Deutscher Bundestag Wirkungsgleiche Übertragung von Dämpfungsfaktoren der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Versorgung der Bundesbeamten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 - 064/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 2 Wirkungsgleiche Übertragung von Dämpfungsfaktoren der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Versorgung der Bundesbeamten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 - 064/13 Abschluss der Arbeit: 8. April 2013 Fachbereich: Verfassung und Verwaltung (WD 3) Telefon: Das Referat PM 1 (Abgeordnetenentschädigung) hat den Punkt 5 „Exkurs: Dämpfungsfaktoren in der Altersentschädigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages“ bearbeitet. Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung nach 2001 5 3. Wirkungsgleiche Übertragung der kostendämpfenden Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung 7 3.1. Wirkungsgleiche Übertragung des sog. Riesterfaktors auf die Beamtenversorgung 8 3.2. Zur Frage der Übertragung des sog. Nachhaltigkeitsfaktors auf die Beamtenversorgung 8 3.3. Zur Frage der Übertragung des sog. Nachholfaktors auf die Beamtenversorgung 10 4. Ausblick 11 5. Exkurs: Dämpfungsfaktoren in der Altersentschädigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 4 1. Einleitung Zischen den beiden Alterssicherungssystemen in der Bundesrepublik Deutschland für abhängig Beschäftigte, der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgung der Beamten, Richter und Soldaten, bestehen grundlegende Unterschiede. Aus systematischer Perspektive lassen sich diese Unterschiede anhand des sog. Drei-Säulen-Modells beschreiben: Die erste Säule umfasst die Regelsicherung als Basis der Absicherung, mit der die normale, für alle vorgesehene Einkommensbasis im Alter sowie im Invaliditäts- und Hinterbliebenenfall geschaffen wird. Sie wird für Arbeitnehmer durch die gesetzliche Rentenversicherung abgedeckt. Ergänzt wird die Regelsicherung der Arbeitnehmer durch eine überwiegend vom Arbeitgeber finanzierte betriebliche Altersversorgung als Zusatzsicherung , die zweite Säule. Kennzeichen des Alterssicherungssystems für die Beamten und Soldaten ist die sog. Bifunktionalität der für sie vorgesehenen Gesamtversorgung. Sie fasst im Unterschied zu den Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes, beide Säulen der Alterssicherung (Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und Zusatzsicherung in Form einer Betriebsrente ) zu einer Gesamtleistung zusammen. Die daraus resultierenden Unterschiede zur gesetzlichen Rentenversicherung schließen eine Vergleichbarkeit der Leistungen beider Alterssicherungssysteme aus.1 Hinzu tritt als dritte Säule die für Arbeitnehmer wie auch Beamte und Soldaten individuell zu finanzierende private Altersvorsorge. 1 Vierter Versorgungsbericht der Bundesregierung, 2009, BT-Drs. 16/12660, S. 55. Quelle: Vierter Versorgungsbericht der Bundesregierung, 2009, BT-Drs. 16/12660, S. 55 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 5 Rechtliche Grundlage der gesetzlichen Rentenversicherung ist das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI),2 das im Wesentlichen am 1. Januar 1992 in Kraft trat. Die gesetzliche Altersrente wird jährlich angepasst; Grundlage hierfür ist die jährliche Neufestsetzung des aktuellen Rentenwerts. Die Versorgung der Beamten des Bundes ist im Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (BeamtVG),3 die der Berufssoldaten ist weitgehend inhaltsgleich zum Beamtenversorgungsrecht im Soldatenversorgungsgesetz (SVG)4 geregelt. Entsprechend der allgemeinen Wirtschafts- und Einkommensentwicklung werden neben der Besoldung auch die Versorgungsbezüge jeweils durch Bundesgesetz angepasst. Durch die Aufhebung von Art. 74a Grundgesetz5, der dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Versorgungsrechts auch für die Beamten von Ländern und Kommunen einräumte, hat der Bund das Recht verloren, versorgungsrechtliche Regelungen auch mit (einer möglichen Sperr-) Wirkung für Länder und Kommunen zu erlassen. Mit Inkrafttreten der Föderalismusreform zum 1. September 2006 ist diese Kompetenz wieder