Deutscher Bundestag Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften: gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 060/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 2 Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften: gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 060/10 Abschluss der Arbeit: 15. Februar 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangssituation: Ungleichbehandlung 4 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 4 2.1. Rechtlich verbindliche Lebensbasis 4 2.2. Kindeswohl 5 2.3. Völkerrecht 7 2.4. Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG 7 3. Ergebnis und Ausblick 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 4 1. Ausgangssituation: Ungleichbehandlung Eheleute können ein fremdes Kind gemeinschaftlich adoptieren. Eingetragenen Lebenspartnern ist dies verwehrt. Der Gesetzgeber hat diese Privilegierung der Ehe im Jahr 1976 damit begründet, dass jede „andere Lebensgemeinschaft als die Ehe […] rechtlich nicht abgesichert [ist], um eine gemeinschaftliche Annahme des Kindes durch ihre Mitglieder zu rechtfertigen. Es fehlen die Voraussetzungen , um das Kind rechtlich in diese Gemeinschaft einzuordnen.“1 Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht am 7. Juli 2009 entschieden: In „der auf Dauer übernommenen , auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner […] unterscheiden sich eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe […] nicht.“2 Aus der Entscheidung folgt das verfassungsrechtliche Gebot, Ehe und Lebenspartnerschaft grundsätzlich gleichzustellen.3 Es stellt sich die Frage, ob dies nicht auch für das Adoptionsrecht gelten muss. Dabei sind zwei Fallkonstellationen einschlägig, die bislang nur Ehegatten vorbehalten sind (§ 1741 Abs. 2 S. 2, 1742 BGB): 1. Beide Lebenspartner möchten ein fremdes Kind gemeinschaftlich annehmen. 2. Einer der Lebenspartner hat bereits allein ein Kind adoptiert; sodann möchten beide Lebenspartner das Kind gemeinschaftlich annehmen. 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern bedarf verfassungsrechtlich einer Rechtfertigung. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber „regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung ist umso enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt.“4 Diesen strengen Prüfungsmaßstab hat das Bundesverfassungsgericht für die sexuelle Orientierung bejaht, unter Verweis auf Art. 13 EG-Vertrag (= Art. 19 AEUV), Art. 21 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union und auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte5, wonach für Unterscheidungen, die sich auf die sexuelle Orientierung gründen, genauso „ernstliche Gründe“ notwendig sind, wie für Unterscheidungen, die sich auf das Geschlecht gründen.6 Die folgenden Gründe sind denkbar, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen: 2.1. Rechtlich verbindliche Lebensbasis Geht man von der eingangs dargestellten gesetzgeberischen Intention aus, fehlt es mittlerweile an einem Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung: Die Lebenspartnerschaft ist so an die 1 Begründung zum Entwurf des Adoptionsgesetzes, BT-Drucks. 7/3061, S. 30. 2 DVBl 2009, 1510, 1513 (Rdnr. 102). 3 Hillgruber, JZ 2010, 41, 44: „volle Gleichstellung“; Hoppe, DVBl 2009, 1516, 1517. 4 BVerfG 26.1.1993, NJW 1993, 1517. 5 EGMR 24.7.2003, ÖJZ 2004, S. 36 (38) m. w. Nachw. 6 BVerfG, DVBl 2009, 1510, 1511 (Rdnr. 88). