Nr. WD 3-3000-064/18 (27. Februar 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Gefragt wird, ob die Gesetzesvorlage für ein Vertragsgesetz im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG nur durch die Bundesregierung oder auch aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden kann. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist diese Frage umstritten: Nach der einen Ansicht besitzt nur die Bundesregierung das Initiativrecht für entsprechende Vertragsgesetze (Bryde, in: von Münch/Kunig [Hrsg.], Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 5; Pieper, in: Epping/Hillgruber [Hrsg.], BeckOK Grundgesetz, Stand: 35. Edition – Juni 2017, Art. 59 Rn. 34.1.; Stettner, in: Dreier [Hrsg.], Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2006, Art. 76 Rn. 7). Zur Begründung wird dabei angeführt, dass man so den außenpolitischen Belangen der Bundesrepublik am besten gerecht werde. Nach der anderen Ansicht bestimmt sich das Initiativrecht für Vertragsgesetze nach den allgemeinen Vorgaben des Art. 76 GG und unterliegt keinen Beschränkungen (Nettesheim, in: Maunz/Dürig [Begr.], Grundgesetz, Kommentar, Stand: 54. EL – Januar 2009, Art. 59 Rn. 147; Rauschning, in: Kahl/Waldhoff/Walter [Begr.], Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 143. EL – Dezember 2009, Art. 59 Rn. 92; Masing, in: von Mangoldt/Klein/Starck [Hrsg.], Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 76 Abs. 1 Rn. 47; Kretschmer, in: Letzgus u.a. [Hrsg], Für Recht und Staat, FS Helmrich, 1994, S. 537 [542]). Verwiesen wird dabei darauf, dass das Grundgesetz nichts für eine Beschränkung hergebe und auch keine funktionalen Gründe für eine solche Beschränkung ersichtlich seien. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage bislang offen gelassen (BVerfGE 68, 1 [66]). In der Parlamentspraxis hat es in der Vergangenheit mehrfach Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages zu völkerrechtlichen Verträgen gegeben (siehe die Nachweise bei Masing, in: von Mangoldt/Klein/Starck [Hrsg.], Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 76 Abs. 1 Rn. 46 sowie die Aufstellung der Parlamentsdokumentation des Bundestages, die als Anlage beigefügt ist). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Initiativrecht für Völkervertragsgesetze Kurzinformation Initiativrecht für Völkervertragsgesetze Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Hinzuweisen ist schließlich auf die Auslegungsentscheidung des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages vom 1. Juni 1989. Dort heißt es: „Entwürfe zu Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen aus der Mitte des Bundestages sind zulässig. Ist den Ausschüssen ein Gesetzentwurf der genannten Art überwiesen worden, haben sich der federführende und die mitberatenden Ausschüsse mit der Vorlage gem. § 62 Abs. 1 GO zu befassen. Im Einzelfall haben die federführenden und mitberatenden Ausschüsse zu prüfen, ob der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu völkerrechtlichen Verträgen aus der Mitte des Bundestages verfassungsgemäß ist, insbesondere ob es den Kriterien eines Zustimmungsgesetzes zu völkerrechtlichen Verträgen in den Artikeln 59 und 32 des GG entspricht. Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln dazu ist eine Stellungnahme des Rechtsausschusses einzuholen. Ist im Einzelfall der Rechtsausschuß für die Beratung des Gesetzentwurfs federführend, haben die mitberatenden Ausschüsse den Rechtsausschuß auf ihre verfassungsrechtlichen Bedenken hinzuweisen.“ (zitiert nach Kretschmer, in: Letzgus u.a. [Hrsg], Für Recht und Staat, FS Helmrich, 1994, S. 537 [539 f.]) ***