© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 060/14 Mandatsträgerbestechung Zum Tatbestandsmerkmal des ungerechtfertigten Vorteils Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 2 Mandatsträgerbestechung Zum Tatbestandsmerkmal des ungerechtfertigten Vorteils Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 060/14 Abschluss der Arbeit: 24. April 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Die Darstellung der für Mitglieder des Deutschen Bundestages geltenden Regelungen beruht auf einem Vermerk der Unterabteilung PM, der als Anlage 1 beigefügt ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 3 1. Fragestellung und Hintergrund Vor dem Hintergrund der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Neufassung des Straftatbestandes der Mandatsträgerbestechung wird gefragt, welche Vorteile nach Maßgabe der Verhaltensregeln sowie der parlamentarischen Gepflogenheiten als ungerechtfertigt anzusehen sind. Der Entwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes1 ist am 21. Februar 2014 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz2 vom Deutschen Bundestag beschlossen worden.3 Der Bundesrat hat am 14. März 2014 beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen.4 Das damit zustande gekommene Gesetz bedarf nunmehr noch der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung im Bundesgesetzblatt. Das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes ist für den 1. September 2014 vorgesehen. Nach dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung erhält der Straftatbestand des § 108e Strafgesetzbuch (StGB)5 künftig folgenden Wortlaut:6 „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für dieses Mitglied oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass es bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse. (3) Den in den Absätzen 1 und 2 genannten Mitgliedern gleich stehen Mitglieder 1. einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft, 1 BT-Drs. 18/476. 2 BT-Drs. 18/607. 3 BT-PlPr. 18/18, S. 1383 (Ergebnis der namentlichen Abstimmung auf S. 1390 D). 4 BR-PlPr. 920, S. 30 A. 5 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das durch Artikel 5 Absatz 18 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3799) geändert worden ist. 6 Im Folgenden wird die nach Maßgabe der Änderungen in der Beschlussempfehlung selbst konsolidierte Fassung des Gesetzentwurfs zugrundegelegt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 4 2. eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit , 3. der Bundesversammlung, 4. des Europäischen Parlaments, 5. einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation und 6. eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates. (4) Ein ungerechtfertigter Vorteil liegt insbesondere nicht vor, wenn die Annahme des Vorteils im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht. Keinen ungerechtfertigten Vorteil stellen dar 1. ein politisches Mandat oder eine politische Funktion sowie 2. eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Spende. (5) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen.“7 Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „ungerechtfertigten Vorteils“ im Sinne des Absatzes 1 ist zunächst eine strafrechtliche Frage. Durch die Negativdefinition in Absatz 4 erlangen jedoch mittelbar Vorschriften des Abgeordnetenrechts Relevanz für die Frage der Strafbarkeit. Deren Erörterung ist Gegenstand dieser Ausarbeitung. 2. Für die Rechtsstellung der Abgeordneten maßgebliche Vorschriften Mit dem Verweis auf die für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften wird für die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf das Abgeordnetengesetz (AbgG)8, auf die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages nach Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (VR)9 sowie auf die von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages hierzu erlassenen Ausführungsbestimmungen Bezug genommen.10 Durch diesen Verweis wird 7 Hervorhebungen d. Verf. 8 Abgeordnetengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl. I S. 326), das zuletzt durch das Gesetz vom 8. November 2011 (BGBl. I S. 2218) geändert worden ist. 9 Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages, Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1980 (BGBl. I S. 1237, 1255), die zuletzt durch die Bekanntmachung vom 2. Juli 2013 (BGBl. I S. 2167) geändert worden ist. Die am 3. April 2014 beschlossene Änderung der Geschäftsordnung ist noch nicht im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht worden. 