© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 060/17 Zeitliche Vorgaben für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/17 Seite 2 Zeitliche Vorgaben für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 060/17 Abschluss der Arbeit: 9. März 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/17 Seite 3 1. Fragestellung Es wurde um Erläuterung gebeten, ob es für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Dauer und der Prioritätensetzung bei der Bearbeitung gibt. Zudem wurde gefragt, ob das Bundesverfassungsgericht öffentlich bekannt gibt, wenn sich die Verkündung eines Urteils verzögert. 2. Zeitliche Vorgaben für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Die Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Sie steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. § 30 Abs. 1 S. 5 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG – Anlage 1) bestimmt lediglich, dass spätestens drei Monate nach Abschluss der mündlichen Verhandlung das Urteil verkündet werden soll. Der zeitliche Zusammenhang soll gewährleisten, dass die Entscheidung tatsächlich auf den Erkenntnissen aus der mündlichen Verhandlung beruht. Bei der Frist handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, deren Verletzung keine Konsequenzen für das Verfahren hat. In der Praxis überschreitet das Bundesverfassungsgericht die Dreimonatsfrist oft deutlich, vor allem bei komplexen Entscheidungen. Seit 2011 stehen jedoch bei überlangen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Rechtsbehelfe der Verzögerungsrüge und Verzögerungsbeschwerde zur Verfügung (§§ 97a ff. BVerfGG). Beteiligte können frühestens zwölf Monate nach Eingang des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht die Dauer des Verfahrens rügen (§ 97b Abs. 1 BVerfGG). Die Verzögerungsrüge hat eine Warnfunktion und soll das Gericht dazu anhalten, das Verfahren zu beschleunigen. Es besteht jedoch keine Verpflichtung seitens des Gerichts, die Rüge zu bescheiden. Ist sechs Monate nach Einlegung der Verzögerungsrüge in der Hauptsache keine Entscheidung ergangen, kann eine Verzögerungsbeschwerde erhoben werden, § 97b Abs. 1 und 2 BVerfGG. Mit der Verzögerungsbeschwerde kann der Antragsteller Entschädigung und Wiedergutmachung wegen eines infolge einer überlangen Verfahrensdauer erlittenen materiellen oder immateriellen Nachteils verlangen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts , § 97a Abs. 1 S. 2 BVerfGG. Bei der Ermittlung und Bewertung der für die Abwägung relevanten Umstände ist an die Maßstäbe anzuknüpfen, die das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Beurteilung überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelt haben, modifiziert durch die aus den Aufgaben und die Stellung des Bundesverfassungsgerichts folgenden organisatorischen und verfahrensmäßigen Besonderheiten. Zu berücksichtigen sind demnach unter anderem die Natur des Verfahrens, die Schwierigkeit der Sachmaterie, die Bedeutung der Sache und die Auswirkung einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, aber auch die soziale und politische Bedeutung des Verfahrens für das Gemeinwesen. 3. Prioritätensetzung hinsichtlich der Bearbeitung der Verfahren Gesetzliche Vorgaben, welche verfassungsgerichtlichen Verfahren prioritär zu bearbeiten sind, gibt es nicht. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet selbst, welchen Verfahren Vorrang einzuräumen ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 060/17 Seite 4 Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassung gebietet es, neben dem Eingangsdatum in besonderem Maße auch andere Faktoren zu berücksichtigen, beispielsweise die Art der Sache sowie deren politische und soziale Bedeutung für das Gemeinwesen. Deshalb können auch früher eingegangene Anträge gegenüber späteren zurückgestellt werden. 4. Bekanntgabe des Verkündungstermins Der Verkündungstermin kann in der mündlichen Verhandlung bekanntgegeben oder nach Abschluss der Beratungen festgelegt werden (§ 30 Abs. 1 S. 4 BVerfGG). Der Termin kann durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verlegt werden (§ 30 Abs. 1 S. 6 BVerfGG). In der Praxis erfolgt die Festlegung des Verkündungstermins meist nach Abschluss der Beratungen. Das Bundesverfassungsgericht gibt regelmäßig auf seiner Internetseite bekannt, wann ein Urteil verkündet wird. ***