© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 067/21 Verfassungsmäßigkeit der Änderungsvorschläge des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Öko-Landbaugesetzes und Öko-Kennzeichnungsgesetzes Fragen zur Verteilung der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 2 Verfassungsmäßigkeit der Änderungsvorschläge des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Öko-Landbaugesetzes und Öko-Kennzeichnungsgesetzes Fragen zur Verteilung der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 067/21 Abschluss der Arbeit: 20. April 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wurde nach der Verfassungsmäßigkeit von bestimmten Änderungsvorschlägen, die der Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Öko-Landbaugesetzes und des Öko-Kennzeichengesetzes1 gemäß Art. 76 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gemacht hat.2 Es soll geprüft werden, ob die genannten Änderungsvorschläge des Bundesrates im Hinblick auf die Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern mit dem Grundgesetz vereinbar sind oder insbesondere eine verfassungsrechtlich bedenkliche Mischverwaltung entstünde. Eine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht wird an dieser Stelle nicht geprüft. 2. Ausgangslage und Änderungsvorschläge des Bundesrates 2.1. Bisherige Verteilung der Verwaltungskompetenzen nach dem Öko-Landbaugesetz und dem Öko-Kennzeichengesetz Durch das Öko-Landbaugesetz (ÖLG)3 und das Öko-Kennzeichengesetz (ÖkoKennzG)4 werden die Vorgaben der Verordnung (EG) 834/20075 (sog. EG-Öko-Basisverordnung) auf dem Gebiet der ökologischen /biologischen Erzeugung und der Kennzeichnung entsprechender Produkte umgesetzt. Nach der bisherigen Zuständigkeitsordnung sind die nach Landesrecht zuständigen Behörden gemäß § 2 Abs. 1 ÖLG für die Durchführung einschließlich der Überwachung der Einhaltung der in § 1 ÖLG genannten Rechtsakte, des ÖLG und der auf Grund des ÖLG erlassenen Rechtsverordnungen zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 ÖLG dürfen die Landesregierungen Kontrollaufgaben an zugelassene private Stellen (Kontrollstellen) übertragen, entweder durch Beleihung oder durch sonstige als Mitwirkung bezeichnete Beteiligung. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ÖLG ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) für die Zulassung der Kontrollstellen sowie für den Entzug der Zulassung der Kontrollstellen zuständig. 1 Gesetzentwurf vom 12. Februar 2021, BR-Drs. 131/21. 2 Siehe Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021; zuvor Ausschussempfehlung, BR-Drs. 131/1/21 vom 11. März 2021. 3 Öko-Landbaugesetz vom 7. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2358), das zuletzt durch Art. 4 Abs. 94 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist. 4 Öko-Kennzeichengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2009 (BGBl. I S. 78), das zuletzt durch Art. 404 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 5 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. L 189 S. 1). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 4 Diese Zuständigkeitsverteilung soll durch den oben genannten Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht verändert werden. Laut Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Regelungen des ÖLG und des ÖkoKennzG erhalten und im Wesentlichen nur an das sich ändernde Unionsrecht anpassen.6 Diesbezüglich besteht Anpassungsbedarf, da zum 21. Januar 2021 die Verordnung (EU) 2018/848 (sog. neue EU-Öko-Basisverordnung)7 an die Stelle der alten EG-Öko-Basisverordnung getreten ist, Art. 56 und Art. 60 Verordnung (EU) 2018/848. Das ÖLG soll zudem künftig neben der Durchführung der neuen EU-Öko-Basisverordnung auch der Durchführung der Verordnung (EU) 2017/6258 (EU-Verordnung über amtliche Kontrollen) dienen.9 2.2. Änderungsvorschläge des Bundesrates Nach den Änderungsvorschlägen des Bundesrates sollen der BLE neue Aufgaben zugewiesen werden. Dies betrifft vor allem die amtlichen Laboratorien, die in Art. 37, Art. 40 und Art. 42 der EU- Verordnung über amtliche Kontrollen (Verordnung (EU) 2017/625) geregelt sind. Für diese gibt es derzeit keine Regelungen im ÖLG bzw. ÖKG. