AUSARBEITUNG Thema: Sprache im Grundgesetz Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 2. März 2006 Reg.-Nr.: WF III - 064/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Zusammenfassung .................................................................................................... 3 2. Begriffsklärungen ..................................................................................................... 3 2.1. Sprache im weiteren Sinne ............................................................................... 3 2.2. „Deutsch“ als Sprache ...................................................................................... 3 3. Nationalsprachen in den EU-Mitgliedsstaaten und Kanada ..................................... 4 4. Deutsch ins Grundgesetz – Stand der Diskussion .................................................... 4 4.1. Argumente für die Einfügung ........................................................................... 4 4.2. Aktuelle Rechtslage .......................................................................................... 5 4.2.1. Einfachgesetzliche Ausgestaltung ............................................................ 5 4.2.2. Aktuelle verfassungsrechtliche Ausgestaltung ......................................... 6 4.3. Struktur des Grundgesetzes .............................................................................. 7 4.3.1. Staatszielbestimmungen ........................................................................... 7 4.3.2. Kompetenznormen.................................................................................... 7 4.3.3. Individuelle Grundrechte .......................................................................... 8 4.3.4. Institutsgarantien ...................................................................................... 8 4.3.5. Staatssymbole ........................................................................................... 8 4.4. Möglichkeiten der Einfügung ins Grundgesetz ................................................ 8 4.4.1. Rechtliche Fragen ..................................................................................... 8 4.4.2. Politische Bedeutung ................................................................................ 9 5. Vergleichbare Fälle auf europäischer Ebene .......................................................... 10 6. Literaturverzeichnis ................................................................................................ 11 - 3 - 1. Zusammenfassung In 15 Ländern der EU und in Kanada ist die Nationalsprache bzw. sind die Nationalsprachen in der Verfassung verankert. Konkrete Bestrebungen, dies auch in Deutschland im Grundgesetz zu regeln, gibt es bislang nur auf der außerparlamentarischen Ebene. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine entsprechende Regelung im Grundgesetz bestehen nicht; die Notwendigkeit aus rechtlicher Sicht wird jedoch verneint, da die überwiegende Auffassung davon ausgeht, dass Deutsch als Staatssprache schon jetzt Verfassungsrang hat. Soweit es in anderen Staaten entsprechende Diskussionen gibt, resultieren diese überwiegend daraus, dass es dort – anders als in Deutschland – mehrere größere Sprachgemeinschaften gibt. 2. Begriffsklärungen 2.1. Sprache im weiteren Sinne Sprache als unbestimmter Begriff ist weit zu verstehen. Sprache ist das Mittel, mit dem Menschen die Welt erfassen, sich bewusst machen und ihren eigenen Standort bestimmen . Mit ihrer Hilfe wird Einfluss genommen auf andere Menschen und damit auf die demokratische Willensbildung.1 Sich in der eigenen Sprache artikulieren zu können, ist essenzielle Voraussetzung für die Wahrnehmung zahlreicher Grundrechte, vor allem des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit. 2.2. „Deutsch“ als Sprache Die deutsche Sprache gehört im Rahmen der indogermanischen Sprachen zur Gruppe der germanischen Sprachen.2 Etwa 100 Millionen Menschen in Deutschland, in Österreich , in Liechtenstein, in der deutschsprachigen Schweiz sowie Bewohner anderer Staaten sprechen die deutsche Sprache, so beispielsweise Luxemburger3, Belgier4, Franzosen5, Dänen6 und Italiener7. Außerhalb Europas bestehen Sprachinseln u. a. in 1 Kirchhof, in: HdStR II, § 20 Rn. 2 ff. 2 Vgl. www.brockhaus-enzyklopaedie.de/be21_article.php. 3 Meistens in der Form der moselfränkischen Umgangssprache Letzebuergesch. 4 Gebiet Eupen-Malmédy. 5 Elsass und Lothringen. 6 Nordschleswig. 7 Südtirol. - 4 - Kanada, den USA, in Brasilien, Mexiko, Paraguay, Chile, Argentinien und Australien sowie in Namibia und der Republik Südafrika.8 3. Nationalsprachen in den EU-Mitgliedsstaaten und Kanada Frage 1: In welchen Ländern ist die Landessprache in der Verfassung verankert? In Absprache mit dem Auftraggeber werden die Regelungen in den EU-Mitgliedsstaaten sowie Kanada untersucht. Eine synoptische Darstellung ist als Anlage beigefügt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich in allen Verfassungstexten der ausgewerteten Staaten solche Normen finden, die entsprechend Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Sprache enthalten bzw. Sprachen von Minderheiten explizit schützen.9 Die Vielfalt der Sprachen in der Europäischen Union berücksichtigt der EG-Vertrag in den Art. 21 Abs. 3, 314 (Art. III-128, IV-448 EurVerf), wonach sich jeder Unionsbürger in jeder Vertragssprache an Einrichtungen der Union wenden und eine Antwort in derselben Sprache erhalten kann. 4. Deutsch ins Grundgesetz – Stand der Diskussion Frage 2: Wie ist der Stand der Diskussion, ob die deutsche Sprache in das Grundgesetz eingebracht werden sollte? Gibt es bereits eine Initiative? 4.1. Argumente für die Einfügung Betreffend den Stand der Diskussion ist zu beachten, dass es sich bis dato um eine primär politisch geprägte, keine rechtliche Debatte handelt.10 Wesentlicher Initiator dieser Debatte ist der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS). Die dort verankerte AG „Deutsche Sprache ins Grundgesetz“ sieht folgende Gründe für die Verankerung der Landessprache als maßgeblich an11: Die deutsche Sprache verliere aufgrund des starken Einflusses der englischen Sprache erheblich an Bedeutung. Diesem Bedeutungsverlust müsse vorgebeugt 8 www.brockhaus-enzyklopaedie.de/be21_article.php. 9 Vgl. exemplarisch § 51 Abs. 1 VerfEstland; Art. 114 VerfLettland; Art. 37 VerfLitauen; Art. 35 Abs. 1 VerfPolen; Art. 34 VerfSlowakei; Art. 61 VerfSlowenien; Art. 3 VerfTschechische Republik i. V. m. Art. 25 Charta der Grundrechte und -freiheiten; Art. 68 VerfUngarn. Zu Kanada vgl. Weber, EuGRZ 1994, S. 547. 10 Vgl. Stickel, ZRP 2002, S. 418. 11 Vgl. zu den Argumenten das Memorandum „Warum Deutsch als Landessprache ins Grundgesetz gehört“ des VDS, abrufbar unter: http://www.rhetorik-netz.de/rhetorik/, Stichwort „deutsch“, Download 21.2.2006 sowie VDS-Sprachnachrichten Nr. 26 (April 2005), unter www.vds-ev.de, Download 21.2.2006. Zur Bedeutung der deutschen Sprache in der Europäischen Union, vgl. Meyer, FAZ vom 5.1.2005. - 5 - werden, damit die deutsche Sprache ihre Bindungs- und Integrationskraft nicht verliere. Es fehle an Chancengleichheit aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse. Große Bevölkerungsteile ohne Fremdsprachenkenntnisse würden ausgegrenzt. Psychische Folgen könnten sein, dass Unsicherheiten und mangelndes Zusammengehörigkeitsgefühl durch die Abwertung der eigenen Sprache entstünden. Entsprechend fordert der VDS fordert die Schaffung eines Artikels 22 a GG, in dem geregelt werden soll: „Die Sprache der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch“.12 Der VDS und andere Vereine haben entsprechende Unterschriftenaktionen gestartet.13 Bereits im Januar 2005 sprach sich der CSU-Generalsekretär Markus Söder dafür aus, Deutsch als offizielle Staatssprache im Grundgesetz zu verankern.14 Parlamentarische Initiativen zur Änderung des Grundgesetzes gibt es derzeit nicht. 