in die Zuständigkeit der Länder zurückgefallen, die sie bis Anfang der 1970er Jahre bereits ausgeübt hatten. Diese Reföderalisierung des Versorgungsrechts der Beamten steht in einem Spannungsverhältnis zu dem politischen Ziel, Reformmaßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Beachtung der Unterschiedlichkeit der Systeme auf die Beamtenversorgung zu übertragen. Da mit der Föderalismusreform der Weg für bis zu 17 verschiedene Ausgestaltungen der Beamtenversorgung in Bund und Ländern eröffnet wurde, kann eine einheitliche Entwicklung der Versorgungsregelungen in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nur bedingt gewährleistet werden. Für die vorliegende Arbeit hat dies die limitierende Konsequenz, dass sich die Ausführungen zur Übertragung von Rentenreformschritten nach der Föderalismusreform I auf den Bereich beziehen , in dem der Bund über die Kompetenzen des Versorgungsgesetzgebers verfügt. 2. Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung nach 2001 Auf der Grundlage prognostischer Erkenntnisse zu den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die gesetzliche Rentenversicherung hat der Gesetzgeber mit der Rentenreform von 1992 eine ganze Reihe von Reformschritten initiiert. Diese zielten und zielen darauf, das bis dahin als für die Lebensstandard-Sicherung hinreichend erachtete Alterssicherungssystem für Arbeitnehmer mit zwei zentralen Leitlinien umzubauen: Erstens, die Begrenzung einzelner Leistungen der 2 Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geä. durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2781). 3 Beamtenversorgungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 150), zuletzt geä. durch Art. 9 des Gesetzes vom 15. August 2012 (BGBl. I S. 1670). 4 Soldatenversorgungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. September 2009 (BGBl. I S. 3054), zuletzt geä. durch Art. 14 des Gesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1583). 5 Art. 74a GG wurde aufgehoben durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) m.W.v. 1. September 2006. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 6 gesetzlichen Rentenversicherung sowie die schrittweise Absenkung des allgemeinen Rentenniveaus , bei gezieltem Aufbau einer kapitalgedeckten Zusatzvorsorge im Gegenzug. Zweitens, die Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zentrale Umbauschritte6 waren die Rentenreformen aus den Jahren 2001, 2004 sowie 2007, mit denen insbesondere Kostendämpfungsfaktoren Eingang in die Rentenanpassungsformel gefunden haben. Mit dem 20017 angenommenen Reformpaket wurde u.a. der sog. Riesterfaktor eingeführt und der Basiswert in der Rentenanpassungsformel von 100 auf 90 abgesenkt. Der sog. Riesterfaktor zielt auf eine Verringerung der Höhe der jährlichen Rentenanpassung, die die Belastungen nachzeichnen soll, denen Arbeitnehmer durch den Aufbau einer individuell finanzierten privaten Altersvorsorge („Riester-Rente“) ausgesetzt sind. Der 20048 vollzogene Reformschritt fügte den sog. Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenanpassungsformel ein und revidierte zugleich die Basiswertabsenkung aus der Reform von 2001. Der sog. Nachhaltigkeitsfaktor soll bei der jährlichen Rentenanpassung dafür sorgen, dass das zahlenmäßige Verhältnis von Rentenbeziehern und Rentenbeitragszahlern berücksichtigt wird. Er bildet damit geringere Einnahmezuflüsse durch eine (angesichts der demografischen Entwicklung erwarteten) sinkende Zahl von Beitragszahlern in der jeweiligen Rentenanpassung negativ ab. Dies gilt entsprechend umgekehrt im Fall einer Verbesserung des Verhältnisses durch eine Vergrößerung des Kreises der Beitragszahler. Zugleich wurde eine Schutzklausel eingefügt, die eine Negativanpassung (Realreduzierung) der Rente in Anwendung des Riester- oder Nachhaltigkeitsfaktors verhindert. Kern des 2007 erlassenen Altersgrenzenanpassungsgesetzes9 war die Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre sowie die Einführung eines sog. Nachholfaktors bei der Rentenberechnung , um in Anwendung der Schutzklausel „ausgefallene“ negative Rentenanpassungen zu einem späteren Zeitpunkt (ab 2011) „nachzuholen“. 