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 5 Ehe rechtlich angeglichen, dass sich ein „Kind rechtlich in diese Gemeinschaft einordnen“7 lässt. Dies zeigt nicht zuletzt auch die in § 9 Abs. 7 S. 2 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) vorgesehene Möglichkeit der Stiefkindadoption, bei der das leibliche Kind eines Lebenspartners zum gemeinschaftlichen Kind beider Lebenspartner wird. 2.2. Kindeswohl Das Kindeswohl sieht der Gesetzgeber selbst offenbar nicht als Grund, um Lebenspartner von der Möglichkeit der Fremdadoption generell auszuschließen. Für diese Ungleichbehandlung waren wohl lediglich politische Gründe maßgeblich. In der Begründung zu § 9 LPartG heißt es ausdrücklich : „Die bereits nach geltendem Recht (§ 1741 BGB) bestehende Möglichkeit der Einzeladoption durch einen Lebenspartner bleibt selbstverständlich bestehen. Ebenso selbstverständlich ist mit der Ausklammerung der Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Adoption keine Negativaussage über die Erziehungsfähigkeit gleichgeschlechtlich orientierter Personen intendiert.“8 Die Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung ergibt sich jedoch nicht nur aus der Intention des Gesetzgebers, sondern wird vom Bundesverfassungsgericht selbständig objektiv bestimmt.9 Als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung bei der gemeinschaftlichen Adoption könnte das Wohl des Kindes in Betracht kommen.10 Das Wohl des Kindes könnte z. B. dadurch gefährdet sein, dass das Kind mit zwei (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartnern als rechtlichen Bezugspersonen aufwächst und deshalb diskriminiert wird. Der generelle gesetzliche Ausschluss des Adoptionsrechts ließe sich durch eine Gefährdung des Kindeswohls noch nicht unbedingt rechtfertigen. Das Adoptionsrecht sieht ein milderes Mittel vor, um das Kindeswohl zu schützen: die bei jeder Adoption vorgeschriebene Einzelfallprüfung durch das Vormundschaftsgericht, § 1541 Abs. 1 S. 1 BGB. Nur wenn zu vermuten wäre, dass das Wohl des Kindes in einer Lebenspartnerschaft immer gefährdet ist, könnte der Gesetzgeber die gemeinschaftliche Adoption für Lebenspartner generell gesetzlich ausschließen. Damit würde der Gesetzgeber aber in einen Widerspruch geraten: Der Gesetzgeber lässt es nämlich – in Übereinstimmung mit Art. 14 EMRK11 – ausdrücklich zu, dass ein einzelner Lebenspartner ein fremdes Kind adoptiert und innerhalb der Lebenspartnerschaft großzieht (§ 9 Abs. 6 S. 1 LPartG). Hierzu steht die Behauptung im Widerspruch, die Adoption eines Kindes in einer Lebenspartnerschaft gefährde generell das Kindeswohl.12 Will der Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, muss er folgerichtig argumentieren („gleichheitsrechtliche Folgerichtigkeit“13).14 Gelingt ihm dies – wie wohl in vorliegendem Fall – nicht, bleibt 7 Siehe oben bei Fn. 1. 8 Begründung BT-Drucks. 14/4550, S. 6, zum Entwurf des LPartG in der vom BT angenommenen Fassung BT-Drucks. 14/4545; Schüffner, Eheschutz und Lebenspartnerschaft (2008) 161, bezeichnet diese Aussage als „paradox“. 9 BVerfG 20.3.1979, NJW 1979, 2295, 2297. 10 So nachdrücklich Hillgruber (Fn. 3) JZ 2010, 44, allerdings ohne Begründung. 11 EGMR 22.1.2008, FamRZ 2008, 845 (Ls): Ablehnung der (alleinigen) Adoption verstößt gegen Art. 14 EMRK, falls mit Homosexualität der Antragstellerin begründet. 12 So im Ergebnis auch Grehl, Das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (2008) 173. 13 P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts V (2. Aufl. 2000) § 124 Rdnr. 222, 224 m. w. Nachw. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 6 ihm „im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG kein Gestaltungsraum“15, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Darüber hinaus tun sich zwei weitere Widersprüche auf: Das leibliche Kind eines Lebenspartners kann der andere Lebenspartner adoptieren, nicht aber gemeinschaftlich das von einem Lebenspartner bereits allein adoptierte Kind. Das einzeln adoptierte Kind dürfte aber ein viel größeres Bedürfnis nach einer weiteren Absicherung haben als ein leibliches Kind. Gleichermaßen widersprüchlich ist, dass das Wohl eines (einzeln) adoptierten Kindes bei der gemeinschaftlichen Adoption generell gefährdet sein soll, nicht aber das Wohl des leiblichen Kindes. Betrachtet man darüber hinaus beide Fälle allein aus Sicht des Kindes, dürfte in beiden Fällen eine schwer zu rechtfertigende Ungleichbehandlung des (einzeln) adoptierten Kindes naheliegen, die dessen Wohl unter Umständen beeinträchtigen kann. Gegen diese beiden Widersprüche ließe sich nur die folgende Überlegung einwenden: Wäre die Möglichkeit der Stiefkindadoption nach § 9 Abs. 7 S. 2 LebPartG ihrerseits verfassungswidrig, wäre der Widerspruch zum Ausschluss der Fremdkinderadoption unbeachtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat aber im August 2009 eine Richtervorlage gegen die Regelung des § 9 Abs. 7 S. 2 LebPartG mit deutlichen Worten als unzulässig zurückgewiesen und eigene Rechtsprechung als Beleg für die Verfassungsmäßigkeit der Stiefkindadoption von Lebenspartnern angeführt.16 Damit entfällt schon allein aufgrund der drei vorgenannten gesetzgeberischen Widersprüche die Möglichkeit, mit dem Kindeswohl eine Ungleichbehandlung bei der Fremdkindadoption zu rechtfertigen. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass die gängigen Vorbehalte17 gegen Kinder in Lebenspartnerschaften durch eine aktuelle empirische Studie wissenschaftlich belegt wären18. Das Bundesministerium der Justiz hat beim Bayerischen Staatsinstitut für Familienforschung eine Studie in Auftrag gegeben zur „Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“.19 Die vom Bundesverfassungsgericht20 bereits zitierte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Nachteile für das Kindeswohl nicht zu erwarten sind, sondern vielmehr die gemeinschaftliche Adoption für das Kindeswohl tatsächlich vorteilhaft ist.21 14 Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG (5. Aufl. 2005) Art. 3 Rdnr. 44 (Gedanke der „Folgerichtigkeit“ gesetzgeberischer Entscheidungen) u. a. unter Verweis auf BVerfG 16.3.1982, StAZ 1982, 170. 15 BVerfG 16.3.1982 (Fn. 14) zu der widersprüchlichen Gesetzeslage, dass Transsexuelle sich vor Erreichen eines Alters von 25 Jahren einer geschlechtsumwandelnden Operation unterziehen können, ihnen aber erst ab einem Alter von 25 Jahren die Änderung des Personenstands möglich sein soll. 16 Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats 10.8.2009, StAZ 2009, 307. 17 Hierzu Jansen/Steffens, Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis 2006, 643, 644. 18 Zum Forschungsstand: Schüffner (Fn. 8) 162: „keine empirischen Anhaltspunkte für Störung der sexuellen Entwicklung “; Jansen/Steffens (Fn. 17) 643; Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften (2009) 19 f.; zu den zum Teil unterschiedlichen Bewertungen in der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages siehe Protokoll der 59. Sitzung 18.10.2004, S. 86, 91 f.; siehe ferner die kritische Einschätzung von MdB Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nach § 31 GO-BT in Plen.-Prot. 15/136 vom 29.10.2004, 12527(D). 19 Rupp (Fn. 18) 308 f. 20 DVBl 2009, 1510, 1514 (Rdnr. 113). 