© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 072/17 Kontrolle von Nachrichtendiensten bei Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten im Ausland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 2 Kontrolle von Nachrichtendiensten bei Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten im Ausland Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 072/17 Abschluss der Arbeit: 31.03.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 3 1. Einleitung Es werden verschiedene Fragen zur parlamentarischen Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestellt. Hintergrund der Fragestellungen ist die Errichtung einer sog. „operativen Plattform“ durch die „Counter Terrorism Group“ (CTG). Die CTG ist ein informeller Zusammenschluss von 30 europäischen Nachrichten- und Sicherheitsdiensten, der alle EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und die Schweiz angehören. Die „operative Plattform“ soll der Vereinfachung und Verbesserung operativer Erkenntnisse über den Phänomenbereich Islamischer Terrorismus dienen. Diese Effektivierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit erfolgt über den Austausch von Verbindungsbeamten der beteiligten Nachrichtendienste.1 Als Informationsgrundlage steht den entsandten Verbindungsbeamten eine sog. „CTG-Datenbank“ zur Verfügung, die Informationen aus dem genannten Phänomenbereich enthalten soll.2 Von deutscher Seite beteiligt sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am CTG und auch an der „operativen Plattform“. Die Bundesregierung stützt dabei insbesondere die Beteiligung an der Datenbank auf § 22c des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG).3 Die Vorschrift wurde neu in das Bundesverfassungsschutzgesetz aufgenommen, um dem BfV eine Beteiligung an entsprechenden Datenbanken zu ermöglichen.4 2. Allgemeines zur parlamentarischen Kontrolle von Nachrichtendiensten 2.1. Grundlagen der parlamentarischen Kontrolle Die Arbeit der Nachrichtendienste unterliegt wie die gesamte Regierungstätigkeit der parlamentarischen Kontrolle.5 Ausgeübt wird diese zunächst über die allgemeinen Instrumente. Zu nennen sind hierbei insbesondere die parlamentarischen Fragerechte, die in den §§ 100 ff. GOBT geregelt sind und mit einer Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondieren.6 Daneben bestehen aber auch Instrumente, die der parlamentarischen Eigeninformation dienen sollen, wie etwa die 1 Vgl. hierzu die Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 18.03.2016, BT-Drs. 18/7930, S. 3. 2 Vgl. hierzu die Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 03.08.2016, BT-Drs. 18/9323, S. 5. 3 Vgl. hierzu die Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 03.08.2016, BT-Drs. 18/9323, S. 6. 4 Vgl. hierzu den Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 07.06.2016, BT-Drs. 18/8702, S. 17; Roggan/Hammer: Das Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, NJW 2016, 3063 [3065]. 5 Wolff, in BK 158. Akt. 2012, Art. 45d GG, Rn. 47. 6 Butzer, in: Beck-OK 31. Edt. 2016, Art. 38 GG Rn. 114. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 4 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG.7 Darüber hinaus sieht Art. 45d GG die Schaffung des Parlamentarischen Kontrollgremiums als besonderes Kontrollinstrument vor. Dieses soll insbesondere die Kontrolldefizite ausgleichen, die sich aus der verdeckten Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben.8 Dabei verdrängt nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Parlamentarische Kontrollgremium nicht die allgemeinen parlamentarischen Kontrollinstrumente. Der Bundesregierung ist es insbesondere verwehrt, parlamentarische Anfragen mit einem pauschalen Verweis auf eine Behandlung im Parlamentarischen Kontrollgremium unbeantwortet zu lassen.9 2.2. Grenzen für die Kontrollbefugnisse Die parlamentarische Kontrolle und damit auch die jeweiligen Informationsbefugnisse unterliegen rechtlichen Grenzen. Diese ergeben sich vor allem aus der verfassungsrechtlichen Verteilung der Staatsfunktionen auf Parlament und Regierung.10 Beschränkt ist die parlamentarische Kontrolle bereits auf