10 So die Begründung des Gesetzentwurfs auf BT-Drs. 18/476, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 5 erreicht, dass nicht nur die gesetzlichen Regelungen, sondern auch die Regelungen des parlamentarischen Binnenrechts mittelbar Auswirkungen auf die Reichweite des Straftatbestandes haben: Alle Verhaltensweisen, die nach dem Abgeordnetengesetz und nach den Verhaltensregeln erlaubt sind, sind nicht strafbar gemäß § 108e StGB künftiger Fassung. Wie weit das Verbot der Abgeordnetenbestechung reicht, hängt daher maßgeblich von der Ausgestaltung des Abgeordnetenrechts ab.11 2.1. Bund12 2.1.1. Gesetzliche Regelungen 2.1.1.1. § 44a Abgeordnetengesetz Nach § 44a Abs. 1 S. 2 AbgG sind zunächst Nebentätigkeiten und damit auch die daraus erzielten Einkünfte grundsätzlich zulässig. § 44a Abs. 2 S. 1 AbgG sieht vor, dass ein Mitglied des Bundestages für die Ausübung des Mandats keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen darf. Unzulässig ist nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird.13 Ferner unzulässig ist nach Satz 3 der Vorschrift die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen , wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird.14 Die Entgegennahme von Spenden bleibt nach § 44a Abs. 2 S. 4 AbgG von dem Annahmeverbot des § 44a Abs. 2 S. 1 AbgG unberührt. 2.1.1.2. § 25 Parteiengesetz § 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB künftiger Fassung stellt klar, dass „eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Spende“ keinen ungerechtfertigten Vorteil darstellt. Eine Strafbarkeit ist insoweit ausgeschlossen. Damit gelten für die Beurteilung der Zulässigkeit der Entgegennahme von Spenden die Regelungen des Parteiengesetzes. Durch den Zusatz „oder ent- 11 Vgl. Kubiciel, Politische Korruption: Diskussion in einer Ethikkommission?, ZRP 2014, 48 (49), der aus diesem Grund für eine weitere Präzisierung und Differenzierung in den Verhaltensregeln plädiert. 12 Eine vertiefende Darstellung der Regelungen über die Annahme geldwerter Zuwendungen an Mitglieder des Deutschen Bundestages, gegliedert nach einzelnen Zuwendungsarten, sind in dem als Anlage 1 beigefügten Vermerk der Unterabteilung PM dargestellt. 13 Ein derartiges Verbot hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im sog. Diätenurteil, BVerfGE 40, 296 (319), gefordert; vgl. auch Käß, Das Verbot gegenleistungsloser Zahlungen an Abgeordnete (§ 44a Abs. 2 AbgG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, VerwArch 2010, 457. 14 Zur Vertiefung vgl. den Vermerk der Unterabteilung PM (Anlage 1), S. 2 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 6 sprechenden Gesetzen“ sollen nach der Begründung des Gesetzentwurfs mit Blick auf ausländische Mandatsträger ebenfalls ausländische Gesetze, die die Zulässigkeit von Parteispenden regeln , zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können.15 Im deutschen Recht richtet sich die Zulässigkeit von Parteispenden nach § 25 Parteiengesetz (PartG)16. Die Vorschrift regelt detailliert die Art und Weise der Behandlung von Spenden wie etwa die Weiterleitung durch die Spendenempfänger und normiert enumerativ acht Ausschlussgründe für die Spendenannahmebefugnis. Im vorliegenden Zusammenhang ist insbesondere das Verbot des § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG relevant, wonach Spenden, die der Partei erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden, nicht angenommen werden dürfen (sog. synallagmatische Spenden). Auch dürfen keine Spenden von bestimmten Zuwendern wie öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Parlamentsfraktionen , politischen Stiftungen oder auch anonymen Spendern angenommen werden. Die Einschränkungen des § 25 PartG betreffen unmittelbar nur Spenden, die an die Partei gerichtet sind, was allerdings – vor allem aus steuerlichen Gründen – der Regelfall ist.17 Abgeordnetenspenden (sog. Direktspenden) fallen nicht unter das Parteiengesetz.18 Die Regelungen finden jedoch zum Teil durch einen Verweis in den Verhaltensregeln entsprechende Anwendung auf Spenden an Bundestagsabgeordnete (dazu sogleich). 