Deutscher Bundestag Kontrolle des Hochwasserschutzes durch eine Bundesbehörde Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 064/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 2 Kontrolle des Hochwasserschutzes durch eine Bundesbehörde Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 064/12 Abschluss der Arbeit: 15. März 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Errichtung einer Bundesbehörde nach Art. 87 III GG 5 2.1. Gesetzgebungskompetenz im Hochwasserschutz als Voraussetzung für die Verwaltungskompetenz des Bundes 6 2.1.1. Wasserhaushalt 6 2.1.2. Raumordnung 7 2.1.3. Weitere Kompetenztitel 8 2.1.4. Katastrophenschutz 8 2.2. Art. 87 III S. 1 GG 9 2.3. Art. 87 III S. 2 GG 10 3. Wasser-und Schifffahrtsverwaltung als Kontrollinstanz 11 4. Weisungsrecht des Bundes im Bereich des Hochwasserschutzes entsprechend der Atomaufsicht 11 5. Ergebnis 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 4 1. Einleitung Der Hochwasserschutz ist in Deutschland spätestens seit dem schweren Elbhochwasser im Jahr 2002 stärker in den Mittelpunkt von Politik und Rechtsetzung gerückt.1 Die aktuelle Rechtslage zum Hochwasserschutz ergibt sich aus Normen des Bundes und des Landes sowie internationalen Richtlinien.2 Mit einem Artikelgesetz des Bundes „Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes “ (HWSchG)3 vom Mai 2005 wurden verschiedene Gesetze (z. B. Wasserhaushaltsgesetz, Baugesetzbuch, Raumordnungsgesetz, Bundeswasserstraßengesetz u.a.) mit dem Ziel geändert, den Hochwasserschutz effektiver zu gestalten. Im Jahr 2007 wurde durch die EU eine Hochwasserrichtlinie (EU-HochwRL) erlassen. Diese ordnete beispielsweise die Bestimmung und regelmäßige Überprüfung von Risikogebieten sowie die Erstellung von Hochwasserschutzplänen an.4 In Deutschland wurde die EU-Hochwasserrichtlinie im Jahr 2009 durch ein neues Wasserhaushaltsgesetz (WHG)5 umgesetzt. Zweck des Wasserhaushaltsgesetzes ist gemäß § 1 WHG, durch eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum von Tieren und Pflanzen und als nutzbares Gut zu schützen. Die Bestrebungen, eine hohe Wasserqualität zu gewährleisten, dienen im Ergebnis auch dem Hochwasserschutz.6 Mit der WHG-Novelle von 2009 ist allerdings nicht allein die EU- Hochwasserrichtlinie in nationales Recht umgesetzt worden, sondern es wurden hiermit - nach Überführung der Rahmengesetzgebungskompetenz in eine konkurrierende (Voll-)Kompetenz des Bundes für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Wasserhaushalts durch die Föderalismusreform I im Jahr 2006 – zugleich umfassendere Bestimmungen auch in Umsetzungsfragen in diesem Bereich geschaffen, die zuvor dem Landesgesetzgeber vorbehalten waren.7 Als Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 und die Hochwasserkatastrophe 2002 wurde im Jahr 2004 zudem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) eingerichtet.8 Dieses dient der Koordination in großflächigen und national bedeutsamen 1 Schneider, Sandra, Rechtliche Instrumente des Hochwasserschutzes in Deutschland, 2005, S. 1 ff. 2 Reese, Moritz, Das neue Recht des Hochwasserschutzes vor den Herausforderungen des Klimawandels , NuR 2011, 19 (20). 3 Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz – HWSchG) in der Fassung vom 10. Mai 2005. 4 Reese, (Fn. 2), 19 (20) mit weiterführender Darstellung der einzelnen hochwasserbezogenen Regelungen des WHG 2009 (Reese, 19 (21)). 5 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) in der Fassung vom 31. Juli 2009. 6 Steenhoff, Holger, Rechtliche Instrumente des Hochwasserschutzes, UPR 2003, 50 (53). 7 Reese, (Fn. 2), 19 (20). 