© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 060/21 Bestimmtheit und Vorbehalt des Gesetzes in Bezug auf die §§ 28, 28a und 32 Infektionsschutzgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 2 Bestimmtheit und Vorbehalt des Gesetzes in Bezug auf die §§ 28, 28a und 32 Infektionsschutzgesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 060/21 Abschluss der Arbeit: 19. Mai 2021 (auch letzter Abruf der Internetquellen) Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit verfassungsrechtlichen Aspekten der §§ 28, 28a und 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG), auf die ein Großteil der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gestützt wird. Im Einzelnen geht es um die Frage, ob die Regelungen mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und dem Bestimmtheitsgebot übereinstimmen. Der Ende April 2021 eingeführte § 28b IfSG (sog. Bundesnotbremse)1 ist nicht Gegenstand der Darstellung . Die Möglichkeit der Länder nach § 32 IfSG, Schutzmaßnahmen im Wege der Verordnung zu erlassen, bleibt unterhalb des in § 28b IfSG genannten Inzidenzwertes unberührt. 2. Vorbehalt des Gesetzes Der aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Vorbehalt des Gesetzes fordert, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert sein muss.2 Die Frage der Notwendigkeit eines parlamentarischen Gesetzes bestimmt sich nach der durch das Bundesverfassungsgericht geprägten sog. Wesentlichkeitstheorie.3 Diese besagt, dass der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen nicht der Exekutive überlassen darf, sondern diese selbst zu treffen hat.4 Anhand des Kriteriums der Wesentlichkeit versucht das Bundesverfassungsgericht zum einen die Erforderlichkeit eines Gesetzes und zum anderen dessen erforderliche Regelungsdichte zu bestimmen.5 Eindeutige Abgrenzungskriterien zu der Frage, welche Entscheidungen wesentlich und damit durch formelles Gesetz zu regeln sind, existieren nicht. Die Bestimmung der Wesentlichkeit erfolgt vielmehr nach einer Art Gleitformel.6 Je wesentlicher sich eine Angelegenheit für die Allgemeinheit darstellt, desto stärker ist der parlamentarische Gesetzgeber gefordert und desto detaillierter und bestimmter muss die gesetzliche Regelung ausgestaltet sein.7 Entscheidend für die Annahme der Wesentlichkeit ist für das Bundesverfassungsgericht insbesondere die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme. Die Wesentlichkeit bestimmt sich demnach vor allem danach, inwieweit eine Maßnahme in Grundrechte des Einzelnen eingreift oder für die 1 Die Norm wurde eingeführt mit dem Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. I S. 802). 2 BVerfGE 98, 218 (251). 3 Vgl. Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, 9. Auflage 2021, Art. 80 Rn. 21 f. 4 Ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerfGE 80, 1 (20); 139, 19 (45 f.) m.w.N. 5 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 20 VI Rn. 106. 6 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 6 Rn. 14; Ehlers, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage 2016, § 2 Rn. 45. 7 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 6 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 4 Verwirklichung von Grundrechten bedeutsam ist.8 Daneben werden für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Angelegenheit unter anderem herangezogen: der Umfang des Adressatenkreises, die Langzeitwirkung einer Regelung, gravierende finanzielle Auswirkungen, erhebliche Auswirkungen auf das Staatsgefüge, Konkretisierung offenen Verfassungsrechts, die Auswirkungen auf das Gemeinwesen sowie die Unmittelbarkeit und Finalität einer gesetzlichen Regelung.9 In der juristischen Literatur wurde von einigen Stimmen vorgebracht, dass die Bekämpfung der Corona-Pandemie im Verordnungswege nicht dem Parlamentsvorbehalt entspreche.10 Diese Kritik bezog sich allerdings im Wesentlichen auf die Rechtslage vor der Gesetzesänderung im November 2020, nach