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind diese auch nicht geplant. Nach Auffassung des Bundesrates soll die BLE nach einem neuen § 2 Abs. 2 Nr. 5 ÖLG für die Benennung und den Entzug der Benennung nach Art. 39 der Verordnung (EU) 2017/625 sowie für die Überwachung der amtlichen Laboratorien zuständig sein.10 Zudem soll der BLE auch im Bereich der zugelassenen Kontrollstellen eine neue Aufgabe zugewiesen werden. So soll der BLE die Durchführung des jährlichen Audits im Rahmen der Überwachung der Kontrollstellen nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 der EU-Öko-Basisverordnung (EU) 2018/848 in Verbindung mit Art. 33 a der EU-Verordnung über amtliche Kontrollen (EU) 2017/625 übertragen werden. Diese vorgeschlagene Regelung wird widersprüchlich ebenfalls als neuer § 2 Abs. 2 Nr. 5 ÖLG bezeichnet.11 Der Sache nach soll es sich aber wohl um einen neuen § 2 Abs. 2 Nr. 6 ÖLG handeln. 6 Gesetzentwurf vom 12. Februar 2021, BR-Drs. 131/21, S. 11. 7 Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/ biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (ABl. L 150 S. 1). 8 Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 (ABl. L 95, S. 1), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/2127 der Kommission vom 10. Oktober 2019 (ABl. L 321, S. 111) geändert worden ist. 9 Gesetzentwurf vom 12. Februar 2021, BR-Drs. 131/21, S. 2, S. 10. 10 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021, Nr. 3 Buchst. c, S. 2 f. 11 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021, Nr. 4 Buchst. a, Doppelbuchst. cc, S. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 5 Zuletzt soll nach der Stellungnahme des Bundesrates § 3 Abs. 1 ÖLG geändert werden.12 Diese Vorschrift enthält eine Regelung der Zuständigkeit der (privaten) Kontrollstellen. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll vorbehaltlich einer Verordnung nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ÖLG das Kontrollverfahren nach Art. 40 der Verordnung (EU) 2018/848 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 grundsätzlich von zugelassenen Kontrollstellen durchgeführt werden , soweit die Aufgabenwahrnehmung nicht mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verbunden ist (§ 3 Abs. 1 ÖLG-E). Der Gesetzentwurf enthält hier im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eine bloße Aktualisierung der Bezüge zum Unionsrecht.13 Die Änderungsvorschläge des Bundesrates sind weitreichender. So soll als Abgrenzungskriterium an (Kontroll-)Aufgaben angeknüpft werden, die den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordern, statt wie bisher „mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verbunden“ sind. Weiterhin schlägt der Bundesrat die Einfügung eines neuen § 3 Abs. 1 S. 2 ÖLG vor, in welchem die im Bereich der Öko-Kontrolle zu erlassenden Verwaltungsakte abschließend aufgezählt sein sollen. Dies soll laut Begründung sicherstellen , dass die in der Aufzählung nicht genannte Ausstellung des Zertifikats im Sinne des Art. 35 Verordnung (EU) 2018/848 den Kontrollstellen nicht bereits gesetzlich zugewiesen ist.14 Nur das führe zu einer tatsächlichen Wahlfreiheit der Länder, ob die Kontrollstellen zu beleihen seien. 3. Aufteilung der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern Zu prüfen ist, ob die Änderungsvorschläge des Bundesrates mit der Aufteilung der Verwaltungskompetenzen nach Art. 30, Art. 83 ff. GG vereinbar sind. Die Kompetenzaufteilung im Bereich der Verwaltung nach den Art. 30, Art. 83 ff. GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips des Grundgesetzes.15 Sie dient dazu, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen. Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind grundsätzlich getrennt und können selbst mit Zustimmung der Beteiligten nur in den vom Grundgesetz vorgesehenen Fällen zusammengeführt werden. Eine rechtsstaatliche, hinreichend klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten ist nicht zuletzt wegen des Demokratieprinzips erforderlich. Der Bürger muss wissen können, wen er wofür – auch durch Vergabe oder Entzug seiner Wählerstimme – verantwortlich machen kann. Der zuständige Verwaltungsträger hat die ihm zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen (Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung). Gegenüber der grundsätzlichen Aufgabentrennung stehen Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes im Aufgabenbereich der Länder oder umgekehrt, welche 12 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021, Nr. 6, S. 6. 