4.2. Aktuelle Rechtslage Einen rechtlichen Diskurs zur Frage der Nationalsprache gibt es in dieser Form nicht. Dies liegt zum einen daran, dass einfachgesetzlich hinreichende Regelungen bestehen (siehe sogleich unten 4.2.1.) und zum anderen daran, dass überwiegend schon jetzt vom Verfassungsrang der deutschen Sprache ausgegangen wird (siehe sogleich unten 4.2.2.). 4.2.1. Einfachgesetzliche Ausgestaltung Für das gerichtliche Verfahren und das Verwaltungsverfahren existieren Regelungen. So bestimmt § 23 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz: „Die Amtssprache ist deutsch“.15 Vergleichbare Vorschriften finden sich in § 87 Abs. 1 Abgabenordnung 1977, § 19 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch X, § 184 Gerichtsverfassungsgesetz und § 55 Verwaltungsgerichtsordnung, der auf die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes verweist. Konkludent ergibt sich diese Anordnung auch aus § 142 Abs. 3 S. 1 Zivilprozessordnung und § 17 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz. Sämtliche Verfahrensordnungen regeln ferner, wie mit Schriftsätzen in nichtdeutscher Sprache umzugehen ist und wie nichtdeutschsprachige Beteiligte ggf. durch Dolmetscher zu unterstützen sind.16 12 Vgl. Krämer, Walter, Deutsch ins Grundgesetz, in: Sprachnachrichten Nr. 26, April 2005, unter: www.vds.de, Download am 15.2.2006; Hölzle, Gerhard, Deutsch ins Grundgesetz, in: Rheinischer Merkur vom 22.12.2005, unter: www.merkur.de; Download am 15.2.2006. 13 www.rhetorik-netz.de/rhetorik/stichwort/index.html, Zugriff am 16.2.2006. 14 Söder, in: Süddeutsche Zeitung vom 24.1.2005. 15 Deutsch ist in insgesamt sieben Staaten die Amtssprache, sowohl solo-offiziell als auch ko-offiziell, vgl. dazu: Ammon, S. 473 ff. Zur Entwicklung siehe Hülle, JuS 1990, S. 526 ff. 16 vgl. § 23 Abs. 2 VwVfG; §§ 185 ff. GVG. - 6 - „Deutsch“ bezieht sich in den genannten Vorschriften zunächst auf die so genannte Hochsprache bzw. Hochdeutsch.17 Daneben sind auch die in Deutschland gesprochenen Mundarten deutsch im Sinne der genannten Vorschriften. Dabei ist unerheblich, ob diese im sprachwissenschaftlichen Sinne als Dialekt oder Sprache eingeordnet werden.18 4.2.2. Aktuelle verfassungsrechtliche Ausgestaltung Eine ausdrückliche Erwähnung der deutschen Sprache im Grundgesetz fehlt. Allerdings existiert mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ein spezielles Diskriminierungsverbot aufgrund der Sprache: „(…) (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung , seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft , seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. (…)“ Auch in den Kompetenznormen für die Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG) und die Verwaltung (Art. 84 ff. GG) ist die Sprache nicht aufgeführt. Hieraus lässt sich jedoch lediglich folgern, dass dem Bund keine besondere Zuständigkeit für die Sprache zugewiesen ist.19 Trotz fehlender Normierung geht die überwiegende Auffassung in der Literatur davon aus, dass die deutsche Sprache als Staatssprache Verfassungsrang hat – auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz.20 Dies wird damit begründet, dass sich das Grundgesetz durch das „Deutsche Volk“21 legitimiere, eine „Bundesrepublik Deutschland “22 statuiert und die „deutsche Staatsangehörigkeit“23 gesichert sei. Bestimmte Grundrechte richten sich explizit an deutsche Menschen24 und nicht zuletzt ist die Sprache , in der Grundgesetz selbst geschrieben ist, die deutsche Sprache. Inzident gebe danach das Grundgesetz selbst die Staatssprache vor. 17 v. Wulffen, SGB X, § 19, Rn. 3; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 23, Rn. 13. 