6 Für eine Gesamtübersicht der Rentenreformen zwischen 2001 und 2011 vgl. Prüfbericht des Bundesministerium des Innern nach § 69e Absatz 7 des Beamtenversorgungsgesetzes zu Wirkungen von Versorgungsminderungen aufgrund des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 (Prüfbericht BMI), 2012, S. 38 ff., abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/Oeffentlicher_Dienst/Beamte/pr uefbericht_versorgungsaenderung.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen: 4. April 2013). 7 Rentenreform 2001: Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310) und Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögens-Ergänzungsgesetz – AV-mEG) vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403). 8 Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV - Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) 9 Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV- Altersgrenzenanpassungsgesetzes) vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 7 3. Wirkungsgleiche Übertragung der kostendämpfenden Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung Die Rechtsgrundlagen für die Beamten- und Soldatenversorgung sind seit 1992 mehrfach geändert worden. Dabei hat der Gesetzgeber10 die kostendämpfenden Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig wirkungsgleich auf die Beamten- und Soldatenversorgung übertragen.11 Mit folgenden Gesetzen wurden diese Übertragungen vorgenommen:12 Beamtenversorgungs-Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2218) mit Wirkung vom 1. Januar 1992, Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG 1993) vom 20. September 1994 (BGBl. I, 1994 S. 2442), Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Dienstrechtsreformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 322), Gesetz zur Umsetzung des Versorgungsberichts (Versorgungsreformgesetz 1998 – VReformG) vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666, 3128), Gesetz zur Neuordnung der Versorgungsabschläge vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1786), Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3926), Bundessonderzahlungsgesetz (BSZG) – Artikel 2 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBeglG 2004) vom 29. Dezember 2003 – (BGBl. I S. 3076), Gesetz zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung sowie der gesetzlichen Krankenversicherung auf dienstrechtliche Vorschriften vom 4. November 2004 (BGBl. I S. 2686), Haushaltsbegleitgesetz 2006 (HBeglG 2006) vom 9. Juni 2006 (BGBl. I S. 1402), Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen im Bund 2008/2009 (BBVAnpG 2008/2009) vom 29. Juli 2008 (BGBl. I S. 1582), Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz ) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160, 462), 10 Der Bund als Versorgungsgesetzgeber für die Beamten und Richter des Bundes, der Länder und der Kommunen bis zum 31. August 2006. Nach Inkrafttreten der Föderalismusreform I zum 1. September 2006 wurde der Bund nur noch als Versorgungsgesetzgeber für die Beamten und Richter des Bundes tätig. Für einen Überblick zur Übertragung der Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung durch die Landesgesetzgeber vgl. Prüfbericht BMI (Fn. 6), S. 42 ff. 11 Vgl. Vierter Versorgungsbericht der Bundesregierung (Fn. 1) S. 56 f. 12 Einen Überblick über die zentralen Reformmaßnahmen dieser Gesetze geben: für den Zeitraum von 1992 bis 2004 der Dritte Versorgungsbericht der Bundesregierung, 2005, BT-Drs. 15/5821, S. 67 ff. sowie für den Zeitraum von 2004 bis 2007 der Vierte Versorgungsbericht der Bundesregierung (Fn. 1) S. 41 f. Die darüber hinaus gesetzlich festgelegten Reformschritte werden zusammengefasst im Prüfbericht BMI (Fn. 6), S. 34 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 8 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2010/2011 (BBVAnpG 2010/2011) vom 19. November 2010 (BGBl. I S. 1552), Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2012/2013 (BBVAnpG 2012/2013) vom 15. August 2012 (BGBl I S. 1670). 