© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 071/21 Fragen zur Rechts- und Fachaufsicht und zu mehrstufigen Verwaltungsakten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 071/21 Seite 2 Fragen zur Rechts- und Fachaufsicht und zu mehrstufigen Verwaltungsakten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 071/21 Abschluss der Arbeit: 15. April 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 071/21 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, ob ein Verwaltungsakt, für den nach einem internen Ablaufplan vor Erlass eine Einbindung der übergeordneten Behörde vorgesehen ist, von der übergeordneten Behörde auf seine Rechtmäßigkeit geprüft werden muss. Weiter wird gefragt, ob bei einem Verwaltungsakt, bei dessen Erlass mehrere Behörden mitwirken (mehrstufiger Verwaltungsakt1) eine Behörde verpflichtet ist, ihre gemäß eines internen Ablaufplans erstellte Stellungnahme der federführenden Behörde zu übermitteln, damit diese auch dort aktenkundig wird. 2. Pflicht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts durch die übergeordnete Behörde Die Bundesverwaltung ist hierarchisch aufgebaut, wodurch die demokratische Legitimation der Bundesministerinnen und Bundesminister von der Leitung bis an die Basis weitergegeben werden kann.2 Die bundeseigene Verwaltung (Art. 86 ff. Grundgesetz (GG)) besteht aus den Fachministerien und den ihnen nachgeordneten Behörden, d.h. den Bundesoberbehörden und – soweit vorhanden – den Bundesmittel- und Bundesunterbehörden (Behördenzug). In dem jeweiligen Behördenzug unterliegen die nachgeordneten Behörden der umfassenden Steuerungsmacht der Bundesministerien, die die Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht der übergeordneten Stellen über die handelnde Stelle umfasst.3 Für Aufsicht über die bundesunmittelbaren Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (mittelbare Bundesverwaltung) gelten Besonderheiten:4 Diese Einrichtungen unterliegen der Rechtsaufsicht, da sie trotz ihrer rechtlichen Verselbstständigung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sind. Eine Fachaufsicht, die anders als die Rechtsaufsicht nicht auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns beschränkt ist, sondern darüber hinaus auf die Überprüfung der Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns zielt, ist dagegen von Verfassung wegen nicht zu fordern.5 Sie kann aber gesetzlich vorgesehen werden (z.B. § 3 S. 1 Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben). Für die Bundesministerien stellt die Rechts- und Fachaufsicht gemäß § 3 Abs. 1 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)6 eine ministerielle Aufgabe dar, deren Rechtsgrundlage sich aus den allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien sowie den jeweiligen Fachgesetzen , z. B. aus den Errichtungsgesetzen und -erlassen der Geschäftsbereichsbehörden, ergibt. Zur 1 Zum Begriff siehe Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 167. 2 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 84, Rn. 1 ff.; ausführlich dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Maßgaben für die Auskunftsrechte der Bundesministerien gegenüber nachgeordneten Behörden, WD 3 - 3000 - 169/14 vom 5. September 2014. 3 Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 86 Rn. 55. 4 Siehe Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 86 Rn. 56. 5 Siehe Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 86 Rn. 56. 