2.1.2. Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages Im vorliegenden strafrechtlichen Kontext geht es um die Frage, ob die Annahme eines Vorteils im Einklang mit den durch § 108e Abs. 4 S. 1 StGB künftiger Fassung in Bezug genommenen Vorschriften steht, ob also ein Vorteil danach angenommen werden darf oder nicht. Daher sind die in den Verhaltensregeln statuierten Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten jedenfalls nicht primär relevant für die Frage der Strafbarkeit. Entscheidend ist, inwieweit geldwerte Zuwendungen in den Verhaltensregeln für zulässig oder unzulässig erklärt werden. Ein Verstoß gegen Anzeigepflichten führt nicht zur Unzulässigkeit der Tätigkeit oder der daraus erzielten Einkünfte. Maßgebliche Bestimmungen zur Zulässigkeit geldwerter Vorteile enthält § 4 Abs. 4 - 6 VR. § 4 Abs. 4 VR erklärt für Direktspenden an Abgeordnete zunächst die oben dargestellten Bestimmungen des § 25 Abs. 2 und 4 PartG für entsprechend anwendbar. Bestimmte Spenden sind danach unzulässig. 15 So die Begründung des Gesetzentwurfs auf BT-Drs. 18/476, S. 10. 16 Parteiengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. August 2011 (BGBl. I S. 1748) geändert worden ist 17 Zur Abgrenzung von Parteispenden und Abgeordnetenspenden vgl. Austermann, Spenden an Abgeordnete, ZParl 2010, 527. 18 Vgl. Jochum, in: Ipsen, Parteiengesetz, 1. Aufl. 2008, § 25 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 7 Von dem dadurch begründeten Spendenannahmeverbot befreit § 4 Abs. 5 VR wiederum bestimmte geldwerte Zuwendungen, indem er sie durch gesetzliche Fiktion zu „Nicht-Spenden“ erklärt. Die Vorschrift lautet: „Geldwerte Zuwendungen 1. aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer oder internationaler Beziehungen, 2. zur Teilnahme an Veranstaltungen zur politischen Information, zur Darstellung der Standpunkte des Deutschen Bundestages oder seiner Fraktionen oder als Repräsentant des Deutschen Bundestages gelten nicht als Spenden im Sinne dieser Vorschrift; sie sind jedoch entsprechend Absatz 2 anzuzeigen und nach Maßgabe von Absatz 3 zu veröffentlichen.“19 Die Anzeige- und Veröffentlichungspflicht stellt implizit klar, dass die betroffenen Zuwendungen grundsätzlich angenommen werden dürfen. Zu den Zuwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 VR zählen insbesondere die Gewährung freien Eintritts und freier Bewirtung sowie die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten bei Veranstaltungen wie beispielsweise Konferenzen, Informationsreisen , Tagungen, Kulturveranstaltungen oder parlamentarischen Abenden.20 Für den Umgang mit Gastgeschenken trifft § 4 Abs. 6 VR folgende Regelung: „Geldwerte Zuwendungen, die ein Mitglied des Bundestages als Gastgeschenk in Bezug auf sein Mandat erhält, müssen dem Präsidenten angezeigt und ausgehändigt werden; das Mitglied kann beantragen, das Gastgeschenk gegen Bezahlung des Gegenwertes an die Bundeskasse zu behalten. Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der materielle Wert des Gastgeschenks einen Betrag nicht übersteigt, der in den Ausführungsbestimmungen des Präsidenten festgelegt wird (§ 1 Absatz 4).