3.1. Wirkungsgleiche Übertragung des sog. Riesterfaktors auf die Beamtenversorgung Der Berichterstattung der Bundesregierung13 zufolge wurden die Maßnahmen der Rentenreform 2001 mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 wirkungsgleich und systemgerecht auf die Beamtenversorgung übertragen. Dabei wurde der sog. Riesterfaktor zur Berücksichtigung der individuellen Altersvorsorgeaufwendungen in der Rentenanpassungsformel ab 2003 mit dem Mechanismus des § 69e Abs. 3 und 4 BeamtVG nachgezeichnet. Bei den acht ab dem Jahre 2003 folgenden Anpassungen der Beamtenversorgung wurde die Erhöhung der Versorgungsbezüge in gleichen Schritten abgeflacht. Im ersten bis siebten Schritt erfolgte dies durch geringere Anpassungen der Versorgungsbezüge bei den linearen Erhöhungen. Durch Einführung eines sich schrittweise verändernden Berechnungsfaktors wurde eine Verminderung der Anpassung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach § 70 BeamtVG bewirkt. Dadurch haben sich die Versorgungsbezüge in dem Umfang vermindert, in dem sich auch der versorgungsrechtliche Steigerungssatz und der Höchstruhegehaltssatz bei einer unmittelbaren Absenkung dieser Sätze vermindert hätten. Mit der achten auf den 31. Dezember 2002 folgenden Versorgungsanpassung wurden die Anpassungsmaßnahmen nach § 69e Abs. 3 und 4 BeamtVG abgeschlossen. Seither gelten die in § 14 Absatz 1 BeamtVG ausgewiesenen veränderten Ruhegehalts- und Steigerungssätze ; durch den geringeren Anstieg des Zuwachses wurde letztlich der Höchstversorgungssatz für alle Versorgungsempfänger von 75 auf 71,75 Prozent abgesenkt. Darüber hinaus haben die aktiven Beamten sowie die Empfänger einer Versorgung wegen Dienstunfähigkeit die Möglichkeit erhalten, wie die rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer eine steuerliche Förderung für eine zusätzliche private kapitalgedeckte Altersvorsorge zu erhalten. 3.2. Zur Frage der Übertragung des sog. Nachhaltigkeitsfaktors auf die Beamtenversorgung Mit Erlass des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes14 zielte der Gesetzgeber auf eine Berücksichtigung der mit den Rentenreformen 2004 und 2007 im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung eingetretenen Entwicklungen. Das Gesetz sah dabei u.a. die stufenweise Anhebung des Pensionseintrittsalters auf 67 Jahre ab 2012 vor. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen des Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzes von 2004 wirkungsgleich auf die Beamtenversor- 13 Prüfbericht BMI (Fn. 6) S. 13 f. 14 Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160, 462). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 9 gung übertragen. Hierzu zählt neben der Begrenzung der Berücksichtigung von Schul- und Hochschulzeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeit auch die Berücksichtigung der zwischenzeitlich vorgenommenen Versorgungskürzungen für die Nachzeichnung des Nachhaltigkeitsfaktors der Rentenreform 2004 mit der Maßgabe, dass dieser Faktor bis dahin infolge der Schutzklausel noch nicht angewandt worden war. Weiterhin wurde eine Evaluationsklausel eingefügt, die dem Versorgungsgesetzgeber ermöglichen soll, weiterhin einen Gleichklang bei der allgemeinen Entwicklung der beiden Alterssicherungssysteme herzustellen. In der Begründung zum Entwurf des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wird darauf hingewiesen, dass der mit der Rentenreform 2004 als eigenständiger Bestandteil in die Formel zur Berechnung des aktuellen Rentenwertes eingefügte sog. Nachhaltigkeitsfaktor bisher noch keine wesentliche niveaumindernde Wirkung entfaltet hat, weil die gesetzliche Schutzklausel aus dem RV- Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 Rentenkürzungen in Anwendung des Nachhaltigkeitsfaktors verhinderte. Währenddessen seien aber für die Versorgungsempfänger des Bundes die jährlichen Versorgungsbezüge durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 um rund 2 Prozent gekürzt worden . Darüber hinaus seien die Kürzungen der jährlichen Sonderzahlung bis zum Jahr 2010 befristet und hätten den Bundeshaushalt bei den Ausgaben für die Versorgungsempfänger signifikant entlastet. Diese Kürzung sei bei der für einen wirkungsgleichen Nachvollzug des rentenrechtlichen