6 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), Stand: 22. Januar 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 071/21 Seite 4 Unterstützung der Steuerungs- und Aufsichtsaufgaben in den Bundesministerien hat die Bundesregierung „Grundsätze zur Ausübung der Fachaufsicht der Bundesministerien über den Geschäftsbereich “ (Stand 2. Mai 2008)7 abgestimmt, die durch eine „Arbeitshilfe für die Ausübung der Fachaufsicht über nachgeordnete Bereiche in der unmittelbaren Bundesverwaltung“ (Stand: Januar 2018)8 ergänzt wird. Bei der Ausgestaltung der Rechts- und Fachaufsicht kommen den Bundesministerien große Gestaltungsspielräume zu. Um die Recht- und Zweckmäßigkeit des Handelns der Behörden ihres Geschäftsbereichs zu beobachten, zu überprüfen und bei Bedarf korrigierend einzugreifen, haben Bundesministerien verschiedene Informations-, Kontroll- und Eingriffsrechte (insbesondere Weisungsrechte ) und können das Verwaltungshandeln der beaufsichtigten Behörde bei Bedarf lenken. Die Fachaufsicht beschränkt sich dabei nicht auf nachträgliche Kontrolle, sondern umfasst vielmehr auch präventive Elemente, um Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und abwenden zu können. Präventive Aufsichtsmaßnahmen sind vor allem die Beratung sowie Anzeigen- und Genehmigungsvorbehalte.9 Das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Steuerung wird im Einzelnen von den sachlichen Besonderheiten der jeweiligen Organisationsform abhängen.10 Für die vorliegende Frage nach einer Pflicht der übergeordneten Behörde, den gemäß eines internen Ablaufplans vorgelegten Verwaltungsakt auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wird es im Einzelnen darauf ankommen, was mit der Vorlage bezweckt wird, insbesondere ob der Verwaltungsakt zur reinen Information vorgelegt werden soll oder ob ggfs. ein Genehmigungsvorbehalt besteht. Als Ausfluss des Opportunitätsprinzips liegt die Entscheidung über das „Ob” und „Wie” des Einschreitens grundsätzlich im (pflichtgemäßen) Ermessen der Aufsichtsbehörde. Von einer allgemeinen Pflicht der Aufsichtsbehörden, einen Verwaltungsakt vor Erlass auf dessen Rechtmäßigkeit zu prüfen, ist daher nicht auszugehen. Anders dürfte der Fall zu bewerten sein, wenn es sich um eine eindeutige und schwere Rechtsverletzung handelt.11 3. Pflicht zur Übersendung einer Stellungnahme Den Bundesministern kommt das Recht zu, die Ausgestaltung der Organisation und Verfahren in ihrem Ressort im Rahmen gesetzlicher und haushaltsrechtlicher Vorgaben zu regeln. Dies ist Ausfluss der in Art. 65 S. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgten Ressortkompetenz.12 §§ 4 ff. GGO regelt Grundsätze für die Aufbau- und Ablauforganisation, auf die sich die Bundesminister verständigt haben. Über die verfassungsrechtlichen Grundlagen und über die Regelungen in der GGO hinaus bestehen keine weiteren ministeriumsübergreifenden Regelwerke zur Ablauf- 7 Abrufbar im Intranet des Bundes. 8 Abrufbar im Intranet des Bundes. 9 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage, 2020, § 23 Rn. 20 ff. 10 Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 86 Rn. 54. 11 Franz, Die Staatsaufsicht über die Kommunen, JuS 2004, 937 (938); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht , 20. Auflage, 2020, § 23 Rn. 21. 12 Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 65 Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 071/21 Seite 5 und Aufbauorganisation für die den Ministerien nachgeordneten Behörden. Dort werden die Regelungen der GGO in aller Regel nach Maßgabe der zuständigen obersten Bundesbehörde angewendet. Gemäß § 15 Abs. 2 GGO entscheidet bei einem Vorgang, der mehrere Organisationseinheiten betrifft , die federführende Organisationseinheit über Art und Umfang der Beteiligung, soweit sich dies nicht aus anderen Regelungen ergibt. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GGO müssen Stand und Entwicklung der Vorgangsbearbeitung jederzeit aus den elektronisch geführten Akten nachvollziehbar sein. § 12 GGO ist Ausfluss des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Aktenführung, der auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG beruht. Danach sind alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Bearbeitungsschritte eines Geschäftsvorfalls in der Akte zu führen. Soweit eine Beteiligung in Form der Abgabe einer Stellungnahme zwingend vorgesehen sein sollte, dürfte eine solche auch bei der federführenden Organisationseinheit zur Akte zu nehmen sein. Letztlich dürfte es hier darauf ankommen, welche konkreten Vorgaben für den Verfahrensablauf intern vorgesehen sind. ***