© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 063/16 Fragen zum Rechtsschutz in Asylsachen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 2 Fragen zum Rechtsschutz in Asylsachen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 063/16 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 3 1. Einleitung Dieser Sachstand gibt einen Überblick über die Statistiken zu Gerichtsverfahren in Asylsachen in den Jahren 2014 und 2015. Ferner wird auf den Ausschluss des Rechtsbehelfs des Widerspruchs im Asylverfahren eingegangen. 2. Statistiken zu Gerichtsverfahren in Asylsachen Insbesondere für das Jahr 2015 liegen statistische Daten zu Gerichtsverfahren in Asylsachen nur in beschränktem Maße vor. Im Folgenden wird auf die Zahlen eingegangen, die sich aus den Antworten auf parlamentarische Anfragen, den Angaben des Bundesamtes für Justiz und den Statistiken der einzelnen Verwaltungsgerichte ergeben. 2.1. Statistiken im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen 2.1.1. Januar bis November 2015 In Bezug auf abgelehnte Erst- und Folgeanträge auf Asyl wurden im Zeitraum von Januar bis November 2015 laut Darstellung der Bundesregierung insgesamt 67.669 Klagen, Berufungen und Revisionen eingelegt.1 In diesem Zusammenhang und in dem besagten Zeitraum ergingen außerdem 56.325 Gerichtsentscheidungen. 57.674 Rechtsmittel waren anhängig.2 Hinsichtlich von Entscheidungen im Rahmen von Widerrufsverfahren, in denen das Fortbestehen der Bedingungen des zuerkannten Schutzstatus überprüft wird, führt die Statistik für den Zeitraum von Januar bis November 2015 145 eingelegte Klagen, Berufungen und Revisionen auf. Es ergingen insoweit 215 Gerichtsentscheidungen und es waren 359 Rechtsmittel anhängig. Die durchschnittliche Dauer gerichtlicher Verfahren betrug laut der Darstellung der Bundesregierung im Zeitraum von Januar bis November 2015 in Bezug auf Verfahren, die gegen die Ablehnung von Erst- und Folgeanträgen gerichtet waren, 7,9 Monate und in Bezug auf Verfahren, die gegen den Widerruf des Schutzstatus gerichtet waren, 21,9 Monate. In Bezug auf Gerichtsentscheidungen zu Eilanträgen im Dublin-Verfahren, also dem Verfahren, in dem der für die Prüfung eines Asylantrages zuständige Staat festgestellt wird, weist die Statistik für den Zeitraum von Januar bis November 2015 insgesamt 10.797 Gerichtsentscheidungen nach. 2.1.2. Januar bis Oktober 2014 In Bezug auf abgelehnte Erst- und Folgeanträge auf Asyl wurden im Zeitraum von Januar bis Oktober 2014 laut Darstellung der Bundesregierung insgesamt 44.097 Klagen, Berufungen und 1 Die folgenden Daten stammen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage (BT-Drs. 18/7248), die zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Sachstandes noch nicht veröffentlicht war (Ein Teil des Antwortentwurfs ist diesem Sachstand als Anlage 1 beigefügt). 2 Aus der Statistik der Bundesregierung lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, auf welchen Zeitpunkt sich die Anhängigkeit bezieht. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 4 Revisionen eingelegt.3 In diesem Zusammenhang und in dem besagten Zeitraum ergingen außerdem 34.001 Gerichtsentscheidungen. 44.735 Rechtsmittel waren anhängig.4 Hinsichtlich von Entscheidungen im Rahmen entsprechender Widerrufsverfahren führt die Statistik für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2014 281 eingelegte Klagen, Berufungen und Revisionen auf. Es ergingen insoweit 248 Gerichtsentscheidungen und es waren 478 Rechtsmittel anhängig. Die durchschnittliche Dauer gerichtlicher Verfahren betrug laut der Darstellung der Bundesregierung im Zeitraum von Januar bis Oktober 2014 in Bezug auf Verfahren, die gegen die Ablehnung von Erst- und Folgeanträgen gerichtet waren, 8,6 Monate und in Bezug auf Verfahren, die gegen den Widerruf des Schutzstatus gerichtet waren, 22 Monate. In Bezug auf Dublin-Entscheidungen weist die Statistik für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2014 insgesamt 12.947 eingelegte Klagen, Berufungen und Revisionen und 5.818 Gerichtsentscheidungen nach. Die Statistik verzeichnet außerdem insoweit 12.168 anhängige Rechtsmittel. 2.2. Statistiken des Bundesamtes für Justiz Einer auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes gestützten Darstellung des Bundesamtes für Justiz5 lässt sich entnehmen, dass 2014 in den Asylkammern der Verwaltungsgerichte insgesamt 54.595 Neuzugänge und 54.741 erledigte Verfahren zu verzeichnen waren. Davon entfielen auf Hauptsacheverfahren 28.539 Neuzugänge und 30.683 erledigte Verfahren und auf Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz 26.056 Neuzugänge und 24.058 erledigte Verfahren. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der vor den Asylkammern der Verwaltungsgerichte erledigten Hauptverfahren betrug 2014 8,6 Monate. In Bezug auf Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz betrug die durchschnittliche Dauer 1,1 Monate. Die Asylsenate an den Oberverwaltungsgerichten hatten 2014 in Bezug auf Berufungen und Beschwerden insgesamt 2.370 Neuzugänge und 2.454 erledigte Verfahren zu verzeichnen. Davon entfielen auf Hauptsacheverfahren 2.282 Neuzugänge und 2.374 erledigte Verfahren sowie auf Beschwerden gegen Entscheidungen vor dem Oberverwaltungsgericht und Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz 88 Neuzugänge und 80 erledigte Verfahren. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der von den Asylsenaten der Oberverwaltungsgerichte erledigten Berufungen betrug 2014 ab Eingang beim Rechtsmittelgericht 7,2 Monate und ab Eingang in der ersten Instanz 24,1 Monate. Hinsichtlich erledigter Beschwerden betrug die durchschnittliche Dauer ab Eingang beim Rechtsmittelgericht 0,5 Monate und ab Eingang in der ersten Instanz 2,4 Monate. 3 BT-Drs. 18/3850, S. 54 ff. 4 Aus der Statistik der Bundesregierung lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, auf welchen Zeitpunkt sich die Anhängigkeit bezieht. 5 Diesem Sachstand beigefügt als Anlage 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 5 Für das Jahr 2015 sind die Zahlen noch nicht entsprechend aufbereitet worden. 2.3. Statistiken einzelner Verwaltungsgerichte Detaillierte Angaben lassen sich zum Teil den Darstellungen der einzelnen Verwaltungsgerichte entnehmen: Beim Verwaltungsgericht Leipzig gingen im Jahr 2015 insgesamt 3.277 Verfahren ein, 1.008 Verfahren betrafen dabei asylrechtliche Streitigkeiten, was eine Steigerung zum Vorjahr um mehr als 60 % darstellt.6 Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts Leipzig ist im aktuellen Jahr mit steigenden Eingängen zu rechnen, da sich die Verfahren der 2015 eingereisten Asylbewerber noch in der Bearbeitung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge befänden. Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Jahr 2015 den Eingang von insgesamt 14.259 Verfahren verzeichnet, im Jahr 2014 waren es insgesamt 13.896 Verfahren.7 Im Asylrecht sind die Eingangszahlen 2015 leicht um knapp 5 % gesunken. Während 2015 in diesem Bereich 2.343 Klagen und Eilanträge anhängig gemacht wurden, waren es 2014 2.457 Verfahren. Der Bestand betrug am 31. Dezember 2015 im Asylrecht 756 Verfahren. Die durchschnittliche Dauer eines Klageverfahrens im Asylrecht wird für das Jahr 2015 mit 8,6 Monaten angegeben, ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dauerte im Durchschnitt einen Monat. Auch das Verwaltungsgericht Berlin rechnet in Anbetracht des Bearbeitungsstandes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für 2016 mit einer erheblichen Steigerung der Verfahrenszahlen. Das Verwaltungsgericht Potsdam vermeldet für 2015 den Eingang von insgesamt 7.347 Verfahren, wobei 2.791 Verfahren das Asylrecht betreffen.8 Im Jahr 2014 entfielen auf diesen Rechtsbereich 1.310 Verfahren, so dass ein Anstieg um 113 % festzustellen ist. Die Hauptsacheverfahren im Asylrecht hat das Gericht 2015 im Schnitt nach 5,2 Monaten erledigen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug bei Asyl-Eilsachen 1,6 Monate. Beim Verwaltungsgericht Hamburg gingen 2015 bis zum dritten Quartal 1.241 Klagen in allgemeinen Sachen (Vorjahr: 1.860) und 1.398 Klagen in Asylsachen (Vorjahr: 1.386) ein.9 Hinzu kamen in diesem Zeitraum 2.428 Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen (Vorjahr: 2.952) und 1.080 Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz in Asylsachen (Vorjahr: 958). Die durchschnittliche Dauer von Klagen in allgemeinen Sachen betrug 2015 (Stand 3. Quartal) 14,3 Monate (Vorjahr: 13,9), bei Klagen in Asylsachen 8,8 Monate (Vorjahr: 9,7). 6 Siehe die Informationen unter https://www.justiz.sachsen.de/vgl/ (zuletzt abgerufen am 24. Februar 2016). 7 Siehe den Geschäftsbericht der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Februar 2015, abrufbar unter https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung.445595.php (zuletzt abgerufen am 24. Februar 2016). 