“ In den Ausführungsbestimmungen wird unter Ziffer 11 Abs. 1 ein Betrag von 200 Euro festgelegt. Gastgeschenke mit einem 200 Euro nicht übersteigenden materiellen Wert dürfen behalten werden . Geschenke höheren Werts müssen dem Präsidenten angezeigt und ausgehändigt werden, können jedoch auf Antrag gegen Bezahlung des 200 Euro übersteigenden Betrags an die Bundeskasse behalten werden.21 Neben dem § 4 VR ist vorliegend auch der § 8 Abs. 5 S. 2 VR von Bedeutung. Diese Bestimmung konkretisiert das in § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG normierte Verbot von Zuwendungen für Leistungen des Abgeordneten ohne angemessene Gegenleistung (siehe oben). Bei der Prüfung der Angemessenheit in diesem Sinne ist nach § 8 Abs. 5 S. 2 VR auf die Verkehrsüblichkeit abzustellen, hilfsweise darauf, ob Leistung und Gegenleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen. 19 Hervorhebungen d. Verf. 20 Vgl. vertiefend den Vermerk der Unterabteilung PM (Anlage 1), S. 3 ff. 21 Zu den Einzelheiten vgl. wiederum den Vermerk der Unterabteilung PM (Anlage 1), S. 5 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 8 2.2. Länder Die Regelungen zur Zulässigkeit der Annahme von Spenden und Zuwendungen durch Landtagsabgeordnete sind in den Bundesländern sowohl formal als auch inhaltlich sehr unterschiedlich ausgestaltet.22 In formaler Hinsicht finden sich die Regelungen in einigen Ländern nur im Abgeordnetengesetz, in anderen Ländern nur in der Geschäftsordnung (bzw. in deren Anlage), während wiederum in anderen Ländern – ähnlich wie auf Bundesebene – sich ergänzende Regelungen im Abgeordnetengesetz und in der Geschäftsordnung bestehen. In der Sache treffen einige Länder wort- oder jedenfalls inhaltsgleiche Regelungen wie die Bestimmungen des § 44a AbgG und § 4 Abs. 4 - 6 VR. In anderen Ländern bestehen zu einigen Aspekten deckungsgleiche Regelungen, während andere Aspekte unterschiedlich geregelt sind (entweder in Gestalt detaillierterer Regelungen oder in Gestalt fehlender Regelungen). In einer dritten Gruppe von Ländern schließlich finden sich weder im Abgeordnetengesetz, noch in der Geschäftsordnung Bestimmungen über Annahmeverbote. 2.2.1. Länder mit der Rechtslage im Bund entsprechenden Regelungen Für die Landtagsabgeordneten in Bayern, Hessen gelten dieselben Maßstäbe wie für Bundestagsabgeordnete aufgrund der § 44a AbgG und § 4 Abs. 4 - 6 VR. In Hessen ist die Regelung des § 4a Abs. 2 Hessisches Abgeordnetengesetz nach einer kürzlich erfolgten Novellierung deckungsgleich mit § 44a Abs. 2 AbgG. Ebenso sind die § 4 Abs. 4 - 6 der Verhaltensregeln für Mitglieder des Hessischen Landtages identisch mit § 4 Abs. 4 - 6 VR. In Bayern enthalten die Abschnitte IV. und V. der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Bayerischen Landtages inhaltsgleiche Bestimmungen wie die § 44a Abs. 2 AbgG und § 4 Abs. 4 - 6 VR. 2.2.2. Länder mit abweichenden Regelungen Die Regelungen in Berlin stimmen im Wesentlichen mit den bundesrechtlichen Regelungen überein, weisen jedoch Unterschiede im Detail auf (etwa das Kriterium der gesellschaftlichen Anstandspflicht bei geldwerten Zuwendungen oder der repräsentativen Verpflichtung bei der Gewährung freien Eintritts zu Veranstaltungen). Auch kommt es hier auf die „geschuldete“ und nicht – wie im Fall des § 44a Abs. 2 AbgG – auf die „angemessene“ Gegenleistung an. Der maßgebliche § 5a Abs. 4 - 6 Abgeordnetengesetz Berlin lautet: „(4) Für Geldspenden an Mitglieder des Abgeordnetenhauses gilt § 25 Absatz 2 und 4 des Parteiengesetzes entsprechend. 22 Die Bestimmungen im Wortlaut sind als Anlage 2 beigefügt. Die im vorliegenden Kontext entscheidenden Passagen sind darin hervorgehoben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 9 (5) Geldwerte Zuwendungen sind wie Geldspenden zu behandeln mit der folgenden Maßgabe : 1. Geldwerte Zuwendungen aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer oder internationaler Beziehungen oder der Teilnahme an einer Veranstaltung zur Darstellung der Standpunkte des Abgeordnetenhauses oder seiner Fraktionen gelten nicht als Spenden im Sinne des Absatzes 3 Satz 1; sie sind jedoch entsprechend Absatz 3 Satz 2 bei Überschreitung der Wertgrenze anzuzeigen. Nicht als Spenden gelten ferner geldwerte Zuwendungen , durch deren Annahme das Mitglied des Abgeordnetenhauses lediglich einer gesellschaftlichen Anstandspflicht entspricht, sowie die Gewährung freien Eintritts zu Veranstaltungen , wenn das Mitglied des Abgeordnetenhauses mit der Teilnahme an der Veranstaltung einer repräsentativen Verpflichtung nachkommt oder die Teilnahme der Ausübung seines Mandats dient. 