© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 061/19 Verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie in Bezug auf das Grundeigentum Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 061/19 Seite 2 Verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie in Bezug auf das Grundeigentum Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 061/19 Abschluss der Arbeit: 13. März 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 061/19 Seite 3 1. Fragestellung Nach Art. 14 Abs. 1 GG wird das Eigentum durch den Staat gewährleistet. Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch die Gesetze bestimmt. Art. 14 Abs. 2 GG besagt zudem, dass der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Gemeinwohl dienen soll. Der Sachstand führt verfassungsrechtliche Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 1 und 2 GG in Bezug auf das Grundeigentum auf. 2. Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht hat sich 1967 grundsätzlich zum Inhalt der Eigentumsgarantie und ihrer Einschränkbarkeit in Bezug auf das Grundeigentum geäußert: „Die Tatsache, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen ; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden.“1 Diese Rechtsauffassung hat das BVerfG seither mehrfach bestätigt. So führte es beispielsweise im Jahr 2001 aus: „Die Unvermehrbarkeit von Grund und Boden verbietet es, seine Nutzung dem freien Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen (vgl. BVerfGE 21, 73 [82 f.]). Die Verfassung erlaubt dem Gesetzgeber, die Interessen der Allgemeinheit bei Fragen der Bodenordnung in stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Das von den bauplanerischen Festsetzungen erfasste Grundstückseigentum weist einen gesteigerten Sozialbezug auf. Bei der Ausweisung von Bauland ist eine Vielzahl städtebaulicher Belange zu berücksichtigen. Die gemeindliche Bauleitplanung ist insbesondere einer dem Wohl der Allgemeinheit entsprechenden sozialgerechten Bodennutzung verpflichtet (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB).“2 Das BVerfG betont in ständiger Rechtsprechung, dass der Umfang der gesetzgeberischen Beschränkung des Eigentums umso größer sein kann, je mehr das Eigentum in einem sozialen Bezug steht: „Das verfassungsrechtliche Postulat einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung des Privateigentums umfaßt das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange derjenigen Mitbürger, die auf die Nutzung des Eigentumsgegenstandes angewiesen sind. Das Maß und der Umfang der dem Eigentümer von Verfassungs wegen zugemuteten und vom Gesetzgeber zu realisierenden Bindung hängt hiernach zunächst davon ab, ob und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in 1 BVerfGE 21, 73 (82 f.). 2 BVerfGE 104, 1 (12). Bestätigend etwa auch BVerfGE 52, 1 (32 f.) und BVerfGE 87, 114 (146). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 061/19 Seite 4 einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht (BVerfGE 37, 132 [140]; 38, 348 [370]; 42, 263 [294]). Je stärker der Einzelne auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen ist, um so weiter ist der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers; er verengt sich, wenn dies nicht oder nur in begrenztem Umfang der Fall ist (BVerfGE 42, 263 [294]). Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertigt somit nicht eine übermäßige, durch die sozialen Belange nicht gebotene Begrenzung privat-rechtlicher Befugnisse (BVerfGE 37, 132 [141]).“3 Besonders umfassend ist die Sozialbindung des Grundeigentums bei Mietwohnungen. Da ein großer Teil der Bevölkerung auf die Nutzung von Mietwohnungen – und damit von fremdem Eigentum – angewiesen ist, sind auch weitreichende Einschränkungen der Eigentumsgarantie gerechtfertigt .4 Das BVerfG bestätigte daher etwa 1974 die Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung von Mieterhöhungen bei Bestandsmietverhältnissen auf die ortsübliche Vergleichsmiete: „Auch die Begrenzung des Mietzinses auf die ‚örtliche Vergleichsmiete‘ im Sinne des § 3 Abs. 1 begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken: Die Regelung sichert dem Vermieter einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellen wird. Daß sie zugleich die Ausnutzung von Mangellagen auf dem Wohnungsmarkt verhindert und Preisspitzen abschneidet, kann schon deshalb nicht beanstandet werden, weil eine solche Nutzung des Eigentums im Hinblick auf die soziale Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt.“5 Zudem entschied das BVerfG 1995, dass eine Einschränkung der Eigentumsgarantie durch Mietpreisbindungen nicht ausgeschlossen sei: „Mietpreisbindungen schränken die freie Verfügung über das Eigentum und dessen Nutzung ein. Preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden, sind aber verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 87, 114 (146) = NJW 1993, 2523 = NJW-RR 1993, 971 = DtZ 1993, 343 m.w. Nachw.). Die Eigentumsgarantie gewährleistet nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums. Gerade im Bereich der Wohnungsmiete verlangt die Sozialbindung aus Art. 14 II GG einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern, den der Gesetzgeber vorzunehmen hat (vgl. BVerfGE 37, 132 (141) = NJW 1974, 1499; BVerfGE 89, 1 (8) = NJW 1993, 2035). Dabei verfügt er angesichts des Umstandes, daß sich auf beiden Seiten grundrechtliche Positionen gegenüberstehen, über einen weiten Gestaltungsraum. Insbesondere kann er die jeweiligen Verhältnisse und Umstände auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen. Die von Art. 14 Abs. 1 GG gezogenen Gren- 3 BVerfGE 52, 1 (32). 4 Siehe dazu auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Mietpreisregulierung durch die Länder, WD 3 - 3000 - 17/19, S. 8 ff. 5 BVerfGE 37, 132 (142). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 061/19 Seite 5 zen wären aber jedenfalls dann überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden (vgl. BVerf GE 71, 230 (250) = NJW 1986, 1669).“6 *** 6 BVerfG NJW 1995, 511 (512).