© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 064/14 Rechtsfragen zur Berufshaftpflichtversicherung der freien Hebammen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 2 Rechtsfragen zur Berufshaftpflichtversicherung der freien Hebammen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 064/14 Abschluss der Arbeit: 27. März 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 3 1. Fragestellung Vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten Problematik der Berufshaftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen wird gefragt, ob private Versicherungsunternehmen aus verfassungsrechtlicher Sicht verpflichtet werden können, eine bestimmte Versicherung anzubieten, und ob alternativ der Bund eine Berufshaftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen anbieten könnte. Der Bundesminister für Gesundheit hat für April den Abschlussbericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe mit Lösungsansätzen zu dem Versicherungsproblem angekündigt,1 der insbesondere auch Antworten auf die sich in diesem Zusammenhang stellenden komplexen juristischen Fragestellungen geben soll. Angesichts dessen verfolgt diese Ausarbeitung nicht das Ziel einer abschließenden rechtlichen Bewertung der Vorschläge, sondern zeigt – vereinbarungsgemäß – lediglich die verfassungsrechtlichen Maßstäbe auf, an denen die genannten Maßnahmen zu messen wären. 2. Zulässigkeit der Verpflichtung privater Versicherungsunternehmen zum Anbieten bestimmter Versicherungen Ob es aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig wäre, private Versicherungsunternehmen gesetzlich zu verpflichten, eine Berufshaftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen anzubieten, hängt maßgeblich davon ab, ob eine solche Maßnahme gegen Grundrechte der Versicherungsunternehmen verstoßen würde. 2.1. Gesetzgebungskompetenz Die für eine bundesgesetzliche Regelung erforderliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz (GG)2. Dieser Titel umfasst das Recht der Wirtschaft einschließlich des Rechts des privatrechtlichen Versicherungswesens. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Zuordnung von Regelungen zum Bereich des privatrechtlichen Versicherungswesens nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass das Zustandekommen der Versicherungsverträge auf einer gesetzlich angeordneten Versicherungspflicht der Versicherungsnehmer und einem korrespondierenden Kontrahierungszwang der Versicherer beruht.3 Insoweit könnte auch eine bundesgesetzliche Verpflichtung zum Anbieten bestimmter Versicherungsleistungen auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gestützt werden. Diese konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes steht unter dem Erforderlichkeitsvorbehalt des Art. 72 Abs. 2 GG. 1 BT-PlProt. 18/23, S. 1799 f. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) geändert worden ist. 3 BVerfGE 103, 197 (218). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 4 2.2. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit Eine gesetzliche Verpflichtung eines Versicherungsunternehmens, eine bestimmte Versicherung in das Produktportfolio aufzunehmen, müsste in materieller Hinsicht im Einklang mit der durch Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit stehen. Art. 12 Abs. 1 GG garantiert als einheitliches Grundrecht die Berufswahl- und die Berufsausübungsfreiheit . Die erwerbswirtschaftliche Betätigung von Versicherungsunternehmen fällt in den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts, da es sich dabei um eine auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit handelt, die zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage ausgeübt wird.4 Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist in personeller Hinsicht nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar.5 Jedes staatliche Handeln, welches das durch den Schutzbereich des Grundrechts geschützte Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht, stellt einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff dar. Im Bereich des Art. 12 GG zählen hierzu insbesondere normative Regelungen, die den Grundrechtsträgern verbindliche Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise ihrer Berufsausübung machen . Eine gesetzliche Verpflichtung von Versicherungsunternehmen zum Angebot von Berufshaftpflichtversicherungen für Hebammen würde daher einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit darstellen. Dieser bedarf einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG unterscheidet das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) drei Stufen von Eingriffen, die steigende Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs zur Folge haben. Differenziert wird zwischen Berufsausübungsregelungen auf erster Stufe, subjektiven Berufswahlbeschränkungen auf zweiter Stufe und objektiven Berufswahlbeschränkungen auf dritter Stufe.6 Unter einer Berufsausübungsregelung versteht man Eingriffe, welche die Art und Weise der Tätigkeit (das „Wie“ des Berufes) betreffen.7 Hingegen ist eine subjektive Berufswahlbeschränkung eine Maßnahme, die bereits den Zugang zum Beruf (das „Ob“) reglementiert, indem sie ihn von persönlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten abhängig macht.8 Auf dritter Stufe stehen objektive Berufswahlbeschränkungen, die den Berufszugang durch Umstände außerhalb der Person bedingen , so dass der Betroffene die Erfüllung der nötigen Voraussetzungen nicht beeinflussen kann.9 4 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. etwa BVerfGE 111, 10 (28); vertiefend zum Berufsbegriff des Art. 12 GG vgl. etwa Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 19. Edition 2013, Art. 12 Rn. 40 ff.; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 1, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rn. 55 f. 5 BVerfGE 50, 290 (363); BVerfGE 105, 252 (265). 