solche Vorgänge, die im Verantwortungsbereich der Bundesregierung liegen. Darüber hinaus besteht ein Kernbereich der Exekutive, der der parlamentarischen Kontrolle entzogen ist. Eine weitere Grenze der Kontrollrechte bildet zudem der Geheimnisschutz, der sich sowohl aus den Grundrechten als auch aus staatsorganisationsrechtlichen Erwägungen ergeben kann.11 Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen den Kernbereich der Exekutive als Grenze für die parlamentarische Kontrolle herausgearbeitet.12 Die Abgrenzung des Kernbereiches ist dabei nicht starr, sondern unterliegt einer Abwägung im jeweiligen Einzelfall. Geschützt wird allgemein ein nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Bundesregierung , der einem Mitregieren des Parlaments entzogen ist.13 Noch nicht abgeschlossene Vorgänge sind daher in der Regel dem Kernbereich der Exekutive zuzuordnen; wohingegen abgeschlossene Vorgänge grundsätzlich der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.14 Letztere fallen jedoch dann in den unausforschbareren Bereich, wenn ihre Offenbarung zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Regierung führen würde.15 7 Vgl. Wolff, in BK 158. Akt. 2012, Art. 45d GG, Rn. 38. 8 Magiera, in: Sachs, 7. Aufl. 2014, Art. 45d GG, Rn. 2. 9 BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, juris, Rn. 126. 10 BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, juris, Rn. 123. 11 Vgl. hierzu die Darstellung von: Wolff, in BK 158. Akt. 2012, Art. 45d GG, Rn. 41. 12 Vgl. Wolff, in BK 158. Akt. 2012, Art. 45d GG, Rn. 44. 13 BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07 –, juris Rn. 123. 14 Hornung, Kontrollgremiumgesetz 2012, § 6 PKGrG Rn. 7. 15 Vgl. Wolff, in BK 158. Akt. 2012, Art. 45d GG, Rn. 44; ähnlich auch: BVerfG, Beschl. v. 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, das die „funktionsgerechte und organadäquate Aufgabenwahrnehmung“ als Grenze für das Beweiserhebungsrecht eines Untersuchungsausschusses heranzieht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 5 Auch der Geheimnisschutz kann eine Grenze für die Auskunftspflicht der Bundesregierung bilden.16 Diese kann sich jedoch nicht pauschal auf eine Geheimhaltungspflicht berufen, um Auskünfte zu verweigern. Das Bundesverfassungsgericht geht vom Grundsatz her davon aus, dass Geheimnisse der Regierung und dem Parlament gemeinsam anvertraut sind.17 Die Bundesregierung darf aber orientiert am Grad der Geheimhaltungsbedürftigkeit Informationen zurückhalten, solange das Parlament den erforderlichen Grad der Geheimhaltung nicht garantieren kann.18 Welcher Grad der Geheimhaltung erforderlich ist und ob dieser garantiert werden kann, ist im Einzelfall zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht fordert im Falle einer verweigerten Herausgabe von Informationen eine angemessene Darlegung der Gründe.19 2.3. Auswirkungen der Grenzen auf die einzelnen Kontrollbefugnisse Die aufgezeigten Grenzen wirken sich gerade bei Fragen zum Geheimnisschutz unterschiedlich auf die bestehenden Kontrollbefugnisse aus. Der größte Spielraum für die Verweigerung von Auskünften besteht für die parlamentarischen Fragerechte nach §§ 100 ff. GOBT. Bei diesen kann eine Geheimhaltung nur begrenzt garantiert werden, da diese auf eine öffentliche Beantwortung hin angelegt sind. Folglich kann sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit entsprechenden Anfragen deutlich leichter auf einen entgegenstehenden Geheimnisschutz berufen. Dennoch besteht hier keine pauschale Befugnis zur Auskunftsverweigerung. Die Bundesregierung ist durchaus gehalten, nach Formen der Informationsvermittlung zu suchen, die die berechtigten Geheimhaltungsinteressen wahren und dennoch das Informationsbedürfnis der Abgeordneten erfüllen.20 Verstärkt wird der Informationsanspruch bei Informationsbegehren von Untersuchungsausschüssen . Anders als bei den Fragerechten können diese bereits strukturell eine höhere Garantie für die Vertraulichkeit gewährleisten. Daneben beinhaltet die Geheimschutzordnung als Teil der Geschäftsordnung detaillierte Vorgaben für den Umgang mit Dienstgeheimnissen. Für die Arbeit der Untersuchungsausschüsse sind in § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16 und § 18 Abs. 2 PUAG zudem entsprechende Vorgaben zum Schutz staatlicher Geheimnisse enthalten. Das Bundesverfassungsgericht gesteht der Bundesregierung dennoch ein Verweigerungsrecht zu, wenn der Bundestag den für notwendig erachteten Geheimnisschutz nicht gewährleistet.21 16 BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07 –, juris Rn. 128 ff.; BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, juris, Rn. 123. 