21 Rupp (Fn. 18) 308 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 7 2.3. Völkerrecht Die Bundesrepublik Deutschland hat das 1968 in Kraft getretene Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern ratifiziert.22 Der Wortlaut in Art. 6 des Übereinkommens lässt die gemeinschaftliche Adoption nur für verheiratete Personen zu („two persons married to each other“). Es wäre zwar denkbar, hierunter aufgrund der im 21. Jahrhundert veränderten Gesellschaftssituation auch eingetragene Lebenspartner zu fassen.23 Allerdings hat Schweden im Jahr 2002 das Übereinkommen aufgekündigt, da es mit dem nationalen Adoptionsrecht von eingetragenen Lebenspartnern nicht vereinbar sei.24 Lässt das Abkommen eine Adoption durch eingetragene Lebenspartner nicht zu, kann dies gleichwohl nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen, Lebenspartner bei der Adoption zu diskriminieren . Innerstaatlich geht Art. 3 GG dem Abkommen vor.25 Im Übrigen kann die Bundesrepublik Deutschland das Abkommen gemäß Art. 27 Abs. 2 mit einer Frist von sechs Monaten für sich kündigen. Ferner hat das Ministerkomitee in 2008 eine revidierte Fassung des Übereinkommens beschlossen26, die zahlreiche Mitgliedstaaten bereits unterzeichnet haben. Das Übereinkommen eröffnet in Art. 7 ausdrücklich die Möglichkeit der Adoption für nationalrechtlich geregelte „same sex couples“. Die revidierte Fassung könnte Deutschland unterzeichnen und ratifizieren. 2.4. Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG Eine Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften bei der Adoption rechtfertigt die Literatur zum Teil damit, dass der Begriff der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familienplanung von Mann und Frau verfassungsrechtlichen Vorrang einräumt.27 Diese Auffassung lässt sich wohl auch aus einem Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 herleiten: „Die Verfassung selbst bildet mit Art. 6 Abs. 1 GG den sachlichen Differenzierungsgrund, der die hier vorliegende Ungleichbehandlung von [Ehe und Lebenspartnerschaft] nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt.“ 28 Dieser Nichtannahmebeschluss ist allerdings – anders als eine Senatsentscheidung – für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder formal nicht bindend.29 Im Übrigen ist dieser Beschluss durch die bereits zitierte, bindende Entscheidung des 1. Senats vom 7. Juli 2009 überholt30, in der es heißt: „Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind […]. Hier bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichti- 22 Gesetz vom 25.8.1980 zu dem Übereinkommen vom 24.4.1967, BGBl. II S. 1093. 23 Pätzold, Die gemeinschaftliche Adoption Minderjähriger durch eingetragene Lebenspartner (2006) 183. 24 Pätzold (Fn. 23). 25 Vgl. Streinz, in: Sachs, GG (5. Aufl. 2009) Art. 59 Rdnr. 65. 26 http://conventions.coe.int/Treaty/en/Treaties/Html/202.htm. 27 Vgl. nur Schlütter, FF 2005, 234, 238: Gemeinschaftliches Kind von Lebenspartnern ist mit Art. 6 GG unvereinbar bzw. „ein ganz unnatürlicher Vorgang“; Schüffner (Fn. 8) 561. 28 BVerfG 20.9.2007, NJW 2008, 209 (Rdnr. 23). 29 Vgl. nur BVerfG 24.1.1995, NJW 1995, 1733. 30 Hillgruber (Fn. 3) JZ 2010, 43, mit Kritik an diesem Ergebnis; Hoppe (Fn. 3) DVBl 2009, 1516. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 8 gen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt.“31 Im Übrigen weist die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in eine Richtung, die der biologischen Elternschaft keinen automatischen Vorrang einräumt. Unter Verweis auf die eigene Rechtsprechung hat das Gericht im Jahr 2009 in einem – allerdings nicht bindenden – Nichtannahmebeschluss ausgeführt: „[F]ür die Vermittlung des Elternrechts [kann] neben der biologischen Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen Bedeutung beigemessen werden“.32 Die „Elternstellung zu einem Kind im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG [vermittelt sich] damit nicht allein durch die Abstammung, sondern auch aufgrund der sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft“. 