8 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, http://www.bbk.bund.de/DE/DasBBK/Geschichte/geschichte_node.html#doc1923178bodyText3 [Stand 7. März 2012]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 5 Gefahrenlagen.9 Da der Bund nur im Bereich des Schutzes der Zivilbevölkerung eine Gesetzgebungskompetenz hat (siehe unten 2.2.4), verbleibt die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz bei den Ländern. Zwischen den Landesbehörden und der Bundesbehörde BBK soll im Bereich des Hochwasserschutzes jedoch eine enge Zusammenarbeit stattfinden.10 Davon unabhängig wird der Hochwasserschutz von Behörden des Landes wahrgenommen.11 Fraglich ist, ob die Kontrolle des Hochwasserschutzes von einer Verwaltungsbehörde des Bundes übernommen werden könnte. 2. Errichtung einer Bundesbehörde nach Art. 87 III GG Nach dem in Art. 83 I GG12 niedergelegten Grundsatz führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. Diesem Grundsatz folgend richten die Länder bei eigener Ausführung der Gesetze die Behörden ein, Art. 84 I S. 1 GG. Ausnahmen gelten, soweit das Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zulässt. Art. 87 GG normiert solche Ausnahmen. Gemäß Art. 87 III GG können selbstständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch ein Bundesgesetz errichtet werden. Auch können nach dieser Norm bereits bestehende Behörden weitere Aufgaben durch Rechtssatz übernehmen.13 Dies ist jedoch nur in solchen Angelegenheiten möglich, in denen dem Bund die (ausschließliche oder konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz zusteht.14 Die Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes stellen die äußerste Grenze seiner Verwaltungskompetenz dar.15 Darüber hinaus müssen die Aufgaben, zu deren Erfüllung eine Verwaltung auf Bundesebene eingeführt werden soll, zentral und ohne Hilfe der Länder erledigt werden können.16 Ist dies der Fall, so hat der Bund die Verwaltungskompetenz.17 Für die Wahrnehmung der Aufgaben im Hochwasserschutz durch eine Bundesbehörde müsste der Bund folglich die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet haben. 9 Stober/Eisenmenger, Katastrophenverwaltungsrecht – Zur Renaissance eines vernachlässigten Rechtsgebietes , NVwZ 2005, 121 (124). 10 http://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/Katastrophenschutz/KatS_node.html [Stand 7. März 2012]. 11 Beispiele: Hochwasserschutz in Niedersachsen als Aufgabe des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), http://www.nlwkn.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=7936&article_id=45196; Hochwasserschutz in Bayern als Aufgabe des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit, http://www.stmug.bayern.de/umwelt/wasserwirtschaft/hochwasser/ [Stand: 7. März 2012]. 12 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in der Fassung vom 23. Mai 1949 (BGBl 1949, 1), zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 21.7.2010 (BGBl I 944). 13 Ruge, Kay, in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 87, Rn. 8. 14 Broß, Siegfried, in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 87, Rn. 22. 15 BVerfG NJW 1961, 547. 16 Suerbaum, Joachim, in Epping/Hillgruber, GG-Kommentar, 1. Aufl. 2009, Art. 87, Rn. 28. 17 Ipsen, Jörn, Staatsrecht I, 22. Aufl. 2010, S. 179. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 6 2.1. Gesetzgebungskompetenz im Hochwasserschutz als Voraussetzung für die Verwaltungskompetenz des Bundes Eine Wahrnehmung des Hochwasserschutzes durch eine Bundesbehörde kann nur dann erfolgen, wenn die davon betroffenen Bereiche in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. In der Systematik der Gesetzgebung wird zwischen ausschließlicher Gesetzgebung und konkurrierender Gesetzgebung unterschieden. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz aus Art. 71, 73 GG normiert ein exklusives Gesetzgebungsrecht des Bundes. Sie erstreckt sich auf die in Art. 73 aufgezählten Bereiche.18 Dem föderalen Prinzip entsprechend haben grundsätzlich die Länder das Recht zur Gesetzgebung (Art. 70 I GG).19 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) steht dieses Recht jedoch auch dem Bund zu. Wo der Bund die Kompetenz nutzt, können die Länder selbst keine Gesetze mehr erlassen.20 In den in Art. 72 II GG abschließend genannten Bereichen hat der Bund aber nur dann eine Kompetenz zum Erlass von Gesetzen, wenn eine Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung besteht. Eine solche Erforderlichkeit muss sich aus dem Bedürfnis nach der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder aus dem Verlangen einer wirtschaftlichen Einheit ergeben.21 Den Ländern spricht das Grundgesetz in den in Art. 72 III GG genannten Bereichen ein Abweichungsrecht zu. Nutzt der Bund sein konkurrierendes Gesetzgebungsrecht, so können die Länder von den erlassenen Gesetzen abweichende Regelungen treffen, soweit sie die in Art. 72 III GG genannten Bereiche betreffen.22 2.1.1. Wasserhaushalt Der Wasserhaushalt ist nach Art. 72 I, 74 I Nr. 32 GG Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Das Gebiet des „Wasserhaushalts“ umfasst das gesamte Wasserwirtschaftsrecht, d.h. die Bewirtschaftung des Oberflächen- sowie des Grundwassers. Begrifflich erfasst ist auch die Festlegung von Wasserschutzgebieten sowie die Planfeststellung.23 Ein effektiver Hochwasserschutz wird immer die Nutzung von Grund- und Oberflächenwasser beachten. Eine Regelung auf diesem Gebiet betrifft die Einrichtung und Ausgestaltung von Wasserschutzgebieten und wird, um wirksam Hochwasserkatastrophen vorbeugen zu können, Ein- 18 Seiler, Christian, (Fn. 16), Art. 71, Rn. 1. 19 Sannwald, Rüdiger, (Fn. 13), Art. 70, Rn. 7a. 20 Sannwald, Rüdiger, (Fn. 13), Art. 72, Rn. 17. 21 BVerfGE 106, 62 (148). 22 Mammen, Lars, Der neue Typus der konkurrierenden Gesetzgebung mit Abweichungsrecht, DÖV 2007, 376 (377). 23 Seiler, (Fn. 16), Art. 74, Rn. 108.1; BVerfG NJW 1962, 2243 (2246); BVerwG NJW 1978, 2308 (2309). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 7 fluss auf die Planfeststellungsverfahren haben. Der Hochwasserschutz betrifft in Bezug auf die genannten Aspekte somit den Bereich des Wasserhaushalts, so dass Art. 72 I, 74 I Nr. 32 GG insoweit einschlägig ist. Es bedarf keiner besonderen Erforderlichkeit nach Art. 72 II GG. Der Wasserhaushalt fällt jedoch in den Katalog des Art. 72 III GG. Macht der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch, so können die Länder abweichende Regelungen treffen. Nimmt ein Land dieses Recht wahr, so verdrängt die neue Regelung das Bundesgesetz unmittelbar nach Art. 72 II GG.24 Von diesem Abweichungsrecht sind nach Art. 72 III Nr. 5 GG stoff- oder anlagebezogene Regelungen des Wasserhaushalts ausgenommen. Nicht umfasst werden damit solche Regelungen, welche den Kern des Gewässerschutzes betreffen, sich also konkret auf von Stoffen oder Anlagen ausgehende Einwirkungen auf den Wasserhaushalt beziehen.25 Die in Art. 72 III Nr. 5 GG normierte Ausnahme zielt ab auf die stofflichen, qualitativen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt , welche zwingend eine bundeseinheitliche Regelung finden sollen. Regelungen des Hochwasserschutzes werden, da sie sich auf die Menge und Verteilung von Wassermassen beziehen, davon nicht umfasst. Im Bereich des für den Hochwasserschutz relevanten Wasserhaushalts hat der Bund also eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 I, 74 I Nr. 32 GG. Den Ländern steht aber ein Abweichungsrecht nach Art. 72 III Nr. 5 GG zu. 2.1.2. Raumordnung Die Raumordnung ist nach Art. 72 I, 74 I Nr. 31 GG Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Sie bezieht sich auf die zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes. Gemeint ist eine überörtliche, vielfältige