18 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 23, Rn. 14, m.w.N.; für Minderheitensprachen wie Sorbisch gibt es in den jeweiligen Bundesländern verfassungsrechtliche Regelungen zum Schutz der Sprache, vgl. nur Art. 6 SächsVerf. 19 Vgl. zu Kompetenzen im Bereich der Sprache die Entscheidung zur Rechtschreibreform, BVerfG vom 14.7.1998, 1 BvR 1640/97, www.bundesverfassungsgericht.de 20 Ausführliche Begründung bei Kirchhof, HdStR II, § 20, Rn. 101; Jochum, ZRP 2003, S. 27; Elicker, ZRP 2002, S. 415; Mäder, JuS 2000, S. 151; kritisch: Stickel, ZRP 2002, S. 418. 21 Präambel. 22 Art. 20 Abs. 1 GG 23 Art. 116 Abs. 1 GG 24 vgl. nur Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 GG. - 7 - Sollte dennoch eine Einfügung ins Grundgesetz erwogen werden, ist zunächst die Struktur desselben zu beachten. 4.3. Struktur des Grundgesetzes Das Grundgesetz ist in erster Linie eine Kompetenzordnung, die einerseits Zuständigkeiten und Befugnisse zwischen dem Bund und den Ländern verteilt und auf der anderen Seite die Aufgaben und Funktionen der Verfassungsorgane des Bundes festlegt. Die zweite Funktion besteht in dem Schutz grundlegender Menschen- und Bürgerrechte, die bewusst dem demokratischen Mehrheitsprinzip entzogen sind. In diesen Grundrechten kommt zugleich eine objektive Werteordnung der Verfassung zum Ausdruck. Daneben sind im Grundgesetz einige wenige grundlegende Staatsziele formuliert. Politikfelder bzw. gesellschaftlich relevante Anliegen können auf verschiedene Weise im Grundgesetz Erwähnung finden. 4.3.1. Staatszielbestimmungen Bei Staatszielbestimmungen hat sich der Grundgesetzgeber bisher zurückgehalten. Staatszielbestimmungen sind Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben – sachlich umschriebener Ziele – vorschreiben. Sie umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch eine Richtlinie oder Direktive für das staatliche Handeln, auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften. Im Regelfall wendet sich eine Staatszielbestimmung an den Gesetzgeber, ohne dass damit ausgeschlossen sein muss, dass die Norm auch eine Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung ist. Eine Staatszielbestimmung überlässt es der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er die ihm eingeschärfte Staatsaufgabe durch Gesetz erfüllt und dabei etwa auch Ansprüche Einzelner auf öffentliche Leistungen oder gegen Dritte entstehen lässt.25 4.3.2. Kompetenznormen Neben den Staatszielen werden zahlreiche Politikfelder und Regelungsbereiche in den Kompetenznormen des Grundgesetzes aufgeführt. In den Artt. 73 bis 75 GG listet das Grundgesetz auf, auf welche Felder sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt.26 In Artt. 87 ff. GG wird bestimmt, auf welchen Gebieten der Bund durch bundeseigene Verwaltung tätig werden darf. Durch diese Kompetenznormen wird nichts über die Bedeutung der jeweiligen Regelungs- bzw. Handlungsfelder ausgesagt. Aus 25 Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“, Bundesminister des Inneren/Bundesminister der Justiz (1983), Rn. 7; ebenso die Gemeinsame Verfassungskommission , Drs. 12/6000, S. 77. 26 In vielen anderen Bestimmungen finden sich weitere Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes. - 8 - einer solchen Zuständigkeitsnorm ergibt sich insbesondere weder eine Regelungs- oder Handlungspflicht des Bundes noch eine Ermächtigung zum Eingriff in die Rechte der Bürger. 