© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 062/20 Ermächtigung von Bundesministern zum Erlass von Rechtsverordnungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 062/20 Seite 2 Ermächtigung von Bundesministern zum Erlass von Rechtsverordnungen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 062/20 Abschluss der Arbeit: 12. März 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 062/20 Seite 3 1. Fragestellung Das Düngegesetz enthält in mehreren seiner Paragraphen eine Verordnungsermächtigung (§§ 3, 4, 5, 7, 8, 9, 10, 11, 11a, 13a, 15). Das Düngegesetz ermächtigt darin das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Rechtsverordnungen zu erlassen. Zum Teil bedürfen die Rechtsverordnungen des „Einvernehmens“ mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und/oder dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Ferner bedürfen die Rechtsverordnungen zum Teil der „Zustimmung des Bundesrates“. Es stellt sich die Frage, ob eine Rechtsverordnung auf Grundlage des Düngegesetzes im Sinne von § 62 Abs. 3 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) von „allgemein-politischer Bedeutung“ ist. Ferner stellt sich die Frage, ob der Bundesrat einer Rechtsverordnung zustimmen kann, über die entgegen § 62 GGO die Bundesregierung keinen Beschluss getroffen hat. 2. „Allgemein-politische Bedeutung“ § 62 Abs. 3 GGO lautet: „Die Vorschriften über die Kabinettvorlage (§§ 22, 23 und 51) gelten entsprechend, 1. wenn die Rechtsverordnung durch die Bundesregierung erlassen wird, 2. diese von allgemeinpolitischer Bedeutung ist oder 3. Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Bundesministerien bestehen“ (Hervorhebung durch Autor). Der Begriff der „allgemein-politischen Bedeutung“ ist in der GGO nicht definiert. Dem Wortlaut nach ist die politische Bedeutung wohl „allgemein“, wenn die Verordnung nicht nur für das für die Verordnung verantwortliche Ressort von Bedeutung ist. Im Fall der Düngeverordnung1 sprechen hierfür insbesondere die folgenden beiden Umstände: – Die Düngeverordnung ist in der Öffentlichkeit und Fachwelt umstritten.2 – Die Europäische Union sieht in der deutschen Düngeverordnung eine unzureichende Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie zum Grundwasserschutz und hat ein entsprechendes Sanktionsverfahren eingeleitet, das zu erheblichen Strafzahlungen Deutschlands führen kann.3 1 https://www.gesetze-im-internet.de/d_v_2017/D%C3%BCV.pdf. 2 Prof. Taube (für BDEW), Expertise zur Bewertung des neuen Düngerechts (DüG, DüV, StoffBilV) von 2017 in Deutschland im Hinblick auf den Gewässerschutz, https://www.bdew.de/media/documents/Expertise_Bewertung _D%C3%BCG_D%C3%BCV_StoffBilV_Taube_11.06.2018_oeffentlich.pdf; NABU/IAW, Studie zu Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbandes (DBV), https://www.nabu.de/imperia/md/content /nabude/landwirtschaft/agrarreform/190429-studie-agrarlobby-iaw.pdf. 3 Europäische Kommission, 25.07.2019, Nitrat im Grundwasser: Kommission mahnt Deutschland zur Umsetzung des EuGH-Urteils https://ec.europa.eu/germany/news/20190725-nitrat_de; https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft /eu-mahnt-wegen-nitrat-belastung-warum-kloeckner-und-schulze-zum-guelle-rapport-nach-bruessel-muessen /24948296.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 062/20 Seite 4 3. Notwendigkeit einer Entscheidung der Bundesregierung Nach Art. 80 Grundgesetz können auch Bundesminister Rechtsverordnungen erlassen: „Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen.“ Ermächtigt das Düngegesetz daher z. B. in § 3 Abs. 4 S. 1 das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) […], durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates“ einen Sachverhalt zu regeln, ist verfassungsrechtlich gesehen kein Beschluss der Bundesregierung erforderlich. Die GGO ist eine Verwaltungsvorschrift.4 Sie wirkt innerhalb der Bundesregierung. Verstöße gegen die GGO haben daher keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Rechtsverordnung. Leitet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft daher z. B. im Fall des § 3 Abs. 4 S. 1 Düngegesetz dem Bundesrat den Entwurf einer Rechtsverordnung zur Zustimmung zu, kann der Bundesrat über diesen Entwurf entscheiden. Mit Zustimmung ist die Rechtsverordnung wirksam zustande gekommen. Dies gilt auch, wenn eine nach § 62 GGO erforderliche Befassung der Bundesregierung mit dieser Rechtsverordnung fehlt. *** 4 Epping, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 42. Edition Stand: 01.12.2019, Art. 65 Rn. 19.3.