17 BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83 –, juris, Rn. 120. 18 Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz und die parlamentarische Kontrolle, JZ 2010, 173 ff. [176]; BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83 –, juris, Rn. 123. 19 BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, juris, Rn. 132. 20 BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, juris, Rn. 132. 21 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 140. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 6 Den umfassendsten Zugriff auf Geheimnisse hat das Parlamentarische Kontrollgremium. Dessen Mitglieder unterliegen einer strengen Geheimhaltungspflicht. Gegenüber diesen kann sich die Bundesregierung nur in engen Grenzen auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit als solche berufen.22 In § 6 Abs. 2 PKGrG sind die Voraussetzungen einer Auskunftsverweigerung aufgezählt. Demnach darf die Bundesregierung auch gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium Auskünfte verweigern, wenn dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig ist oder wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist. 3. Einzelfragen Unter Zugrundelegung der aufgezeigten Voraussetzungen und Grenzen der parlamentarischen Kontrolle von Nachrichtendiensten werden die gestellten Fragen wie folgt beantwortet: 3.1. Auskunftsverweigerung durch die Bundesregierung unter Berufung auf die sog. „Third Party Rule“ Gefragt wird, ob es rechtlich zulässig oder bedenklich ist, dass die Bundesregierung sämtliche Details der neuen Geheimdienstzusammenarbeit in der CTG, darunter übernommene Aufgaben, adressierte Phänomene, Kosten, beteiligte Dienste und die interne Organisationsstruktur verschweigt . Exemplarisch wird für ein solches Verhalten der Bundesregierung auf die Drucksache 18/10641 verwiesen. In dieser verweigerte die Bundesregierung unter Verweis auf die sog. „Third Party Rule“ Auskünfte zu Details über operative Erkenntnisse und Folgemaßnahmen sowie zu Teilnehmern der anderen Nachrichtendienste an der sog. Paris-Gruppe.23 Dies betraf zwei der insgesamt siebzehn gestellten Fragen. Die „Third Party Rule“ wird vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich als Grundlage für eine Auskunftsverweigerung akzeptiert. Der Grundsatz prägt die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste , indem er die Herrschaft über Informationen beim herausgebenden Staat belässt. Dieser behält folglich die Verfügungsbefugnis über seine Informationen auch nach der Übermittlung an andere Nachrichtendienste.24 Dabei stellt der Grundsatz jedoch kein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen dar, sondern ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einzuordnen. Der Bundesregierung kommt im Falle eines Konfliktes mit entsprechenden Auskunftsbegehren daher die Pflicht zu, sich um ein Einverständnis mit dem herausgebenden Staats zu bemühen.25 Das Verbot der Weitergabe wird dennoch in seinem Umfang vom herausgebenden Staat bestimmt. Dieser kann eine Weitergabe auch an das Parlamentarische Kontrollgremium grundsätzlich untersagen. Rechtlich trägt § 6 Abs. 2 PKGrG diesem Umstand Rechnung, indem ein Auskunftsverweigerungsrecht der Bundesregierung aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs anerkannt wird.26 22 Wolff, Der nachrichtendienstliche Geheimnisschutz und die parlamentarische Kontrolle, JZ 2010, 173 ff. [180]. 23 BT-Drs. 18/10641, S. 5 u. 8. 24 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 160. 25 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 164. 