4.3.3. Individuelle Grundrechte Seine höchste Auszeichnung erfährt ein gesellschaftlicher Wert durch seine Verankerung in der Verfassung als Grundrecht. In erster Line dient ein Grundrecht zur Abwehr gegenüber staatlichen Eingriffen. Ein Grundrecht ist unmittelbar geltendes Recht, das individuell einklagbar ist. In ein Grundrecht darf der Staat nur eingreifen, soweit dieses nach dem Grundgesetz eingeschränkt werden kann; für den Eingriff ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich. In den Grundrechten kommen objektive Wertentscheidungen der Verfassung zum Ausdruck, die als maßgebende Richtlinien für die gesamte Rechtsordnung verbindlich sind und daher bei der Gesetzgebung und bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften beachtet werden müssen. 4.3.4. Institutsgarantien Neben den Grundrechten, die dem Bürger subjektive Rechte gewähren, spricht die Verfassung bestimmten privaten Lebens- und Normbereichen gegenüber eine Bestandsgarantie aus. So gewährt Artikel 6 Abs. 1 GG nicht nur ein subjektives Recht auf Unterlassung von Engriffen in den ehelichen und familiären Bereich, sondern schützt auch die Ehe und die Familie als vorgegebene Lebensordnung. Das Privateigentum wird in Artikel 14 Abs. 1 GG als Rechtsinstitut gesichert. Das gleiche gilt für die freie Presse durch Artikel 5 Abs. 1 GG. Der „einfache“ Gesetzgeber darf diese Institute nicht aushöhlen oder gar beseitigen. 4.3.5. Staatssymbole Staatssymbole sind Symbole, durch die sich der Staat nach innen und außen darstellt.27 Das Grundgesetz benennt mit der Staatsflagge nur ein Staatssymbol im engeren Sinne explizit; weitere Staatssymbole sind die Nationalhymne, das Bundeswappen und der Nationalfeiertag.28 4.4. Möglichkeiten der Einfügung ins Grundgesetz 4.4.1. Rechtliche Fragen Von diesen grundsätzlichen Möglichkeiten ausgehend, erscheint die Einfügung der Nationalsprache zunächst ein Fremdkörper zu sein, da sie sich einer Zuordnung in die 27 Burkiczak, Jura 2003, S. 806. 28 Burkiczak, Jura 2003, S. 806. - 9 - genannten Kategorien entzieht. Die spricht indes nicht gegen die rechtliche Möglichkeit, da sich auch Regelungen zur Sprache nicht per se der gesetzgeberischen Kompetenz entziehen.29 Hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz hilft der Blick auf die Auseinandersetzung um die Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz. Der Widerstand der Länder ist hierbei vor allem auf die Befürchtung gegründet, der Bund erlange durch eine Erwähnung der Kultur im Grundgesetz zusätzliche Kompetenzen aus dem Bereich der „Kulturhoheit“ der Länder. In ihrem Zwischenbericht hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ vorgeschlagen, das Grundgesetz um einen Artikel 20b mit folgender Formulierung zu ergänzen: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“30 Bei dieser Formulierung dürften die Bedenken der Länder unbegründet sein. Der Bund könnte hieraus Kompetenzen weder als Gesetzgeber noch als Vollziehender ableiten. Der „Staat“ wäre in diesem Falle die jeweils zuständige Körperschaft , also grundsätzlich die Länder.31 In Anlehnung an diese Betrachtung wäre das Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern nicht betroffen, soweit lediglich geregelt würde: „Die Staatssprache ist deutsch“. Gebunden an diese Festsetzung wären – wie jetzt auch – nur staatliche Organe bzw. die handelnden Amtsträger.32 4.4.2. Politische Bedeutung Mit der Aufnahme der Staatssprache könnte Einfluss auf die politische Auseinandersetzung und die Bildung der öffentlichen Meinung genommen werden. Die Verankerung könnte geeignet sein, die deutsche Sprache stärker in das Bewusstsein der staatlichen Organe und der Bevölkerung zu rücken. Gegen die Verankerung spricht, dass selbst mit einer entsprechenden Festsetzung nicht geregelt ist, was konkret „Deutsch“ heißt. In der Entscheidung zur Rechtsschreibreform hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Das Grundgesetz enthält keine Vorschriften über die sprachwissenschaftlich richtige Schreibung der deutschen Sprache 29 Vgl. BVerfG vom 14.7.1998, 1 BvR 1640/97, Absatz-Nr. 123, zur Rechtschreibreform; siehe auch die Bundesratsinitiative zur Änderung des § 33 des Gerichtsverfassungsgesetz, um die Sprachkompetenz von Schöffen sicherzustellen, Drs. 16/514. 