6 Ständige Rechtsprechung seit dem sog. „Apothekenurteil“, BVerfGE 7, 377. 7 Vgl. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 1, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rn. 84. 8 BVerfGE 9, 338 (345). 9 BVerfGE 7, 377 (406). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 5 Maßgeblich für die Stufeneinordnung eines Eingriffs ist die Definition des jeweiligen Berufs.10 Unabhängig davon, ob man das Berufsbild vorliegend weit (etwa alle Versicherer) oder eng (etwa alle Anbieter von Berufshaftpflichtversicherungen für medizinische Berufe) versteht, würde eine gesetzliche Pflicht zum Anbieten von Hebammenhaftpflichtversicherungen nicht den Zugang zum Beruf regeln, sondern lediglich die Berufsausübung. Die Regelung würde also einen Eingriff der ersten Stufe darstellen. Die Anforderungen an die Rechtfertigung dieser niedrigschwelligen Eingriffe sind nach der genannten Drei-Stufen-Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts vergleichsweise gering. Wie alle Grundrechtseingriffe müssen auch Eingriffe in die Berufsfreiheit verhältnismäßig sein, d.h. sie müssen einen legitimen Zweck verfolgen und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Bei Eingriffen der ersten Stufe muss der legitime Zweck (lediglich) eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls darstellen.11 Insbesondere bei Berufsausübungsregeln verfügt der Gesetzgeber insoweit über einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum, vor allem bei der Verfolgung wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Ziele.12 Das gesetzgeberische Ziel, das Berufsbild freiberuflicher Hebammen durch Schaffung einer Versicherungsmöglichkeit und damit zugleich Wahlmöglichkeiten bei der Geburtshilfe zu erhalten, stellt sich als in diesem Sinne vernünftige Erwägung des Gemeinwohls dar. Die gesetzliche Regelung müsste ferner geeignet sein, den Zweck zu erreichen. Sie müsste das gesetzgeberische Ziel zumindest fördern, wobei auch insoweit ein Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers besteht.13 Durch eine gesetzliche Verpflichtung der Versicherungsunternehmen, eine Haftpflichtversicherung für Hebammen anzubieten, stünde den freiberuflichen Hebammen weiterhin eine Versicherungsmöglichkeit offen, so dass sie ihren Beruf weiterhin ausüben könnten . Die Regelung wäre somit zur Zweckerreichung geeignet. Eine Verpflichtung der Versicherungsunternehmen müsste auch erforderlich sein. Dem Gesetzgeber dürfte kein milderes, aber gleich effektives Mittel zur Erreichung seines Zieles zur Verfügung stehen. Die Prüfung, ob derartige mildere Mittel zur Verfügung stehen, ist zunächst Sache des Gesetzgebers. Ihm kommt auch insoweit eine Beurteilungsprärogative zu. Ebenso verhält es sich für das Kriterium der Angemessenheit, das eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der beeinträchtigten Versicherungsunternehmen einerseits und der Gemeinwohlziele andererseits erfordert . Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.14 10 Zu den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Einführung des Basistarifs und anderer Verpflichtungen der privaten Krankenversicherungen durch die Gesundheitsreform von 2007 vgl. Musil, Viel Lärm um nichts? – Die Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen, NZS 2008, 113 (115). 11 Vgl. BVerfGE 7, 377 (405). 12 Vgl. Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 19. Edition 2013, Art. 12 Rn. 88; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 1, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rn. 135 ff. 13 Vgl. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 1, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rn. 121. 14 BVerfGE 101, 331 (347). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 6 Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Problematisch wären Regelungen, die dazu führten, dass die Geschäftstätigkeit der betroffenen Versicherungsunternehmen nicht mehr wirtschaftlich wäre.15 Hier kommt es darauf an, in welchem Umfang sich die Hebammenversicherungen wirtschaftlich auf das Gesamtgeschäft auswirken, ob Versicherungsunternehmen erst ab einer gewissen Größe oder Wirtschaftskraft verpflichtet werden und ob es beispielsweise Vorkehrungen für einen Risikoausgleich zwischen den Versicherern gibt, wie er etwa für den Basistarif der privaten Krankenversicherung16 vorgesehen ist.17 Unter Beachtung dieser Grundsätze wäre es verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich, Versicherungsunternehmen zum Angebot von Berufshaftpflichtversicherungen für freiberufliche Hebammen zu verpflichten. 3. Zulässigkeit einer Berufshaftpflichtversicherung des Bundes für freiberufliche Hebammen Die Einführung einer Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen durch den Bund erfordert in formeller Hinsicht eine Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes und muss darüber hinaus sicherstellen, dass den materiellen Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere den Gewährleistungen der Grundrechte, Rechnung getragen wird. 3.1. Gesetzgebungskompetenz Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes unter anderem auf „die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff der Sozialversicherung nicht auf die tradierten Versicherungsbereiche Krankheit, Alter, Invalidität, Unfall sowie (später) Arbeitslosigkeit beschränkt,18 sondern als „weitgefasster ‚verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff‘ zu verstehen“, der alles umfasst, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt.19 Die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das System der Sozialversicherung ist nach der Rechtsprechung möglich, wenn dabei die wesentlichen Strukturelemente der Sozialversicherung 15 Vgl. zur sog. Bürgerversicherung Musil, Viel Lärm um nichts? – Die Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen, NZS 2008, 113 (118). 