26 Vgl. zu diesem: Hornung, Kontrollgremiumgesetz 2012, § 6 PKGrG Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 7 Gelingt es der Bundesregierung nicht, ein entsprechendes Einverständnis zur Weitergabe von Informationen vom herausgebenden Staat zu erreichen, billigt das Bundesverfassungsgericht ihr die Befugnis zu, die Vorlage der entsprechenden Informationen zu verweigern, wenn das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Hergleitet wird dies aus einem Interesse der Regierung an einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenwahrnehmung. Wäre die Bundesregierung zur Offenlegung von erhaltenen Informationen trotz getroffener Absprachen zur Vertraulichkeit verpflichtet, würde dies die Funktions- und Kooperationsbereitschaft der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigen.27 Für die parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienstzusammenarbeit in der CTG bedeutet dies Folgendes: Die Bundesregierung kann sich zunächst nur dann auf die „Third Party Rule“ berufen, wenn die in Betracht kommenden Informationen in deren Anwendungsbereich fallen. Es muss sich dabei um Informationen handeln, die von ausländischen Nachrichtendiensten stammen, und deren Weitergabe von diesen untersagt wurde. Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob sich das Verbot zur Weitergabe auch auf eine Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium erstreckt.28 Darüber hinaus muss sich die Bundesregierung ggf. um eine entsprechende Freigabe beim herausgebenden Staat bemühen.29 Scheitern diese Bemühungen, kann die Herausgabe verweigert werden, wenn das Interesse an der Geheimhaltung überwiegt.30 Diese Entscheidung ist dann im Einklang mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zu begründen.31 Darüber hinaus kann die Bundesregierung solche Auskünfte verweigern, die den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betreffen oder aus Gründen des Geheimnisschutzes nicht herausgegeben werden dürfen. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung schützt wie dargestellt insbesondere laufende Vorgänge. Auskünfte über aktuelle Tätigkeiten in der sog. operativen Plattform können wohl unter Rückgriff auf diesen Grundsatz in aller Regel verweigert werden. Daneben obliegt es einer Abwägungsentscheidung im Einzelfall, ob Auskunftsersuchen zurückgewiesen werden können. Zu prüfen ist dabei immer, ob berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht durch anderweitige Kontrollformen, wie einen Verweis an das Parlamentarische Kontrollgremium, gewahrt werden können, ohne das Informationsbegehren gänzlich auszuschließen. Ein pauschales Auskunftsverweigerungsrecht unter Verweis auf die „Third Party Rule“ über sämtliche Aktivitäten in der CTG, wie dies in der Fragestellung angelegt ist, steht der Bundesregierung unter Zugrundelegung der dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht zu. 27 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 159. 28 Hornung, Kontrollgremiumgesetz 2012, § 6 PKGrG Rn. 4. 29 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 164. 30 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 176 ff. 31 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 143 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 8 3.2. Kontrolle des Datenaustausches Neben den genannten Auskunftsrechten wird weiterhin gefragt, wie kontrolliert werden soll, mit welchen Partnern das BfV Daten austauscht und dass diese von den ausländischen Diensten tatsächlich nur für geheimdienstliche Zwecke genutzt werden. Zunächst obliegt die Arbeit des BfV der oben beschriebenen parlamentarischen Kontrolle. Der Datenaustausch lässt sich dabei vor allem über die Befugnisse des Parlamentarischen Kontrollgremiums überwachen. Zumindest für solche Daten, die das BfV an andere Nachrichtendienste übermittelt, ist die „Third Party Rule“ nicht anwendbar, da diese nur den Empfang jedoch nicht die Weitergabe von Informationen umfasst. Ob im Einzelfall Informationen, etwa unter Berufung auf einen Schutz des Kernbereichs der Exekutive oder auf berechtigte Geheimhaltungsinteressen, von der Bundesregierung verweigert werden können, unterliegt