30 Drs. 15/5560, S. 12. 31 Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“, Zwischenbericht, Drs. 15/5560, S. 9, m.w.N. 32 Jochum, ZRP 2003, S. 27. - 10 - und die korrekte Gliederung geschriebener Texte durch Satzzeichen.“33 Diese Aussage dürfte auch nach einer entsprechenden Grundgesetzänderung Bestand haben. 5. Vergleichbare Fälle auf europäischer Ebene Frage 3: Gibt es vergleichbare Fälle, wo die Landessprache nachträglich in die Verfassung eingefügt wurde? Wie ist es verlaufen? Die Untersuchung hat ergeben, dass Sprachpolitik sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene immer wieder kontrovers diskutiert wird. Überwiegend beziehen sich diese Diskussionen jedoch auf die Verankerung von Minderheitensprachen in den jeweiligen Landesverfassungen und damit auf den Schutz vor Diskriminierung.34 Soweit es um den Schutz von Nationalsprachen geht, bewegen sich die Debatten in der Regel im Bereich der einfachgesetzlichen Normen und um so genannte Sprachschutzgesetze . So haben Frankreich und Polen entsprechende Sprachschutzgesetze erlassen.35 Vergleichbare Anregungen gibt es auch in Deutschland immer wieder; ein Bedürfnis hierfür wurde jedoch abgelehnt.36 33 BVerfG vom 14.7.1998, 1 BvR 1640/97, Absatz-Nr. 120, www.bundesverfassungsgericht.de. 34 vgl. Gonzàlez-Varas, NVwZ 2002, 947; zur Entwicklung der Schweizer Landesverfassung vgl. Biaggini, DVBl. 2005, S. 1090 ff. 35 Deutsche Übersetzung unter: http://vds-ev.de/literatur/texte/index.php, Abruf am 1.3.2006. 36 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drs. 14/7250, S. 51 f. - 11 - 6. Literaturverzeichnis Ammon, Ulrich, Die Rolle des Deutschen in Europa, in: Gardt, Andreas (Hrsg.), Nation und Sprache, Berlin u. a. 2000, S. 471 – 494. (zit.: Ammon) Biaggini, Giovanni, Sprache als Kultur und Rechtsgut, Deutsches Verwaltungsblatt 2005, S. 1090 – 1102. (zit.: Biaggini, DVBl.) Burkiczak, Christian, Geschichte und Rechtsgrundlagen der deutschen Staatssymbole , Jura 2003, S. 806 – 812. (zit.: Burkiczak, Jura) Elicker, Michael, Sprachloyalität als Rechtsgebot?, Zeitschrift für Rechtspolitik 2002, S. 415 – 417. (zit.: Elicker, ZRP) Gonzàlez-Varas, Santiago, Kritische Anmerkungen über die juristische Ordnung der Sprachsysteme in den Mitgliedsstaaten, NVwZ 2002, S. 947 – 950. (zit.: Gonzàlez-Varas, NVwZ) Hülle, Werner, Entwicklungsstufen unserer Gerichtssprache, Jus 1990, S. 526 – 530. (zit.: Hülle, JuS) Jochum, Heike, Sprachloyalität als Verfassungspflicht?, Zeitschrift für Rechtspolitik 2003, S. 27. (zit.: Jochum, ZRP) Kirchhof, Paul, in: Isensee, Josef; Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts , Band II, Verfassungsstaat, 3. Auflage, Heidelberg 2004. (zit.: Kirchhof, HdStR II) Mäder, Werner, Sprache und Recht: Minderheitenschutz in Deutschland, JuS 2000, S. 1150 – 1153. (zit.: Mäder, JuS) Meyer, Hans Joachim, dEUtsch?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.1.2005. (zit.: Meyer, FAZ) Stelkens, Paul; Bonk, Heinz Joachim; Sachs, Michael (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz , Kommentar, 6. Auflage, München 2001. (zit.: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG) Stickel, Gerhard, Sprachloyalität ja, aber ohne gesetzlichen Zwang – Erwiderung auf Elicker, Zeitschrift für Rechtspolitik 2002, S. 417 – 418. (zit.: Stickel, ZRP) Von Wulffen, Matthias (Hrsg), Sozialgesetzbuch X, Kommentar, 5. Auflage, München 2005. (zit.: v. Wulffen, SGB X) Weber, Albrecht, Minderheitenschutz und Nichtdiskriminierung in Kanada in rechtsvergleichender Perspektive, EuGRZ 1994, S. 537 – 548. (zit.: Weber, EuGRZ)