13 Gesetzentwurf vom 12. Februar 2021, BR-Drs. 131/21, S. 14. 14 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021, S. 7. 15 Siehe zum Folgenden BVerfGE 119, 331 (364 ff., insb. 366 f., 372 ff.) m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 6 als Mischverwaltung bezeichnet werden.16 Diese ist nach der heutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht generell verboten. Ein Zusammenwirken von Bund und Ländern kann etwa im Grundgesetz selbst vorgesehen sein. 3.1. Zuweisung neuer Aufgaben in Bezug auf die amtlichen Laboratorien und Kontrollstellen an die bundeseigene Verwaltung gemäß Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG Für die Zuweisung neuer Aufgaben an die BLE nach den Änderungsvorschlägen des Bundesrates kommt als verfassungsrechtlicher Maßstab Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG infrage. 3.1.1. Anwendbarkeit von Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG Laut Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG findet damit auch Anwendung, wenn der Bund exekutive Aufgaben durch ihm zurechenbare juristische Personen des öffentlichen Rechts wahrnehmen lässt; Anstalt und Körperschaft erwähnt Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG nur als deren typische Formen.17 Das Merkmal „errichtet werden“ erfasst nicht nur die Konstituierung der genannten Behörden, sondern erlaubt es, neue Aufgaben bereits bestehenden Behörden zuzuweisen.18 Demnach ist die Vorschrift grundsätzlich auf jede Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe durch den Bund anwendbar, die nicht bereits durch spezielle Verfassungsnormen in die Kompetenz des Bundes gelegt ist.19 Für Aufgaben, die durch bundeseigene Mittel- und Unterbehörden wahrgenommen werden, ist dagegen Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG maßgeblich. Die BLE ist nach ihrer Gesetzesgrundlage eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.20 Damit ist sie jedenfalls eine dem Bund zurechenbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Da die BLE zudem keinen Verwaltungsunter- bzw. mittelbau hat und nach dem Änderungsvorschlag des Bundesrats auch nicht erhalten soll, unterfällt die Zuweisung neuer Aufgaben an die BLE grundsätzlich Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG.21 16 BVerfGE 39, 36 (120); BVerfGE 119, 331 (365). 17 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Auflage 2018, Art. 87 Rn. 79. 18 Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 87 Rn. 277. 19 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Auflage 2018, Art. 87 Rn. 76 f. m.w.N. 20 § 1 Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 2018, 2019), das zuletzt durch Art. 364 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 21 Im Ergebnis ebenso Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021, S. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 7 3.1.2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die zugewiesenen Aufgaben Nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG kann der Bund nur in solchen Bereichen an die dort genannten Bundesbehörden neue Aufgaben übertragen, in denen er die Gesetzgebungskompetenz hat. Vorliegend kommen die konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen zur Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG sowie zum Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in Betracht. Nach allgemeiner Auffassung begründet die Kompetenz zur Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 keine allgemeine Kompetenz für die Agrar- und Forstwirtschaft; umfasst ist vielmehr die Förderung der sog. Urproduktion, einschließlich der Sicherung der Nachhaltigkeit der Bodennutzung.22 Die gewerbliche Verarbeitung von sowie der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen fallen dagegen unter den