkschaftsfunktionäre, die nicht im Personalrat vertreten sind, nehmen derartige gesetzlich festgelegte personalvertretungsrechtliche Aufgaben innerhalb der Dienststellen hingegen nicht wahr. Zudem sind in der Regel Gewerkschaften beitragsfinanziert. Darüber hinaus werden die freizustellenden Mitglieder vom Personalrat vorgeschlagen. Ansprüche eines Personalratsmitgliedes auf Freistellung können nur vom Personalrat, nicht von dem betreffenden Mitglied selbst geltend gemacht werden.5 Die Beschäftigtenvertreter bestimmen folglich, wer von seiner Arbeitspflicht freigestellt werden soll, um sich ganz oder teilweise der Personalratsarbeit widmen zu können. Bei Beamten, die nicht im Personalrat vertreten sind, würde allein die Dienststelle entscheiden, welcher Gewerkschaftsfunktionär von welcher Gewerkschaft unter Fortzahlung der Bezüge von seinen dienstlichen Tätigkeiten freigestellt werden soll. Auch enthält das BPersVG Vorgaben zur Auswahl und Anzahl der freizustellenden Personalratsmitglieder, die bei Nichtmitgliedern leerlaufen würden. Da es demzufolge bereits an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte mangelt, bedarf die Frage, ob überhaupt eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist, vorliegend keiner Erörterung. Eine analoge Anwendbarkeit des § 46 BPersVG für die Freistellung eines Beamten, der nicht Mitglied im Personalrat ist, scheidet nach hiesiger Ansicht aus. 2.2. Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge Möglicherweise kommt eine Freistellung von den dienstlichen Tätigkeiten unter Fortzahlung der Bezüge für gewerkschaftliche Zwecke nach den Regelungen der Sonderurlaubsverordnung (SUrlV) 3 Regenfus, JA 2009, 579, 580. 4 Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012, BPersVG § 46, Rn. 1. 5 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015, § 266, Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 073/17 Seite 5 in Betracht. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Sonderurlaubsverordnung ist § 90 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG). 2.2.1. Sonderurlaub für gewerkschaftliche Zwecke, § 15 SUrlV Gemäß § 15 SUrlV hat ein Beamter Anspruch auf Sonderurlaub von bis zu zehn Arbeitstagen unter Fortzahlung der Bezüge, um an Sitzungen oder Tagungen von Gewerkschaften teilnehmen zu können (gewerkschaftliche Zwecke). Eine längere oder gar dauerhafte Beurlaubung unter Fortzahlung der Bezüge ist in der Norm nicht vorgesehen. 2.2.2. Sonderurlaub in anderen Fällen, § 22 SUrlV Laut § 22 Abs. 3 SUrlV kann für einen in der SUrlV nicht genannten Zweck Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden, wenn der Sonderurlaub auch dienstlichen Zwecken dient. Dabei ist für Sonderurlaub von mehr als zwei Wochen die Zustimmung der obersten Dienstbehörde und für mehr als sechs Monate die Zustimmung des Bundesministeriums des Innern erforderlich. § 15 SUrlV regelt jedoch bereits die Beurlaubung für gewerkschaftliche Zwecke, sodass nach hiesiger Ansicht für eine darüber hinausgehende Beurlaubung unter Fortzahlung der Bezüge kein Raum ist. Dafür spricht auch, dass nach § 22 Abs. 1 SUrlV Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge gewährt werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Einschränkung auf in der SUrlV nicht genannte Zwecke wie in Abs. 3 erfolgt hier nicht, sodass eine Beurlaubung unter Wegfall der Bezüge für gewerkschaftliche Zwecke wohl nicht ausgeschlossen wäre. 2.2.3. Ergebnis Die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung für gewerkschaftliche Zwecke für einen Zeitraum von mehr als zehn Tagen ist nach der Sonderurlaubsverordnung nicht vorgesehen . 3. Untreue, § 266 StGB Gemäß § 266 StGB macht sich der Untreue strafbar, wer eine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht oder eine besondere Treuepflicht verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen zu betreuen sind, Nachteil zufügt. Maßgebend für die Beurteilung, ob sich eine konkrete Person durch ein bestimmtes Verhalten strafbar gemacht hat, sind letztlich die Umstände des Einzelfalles. Eine pauschale Beantwortung der Frage ist daher nicht möglich. ***