33 Diese macht „gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG“ aus.34 Ferner nimmt „die leibliche Elternschaft gegenüber der rechtlichen und sozialfamiliären Elternschaft keine Vorrangstellung“ ein.35 Abgesehen davon hat der 1. Senat die Privilegierung von Eheleuten bei der künstlichen Befruchtung im Jahr 2007 damit gerechtfertigt, dass die Ehe gegenüber nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften rechtlich verbindlich ist und damit „Lebensbasis für ein Kind“ ist bzw. „den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft“.36 Diese rechtliche Verbindlichkeit besteht nach der aktuellen Entscheidung des 1. Senats vom 7. Juli 2009 auch bei eingetragenen Lebenspartnern; dabei hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung zur künstlichen Befruchtung ausdrücklich als ein Beispiel angeführt, bei dem die Bevorzugung der Ehe gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft, nicht aber gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft gerechtfertigt ist. Damit dürfte das Bundesverfassungsgericht für die Gleichstellung eingetragener Lebenspartner beim Familienleben offenbar über das Adoptionsrecht hinaus in den Bereich künstlicher Befruchtung weisen. 3. Ergebnis und Ausblick Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 bringt eine umfassende Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern in allen Rechtsgebieten mit sich. Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung auf das Adoptionsrecht keine Auswirkung zu haben.37 Dieser Eindruck trügt jedoch38: Nach der Entscheidung ist auch beim Adoptionsrecht ein sachlicher Rechtfertigungsgrund erforderlich, um eingetragene Lebenspartner gegenüber Ehegatten ungleich zu behandeln. Der bloße Verweis auf den besonderen Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG genügt danach nicht. Auch ist es dem Gesetzgeber verwehrt, die Gefahr einer generellen Gefähr- 31 DVBl 2009, 1510, 1513 (Rdnr. 105). 32 BVerfG (Fn. 16) Rdnr. 14. 33 BVerfG (Fn. 16) Rdnr. 14. 34 BVerfG (Fn. 16) Rdnr. 14. 35 BVerfG (Fn. 16) Rdnr. 14. 36 BVerfG 28.2.2007, NJW 2007, 1343, 1344 (Rdnr. 38). 37 Vgl. Hoppe (Fn. 3) DVBl 2009, 1519. 38 Dies verkennt offenbar Hillgruber (Fn. 3) JZ 2010, 44, der seine Auffassung lediglich mit dem Zitat eines Zeitungsartikels begründet; ebenso ohne nähere Begründung OLG Hamm 1.12.2009, Az. I-15 Wx 236/09 (unveröff.), S. 6, hiergegen ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig, Fn. 39. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 060/10 Seite 9 dung des Kindeswohls gegen ein Adoptionsrecht für Lebenspartner ins Feld zu führen: Der Gesetzgeber lässt es – in verfassungsrechtlich zulässiger Weise – selbst zu, dass Kinder von einem Lebenspartner adoptiert innerhalb einer Lebenspartnerschaft aufwachsen. Führt er das Kindeswohl als Argument gegen eine Fremdkindadoption von Lebenspartnern an, verhält er sich in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise widersprüchlich, was auch zu Lasten einzeln adoptierter Kinder gehen dürfte. Auch wenn es daher auf wissenschaftliche Belege nicht mehr ankommt, sind keine aktuellen empirischen Studien ersichtlich, wonach das Wohl eines Kindes in einer Lebenspartnerschaft in Deutschland generell gefährdet sei. Vielmehr belegt eine vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebene aktuelle Studie das Gegenteil, nämlich dass eine Gleichstellung eingetragener Lebenspartner dem Kindeswohl dient. Möglicherweise wird das Bundesverfassungsgericht die Frage der Gleichstellung entscheiden müssen: Seit 29. Dezember 2009 ist beim 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde anhängig gegen den gesetzlichen Ausschluss der gemeinschaftlichen Fremdadoption für eingetragene Lebenspartner .39 Wie das Bundesverfassungsgericht tatsächlich entscheiden wird, lässt sich letztlich nicht vorhersagen. Die derzeitige Ungleichbehandlung dürfte jedoch schwer zu rechtfertigen sein. 39 Az. 1 BvR 3247/09.