2. Mitglieder des Abgeordnetenhauses dürfen geldwerte Zuwendungen, die ihnen in Bezug auf ihr Mandat als Gastgeschenk gemacht worden sind, behalten, wenn der materielle Wert des Gastgeschenks einen Betrag nicht übersteigt, der in den Ausführungsbestimmungen des Präsidenten festgelegt worden ist. Ein Gastgeschenk von höherem Wert ist dem Präsidenten anzuzeigen und auszuhändigen; die Mitglieder können beantragen, das Gastgeschenk gegen Bezahlung des die gesetzte Grenze übersteigenden Gegenwertes an die Landeskasse zu behalten. Der Präsident entscheidet im Benehmen mit dem Präsidium über die Verwendung angezeigter Gastgeschenke und rechtswidrig angenommener Spenden . (6) Ein Mitglied des Abgeordnetenhauses darf für die Ausübung seines Mandats keine anderen als die in diesem Gesetz vorgesehenen Zuwendungen annehmen. Eine Vergütung aus einem Dienst- oder Werkverhältnis darf es nur annehmen, soweit diese sich nicht auf die Ausübung des Mandats bezieht. Die Annahme von Zuwendungen, die das Mitglied des Abgeordnetenhauses , ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhält, weil von ihm in Hinblick auf sein Mandat erwartet wird, dass es im Abgeordnetenhaus die Interessen des Zahlenden vertreten und nach Möglichkeit durchsetzen wird, ist unzulässig. Besondere parlamentarische Aufgaben, die Abgeordnete für ihre Fraktion wahrnehmen, dürfen von dieser vergütet werden.“ Die Bestimmungen des § 5a Abgeordnetengesetz Berlin sind erschöpfend. Weitere Verhaltensregeln in der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin bestehen nicht. Ähnliche Regelungen wie § 44a Abs. 2 AbgG, allerdings ohne den Zusatz, dass die Entgegennahme von Spenden unberührt bleibt, und ohne flankierende Sonderregelungen zur Entgegennahme von Spenden analog zu § 4 Abs. 4 - 6 VR, bestehen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Im Einzelnen bestimmt § 4a Abs. 1 Abgeordnetengesetz Baden-Württemberg: „Ein Abgeordneter darf für die Ausübung seines Mandats keine anderen als die in diesem Gesetz vorgesehenen Zuwendungen annehmen. Eine Vergütung aus einem Dienst- oder Werkvertrag darf er nur annehmen, soweit sie sich nicht auf die Ausübung des Mandats bezieht . Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder geldwerten Vorteilen, die nur Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 10 deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung von Interessen des Leistenden im Landtag erwartet wird, oder wenn die Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Abgeordneten gewährt wird.“ Die als Anlage 1 der Geschäftsordnung des Landtages von Baden-Württemberg beigefügten Regeln über die Offenlegung der beruflichen Verhältnisse der Abgeordneten statuieren lediglich Offenlegungs- bzw. Anzeigepflichten und enthalten keine Annahmeverbote. § 27 Abs. 3 Niedersächsisches Abgeordnetengesetz bestimmt in ähnlicher Weise: „Abgeordneten dürfen mit Rücksicht auf ihr Mandat keine anderen als die in diesem Gesetz vorgesehenen Zuwendungen gemacht werden. Insbesondere darf einem Abgeordneten eine Vergütung aus einem Dienst- oder Werkverhältnis nur gewährt werden, soweit sie dem Wert einer vom Abgeordneten tatsächlich erbrachten und mit seinem Mandat nicht zusammenhängenden Tätigkeit entspricht. Besondere Dienste, die der Abgeordnete seiner Fraktion leistet, dürfen vergütet werden.“ Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Niedersächsischen Landtages enthalten wiederum nur Anzeigepflichten. § 27 Abs. 3 Niedersächsisches Abgeordnetengesetz stellt im Gegensatz zu § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG und den meisten landesrechtlichen Vorschriften nicht auf die „Angemessenheit“ der Gegenleistung , sondern auf die tatsächliche „Wertentsprechung“ ab und ist damit enger. Zu dieser Vorschrift hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen23 entschieden, dass die Norm erstens verfassungsgemäß sei und sich aus ihr zweitens ein allgemeines Verbot ergebe, einem Abgeordneten wegen seines Mandats einen Vorteil zu gewähren, für den er keine wertentsprechende, nicht mit seinem Mandat zusammenhängende Gegenleistung erbringe. Auf die weitergehenden Motive des Leistenden komme es nicht an. Hintergrund des Rechtsstreits war die Praxis der Volkswagen AG, Mitarbeitern, die ein Landtagsmandat erlangt hatten, unter Freistellung von ihren Dienstpflichten ihre Bezüge weiterzuzahlen. Die Annahme dieser Zuwendungen wertete das Gericht als Verstoß gegen § 27 Abs. 3 Niedersächsisches Abgeordnetengesetz, weshalb die betroffenen Abgeordneten die erhaltenen Zuwendungen an das Land abzuführen hatten.24 § 16 Abs. 1 Abgeordnetengesetz Nordrhein-Westfalen sieht ähnlich wie die Baden- Württembergische und die Niedersächsische Regelung vor: „Ein Mitglied des Landtags darf für die Ausübung seines Mandats keine anderen als die in diesem Gesetz vorgesehenen Zuwendungen annehmen. Eine Vergütung aus einem Dienstoder Werkverhältnis darf es nur annehmen, soweit diese sich nicht auf die Ausübung des Mandats bezieht. Die Annahme von Zuwendungen, die das Mitglied des Landtags, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhält, weil von ihm im Hinblick auf sein Mandat erwartet wird, dass es im Landtag die Interessen des Zahlenden vertreten und 23 OVG Lüneburg, Urteil vom 13. März 2008 – 8 LC 2/07 –, juris. 24 Vertiefend zum Urteil des OVG Niedersachsen Jutzi, Verbotene Zuwendungen an Abgeordnete, ZParl 2008, 503. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 11 nach Möglichkeit durchsetzen wird, ist unzulässig. Besondere parlamentarische Aufgaben, die Abgeordnete für ihre Fraktion wahrnehmen, dürfen von dieser vergütet werden.“ Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Landtages Nordrhein-Westfalen sehen ebenfalls nur Anzeigepflichten vor. In Sachsen gilt eine mit § 44a Abs. 2 AbgG identische Regelung in Gestalt des § 4a Abs. 2 Abgeordnetengesetz Sachsen, die – im Gegensatz zu Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein -Westfalen – in Satz 4 auch den Zusatz enthält, dass die Entgegennahme von Spenden von der Vorschrift unberührt bleibt. Gleichwohl finden sich, anders als auf Bundesebene, keine flankierenden Regelungen über die Zulässigkeit der Entgegennahme von Spenden, so dass diese Frage letztlich ungeregelt bleibt. Die Verhaltensregeln enthalten unter Punkt H. eine wortgleiche Wiederholung des § 4a Abs. 2 Abgeordnetengesetz Sachsen. In Bremen gilt eine vergleichsweise knappe Regelung in Form des § 46 Bremisches Abgeordnetengesetz : „Abgeordneten dürfen im Zusammenhang mit ihrem Mandat keine anderen als die in diesem Gesetz vorgesehenen Zuwendungen gemacht werden. Insbesondere darf einem Abgeordneten eine Vergütung aus einem Dienst- oder Werkverhältnis nur gewährt werden, soweit sie einer mit seinem Mandat nicht zusammenhängenden Tätigkeit entspricht.“ Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung scheint auch die Entgegennahme von Abgeordnetenspenden unzulässig. Allerdings findet sich in § 46b Bremisches Abgeordnetengesetz ein Regelungsauftrag an die Bürgerschaft zum Erlass von Verhaltensregeln, die nach Nr. 2 der Vorschrift unter anderem Bestimmungen enthalten müssen über „die Pflicht zur Rechnungsführung über und zur Anzeige von Spenden oberhalb festgelegter Mindestbeträge sowie Annahmeverbote und Ablieferungspflichten in den Verhaltensregeln näher bestimmten Fällen“, womit die Spendenannahme implizit für zulässig erklärt wird. Derartige Annahmeverbote finden sich jedoch in den Verhaltensregeln der Bremischen Bürgerschaft nicht; sie normiert nur Anzeigepflichten. Eine anders gelagerte Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Regelung und den Verhaltensregeln in der Geschäftsordnung findet sich in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. § 46 Abgeordnetengesetz Sachsen-Anhalt enthält einen Regelungsauftrag an den Landtag zum Erlass von Verhaltensregeln, die nach Nr. 4 Bestimmungen enthalten müssen über „die Unzulässigkeit einer