der die Verordnungsermächtigung in § 32 IfSG nur auf die Generalklausel des § 28 IfSG Bezug nahm. Nach dieser Norm trifft die zuständige Behörde „die notwendigen Schutzmaßnahmen“, „soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist“. Die Norm nennt nur einzelne Maßnahmen ausdrücklich, so etwa die Möglichkeit der Behörden, Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen zu beschränken oder zu verbieten. Im Übrigen war lange Zeit nicht gesetzlich festgelegt, welche konkreten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ergriffen werden können, was angesichts der weitreichenden Grundrechtseingriffe problematisch war. Generalklauseln wie der § 28 IfSG sind zwar im Gefahrenabwehrrecht grundsätzlich zulässig, da ein Gesetz nicht jede denkbare Gefahrenlage regeln kann.11 Generalklauseln sollen allerdings dazu dienen, atypische oder neuartige Fälle zu erfassen, die sich der Möglichkeit einer ausdrücklichen Regelung (bisher) entziehen.12 Bei Maßnahmen, bei denen eine regelmäßige Anwendung absehbar ist, ist hingegen eine explizite gesetzliche Regelung notwendig. Dies gilt zudem auch für besonders schwerwiegende Grundrechtseingriffe.13 Im Polizeirecht erfolgt die Regelung durch die Normierung von Standardmaßnahmen, die Voraussetzungen und (mögliche) Rechtsfolgen exakt festlegen. Den Vorwürfen gegen die Generalklausel des § 28 IfSG wurde mit der Einfügung von § 28a IfSG begegnet, indem ein Katalog von möglichen Maßnahmen geschaffen wurde, die den Behörden sowie nach § 32 IfSG den Ländern im Wege der Rechtsverordnung zur Verfügung stehen.14 Zudem 8 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 113 m.w.N. 9 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL Januar 2019, Art. 20 VI Rn. 107. 10 So etwa Pautsch/Haug, Parlamentsvorbehalt und Corona-Verordnungen – ein Widerspruch, in: NJ 2020, 281 (282); kritisch auch Volkmann, Heraus aus dem Verordnungsregime – Die erheblichen Grundrechtseingriffe der Corona- Krise bedürfen endlich einer tragfähigen Rechtsgrundlage, in: NJW 2020, 3153 (3159). 11 Kießling, Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot?, Verfassungsblog vom 4. November 2021, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/was-verlangen-parlamentsvorbehalt-und-bestimmtheitsgebot/. 12 Vgl. Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-)Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1099) m.w.N. 13 Borsdroff, in: Möllers (Hrsg.), Wörterbuch der Polizei, 3. Auflage 2018, Eintrag: Generalklausel im Polizeirecht. 14 Die Einführung erfolgte mit dem Dritten Gesetz Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 5 wurde festgelegt, dass die in § 28a Abs. 1 IfSG normierten Maßnahmen grundsätzlich nur während der Dauer der Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite nach § 5 IfSG angeordnet werden dürfen. Eine solche Einschränkung der Maßnahmen bestand zuvor nicht, da die Generalklausel des § 28 IfSG allgemeine Gültigkeit hat. Außerdem wurden in § 28a Abs. 3 IfSG bestimmte Inzidenz-Schwellenwerte festgelegt, die als Maßstab für die Anwendung der Schutzmaßnahmen dienen sollen. Für bestimmte Maßnahmen wurden in § 28a Abs. 2 IfSG zusätzliche Einschränkungen eingeführt: So dürfen beispielsweise Versammlungen und religiöse Zusammenkünfte nur dann untersagt werden, „soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre“. Die vielfach von der Literatur geforderten15 Standardmaßnahmen wurden allerdings nicht eingeführt . Vielmehr listet § 28a Abs. 1 IfSG einen Katalog von Regelbeispielen auf, die als „notwendige Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 IfSG in Betracht kommen. Dadurch verbleibt den Ländern die Möglichkeit, andere Maßnahmen als die explizit genannten zu ergreifen. In der Literatur wird der § 28a Abs. 1 IfSG aus diesem Grund teilweise noch als problematisch empfunden.16 Es wird zwar darauf hingewiesen, dass gewisse Spielräume für die Exekutive bei der Pandemiebekämpfung zwingend notwendig