Kompetenztitel Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Die neue EU-Öko-Basisverordnung, an die das ÖLG angepasst werden soll, enthält Bestimmungen sowohl für die Produktion bestimmter ökologischer/biologischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse als auch für deren Verarbeitung, Zertifizierung und Kennzeichnung sowie für den Handel mit diesen Produkten. Da die Einhaltung hoher Standards in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Tierschutz bei der Produktion ökologischer/biologischer Erzeugnisse für die hohe Qualität dieser Erzeugnisse von grundlegender Bedeutung ist, sieht die neue EU-Öko-Basisverordnung auch Vorschriften zu Kontrollen, die über die EU-Verordnung über amtliche Kontrollen (Verordnung (EU) 2017/625) hinausgehen, vor. Eine Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG kommt insoweit in Betracht, als es um die eigentliche Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse geht. Fraglich ist, ob dies ebenso für die Regelung der Kontrolle über die Einhaltung der Vorgaben für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse gilt. Hier könnte es sich auch um eine Materie des Polizei- und Ordnungsrechts handeln, für das eine Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht.23 Die Kontrollregelungen bezwecken jedoch nicht die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion. Insofern dürfte auch für die Kontrollregelungen die Gesetzgebungskompetenz zur Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung des Bundes gegeben sein. Für den darüber hinausgehenden Regelungsbereich, die Verarbeitung und den Handel betreffend, kommt hingegen die Gesetzgebungskompetenz Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in Betracht. Das Recht der Wirtschaft wird weit definiert und umfasst alle Normen, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regeln.24 Regelungen, die die gewerbliche Verarbeitung, die Zertifizierung, die Kennzeichnung und den Handel mit ökologischen/ biologischen Erzeugnissen betreffen, fallen unter den weiten Begriff des Rechts der Wirtschaft. 22 Siehe nur Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 74 Rn. 119. 23 Kment, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 16. Auflage 2020, Art. 70 Rn. 21. 24 BVerfGE 68, 319 (330); 116, 202 (215 f.); 135, 155 (Rn. 101); BVerwGE 139, 42 (Rn. 17). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 8 Soweit das Recht der Wirtschaft betroffen ist, kommt dem Bund gemäß Art. 72 Abs. 2 GG jedoch nur dann das Gesetzgebungsrecht zu, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Auf diese Kompetenzen stützt sich der Gesetzentwurf hinsichtlich der dort enthaltenen Änderungen von ÖLG und ÖkoKennzG. Es wird ausgeführt, dass es ohne bundeseinheitliche Vorgaben zum Kontrollverfahren zu einer Rechtszersplitterung kommen würde, die den Wirtschaftsstandort Deutschland mit seiner kontinuierlich wachsenden Erzeugung und Vermarktung von Produkten aus ökologischer Erzeugung schwächen würde. Ohne die Zulassung der Kontrollstellen auf Bundesebene anhand bundeseinheitlicher Vorgaben würde es grundlegend an Gemeinsamkeit des Vorgehens fehlen; die erforderliche Rechtssicherheit wäre gefährdet.25 Diese Argumentation ist an sich schlüssig und dürfte auch für die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen einschlägig sein, sodass von einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes auszugehen ist. 3.1.3. Eignung der Aufgaben zur zentralen Erledigung Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Errichtung von selbständigen Bundesoberbehörden allerdings lediglich für Aufgaben erfolgen, die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder – außer für reine Amtshilfe – wahrgenommen werden können.26 Damit zieht Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG der Begründung einer Verwaltungszuständigkeit durch den Bund auch insofern eine Grenze, als nur bestimmte Sachaufgaben zur zentralen Erledigung geeignet sind.27 Die nach den Änderungsvorschlägen des Bundesrates an die BLE übertragenen Aufgaben sollen die Benennung, den Entzug der Benennung und die Überwachung von amtlichen Laboratorien sowie die Durchführung des jährlichen Audits