16 Vgl. die Regelung des § 12g Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), Versicherungsaufsichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 13 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3395) geändert worden ist. 17 Hierzu BVerfGE 123, 186. 18 BVerfGE 11, 105 (111 f.). 19 BVerfGE 75, 108 (146). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 7 gewahrt bleiben.20 Auf diese Weise konnte beispielsweise die Pflegeversicherung als neuer Zweig der Sozialversicherung geschaffen werden.21 Als wesentlich in diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht „die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“22 angesehen. Gemeint ist ein Ausgleich besonderer Lasten23 innerhalb einer Solidargemeinschaft .24 Außerdem müssen Aufgaben der Sozialversicherung organisatorisch durch selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts als Träger der Sozialversicherung durchgeführt werden, die die erforderlichen Mittel im Wesentlichen durch Beiträge der Betroffenen (im Rahmen der Solidargemeinschaft) aufbringen.25 Kein Wesensmerkmal der Sozialversicherung ist hingegen eine Beschränkung des Versichertenkreises auf Arbeitnehmer.26 Möglich ist auch die Einbeziehung Selbständiger und Freiberufler.27 Aus dem Wesensmerkmal eines Lastenausgleichs innerhalb einer Solidargemeinschaft folgt, dass die Sozialversicherung im Grundsatz eine Pflichtversicherung für bestimmte Personengruppen ist.28 Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Sozialversicherung für bestimmte Personen darüber hinaus freiwillige Zusatzversicherungen anbietet. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger jedoch ausschließlich freiwillige Versicherungen anbietet, handelt es sich nicht um einen Sozialversicherungsträger.29 Aus dem Grundsatz der Bedarfsdeckung durch eine „organisierte Vielheit“ im Rahmen einer Solidargemeinschaft folgt weiter, dass eine Vollfinanzierung der Aufgaben aus allgemeinen Haushaltsmitteln unzulässig wäre. Wesensmerkmal der Sozialversicherung ist die Beitragsfinanzierung , die allerdings durch Deckungszuschüsse aus Haushaltsmitteln ergänzt werden kann.30 20 BVerfGE 75, 108 (146). 21 BVerfGE 103, 197 (215). 22 BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34). 23 Vgl. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Rn. 106. 24 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 74 Rn. 171. 25 BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34); BVerfGE 114, 196 (221). 26 BVerfGE 75, 108 (146). 27 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 74 Rn. 171. 28 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 74 Rn. 172. 29 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 74 Rn. 172. 30 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 74 Rn. 173. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 064/14 Seite 8 Nach den dargestellten Grundsätzen kommt die Einführung einer Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen im Rahmen der Sozialversicherung grundsätzlich in Betracht. Denn auch besondere Haftungsrisiken einer Berufsgruppe stellen besondere Lasten dar, die im Rahmen einer Solidargemeinschaft getragen werden können. 3.2. Verwaltungskompetenz Nach Art. 87 Abs. 2 S. 1 GG werden soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts geführt. Die Vorschrift ordnet insoweit – in Ausnahme zum Grundsatz des Landesvollzugs von Bundesrecht nach Art. 83 GG – Bundesverwaltung an, und zwar in Form mittelbarer Staatsverwaltung durch rechtsfähige Körperschaften.31 Die Durchführung durch eigene Behörden im Wege unmittelbarer Bundesverwaltung ist ausgeschlossen.32 Der Begriff der Sozialversicherung im Sinne des Art. 87 Abs. 2 GG ist ebenso auszulegen wie der des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.33 Unter Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenz entscheidet der Bund zugleich über die Einrichtung von Sozialversicherungsträgern und deren regionale Zuständigkeit,34 so dass der Bundesgesetzgeber letztlich auch die Begründung einer Verwaltungskompetenz des Bundes in der Hand hat. Sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungskompetenz des Bundes würden insoweit die Schaffung einer gesetzlichen Haftpflichtversicherung des Bundes für Hebammen im Rahmen der Sozialversicherung decken. 3.3. Materielle Grenzen Bei der konkreten Ausgestaltung müsste sichergestellt werden, dass den materiellen Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere den Gewährleistungen der Grundrechte, genügt wird. Eingriffe in Freiheitsrechte (beispielsweise in die allgemeine Handlungsfreiheit der mit einer Pflichtmitgliedschaft belegten Hebammen) müssten verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können und dazu insbesondere verhältnismäßig sein. Ungleichbehandlungen zwischen vergleichbaren Berufsgruppen müssten durch sachliche Gründe legitimiert sein. 31 Zu der Streitfrage, ob der Begriff der Körperschaft hier im engeren Sinne oder im weiteren Sinne, der auch Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts einschließt, zu verstehen ist, vgl. Ibler, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 87 Rn. 186. 32 BVerfGE 63, 1 (36). 33 BVerfGE 114, 196 (223). 34 Vgl. Suerbaum, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 19. Edition 2013, Art. 87 Rn. 35.