der Entscheidung im Einzelfall. Eine Begrenzung für die Weitergabe von Informationen enthält zudem die Rechtsgrundlage für die Datenweitergabe im Rahmen der CTG. So ist nach § 22c S. 1 Nr. 1 BVerfSchG durch verlässliche Zusage der ausländischen Nachrichtendienste sicherzustellen, dass die vom Bundesamt für Verfassungsschutz eingegebenen Daten ohne dessen Zustimmung nicht an Dritte übermittelt werden dürfen und nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie in die Datei eingegeben wurden. Bereits auf diesem Wege erfolgt eine Begrenzung der Datenverwendung. Die Einhaltung der Vorgaben des § 22c BVerfSchG unterliegt dabei der parlamentarischen Kontrolle. Eine unmittelbare parlamentarische Kontrolle darüber, dass die ausländischen Nachrichtendienste die verlässliche Zusage nach § 22c BVerfSchG einhalten, ist nicht möglich, da die ausländischen Nachrichtendienste nicht der deutschen parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Im Falle entsprechender Rechtsverstöße wäre jedoch das BfV nach § 22c BVerfSchG verpflichtet, die Datenweitergabe im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen und ggf. eine weitere Übermittlung von Daten einzustellen.32 Diese Tätigkeiten des BfV unterliegen der parlamentarischen Kontrolle. 3.3. Offenlegungspflichten der Bundesregierung trotz Anwendung der „Thrid Party Rule“ Gefragt wird, inwieweit die Bundesregierung gezwungen werden kann, trotz einer Anwendung der „Third Party Rule“ die von Abgeordneten verlangten Informationen offenzulegen. Das Bundesverfassungsgericht ordnet, wie bereits oben dargestellt, die „Third Party Rule“ nicht als zwingenden Rechtssatz ein. Die Bundesregierung muss sich daher in entsprechenden Konstellationen um eine Freigabe beim herausgebenden Staat bemühen.33 Scheitern diese Bemühungen, ist zudem eine Interessenabwägung zwischen der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und dem parlamentarischen Informationsinteresse vorzunehmen.34 Erst 32 Vgl. für die gesetzgeberische Intention die Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 07.06.2016, BT-Drs. 18/8702, S. 17. 33 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 164. 34 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 –, juris, Rn. 176 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 9 wenn diese Abwägung zugunsten der Informationsverweigerung ausfällt, kann die Bundesregierung mit einer entsprechenden Begründung das Auskunftsbegehren zurückweisen. Eine Zurückweisung des Auskunftsbegehrens kann durch das Bundesverfassungsgericht im Wege des Organstreitverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG überprüft werden. 3.4. Zulässigkeit einer Kooperation der CTG mit Europol Gefragt wird, in welchem Rahmen es zulässig oder unzulässig ist, wenn die CTG eine Kooperation mit Europol eingeht. Die rechtliche Beurteilung einer Kooperation der CTG mit Europol richtet sich zunächst nach deren Ausgestaltung. Handelt es sich um eine reine informelle Zusammenarbeit, in der abstrakte politische Fragen besprochen werden, so dürfte dies zulässig sein. Anders gestaltet sich dies jedoch bei einer institutionellen Kooperation, insbesondere wenn diese mit einem Datenaustausch verbunden ist. Ein solcher dürfte nach derzeitiger Rechtslage nicht mit den Vorgaben des § 22c BVerfSchG zu vereinbaren sein. Danach darf sich das BfV nur an Dateien von ausländischen Nachrichtendiensten beteiligen.35 Eine gemeinsame Datenbank von CTG und Europol dürfte bereits an diesem Merkmal scheitern, da es sich bei Europol nicht um einen ausländischen Nachrichtendienst handelt.36 Zudem dürfen der CTG übermittelte Daten nach § 22c BVerfSchG nicht ohne Zustimmung des BfV an Dritte weitergegeben und nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie in die Datei eingegeben wurden. Europol wäre in diesem Zusammenhang als Dritter anzusehen. Ein automatischer Datenabgleich oder eine gemeinsame Datenbasis wäre mit diesen engen gesetzlichen Vorgaben unvereinbar. Eine institutionelle Verbindung von CTG und Europol dürfte sich zudem nur schwer mit der Gesetzeshistorie in Einklang bringen lassen. Ziel des Gesetzgerbers bei Schaffung des § 22c BVerfSchG war eine Verbesserung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit.37 Eine gesetzgeberische Absicht, diese Zusammenarbeit auch auf den polizeilichen Bereich auszuweiten, ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Aufgrund des in Deutschland praktizierten Trennungsprinzips zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher Betätigung obliegt es in diesem verfassungsrechtlich sensiblen Bereich einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers, entsprechende Kooperationsformen zuzulassen. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers werden hierbei zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erheblich begrenzt.38 Eine institutionelle Verknüpfung der CTG mit Europol bedürfte daher einer gesetzlichen Grundlage. Diese müsste mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die nachrichtendienstliche Tätigkeit aber auch mit den europarechtlichen Vorgaben für Europol in Einklang gebracht werden. 35 Vgl. zum Begriff der Nachrichtendienste: Magiera, in: Sachs,7. Aufl. 2014, Art. 45d GG, Rn. 7. 36 Zum Aufgabenbereich der Nachrichtendienstes: BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 –, juris, Rn. 116; zum Aufgabenbereich von Europol: Dannecker, in: Streinz 2. Auflage 2012, Art. 88 AEUV, Rn. 18. 37 Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 07.06.2016, BT-Drs. 18/8702, S. 12. 38 BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 –, juris, Rn. 123. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 072/17 Seite 10 3.5. Informationspflichten der Bundesregierung und der Europäischen Kommission bei einer engeren Kooperation mit Europol Ferner wird gefragt, inwiefern die Europäische Kommission oder die Bundesregierung dazu gezwungen werden können, im Fall einer engeren Kooperation mit der Polizeiagentur Europol zuvor die von den Abgeordneten verlangten Informationen offenzulegen. Auch eine engere Kooperation zwischen dem BfV als Mitglied der CTG und Europol würde zunächst dem allgemeinen Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten unterliegen. Wie bereits oben dargelegt wurde, unterliegt auch die Tätigkeit der Nachrichtendienste der parlamentarischen Kontrolle. Die Bundesregierung ist daher grundsätzlich gegenüber den Abgeordneten auskunftspflichtig , soweit sie sich nicht auf mögliche Ausnahmen von dieser Auskunftspflicht berufen kann. Mögliche Verletzungen des Frage- und Informationsrechts können im Wege des Organstreitverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG verfassungsgerichtlich überprüft werden. Sollte die engere Kooperation darüber hinaus eine Änderung der bestehenden Übermittlungsvorschriften erforderlich machen,39 würde dieser Sachverhalt bereits aufgrund des Gesetzgebungsverfahrens den Abgeordneten zugänglich werden. Ein eigenständiges Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Europäischen Kommission besteht hingegen nicht. Die Kommission unterliegt als Organ der Europäischen Union nicht der parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages. 3.6. Durchsetzung einer Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Gefragt wird schließlich danach, in welcher Weise die Abgeordneten auf die Einhaltung einer Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates drängen können, die sich für die Trennung nachrichtendienstlicher und polizeilicher Datenverarbeitung ausspricht. Nach Art. 22 der Satzung des Europarates ist die beratende Versammlung ein beratendes Organ. Ihre Beschlüsse übermittelt die Versammlung dem Ministerkomitee in der Form von Empfehlungen . Dieses prüft nach Art. 15 lit. a) der Satzung des Europarates die Empfehlungen und erlässt ggf. eigene Beschlüsse. Die Empfehlungen der Versammlung des Europarates haben daher einen unverbindlichen Charakter ohne rechtliche Bindungswirkung.40 Ihnen kommt daher für den innerstaatlichen Bereich allein eine politische Apellfunktion zu. *** 39 Vgl. hierzu die Ausführungen unter 3.4. 40 Vgl. hierzu die Ausführungen zur Struktur und Arbeitsweise unter Ziff. II zum Begriff Europarat in: Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, 5. Auflage 2015.