Fachplanungen zusammenfassende und vereinende Ausrichtung .26 Bei der in Art. 74 I Nr. 31 GG normierten Raumordnung geht es örtlich gesehen nur um die Raumplanung im Bereich eines Landes. Die Gesetzgebungskompetenz für die Raumplanung des Gesamtstaats ist dem Bund kraft Natur der Sache verliehen.27 Für einen effektiven Hochwasserschutz bedarf es großflächiger, überörtlicher Planungen. Der Bereich der Raumordnung ist deshalb betroffen. Der Bund hat ein konkurrierendes Gesetzgebungsrecht für die Raumordnung ohne besondere Erforderlichkeit nach Art. 72 I, 74 I Nr. 31 GG und kann also auch in Bezug auf den Hochwasserschutz raumordnungsrechtliche Regelungen treffen. Dem Land steht jedoch auch für die Raumordnung ein Abweichungsrecht nach Art. 72 III Nr. 4 GG zu. 24 Seiler, (Fn. 16), Art. 72, Rn. 24. 25 BT-Drs. 16/813, S. 11; Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, 344 (348). 26 BVerfGE 3, 407 (425); Sannwald, (Fn. 13), Art. 74, Rn. 357. 27 Kunig, Philip, (Fn. 14), Art. 74, Rn. 122. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 8 2.1.3. Weitere Kompetenztitel Der Küstenschutz umfasst die Erhaltung des Festlands an der Nord- und Ostsee durch organisatorische und technische Schutzmaßnahmen, wie die Errichtung von Deichen oder Sperrwerken.28 Diese Maßnahmen fallen in den Aufgabenbereich des Hochwasserschutzes. Für den Küstenschutz hat der Bund nach Art. 72 I, 74 I Nr. 17 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Ein Abweichungsrecht steht den Ländern im Bereich des Küstenschutzes nicht zu. Der Bund hat für das Bodenrecht gemäß Art. 72 I, 74 I Nr. 18 GG die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit . Die Länder können in diesem Bereich keine abweichenden Regelungen treffen . Zum Bodenrecht zählen solche Normen, welche die Beziehung des Menschen zum Grund und Boden regeln. Umfasst sind dabei die Baulanderschließung und die städtebauliche Planung .29 Hochwasserschutzregelungen können auch in diesen Bereich durch den Bund getroffen werden. Weitere durch den Hochwasserschutz berührte Teilbereiche sind der Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen (Art. 74 I Nr. 21 GG). Auch in diesen Bereichen hat der Bund ein konkurrierendes Gesetzgebungsrecht aus Art. 72 I GG ohne Abweichungsbefugnis der Länder. 2.1.4. Katastrophenschutz Der Hochwasserschutz umfasst nicht nur präventive Maßnahmen etwa im Bereich der Bauplanung , des Wasserhaushalts oder der Raumordnung. Eng mit dem Hochwasserschutz verbunden sind der Katastrophenschutz und damit auch reaktive Tätigkeiten wie die Koordination des Katastrophenmanagements . Im Bereich des Katastrophenrechts wird zwischen dem Schutz der Zivilbevölkerung und dem Katastrophenschutz in Friedenszeiten unterschieden.30 Für den Schutz der Zivilbevölkerung hat der Bund nach Art. 72 I, 73 I Nr. 1 Alt. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Der Wortlaut des Art. 73 I Nr. 1 Alt. 2 GG („Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung“) stellt klar, dass sich diese Kompetenz nur auf solche Gefahrenlagen bezieht, welche im unmittelbaren Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen stehen. Die Gesetzgebungskompetenz für den Schutz der Zivilbevölkerung erstreckt sich nicht auf die allgemeine Gefahrenabwehr.31 Der Katastrophenschutz in Zeiten des Friedens fällt nach der Zuständigkeitsvermutung des Art. 70 I GG in den Bereich der Länderkompetenzen .32 Die Landeskompetenz umfasst also Naturkatastrophen, zu denen auch das Hochwasser zählt. Regelungen einer generellen Steuerungs- und Koordinierungskompetenz des 28 Pieroth, in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 74, Rn. 36; Seiler, (Fn. 16), Art. 74, Rn. 63. 29 BVerfG NJW 1973, 505 (507); BVerwG NVwZ 1984, 303. 