8 Siehe die Pressemitteilung des Gerichts vom 11. Januar 2016, abrufbar unter http://www.vg-potsdam.brandenburg .de/sixcms/detail.php?gsid=bb1.c.428519.de&template=seite_vgp_pressemit (zuletzt abgerufen am 24. Februar 2016). 9 Siehe Bürgerschafts-Drs. 21/2484. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 6 Die Verwaltungsgerichte von Baden-Württemberg haben 2015 einen Eingang von 11.187 allgemeinen Verfahren (Vorjahr: 11.093) und 9.266 Verfahren in Asylsachen (Vorjahr: 7.728) verzeichnet .10 Die durchschnittliche Dauer von Klagen in allgemeinen Sachen betrug 2015 8,9 Monate (Vorjahr: 9,1), in entsprechenden Eilverfahren 2,7 Monate (Vorjahr: 3,0). In Asylsachen wurden Hauptsacheverfahren durchschnittlich in 8,4 Monaten (Vorjahr: 9,3) und Eilverfahren in 1,7 Monaten (Vorjahr: 1,9) erledigt. In Bayern waren vor den Verwaltungsgerichten zum Stichtag 31. August 2015 3.846 Verfahren anhängig, die eine ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Gegenstand hatten.11 Insgesamt waren in Asylsachen im Jahr 2014 14.350 Verfahren anhängig, im Jahr 2015 waren es bis zum 31. August 15.997 Verfahren. Laut der Statistik betrug in Asylsachen die durchschnittliche Verfahrensdauer im ersten Halbjahr 2015 6 Monate für Hauptsacheverfahren und 0,7 Monate für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Hinsichtlich der Verfahren in anderen Rechtsbereichen betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer 8 Monate für Hauptsacheverfahren und 2 Monate für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. In Nordrhein-Westfalen hat sich die Zahl der bei den Verwaltungsgerichten eingegangenen Verfahren in Asylsachen 2015 gegenüber 2013 mehr als verdoppelt und gegenüber 2011 vervierfacht (2011: 5.811, 2013: rund 10.100, 2014: 15.600, 2015: hochgerechnet 22.000).12 Ende 2015 betrug der Anteil von Asylsachen an allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchschnittlich 41 %. In zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht machten die Asylsachen 24 % der eingegangenen Hauptsacheverfahren aus (Stand: 30. September 2015). 2.4. Begrenzte Aussagekraft der Statistiken in Bezug auf die Belastung der Gerichte Bei Betrachtung dieser verschiedenen Statistiken ergibt sich kein einheitliches Bild. Insgesamt ist aber für das Jahr 2015 eine Zunahme der Gerichtsverfahren in Asylsachen festzustellen, wobei für 2016 mit einem noch deutlich stärkeren Anstieg zu rechnen ist. Allein anhand der vorliegenden Zahlen kann keine Einschätzung zur Auslastung der Verwaltungsgerichte in Asylsachen vorgenommen werden. Insbesondere lassen die Daten über die durchschnittliche Dauer von Verfahren in Asylsachen keine weitergehenden Rückschlüsse zu, da insoweit unter anderem zu berücksichtigen ist, dass Richter im Rahmen einer Priorisierung Asylsachen als eilig ansehen und vorrangig entscheiden können. 10 Siehe die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Februar 2016, abrufbar unter http://vghmannheim.de/pb/,Lde/Geschaeftstaetigkeit+2015_+Anstieg+der+allgemeinen+Verfahren +beim+VGH+und+der+Asylverfahren+bei+den+Verwaltungsgerichten_/?LISTPAGE=1212860 (zuletzt abgerufen am 24. Februar 2016). 11 Siehe LT-Drs. 17/8077. 12 Siehe die Pressemitteilung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie der Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichte Aachen, Arnsberg, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Köln, Minden und Münster vom 6. November 2015, abrufbar unter http://www.vg-duesseldorf.nrw.de/behoerde /presse/pressemitteilungen/archiv/2015/1524/index.php (zuletzt abgerufen am 24. Februar 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 7 3. Ausschluss des Widerspruchsverfahrens im Asylrecht 3.1. Grundsätzliches zum Widerspruchsverfahren im Verwaltungsrecht Nach dem Grundmodell des Widerspruchsverfahrens kann ein Betroffener grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe eines Verwaltungsakts Widerspruch gegen diesen einlegen.13 Im Widerspruchsverfahren werden die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns überprüft. Das Widerspruchsverfahren ist dabei vom Prinzip her zweistufig aufgebaut: Zunächst prüft die Behörde, die den Verwaltungsakt selbst erlassen hat, ob sie den Widerspruch für begründet hält und diesem abhilft. Ist dies nicht der Fall, leitet sie den Widerspruch an die Widerspruchsbehörde (in der Regel die