Annahme von Zuwendungen, die der Abgeordnete, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten nur deshalb erhält, weil von ihm im Hinblick auf sein Mandat erwartet wird, dass er im Landtag die Interessen des Zahlenden vertreten und nach Möglichkeit durchsetzen wird“. Danach wären nur solche Zuwendungen unzulässig, bei denen es kumulativ zum einen an einer Gegenleistung des Abgeordneten fehlt und zum anderen eine Interessenvertretung im Landtag erwartet wird. Die Verhaltensregeln für Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt treffen jedoch eine restriktivere Regelung. Abschnitt VII. der Verhaltensregeln lautet: „(1) Ein Mitglied des Landtages darf für die Ausübung des Mandats keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder anderen Vermögensvorteile annehmen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 12 (2) In Ausübung des Mandats durch Flugreisen erworbene Meilengutschriften, Prämien oder sonstige Vergünstigungen sollen zu Zwecken der Mandatsausübung oder zu sonstigen dienstlichen Zwecken genutzt werden.“ Für die Befugnis der Abgeordneten zur Spendenannahme verweist Abschnitt III. Abs. 3 der Verhaltensregeln auf § 25 Abs. 1 und 3 PartG. In Schleswig-Holstein gilt (mit Ausnahme der Regelung zu Flugmeilen) dieselbe Regelung: § 47 Abs. 2 Nr. 7 Schleswig-Holsteinisches Abgeordnetengesetz verlangt eine Bestimmung in den Verhaltensregeln, die die Annahme von Zuwendungen dann für unzulässig erklärt, wenn kumulativ keine Gegenleistung erbracht wird und eine Erwartung der Interessenvertretung besteht. Die Verhaltensregeln für die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages sind wiederum restriktiver und sehen in Abschnitt XI. vor, dass für die Ausübung des Mandats keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile angenommen werden dürfen. Für Geldspenden an Abgeordnete verweist Abschnitt X. Nr. 4 der Verhaltensregeln ebenfalls auf § 25 Abs. 1 und 3 PartG. Großzügiger sind demgegenüber die Bestimmungen in Rheinland-Pfalz und Thüringen, nach denen Bezüge tatsächlich nur dann unzulässig sind, wenn kumulativ keine Gegenleistung erbracht wird und eine Erwartung der Interessenvertretung besteht. So heißt es wortgleich in Abschnitt II. der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Landtages Rheinland-Pfalz und in Abschnitt II. der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Thüringer Landtages : „Die Abgeordneten dürfen kein Rechtsverhältnis eingehen, aufgrund dessen sie Bezüge erhalten , die sie, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb bekommen, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, dass sie im Landtag die Interessen der Zahlenden vertreten werden.“ In Mecklenburg-Vorpommern hingegen macht bereits die Erwartung der Interessenvertretung allein die Zuwendung unzulässig. So bestimmt § 47 Abs. 1 Abgeordnetengesetz Mecklenburg- Vorpommern: „Ein Mitglied des Landtags darf keine Zuwendungen annehmen oder Einkünfte erzielen, die es nur in der Erwartung erhält, dass es im Landtag die Interessen des Zahlenden vertreten wird. Der Landtag gibt sich ergänzend nähere Verhaltensregeln.“ Die Verhaltensregeln enthalten zur Frage des Annahmeverbots keine weiteren Bestimmungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 13 Eine ähnliche Regelung besteht in Hamburg, wo § 26 Abs. 5 Hamburgisches Abgeordnetengesetz bestimmt: „Die Annahme von Entgelten oder Gegenleistungen für ein bestimmtes Verhalten als Mitglied ist unzulässig.“ Im Gegensatz zu den vorangegangenen Ländern macht nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht bereits die Erwartung der Interessenvertretung eine Zuwendung unzulässig, sondern erst ein tatsächliches Verhalten. 2.2.3. Länder ohne Regelungen von Annahmeverboten Keinerlei Bestimmungen zu Annahmeverboten bestehen in Brandenburg und im Saarland. § 30 Abgeordnetengesetz Brandenburg normiert zwar Verhaltensregeln. Diese statuieren aber nur Anzeigepflichten. Gleiches gilt für die aufgrund des § 23 Abgeordnetengesetz Saarland erlassenen Verhaltensregeln. 