30 http://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/Katastrophenschutz/KatS_node.html [Stand: 7. März 2012]. 31 Seiler, (Fn. 16), Art. 73, Rn. 4. 32 Ipsen, (Fn. 17), S. 149; Seiler, (Fn. 16), Art. 72, Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 9 Bundes bei Katastrophen wie länderübergreifendem Hochwasser, ließen sich darüber hinaus auch nicht aufgrund einer aus Art. 35 III S. 1 GG (Hilfe in besonderen Gefahrenlagen und Notfällen ) hergeleiteten Gesetzgebungsbefugnis kraft Natur der Sache rechtfertigen.33 Für den Bereich der Kontrolle des Bundes bei konkreten Hochwasserkatastrophen fehlt dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz. Hier steht das Recht zur Gesetzgebung nach Art. 70 I GG den Ländern zu. 2.2. Art. 87 III S. 1 GG Der Bund hat für die Titel Wasserhaushalt, Raumordnung, Küstenschutz und Bodenrecht eine (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz, wie diese nach Art. 87 III S. 1 GG erforderlich ist. Für den Wasserhaushalt und die Raumordnung stehen den Ländern allerdings Abweichungsrechte nach Art. 72 III Nr. 4 und 5 GG zu. Die Abweichungsrechte der Länder heben das Gesetzgebungsrecht des Bundes nach einer Ansicht nicht auf.34 Nach dem Wortlaut („Angelegenheiten “) soll sich Art. 87 III S. 1 GG nur auf den jeweiligen Titel im Katalog beziehen und als Generalklausel die Zuständigkeiten nicht begrenzen.35 Demnach ist unbeschadet solcher Abweichungsrechte die Gesetzgebungszuständigkeit als Voraussetzung des Art. 87 III S. 1 GG erfüllt. Nach einer anderen Auffassung stehen Abweichungsrechte der Länder der Annahme einer Bundesverwaltungskompetenz entgegen.36 Ordnet man die Abweichungsrechte der Länder als unschädlich für die Gesetzgebungszuständigkeit ein, so ist diese Voraussetzung des Art. 87 III S. 1 GG erfüllt. Nach der Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts bedarf es weiter keiner besonderen Erforderlichkeit wie in Art. 72 II GG für die Feststellung einer Verwaltungskompetenz.37 Aus der Beschränkung des Wortlauts „selbstständige Bundesoberbehörden“ in Art. 87 III S. 1 GG ergibt sich aber, dass eine Wahrnehmung der Aufgaben ohne einen Mittel- und Unterbau für das gesamte Gebiet des Bundes möglich sein muss.38 Eine nach Art. 87 III S. 1 GG eingerichtete Behörde bedarf einer Selbstständigkeit und muss zur zentralen Erledigung geeignet sein.39 Ist beispielsweise die Einrichtung von Außenstellen nötig, so spricht dies eher gegen die Fähigkeit des Bundes, die Aufgaben zentral und ohne Landeshilfe erfüllen zu können.40 33 Siehe hierzu ausführlich , Zur Kompetenz des Bundes für den Bevölkerungsschutz, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung, WD 3 - 423/07. 34 Suerbaum, (Fn. 16), Art. 87, Rn. 30. 35 Lerche, in Maunz/Dürig, GG, 63. Auflage, Ergänzungslieferung 2011, Art. 87, Rn. 178; auch BVerfGE 14, 197 (214) schränkt die Gesetzgebungszuständigkeit i.S.d. Art. 87 III S. 1 GG nicht ein. 36 Broß/Mayer, (Fn. 14), Art. 87, Rn. 22; Hermes, in Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87, Rn. 81. 37 BVerfGE 14, 197. 38 Pieroth, (Fn. 28), Art. 87. Rn. 8; Ruge, Kay, (Fn. 13), Art. 87, Rn. 8; BVerfGE 110, 33 (49). 39 Lerche, (Fn. 34), Art. 87, Rn. 184. 40 Suerbaum, (Fn. 16), Art. 87, Rn. 28.1; Lerche, (Fn. 34), Art. 87, Rn. 186. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 10 Die Bereiche, in denen der Bund konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen für den Hochwasserschutz besitzt, sind präventiver Natur. Der Hochwasserschutz in dieser präventiven Form hat stets die örtlichen Gegebenheiten von Bebauung, Wirtschaft und natürlicher Umgebung zu beachten . So kann die Raumordnung nur auf lokal gewonnenen Erkenntnissen über die Struktur einer Region stattfinden. Der Umgang mit dem Wasserhaushalt ergibt sich aus den Gegebenheiten der Natur, z.B. dem Vorkommen von Flüssen, Seen, Küsten, Gletschern und Trockengebieten. Diese natürlichen Gegebenheiten variieren auf dem Gebiet des Bundes stark. Die vom Bodenrecht umfasste städtebauliche Planung bedarf einer Kenntnis der Stadt, ihrer Umgebung und der Bedürfnisse ihrer Bürger. Die Auseinandersetzung mit den Teilbereichen des Hochwasserschutzes, die in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fallen, muss somit vor allem regional erfolgen. Eine Bundesbehörde müsste, um diese Aufgaben wahrzunehmen, sich der Kenntnisse und Dienste von Behörden des Landes oder der Kommunen oder anderer Institutionen bedienen. Der Bund hat deshalb nicht die für Art. 87 III S. 1 GG erforderliche Fähigkeit, den Hochwasserschutz als Ganzes zentral, selbständig und ohne Landeshilfe wahrzunehmen. Eine reine Kontrollinstanz des Bundes auf den Gebieten des Hochwasserschutzes, in denen auch die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gegeben ist (siehe 2.1), wäre rechtlich jedoch wohl anders zu bewerten. Sofern sie sich in ihrem Aufgabenkreis auf die Prüfung und Koordination des durch die Länder wahrgenommenen Hochwasserschutzes beschränkt, nicht jedoch selbst Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser ergreift, ist sie nur auf eine Information durch die Länder angewiesen. Der konkrete Hochwasserschutz, welcher nur regional erfolgen kann, zählt gerade nicht zu den Angelegenheiten einer solchen Behörde. Beschränkt sie sich nur auf die Zusammenführung von Daten sowie das Nachvollziehen und Überprüfen der Tätigkeiten der Landesbehörden , so ist sie in der Lage, ihre Aufgaben zentral und selbständig zu erledigen. Eine Bundesbehörde , welche in den Bereichen des präventiven Hochwasserschutzes die Landesbehörden kontrolliert, erfüllt die Voraussetzungen des Art. 87 III S. 1 GG und könnte damit wohl ohne eine Änderung des Grundgesetzes eingerichtet werden. Es bedarf dazu nach Art. 87 III S. 1 GG des Erlasses eines entsprechenden Bundesgesetzes. 2.3. Art. 87 III S. 2 GG Unter strengen Voraussetzungen ermöglicht die Verfassung in Art. 87 III S. 2 GG die Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden. Dies kann nur auf solchen Gebieten geschehen, auf denen dem Bund neue Aufgaben erwachsen. Neue Aufgaben sind dabei nur solche Verwaltungsaufgaben , die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes entstanden sind und sich erstmals als spezifische Aufgaben des Bundes zeigen.41 Der Hochwasserschutz ist kein erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in Erscheinung getretenes Rechtsgebiet. Es handelt sich mithin nicht um neue Aufgaben i.S.v. Art. 87 III S. 2 GG. Die Bestimmung ist vorliegend nicht einschlägig. 41 Jestaedt, in Umbach/Clemens, GG, Band II, 1. Aufl. 2002, Art. 87, Rn. 111. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 11 3. Wasser-und Schifffahrtsverwaltung als Kontrollinstanz Nach Art. 89 II S. 1 GG verwaltet der Bund die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Er nimmt nach Art. 89 II S. 2 GG die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Seeschifffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. Nach § 35 I Bundeswasserstraßengesetz (BWStrG) kann die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bereits Aufgaben im Bereich des Hochwasserschutzes erfüllen. Sie unterhält hiernach nämlich neben der ihr nach § 8 BWStrG obliegenden Unterhaltung, soweit möglich und zumutbar, bereits einen Wasserstands- und Hochwassermeldedienst im Benehmen mit den Ländern, um zu einer rechtzeitigen und zuverlässigen Hochwasserwarnung und -vorhersage beizutragen. Es besteht allerdings keine Verpflichtung des Bundes, einen Wasserstands- und Hochwassermeldedienst vorzuhalten.42 Das schließt nicht aus und ist gängige Praxis, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ihre Daten den Ländern übermittelt, die nach Art. 30 GG für den Hochwasserschutz zuständig sind. Diese Dienste gehen aber über die Unterhaltung nach § 8 hinaus und finden ihre Grenze in der Verkehrsbezogenheit. Denn die verfassungsrechtliche Verwaltungskompetenz des Bundes gemäß Art. 89 II S. 1 GG ist auf die begriffsbestimmende Funktion des Verkehrsweges beschränkt.43 Eine allgemeine Hochwasserschutzkontrolle durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes würde diesen verfassungsrechtlich gesteckten Rahmen überschreiten. 