bei den Kontrollstellen umfassen. Bezüglich der Benennung und des Entzugs der Benennung von amtlichen Laboratorien dürfte es von Bedeutung sein, dass bereits jetzt die wohl prinzipiell ähnlich gelagerte Zulassung sowie der Entzug der Zulassung der Kontrollstellen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ÖLG vom BLE ohne eigenen Verwaltungsmittelbau und Verwaltungsunterbau erledigt werden. Es kann hier nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern im Vergleich zwischen den Verfahren bei Kontrollstellen und den Verfahren bei der Benennung und dem Entzug der Benennung von amtlichen Laboratorien in tatsächlicher Hinsicht wesentliche Unterschiede bestehen. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, spricht viel dafür, dass jedenfalls die Aufgaben der Benennung und des Entzugs der Benennung von amtlichen Laboratorien der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder wahrgenommen werden können und damit zur zentralen Erledigung geeignet sind. 25 Gesetzentwurf vom 12. Februar 2021, BR-Drs. 131/21, S. 11. 26 BVerfGE 14, 197 (211); BVerfGE 110, 33 (49). 27 BVerfGE 14, 197 (211); BVerfGE 110, 33 (49). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 067/21 Seite 9 Es lässt sich dagegen aus den bisherigen Regelungen zur Überwachung der Kontrollstellen kein Argument dafür ableiten, dass die Überwachung der amtlichen Laboratorien zur zentralen Erledigung geeignet ist. Denn bisher ist für die Überwachung der Kontrollstellen die Landesverwaltung zuständig, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 5 S. 1 ÖLG. Die Landesbehörden haben dabei gemäß § 4 Abs. 5 S. 2 und S. 3 ÖLG bei Bekanntwerden bestimmter Tatsachen die BLE unter Mitteilung dieser Tatsachen zu ersuchen, ein Verfahren unter anderem zum Entzug der Zulassung einzuleiten. Festzuhalten ist, dass der BLE die Überwachung der amtlichen Laboratorien nur zugewiesen werden kann, wenn sie diese Aufgabe ohne eigenen Verwaltungsmittelbau und Verwaltungsunterbau erledigen kann. Dies gilt in gleicher Weise für die Zuweisung der Durchführung des jährlichen Audits der Kontrollstellen nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 Verordnung (EU) 2018/848 in Verbindung mit Art. 33 Buchstabe a Verordnung (EU) 2017/625. Der Bundesrat führt in seiner Stellungnahme hierzu aus, dass bei den jährlichen Audits schwerpunktmäßig die Anwendung der im Rahmen der Zulassung vorgelegten Verfahrensbeschreibungen überprüft werden soll. Insofern sei es schlüssig, die Durchführung des Audits an die BLE zu übertragen. Die BLE könne insbesondere vor Ort gezielt Details der Verfahrensbeschreibungen überprüfen, die im Rahmen der Dokumentenkontrolle bei der Zulassung aufgefallen seien. Die Länder sollen dabei aber ihre Erkenntnisse aus der Umsetzung der Ökokontrolle der BLE zuliefern.28 Zu den Vorschlägen des Bundesrates sind – soweit ersichtlich – keine Stellungnahmen des BLE oder anderer Stellen veröffentlicht, die eine Einschätzung ermöglichen, ob das BLE eine Kontrolle vor Ort gewährleisten könnte. Ob die Durchführung des jährlichen Audits für eine zentrale Erledigung geeignet ist, kann hier daher nicht abschließend beurteilt werden. Bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten hat der Gesetzgeber weiter für eine hinreichend klare Zuordnung der Zuständigkeiten zu sorgen.29 Es wäre somit problematisch, wenn die Abgrenzung zwischen den Aufgaben der BLE und der Landesbehörden nicht hinreichend klar wäre. Dies ist hier aber jedenfalls nicht unmittelbar ersichtlich. 3.2. Änderung der Zuständigkeit der (privaten) Kontrollstellen Der Vorschlag des Bundesrates zur Änderung von § 3 Abs. 1 ÖLG (siehe oben 2.2.) dürfte jedenfalls unmittelbar die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht berühren. Stattdessen betrifft die Regelung vorrangig die Abgrenzung der Tätigkeit der (privaten) Kontrollstellen von den Zuständigkeiten der Landesbehörden. Unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Grenzen für das Zusammenwirken von Bund und Ländern sind hier keine Probleme ersichtlich. *** 28 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 131/21(B) vom 26. März 2021, S. 4. 29 Vgl. BVerfGE 119, 331 (365 f.).