© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 061/16 Kompetenz des Bundes zum Erlass eines Gesetzes zur Einführung von „Demokratieerziehung“ an Schulen Kurzinformation Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 3 - 3000 - 061/16 Seite 2 Kompetenz des Bundes zum Erlass eines Gesetzes zur Einführung von „Demokratieerziehung“ an Schulen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 061/16 Abschluss der Arbeit: 19.02.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 3 - 3000 - 061/16 Seite 3 1. Fragestellung Der Koalitionsvertrag für die 18. Wahlperiode zwischen den Parteien CDU, CSU und SPD erklärt unter der Überschrift „Für Toleranz und Demokratie“ zunächst: „Im Interesse der Lebendigkeit unserer Demokratie und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist es erforderlich, ziviles Engagement und demokratisches Verhalten sowie den Einsatz für Vielfalt und Toleranz bei Kindern und Jugendlichen auf der kommunalen bzw. regionalen Ebene zu fördern und zu stärken.“1 Im anschließenden Teil dieser Passage nimmt der Koalitionsvertrag auch Bezug auf „die einmütig beschlossenen Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses“ und erklärt, dass die Umsetzung dieser Empfehlungen ein wichtiger Eckpfeiler der Bemühungen der Koalition zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland sei.2 Im Folgenden heißt es weiter: „Die bestehenden Programme werden langfristig finanziell sichergestellt und auf bundesgesetzlicher Grundlage, soweit Gesetzgebungskompetenz vorliegt, weiterentwickelt sowie neue Strukturformen entsprechend des Abschlussberichtes des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zur NSU etabliert.“3 In diesem Zusammenhang ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Bund z.B. als eine „Maßnahme zur Förderung demokratischen Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen“ in einem Bundesgesetz die Einführung von „Demokratieerziehung“ an Schulen vorschreiben könnte. Die Frage geht insbesondere dahin, ob dies mit den Gesetzgebungskompetenzen der Länder vereinbar wäre. 2. Erläuterungen Der Bereich des Schulwesens liegt in der ausschließlichen Gesetzeskompetenz der Länder.4 Dies wird im Grundgesetz bestätigt in Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG, der die „schulische Bildung“ ausdrücklich als eine der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnisse der Länder nennt. Aus diesem Grund verfügt der Bund nicht über die Kompetenz, durch ein Bundesgesetz Demokratieerziehung an Schulen einzuführen. Ein solches Gesetz würde die Kompetenzen der Länder verletzten und wäre verfassungswidrig. Vor diesem Hintergrund konnte auch nur die Kultusministerkonferenz, bestehend aus den für Bildung, Wissenschaft und Kultur zuständigen Ministerinnen und Minister bzw. Senatorinnen 1 Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode, S. 154 (Hervorhebung nicht im Original), im Internet aufrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf;jsessionid =308EC3677BF2C43100A7422AACE3F1CA.s1t1?__blob=publicationFile&v=2 2 Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode, S. 155 (Fn. 1). 3 Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode, S. 155 (Fn. 1). Hervorhebung nicht im Original. 4 Vgl. statt aller Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 53. Ergänzungslieferung (Stand: Oktober 2008), Art. 70 Rdnr. 115 mit umfangreichen Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 3 - 3000 - 061/16 Seite 4 und Senatoren der 16 Bundesländer,5 im Jahr 2009 den Beschluss zur „Stärkung der Demokratieerziehung “ fassen.6 Auf der Basis der bereits in den Ländern bestehenden Erfahrungen zur Demokratiepädagogik und Demokratieerziehung wurde die Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen vereinbart, um die Demokratieerziehung an Schulen bundesweit zu stärken. Soweit in der zweiten oben zitierten Passage des Koalitionsvertrages die Weiterentwicklung bestehender Programme „auf bundesgesetzlicher Grundlage, soweit Gesetzgebungskompetenz vorliegt“ in Aussicht gestellt wird, bezieht sich dies vermutlich auf die Vorschläge des Abschlussberichtes des NSU-Untersuchungsausschusses in der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages7. Diese Passage steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Erläuterungen der Koalitionspartner über ihr Bestreben, die Empfehlungen des NSU-Ausschusses umzusetzen und die bereits umgesetzten Maßnahmen8 weiter zu stärken. So hat z.B. der Deutsche Bundestag als Reaktion auf die NSU- Mordserie ein Gesetz zur Errichtung einer Rechtsextremismusdatei9 erlassen, mit dem insbesondere der Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern im Hinblick auf gewaltbereite Rechtsextremisten verbessert werden soll.10 Damit richtet sich die Formulierung „Weiterentwicklung von Programmen auf bundesgesetzlicher Grundlage“ in dem zweiten oben genannten Zitat nach hiesigem Verständnis nicht auf den der Erlass eines Bundesgesetzes zur Einführung von Demokratieerziehung in Schulen. Es geht vielmehr um die Weiterentwicklung von (gesetzlichen) Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, wie sie insbesondere in dem Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode vorgeschlagen werden. Ende der Bearbeitung 5 Zur Struktur dieser Konferenz siehe die Darstellung auf der Internetseite der Kultusministerkonferenz: https://www.kmk.org/kmk/organe.html. 6 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009, in Internet aufrufbar unter: http://www.kmk.org/fileadmin /Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_03_06-Staerkung_Demokratieerziehung.pdf. 7 Abschlussbericht vom 22.08.2013, BT-Drs. 17/14600. 8 Siehe zu den in der Folge der NSU-Mordserie ergriffenen Maßnahmen auf Bundesebene den Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration „Zehnter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“ vom 29.10.2014, S. 215 f., BT-Drs. 18/3015. 9 Rechtsextremismus-Datei-Gesetz vom 20. August 2012 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2318; 2016 I 48). 10 Vgl. zum Ziel dieses Gesetzes die Erläuterungen zu dem Gesetzentwurf, BT-Drs. 17/8672.