3. Parlamentarische Gepflogenheiten Nach § 108e Abs. 4 StGB künftiger Fassung liegt ein ungerechtfertigter Vorteil im Sinne der Strafnorm „insbesondere nicht vor, wenn die Annahme des Vorteils im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht“25. Das bedeutet, dass nicht nur die dargestellten abgeordnetenrechtlichen Vorschriften, sondern auch andere Gründe zur Verneinung eines ungerechtfertigten Vorteil im Sinne des § 108e StGB künftiger Fassung führen können . Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs kommt es insoweit maßgeblich auf anerkannte parlamentarische Gepflogenheiten an.26 Da es in diesen Fällen schon an dem Anschein unzulässiger Einflussnahme auf die Mandatswahrnehmung fehle, sei der Schutzzweck der Strafnorm nicht berührt.27 Wenn das im Einzelfall fragliche Verhalten nicht bereits ausdrücklich von den abgeordnetenrechtlichen Vorschriften gedeckt ist, ist daher in einem zweiten Schritt zu prüfen , ob es parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht. Die dargestellten gesetzlichen und geschäftsordnungsrechtlichen Vorschriften regeln die Annahme materieller Vorteile, die den Abgeordneten für sich selbst – oder im Falle von Parteispenden für ihre Partei – zugewendet werden. Nicht geregelt sind zum einen an sonstige Dritte zugewandte Vorteile (sog. Drittzuwendungen) und zum anderen immaterielle Vorteile, die von § 108e Abs. 1 StGB künftiger Fassung ebenfalls erfasst werden.28 25 Hervorhebung d. Verf. 26 BT-Drs. 18/476, S. 9. 27 So die Begründung auf BT-Drs. 18/476, S. 9. 28 Vgl. Wolf, Reform der Abgeordnetenbestechung, Legal Tribune Online vom 20. Februar 2014, abrufbar unter: http://www.lto.de/persistent/a_id/11108/ (zuletzt abgerufen am 15. April 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 060/14 Seite 14 Ob derartige Vorteile ungerechtfertigt im Sinne der Norm sind, wird daher am Maßstab parlamentarischer Gepflogenheiten zu entscheiden sein. § 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB künftiger Fassung stellt insoweit lediglich klar, dass der denkbare immaterielle Vorteil eines politischen Mandats oder einer politischen Funktion keinen ungerechtfertigten Vorteil darstellt. Die Frage, welche Verhaltensweisen anerkannten parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechen , mit der Folge, dass die daraus erlangten Vorteile nicht im strafrechtlichen Sinne ungerechtfertigt sind, kann nicht mit einer generellen Definition beantwortet werden. Letztlich wird von den für Strafverfahren wegen § 108e StGB künftiger Fassung erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgerichten im Einzelfall zu entscheiden sein, ob ein Verhalten, das nicht von den für die Rechtsstellung der Abgeordneten maßgeblichen Vorschriften geregelt wird, zu einem „ungerechtfertigten Vorteil“ im Sinne der Strafnorm geführt hat oder nicht. Eine Auswertung des Pressearchivs hat eine Fülle von Artikeln zur Reform der Strafbarkeit der Mandatsträgerbestechung ergeben, die aber inhaltlich nicht auf die offene Frage der Rechtfertigung eines Vorteils durch parlamentarische Gepflogenheiten eingehen. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist die Frage, welche (immateriellen oder materiellen Dritt-)Vorteile im Rahmen parlamentarischer Gepflogenheiten als gerechtfertigt anerkannt werden können, bislang nicht erörtert worden. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass es sich um eine „relativ vage Ausnahmeregelung“ handele und „letztlich die Gerichte entscheiden müssen , welche Vorteile im parlamentarischen Betrieb als sozialadäquat angesehen werden müssen .“29 Diese Unsicherheit wird jedoch – was nochmals zu betonen ist – dadurch relativiert, dass die Frage der Rechtfertigung eines Vorteils durch parlamentarische Gepflogenheiten lediglich für den vergleichsweise kleinen Bereich relevant ist, der nicht von den dargestellten geschriebenen Vorschriften erfasst wird. ( 29 So Wolf, Reform der Abgeordnetenbestechung, Legal Tribune Online vom 20. Februar 2014, abrufbar unter: http://www.lto.de/persistent/a_id/11108/ (zuletzt abgerufen am 15. April 2014).