seien; diese seien aber aufgrund der Regelbeispiele sehr weitgehend.17 Dennoch ist festzustellen, dass durch die Einführung des § 28a IfSG eine wesentlich höhere Regelungsdichte des Maßnahmenregimes geschaffen wurde, da in dem umfangreichen Katalog des § 28a Abs. 1 IfSG die typischerweise im Rahmen der Corona-Pandemie angewandten Maßnahmen explizit aufgeführt und damit die Handlungsmöglichkeiten der verordnungsgebenden Länder konkretisiert werden. Durch die oben genannten besonderen Kriterien und Einschränkungen wurde zudem der Spielraum der Verordnungsgeber im Vergleich zur vorherigen Rechtslage eingeschränkt. Es dürfte insgesamt davon auszugehen sein, dass den Vorgaben des Vorbehalts des Gesetzes Rechnung getragen wurde.18 15 Dafür etwa Volkmann, Heraus aus dem Verordnungsregime – Die erheblichen Grundrechtseingriffe der Corona- Krise bedürfen endlich einer tragfähigen Rechtsgrundlage, in: NJW 2020, 3153 (3160); Kießling, Infektionsschutzgesetz , 1. Auflage 2020, § 28 Rn. 64. 16 So etwa Boehme-Neßler, Das Parlament in der Pandemie, in: DÖV 2021, 243 (248 f.); Kießling, Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot?, Verfassungsblog vom 4. November 2020, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/was-verlangen-parlamentsvorbehalt-und-bestimmtheitsgebot/. 17 Boehme-Neßler, Das Parlament in der Pandemie, in: DÖV 2021, 243 (248 f.). 18 So auch Wollenschläger, Schriftliche Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 12. November 2020, S. 28, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/805844/09aa6cdba9932ca18a4a560e817817b1/19_14_0246-20-_ESV-Prof-Dr-Ferdinand-Wollenschlaeger -3-BevSchG-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 6 Die Rechtsprechung hat dies zumindest in den bisher ergangenen Eilentscheidungen bestätigt. So äußerte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg: „Durch diesen dezidierten Katalog an Einzelmaßnahmen hat der Gesetzgeber dem Gesetzesvorbehalt Rechnung getragen.“19 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) kam zu dem Ergebnis: „Die bisher geäußerten Zweifel des Senats zur Frage des Parlamentsvorbehalts hat der Gesetzgeber mit den Änderungen des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 weitgehend ausgeräumt.“20 In ähnlicher Weise äußerten sich auch der VGH Baden-Württemberg21 und das OVG Nordrhein- Westfalen22. 3. Bestimmtheitsgebot Das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot besagt, dass Rechtsnormen hinreichend konkret gefasst sein müssen.23 Sie sollen in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können.24 Die Anforderungen dienen zudem dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen.25 Außerdem hat der Grundsatz den Zweck, die Gerichte in die Lage zu versetzen, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren.26 Das Bestimmtheitsgebot wird grundsätzlich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitet.27 In Bezug auf Verordnungsermächtigungen gibt es mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG eine Spezialnorm: Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz 19 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Februar 2021, OVG 11 S 11/21, BeckRS 2021, 2412 Rn. 29. 20 BayVGH, Beschluss vom 8. Dezember 2020, NE 20.2461, BeckRS 2020, 34549 Rn. 26. 21 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Dezember 2020, BeckRS 2020, 36334 Rn. 25. 22 OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Dezember 2020, 13 B 1731/20, BeckRS 2020, 36237 Rn. 20, 24. 23 Sachs, in: derselbe (Hrsg.), GG, 9. Auflage 2021, Art. 20 Rn. 126. 24 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, siehe etwa BVerfGE 17, 306 (314); 45, 400 (420). 25 BVerfGE 110, 33 (54). 26 BVerfGE 110, 33 (54). 27 Vgl. BVerfGE 45, 400 (420). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 7 bestimmt werden. Das Bestimmtheitsgebot stellt bei Verordnungsermächtigungen insofern eine Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts dar.28 Die Kritik, die zu den Corona-Maßnahmen bezüglich des Bestimmtheitsgebots bisher geäußert wurde, richtete sich wie die Kritik zum Gesetzesvorbehalt insbesondere darauf, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 32 IfSG auf die Generalklausel des § 28 IfSG Bezug nahm, die allgemein zum Ergreifen „notwendiger Schutzmaßnahmen“ ermächtigt.29 Durch Einführung des § 28a IfSG mit dem in Absatz 1 normierten Maßnahmenkatalog wurde die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage erhöht.30 Die Norm enthält zwar nicht die vielfach geforderten Standardmaßnahmen, benennt aber zumindest anhand eines umfangreichen Katalogs von Regelbeispielen hinreichend erkennbar, welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona- Pandemie zulässig sind. Die einzelnen Maßnahmen sind ausreichend klar formuliert, belassen den umsetzenden Behörden oder verordnungsgebenden Ländern aber auch den notwendigen Spielraum zur Ausgestaltung der Einzelheiten. Da sich die Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG unter anderem auf den § 28a IfSG bezieht, ist damit auch hinreichend bestimmt, welchen Inhalt die Verordnungen der Länder haben dürfen. Die Ermächtigungsgrundlage dürfte daher grundsätzlich dem Bestimmtheitsgebot entsprechen.31 Auch die bisherige Rechtsprechung hat diese Ansicht bestätigt.32 So äußerte das OVG Berlin- Brandenburg: „Jedenfalls seit Erlass des § 28a IfSG sind Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung voraussichtlich ausreichend bestimmt.“33 28 OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Dezember 2020, 13 B 1731/20.NE, BeckRS 2020, 36237 Rn. 21. 29 Vgl. etwa Pautsch/Haug, Parlamentsvorbehalt und Corona-Verordnungen – ein Widerspruch, in: NJ 2020, 281 (282 f.); Antweiler, Betriebsuntersagung durch Covid-19-Rechtsverordnungen: Eigentumseingriff und Entschädigung , in: NVwZ 2020, 584 (586). 30 Siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Aktuelle Änderungen des Infektionsschutzrechts, WD 3 - 3000 - 256/20, S. 4, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/806142/0f47f92924f54322da4220557077ad9f/WD-3-256-20-pdf-data.pdf. 31 So auch Brenner, Stellungnahme für die Anhörung des Ausschusses für Gesundheit am 12. November 2020, S. 3, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/805842/730992d71899fd11e76ee168d0c7fd0f/19_14_0246-19-_ESV-Dr-Michael-Brenner-3-Bev- SchG-data.pdf. 32 Siehe etwa BayVGH, Beschluss vom 25. Februar 2021, 20 NE 21.519, BeckRS 2021, 3813 Rn. 18; OVG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 8. Januar 2021, 1 S 156/20, BeckRS 2021, 29 Rn. 8. 33 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Februar 2021, OVG 11 S 11/21, BeckRS 2021, 2412 Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/21 Seite 8 Bedenklich in Bezug auf die Bestimmtheit erscheinen allerdings die Regelungen über die Inzidenzwerte in § 28a Abs. 3 IfSG. Danach sind je nach Höhe der Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen entweder „umfassende Schutzmaßnahmen“, „breit angelegte Schutzmaßnahmen “ oder „Schutzmaßnahmen, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen“ möglich. Diese offenen Rechtsbegriffe werden weder im Gesetz noch in der Begründung definiert. Es wird insbesondere nicht klar, welche Unterschiede zwischen den einzelnen Stufen bestehen. Die Vorschrift wird dementsprechend von der Literatur kritisiert.34 *** 34 So etwa Boehme-Neßler, Das Parlament in der Pandemie, in: DÖV 2021, 243 (249); siehe auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Aktuelle Änderungen des Infektionsschutzrechts, WD 3 - 3000 - 256/20, S. 3, 4, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/806142/0f47f92924f54322da4220557077ad9f/WD-3-256-20-pdf-data.pdf. Die Ausarbeitung bezieht sich zwar noch auf die Begriffe „einfache“, „stark einschränkende“ und „schwerwiegende Schutzmaßnahmen“ im Gesetzentwurf. Diese Begriffe sind aber ebenso unbestimmt wie die letztendlich gewählten Formulierungen.