WD 3 - 3000 - 069/21 (29. März 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Es wird gefragt, ob ein Bundesgesetz, das die gegen die Corona-Pandemie zu ergreifenden Maßnahmen detailliert regelt, der Zustimmung des Bundesrates bedürfte. Der Bundesrat ist in jedem Fall nach Art. 77 Abs. 1 S. 2 GG am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen . Das Verfahren hängt davon ab, ob es sich um ein Zustimmungs- oder ein Einspruchsgesetz handelt. Bei den Zustimmungsgesetzen ist gemäß Art. 78 GG das Zustandekommen des Gesetzes im Unterschied zu den Einspruchsgesetzen von einer ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates abhängig. Dies ist nach dem Grundgesetz die Ausnahme.1 Insbesondere liegt eine Zustimmungsbedürftigkeit nicht bereits dann vor, wenn Interessen der Länder durch das Gesetz berührt werden.2 Der Zustimmung bedürfen Gesetze grundsätzlich nur, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Solche Bestimmungen finden sich über das Grundgesetz verteilt.3 Ob es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt, hängt vom konkreten Inhalt des Gesetzes ab. Eine Zustimmungsbedürftigkeit liegt unter anderem bei bestimmten Fällen der Gesetzgebungskompetenz vor. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Infektionsschutz. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind allerdings gemäß Art. 74 Abs. 2 GG nur Gesetze nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG (Staatshaftung) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG (Beamtenrecht) zustimmungsbedürftig. Bei einem Gesetz, dessen Regelungen in die Kompetenz für den Infektionsschutz fallen, läge daher zumindest aus kompetenzrechtlichen Gründen eine Zustimmungsbedürftigkeit nicht vor. Dies dürfte etwa für ein Gesetz gelten, das die bei einem bestimmten Inzidenzwert zu ergreifenden Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie festlegt.4 1 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 45. Edition Stand: 15.11.2020, Art. 77 Rn. 19 ff. 2 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 77 Rn. 32. 3 Siehe zu einer Aufzählung aller Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit Kersten, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 77 Rn. 95. 4 So auch die Ansicht des Verfassungsrechtlers Möllers, in: Spiegel Online, „Rechtlich betrachtet braucht man für den Lockdown keine Ministerpräsidenten“, 10. Februar 2021. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zustimmungsbedürftigkeit bei einem Coronagesetz des Bundes Kurzinformation Zustimmungsbedürftigkeit bei einem Coronagesetz des Bundes Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Eine Zustimmungsbedürftigkeit könnte sich aber ergeben, wenn das Gesetz neben den infektionsschutzrechtlichen weitere Aspekte regelt, die eine Zustimmungsbedürftigkeit auslösen. Dies beträfe etwa folgenden Fall: Gemäß Art. 80 Abs. 1 GG kann der Gesetzgeber unter anderem die Bundesregierung oder einen Bundesminister zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen. Nach Art. 80 Abs. 2 GG bedürfen entsprechende Rechtsverordnungen in bestimmten Fällen der Zustimmung des Bundesrates. Dies betrifft etwa Verordnungen aufgrund von Gesetzen, die durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden. Als eigene Angelegenheit der Länder wird gemäß Art. 83 GG der Großteil der Gesetze ausgeführt, unter anderem das Infektionsschutzgesetz5. Durch Bundesgesetz kann allerdings nach Art. 80 Abs. 2 GG bestimmt werden, dass die Rechtsverordnung keiner Zustimmung bedarf. Dies wurde etwa bei den Ermächtigungen des Bundesministers für Gesundheit nach § 5 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz festgelegt. Ein solcher gesetzlicher Ausschluss bedarf allerdings nach herrschender Meinung selbst der Zustimmung des Bundesrates, da es ansonsten zu einer Verkürzung der Mitwirkungsrechte der Länder käme.6 Zu beachten ist, dass bislang sowohl die Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 20007 als auch die Änderungen des Gesetzes im Zuge der Corona-Pandemie8 mit Zustimmung des Bundesrates erfolgten. Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes geschahen allerdings im Wege eines sogenannten Omnibusverfahrens, sodass eine Vielzahl von Gesetzen zugleich geändert wurde. Auf welche Gründe jeweils die Zustimmungsbedürftigkeit gestützt wurde, lässt sich mangels entsprechender Begründung in den Gesetzesmaterialien nicht nachvollziehen. *** 5 Lindner, in: Schmidt, COVID-19 – Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 17 (Öffentliches Recht) Rn. 15. 6 BVerfGE 28, 66 (77 ff.); Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 100 m.w.N. 7 Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045). 8 Siehe etwa Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397).