nächsthöhere Behörde) weiter. Grundsätzlich kann eine Klage vor dem Verwaltungsgericht erst nach erfolgloser Durchführung eines solchen Widerspruchsverfahrens erhoben werden. Das Widerspruchsverfahren besitzt entsprechend seinem Doppelcharakter als Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtliches Vorverfahren eine Dreifachfunktion: Es dient erstens dem Rechtsschutz des Betroffenen, zweitens der Selbstkontrolle der Verwaltung und drittens der Entlastung der Verwaltungsgerichte.14 Sinn und Zweck der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens sind jedoch nicht unumstritten.15 Kritiker des Widerspruchsverfahrens sehen das Widerspruchsverfahren etwa als kosten- und zeitaufwendige Hürde auf dem Weg zum Verwaltungsprozess. Von den Befürwortern wird angeführt , dass der Bürger mit dem Widerspruch ein einfaches und billiges Instrument zur Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen besitze, ohne eine „Schwellenangst“ vor dem Gericht überwinden zu müssen und so bloße Routineangelegenheiten von den Verwaltungsgerichten ferngehalten werden könnten, um Freiräume für die wirklich problematischen Fälle zu schaffen. 3.2. Situation im Asylrecht Gemäß § 11 Asylgesetz (AsylG) findet gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Asylgesetz kein Widerspruchsverfahren statt. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Asylantragsteller, der sich gegen den ablehnenden oder teilweise ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wehren will, direkt Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben muss.16 In den Gesetzesmaterialien wird in Bezug auf die Regelung auf den bis dahin vereinzelt geregelten Ausschluss des Widerspruchsverfahrens im Asylverfahrensgesetz hingewiesen. 13 Siehe hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage 2011, § 10 Rn. 26, dort zum Folgenden. 14 Kothe, in: Redeker/von Oertzen (Begr.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl. 2014, § 68 Rn. 2a. 15 Siehe die Darstellung der Argumente von Kritikern und Befürwortern bei Biermann, Das Widerspruchsverfahren unter Reformdruck, DÖV 2008, S. 395 (399 f.), dort zum Folgenden. 16 Siehe Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015, Kapitel 5.11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 063/16 Seite 8 Ferner führt der Gesetzgeber für den generellen Ausschluss Gründe der Verfahrensbeschleunigung an.17 In dem generellen Ausschluss des Widerspruchsverfahrens wird in der Literatur teilweise eine unzweckmäßige und rechtspolitisch fragliche Verlagerung der eigentlichen Auseinandersetzung in das gerichtliche Verfahren gesehen.18 Insbesondere wird kritisiert, dass ein solcher Ausschluss bei Entscheidungen, die ohne vorherige Anhörung ergingen, zur Folge haben könne, dass entscheidungserhebliche Gesichtspunkte erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen würden und zu prüfen wären.19 In diesen Fällen werde die Durchsetzung der Interessen und die Rechtsverteidigung im gerichtlichen Verfahren nicht unerheblich erschwert. Andere Stimmen in der Literatur sehen dies hingegen als unproblematisch an.20 Ob bzw. inwieweit das Widerspruchsverfahren die ihm zugedachten Funktionen – insbesondere die der Entlastung der Verwaltungsgerichte – tatsächlich erfüllt, lässt sich nur schwer beurteilen. Im Rahmen von Studien in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zu Beginn der 2000er Jahre wurde festgestellt, dass bezogen auf das gesamte Verwaltungsrecht lediglich 25 % bzw. weniger als 20 % der Widerspruchsentscheidungen gerichtlich angegriffen wurden.21 Inwieweit sich diese Zahlen auf Verwaltungsverfahren in Asylsachen in heutiger Zeit übertragen ließen, erscheint fraglich. Ende der Bearbeitung 17 BT-Drs. 12/2062, S. 30. 18 Siehe Bruns, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 AsylVfG Rn. 2; Funke-Kaiser, in: Fritz/ Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Stand der Kommentierung: 73. EL (Februar 2006), § 11 Rn. 4 ff.; Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 11 AsylVfG Rn. 2. 19 Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Stand der Kommentierung : 73. EL (Februar 2006), § 11 Rn. 5; Bruns, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 AsylVfG Rn. 2. 20 Hailbronner, Ausländerrecht, Stand der Kommentierung: 64. EL (Juni 2009), § 11 AsylVfG Rn. 3. 21 Siehe zu den Studien Biermann, Das Widerspruchsverfahren unter Reformdruck, DÖV 2008, S. 395 (400 f.).