© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 066/16 Zugänglichkeit der beim Kraftfahrt-Bundesamt oder Umweltbundesamt vorliegenden Motorensoftware von Autoherstellern nach dem Informationsfreiheitsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 066/16 Seite 2 Zugänglichkeit der beim Kraftfahrt-Bundesamt oder Umweltbundesamt vorliegenden Motorensoftware von Autoherstellern nach dem Informationsfreiheitsgesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 066/16 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 066/16 Seite 3 1. Fragestellung Es wird gefragt, inwieweit Motorensoftware, welche Autohersteller gegenüber dem Kraftfahrt- Bundesamt oder dem Umweltbundesamt offengelegt haben, nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) zugänglich ist. 2. Kreis der Anspruchsinhaber Nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG hat „jeder“ nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Anspruchsberechtigt sind danach alle natürlichen Personen (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Aufenthaltsort oder von sonstigen persönlichen Merkmalen) sowie juristische Personen des Privatrechts.1 Hierzu zählen unter anderem rechtsfähige Vereine, Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung. 3. Kraftfahrt-Bundesamt und Umweltbundesamt als Anspruchsverpflichtete Das Kraftfahrt-Bundesamt und das Umweltbundesamt sind Behörden im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 IFG und damit taugliche Anspruchsgegner.2 4. Motorensoftware als Anspruchsgegenstand Eine beim Kraftfahrt-Bundesamt oder Umweltbundesamt vorliegende Motorensoftware, insbesondere die darin enthaltenen Parameter, stellen auch einen tauglichen Anspruchsgegenstand nach dem Informationsfreiheitsgesetz dar. Der Anspruch aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG ist auf den Zugang zu amtlichen Informationen gerichtet. Der Begriff der amtlichen Information ist dabei in § 2 Nr. 1 IFG legaldefiniert. Danach ist unter dem Begriff jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, zu fassen. Der Begriff der Aufzeichnungen lässt sich wiederum schon nach dem Wortsinn in „Zeichen“ in Gestalt einer geordneten Datenmenge, die „auf“ einem Träger verkörpert sind, zerlegen.3 Vom Informationszugangsanspruch erfasst sind alle denkbaren Informationsträger sowie auch die zur Wahrnehmung der Information erforderlichen Hilfsmittel, wie beispielsweise Computerprogramme.4 Ob eine Aufzeichnung eine amtliche Information ist, bestimmt sich nach dem Zweck, dem sie zu dienen bestimmt ist. Bei einer Motorensoftware, die bei einer Behörde im Rahmen einer Überprüfung von Abgaswerten vorliegt, kann der amtliche Charakter bejaht werden. 1 Debus, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar Informations- und Medienrecht, Stand: 10. Edition (November 2015), § 1 IFG Rn. 97. 2 Siehe Rossi, IFG, Kommentar, 2006, Anhang I – Anspruchsverpflichtete Stellen. 3 Debus, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar Informations- und Medienrecht, Stand: 10. Edition (November 2015), § 2 IFG Rn. 7. 4 Vgl. Rossi, IFG, Kommentar, 2006, § 2 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 066/16 Seite 4 5. Ausschluss des Informationszugangs durch Ausnahmetatbestände Zu prüfen ist jedoch, ob nicht der Informationszugangsanspruch aufgrund eines im Informationsfreiheitsgesetz normierten Ausnahmetatbestandes ausgeschlossen sein könnte. Eine abschließende Beurteilung des Eingreifens von Ausschlussgründen ist nur bei Kenntnis der konkreten, betroffenen Informationen und damit hier an dieser Stelle nicht möglich. Hinzuweisen ist jedoch auf die Ausnahmetatbestände im Informationsfreiheitsgesetz zum absoluten (d.h. nicht einer Abwägung unterliegenden) Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie geistigem Eigentum aus § 6 IFG, nach denen im vorliegenden Fall der Informationszugang in der Regel ausgeschlossen sein dürfte. 5.1. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Nach § 6 S. 2 IFG darf der Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.5 Der Begriff „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis“ wird vom Informationsfreiheitsgesetz nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in anderem Zusammenhang werden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.6 Dieses Begriffsverständnis wird auch der Regelung des § 6 S. 2 IFG zugrunde gelegt.7 Als berechtigte Geheimhaltungsinteressen werden wegen des funktional auf den Wettbewerb ausgerichteten Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen insbesondere solche von wettbewerbsrechtlicher Relevanz erfasst.8 Ob auch das generelle Interesse, eine Schädigung des Unternehmens zu verhindern, ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse darstellt, ist hingegen umstritten. 5.2. Schutz von geistigem Eigentum Nach § 6 S. 1 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Mittels dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass das privatrechtliche Regelungssystem zum Schutz geistigen Eigentums durch die Möglichkeit freien Zugangs zu Informationen bei den Behörden des Bundes unterlaufen wird.9 Für die Annahme geistigen 5 Vertiefend hierzu das von Kloepfer im Auftrag des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 2011 erstattete Rechtsgutachten „Informationsfreiheitsgesetz und Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen “, abrufbar unter http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/VortraegeUndArbeitspapiere/Gutachten IFGKloepfer.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 26. Februar 2016). 6 BVerfG, NVwZ 2006, S. 1041 (1042). 7 Guckelberger, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar Informations- und Medienrecht, Stand: 10. Edition (November 2015), § 6 IFG Rn. 16 ff. 8 Rossi, IFG, Kommentar, 2006, § 6 Rn. 74 ff., dort zum Folgenden. 9 Rossi, IFG, Kommentar, 2006, § 6 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 066/16 Seite 5 Eigentums ist das jeweilige Fachrecht (Immaterialgüterrecht) maßgeblich.10 Nach der Gesetzentwurfsbegründung zählen zum geistigen Eigentum insbesondere das Urheberrecht sowie der gewerbliche Rechtsschutz in Form von Marken-, Patent-, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrechten.11 Inwieweit im vorliegenden Fall die Motorensoftware im Einzelnen nach diesem Fachrecht geschützt wird, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch ein Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes hier in Betracht kommt und der Informationszugang insoweit ausgeschlossen sein könnte. Ende der Bearbeitung 10 Guckelberger, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar Informations- und Medienrecht, Stand: 10. Edition (November 2015), § 6 IFG Rn. 4. 11 BT-Drs. 15/4493, S. 14.