Nachhaltigkeitsfaktors gebotenen Gesamtschau zu berücksichtigen.15 Aufgrund der beschriebenen Verringerung des Versorgungsniveaus und des im Rentenrecht zu diesem Zeitpunkt noch wirkungslosen Nachhaltigkeitsfaktors hat das Dienstrechtsneuordnungsgesetz den Nachhaltigkeitsfaktor im System der Beamtenversorgung nicht nachgezeichnet. Um gleichwohl eine gleichgerichtete und wirkungsgleiche Übertragung von künftigen Auswirkungen der Rentenreform vornehmen zu können, hat der Gesetzgeber eine besondere Evaluationsklausel in das Beamtenversorgungsrecht (§ 69e Abs. 7 BeamtVG) eingeführt. Diese soll den verfassungsgerichtlichen Anforderungen16 gemäß sicherstellen, dass der Versorgungsgesetzgeber künftig eintretende Auswirkungen der Rentenreformen feststellt und notwendige Anpassungsmaßnahmen ergreift. Damit wird eine parallele gleichgerichtete Entwicklung der beiden großen Alterssicherungssysteme gewährleistet. Die Evaluationsklausel erlegt der Bundesregierung die Pflicht auf, bis zum 31. Dezember 2011 festzustellen, ob die mit dem Versorgungsänderungsgesetz angestrebte wirkungsgleiche und systemgerechte Übertragung der Rentenreformmaßnahmen erreicht wurde und die erwarteten Kosten - und Belastungswirkungen eingetreten sind bzw. künftig eintreten werden. 15 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (DNeuG), BT-Drs. 16/7076, S. 98 f. 16 Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27. September 2005 (2 BvR 1387/02) zum Versorgungsänderungsgesetz 2001 ausdrücklich festgestellt, dass der Versorgungsgesetzgeber bei einer nicht unerheblichen Abweichung der tatsächlichen von der prognostizierten Entwicklung gehalten ist, Korrekturen an der Ausgestaltung der Regelungen vorzunehmen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 10 Die Bundesregierung entsprach dieser Verpflichtung mit dem Prüfbericht des Bundesministeriums des Innern nach § 69e Absatz 7 des Beamtenversorgungsgesetzes zu Wirkungen von Versorgungsminderungen aufgrund des Versorgungsänderungsgesetzes 2001, den sie am 19. Juli 2012 vorlegte.17 Darin wird festgestellt, dass zum Stand des Prüfberichts (31. Dezember 2011) die Maßnahmen zur ersten Stufe der Rentenreform 2001 in der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht abgearbeitet sind, zugleich aber die versorgungsrechtlichen Reformmaßnahmen zur Übertragung der ersten Stufe der Rentenreform 2001 im Bund abgeschlossen wurden. Für den Bereich der Beamtenversorgung des Bundes werde seit Mitte 2011 die Übertragung der zweiten Stufe der Rentenreform 2001 umgesetzt, um durch fortgesetzte Zuführungen zur Versorgungsrücklage den notwendigen Kapitalstock für eine Entlastung der Versorgungshaushalte ab dem Jahr 2018 weiter aufzubauen . Hinsichtlich der Implementierung niveaureduzierender bzw. ausgabendämpfender Maßnahmen wird ein „Nachholbedarf“ für den Bereich der Beamtenversorgung des Bundes verneint; angesichts der konsequenten Fortführung der Maßnahmen des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 nach den Ergebnissen dieses Prüfberichts bedürfe es keines versorgungsrechtlichen „Nachhaltigkeitsfaktors “.18 3.3. Zur Frage der Übertragung des sog. Nachholfaktors auf die Beamtenversorgung Mit dem RV - Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 wurde die sog. Schutzklausel mit dem Ziel modifiziert, bei der angestrebten Verhinderung von Rentenkürzungen dauerhafte Zusatzbelastungen der Beitragszahler zu vermeiden. Hierzu werden die in Anwendung der Schutzklausel seit 2005 unterbliebenen Minderungswirkungen zu einem Ausgleichsbedarf, dem sog. Nachholfaktor, zusammengeführt, der jährlich neu auszuweisen ist. Das Gesetz schreibt vor, ab dem Jahr 2011 unterbliebene Dämpfungsmaßnahmen zu realisieren, wenn aufgrund der Lohnentwicklung Rentensteigerungen möglich sind. Der Ausgleichsbedarf wird dabei zur Gewährleistung des Grundsatzes gleichmäßiger Belastung von Beitragszahlern und Rentnern nicht vollständig mit einer möglichen Rentensteigerung verrechnet. Stattdessen werden unterbliebene Dämpfungsmaßnahmen dadurch realisiert, dass positive Rentenanpassungen halbiert werden. Der Nachholfaktor der gesetzlichen Rentenversicherung stellt damit auf jene Dämpfungsmaßnahmen der bisherigen Rentenreformschritte ab, die in Anwendung der Schutzklausel unterblieben sind. Bedarf für eine wirkungsgleiche Übertragung dieses rentenrechtlichen Reformelements auf die Beamtenversorgung besteht somit nur, soweit versorgungsrechtliche Dämpfungsmaßnahmen unterblieben sind. Dies ist zu verneinen, da die versorgungsrechtlichen Reformmaßnahmen zur Übertragung der ersten Stufe der Rentenreform 2001 im Bund abgeschlossen wurden.19 17 Prüfbericht BMI (Fn. 6). 