4. Weisungsrecht des Bundes im Bereich des Hochwasserschutzes entsprechend der Atomaufsicht Fraglich ist, ob der Bund im Hochwasserschutz gegenüber den Ländern ein Weisungsrecht geltend machen könnte. Ein Fall der Auftragsverwaltung der Länder mit Weisungsrecht des Bundes ist die Atomaufsicht. Bei der Bundesauftragsverwaltung werden die Bundesgesetze nach Art. 85 I GG durch die Länder ausgeführt. Dem Bund sind dabei aber zahlreiche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Länder gegeben . So unterstehen die Landesbehörden den Weisungen der Bundesoberbehörde (Art. 85 III GG). Auch kann die Bundesregierung nach Art. 85 IV S. 2 GG von den Landesbehörden Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte entsenden.44 Eine Bundesauftragsverwaltung ist gemäß Art. 83 Hs. 2 GG nur dann zulässig, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich bestimmt. Die zugelassenen Fälle einer Bundesauftragsverwaltung nennt das Grundgesetz abschließend. Dabei wird zwischen obligatorischer und fakultativer Bundesauftragsverwaltung unterschieden. In den Bereich der obligatorischen Auftragsverwaltung 42 Reinhardt, Rüdiger, KommentarNomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht (http://beckonline .beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata\komm\Nomos-BR-Erl\WaStrG\cont\NOMOS-BR- Erl.WaStrG.p35.htm) (letzter Abruf: 13. März 2012), zu § 35 BWStrG. 43 Sachs, Michael, in Sachs, GG-Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 89, Rn. 20. 44 Jochum, Heike, Die Bundesauftragsverwaltung im Umbruch: Wie weit reicht die Sachkompetenz des Bundes?, DÖV 2003, 16 (18). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 064/12 Seite 12 fallen die Art. 90 II, 104a III 2, 108 III GG. Fakultativ sind hingegen die Bestimmungen in Art. 87b II S. 1, 87c, 87d II, 89 II S. 3, 120a I S. 1 GG.45 Für die Auftragsverwaltung im Bereich der Atomaufsicht kann sich der Bund auf Art. 87c GG berufen.46 Um auch den Hochwasserschutz im Rahmen einer Auftragsverwaltung zu organisieren, fehlen jedoch entsprechende Ermächtigungsnormen im Grundgesetz. So bezieht sich Art. 87b II S. 1 GG nur auf Gesetze für den Schutz der Zivilbevölkerung, welche den Hochwasserschutz gerade nicht umfassen. Auch Art. 89 II S. 3 GG, der dem Bund die Auftragsverwaltung für die Bundeswasserstraßen zuspricht, genügt wohl nicht als Kompetenznorm im Bereich des Hochwasserschutzes . Das Grundgesetz ermächtigt den Bund damit nicht, für den Hochwasserschutz eine Auftragsverwaltung mit Weisungsrecht einzurichten. 5. Ergebnis Für eine umfassende Wahrnehmung des Hochwasserschutzes durch den Bund bedürfte es einer Grundgesetzänderung. Doch könnte eine Bundesbehörde, welche sich auf die Kontrolle des durch die Länder wahrgenommenen Hochwasserschutzes beschränkt, in denen der Bund auch die Gesetzgebungszuständigkeit besitzt, wohl nach Art. 87 III S. 1 GG ohne eine Änderung des Grundgesetzes aufgrund eines Bundesgesetzes eingeführt werden. 45 Henneke, (Fn. 8), Art. 85, Rn. 2; Wieland, Joachim, Konsequenzen aus dem Biblis-Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Bundesauftragsverwaltung, ZUR 2004, 7. 46 Lange, Klaus, Probleme des Bund-Länder-Verhältnisses im Atomrecht, NVwZ 1990, 928.