18 Prüfbericht BMI (Fn. 6), S. 6 f. 19 Vgl. Prüfbericht BMI (Fn. 6), S. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 11 4. Ausblick Die vorgenommenen Reformen der Beamtenversorgung machen deutlich, dass der Gesetzgeber trotz der – höchstrichterlich bestätigten – Betonung der systemimmanenten Unterschiede beider Alterssicherungssysteme eine Konvergenz der Beamtenversorgung mit der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung vorantreibt. Dabei bleibt die Bifunktionalität der Beamtenversorgung weitgehend unberücksichtigt. Dieser Entwicklung steht das Alimentationsprinzip grundsätzlich nicht entgegen. Zwar ist es als integraler Bestandteil des Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verbürgt, jedoch einer Verfassungsänderung nicht gänzlich entzogen. Darüber hinaus steht es dem Gesetzgeber frei, den rechtlichen Rahmen hinsichtlich Besoldung und Versorgung den demografischen, sozialen, ökonomischen und politischen Veränderungen anzupassen, soweit und solange er im Kern die Grundstrukturen des Alimentationsprinzips, vor allem eine amtsangemessene Versorgung nicht aus den Augen verliert.20 5. Exkurs: Dämpfungsfaktoren in der Altersentschädigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages Die Altersversorgung für Mitglieder des Deutschen Bundestages ist im Abgeordnetengesetz (AbgG) geregelt.21 Im Jahr 2004 wurde das Fünfundzwanzigste Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz beschlossen , mit dem „kostendämpfende Maßnahmen“ auch bei der Altersentschädigung der ehemaligen Mitglieder des Deutschen Bundestages umgesetzt werden sollten. Bei Beamtenversorgung und Rentenversicherung habe der Gesetzgeber bereits Maßnahmen getroffen, um deren Finanzgrundlage nachhaltig zu konsolidieren.22 Zur Umsetzung im Abgeordnetengesetz wurde § 25b AbgG eingeführt. Nach § 25b Abs. 3 AbgG sinkt die Altersentschädigung nach dem ab dem 22. Dezember 1995 geltenden Recht („neues Recht) bei künftigen Diätenerhöhungen in vier Schritten jeweils um 0,5 vom Hundert bezogen auf den Bemessungssatz nach § 20 AbgG. Nach dem letzen Schritt wird die Eingangsversorgung für acht Mitgliedsjahre also nicht mehr 24 Prozent der Abgeordnetenentschädigung , sondern nur noch 22 Prozent betragen und die Höchstversorgung nach 23 Jahren statt 69 Prozent nur noch 67 Prozent. 20 Färber, G./Funke, M./Walther S.: Die Entwicklung der Beamtenversorgung in Deutschland seit 1992 und künftige Finanzierungsprobleme der Gebietskörperschaften, DÖV 2009, S. 139 f. 21 Überblick und Reformvorschläge im Bericht und den Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts, BT-Drs. 17/12500, S. 15 f und S. 22 ff. 22 Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes vom 19. Oktober 2004, BT-Drs. 15/3942, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 064/13 Seite 12 Für die Altersentschädigung nach dem bis zum 22. Dezember 1995 geltenden Recht („altes Recht“) bestimmt § 25b Abs. 4 AbgG, dass sich bei künftigen Erhöhungen des fiktiven Bemessungsbetrages nach § 35a Abs. 2 Satz 3 AbgG der Bemessungssatz nach § 20 AbgG in acht Schritten um jeweils 0,5 vom Hundert vermindert. Im Ergebnis beträgt die Eingangsversorgung nach altem Recht also nicht mehr 35 Prozent des fiktiven Bemessungsbetrages, sondern nur noch 31 Prozent, und die Höchstversorgung wird von 75 auf 71 Prozent reduziert. Diese Regelungen, so die Begründung im Gesetzentwurf, „tragen […] dazu bei, dass der Kostenanstieg bei der Altersentschädigung der Mitglieder des Bundestages durch die Senkung des Versorgungsniveaus dauerhaft und nachhaltig abgeflacht wird“.23 23 Gesetzentwurf BT-Drs. 15/3942 (Fn. 22), S. 5.