© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 059/20 Gutachten von Ministerien für Parteien oder Abgeordnete? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 059/20 Seite 2 Gutachten von Ministerien für Parteien oder Abgeordnete? Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 059/20 Abschluss der Arbeit: 16. März 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 059/20 Seite 3 1. Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob Abgeordnete oder Parteien Ministerien mit der Erstellung eines Gutachtens „beauftragen“ können. 2. Parteien 2.1. Grenzen der Parteienfinanzierung Politische Parteien in Deutschland finanzieren sich neben Mitgliedsbeiträgen, Spenden und eigener wirtschaftlicher Betätigung auch aus staatlichen Mitteln (§ 18 f. Parteiengesetz – PartG). Es besteht der Grundsatz, dass hierüber hinausgehend keine (verdeckte) staatliche Parteienfinanzierung stattfinden soll.1 Daher verbietet § 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG politischen Parteien, „Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften“ anzunehmen. Die Spende eines Bundesministeriums wäre daher unzulässig: Der Bund ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Spenden sind nicht nur Geldleistungen sondern auch „geldwerte Zuwendungen aller Art“ (§ 27 Abs. 1 S. 3 und 4 PartG). Dies schließt Sach-, Werk- und Dienstleistungen ein,2 wie z. B. die unentgeltliche Bereitstellung von Personal oder vorhandenen Organisationsstrukturen.3 Unzulässig wäre es daher, wenn ein Bundesministerium Produkte erarbeitet, die ausschließlich einer politischen Partei dienen sollen. Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein Bundesministerium sozusagen als Dienstleister für eine Partei ein Gutachten erstellt.4 Denkbar sind aber auch Fälle, bei denen ein Bundesministerium lediglich die Anregung einer Partei (oder von Bürgern) aufnimmt, ein Gutachten zu einer Rechtsfrage zu erstellen, das ausschließlich der Arbeit des Ministeriums dienen soll. Dies ist grundsätzlich zulässig. Problematisch sind Gutachten eines Ministeriums, die sowohl das Ministerium selbst, als auch die betreffende Partei nutzt (z. B. nachdem das Ministerium das Gutachten veröffentlicht hat).5 Hier dürfte die Abgrenzung „nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen“ sein.6 Ist das Gutachten hiernach primär für die Partei von Nutzen, für das Ministerium aber allenfalls nur in vernachlässigbarer Weise, liegt eine Dienstleistung an die Partei und damit eine unzulässige Spende nahe. 1 BVerfGE 85, 264, 320 f.; VG Berlin, Urt. v. 26. November 2004 – 2 A 146/03, Rn. 19 – juris; BT-Drs. 14/6710 „Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung“, 19. Juli 2001, S. 34; Jochum, in: Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 25 Rn. 20, 31; Kersten, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und europäisches Parteienrecht, 2009, § 25 Rn. 58, 87. 2 Jochum, in: Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 27 Rn. 17. 3 BVerfGE 85, 264, 321 f.; in der gerichtlichen Praxis stellte sich die Frage bislang fast ausschließlich im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit, siehe Lenski, DÖV 2014, 585, 587. 4 Vgl. VG Berlin, Urt. v. 26. November 2004 – 2 A 146/03. 5 Siehe hierzu auch schon: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Die Verwertung von Handlungsvorschlägen der Bundesministerien durch politische Parteien“, WD 3 - 3000 - 252/18, https://www.bundestag .de/resource/blob/564492/128ebd49ef722f104a57c1e01a987f42/wd-3-252-18-pdf-data.pdf. 6 So im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit BVerfGE 138, 102 Rn. 56 (Hervorhebung durch Autor). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 059/20 Seite 4 2.2. Staatliches Neutralitätsgebot Das Grundgesetz gewährt den Parteien das Recht, „gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. […] Damit unvereinbar ist jede parteiergreifende Einwirkung von Staatsorganen als solchen zugunsten oder zulasten einzelner oder aller am politischen Wettbewerb beteiligten Parteien“.7 Soll ein Gutachten „politischem Meinungskampf“8 dienen, darf ein Ministerium dieses nicht erstellen.9 Nimmt ein Ministerium mit einem Gutachten hingegen amtliche Aufgaben wahr, kann es auf öffentliche Mittel zurückgreifen.10 Die Abgrenzung beurteilt sich nach den oben unter Punkt 2.1 dargestellten Kriterien im Einzelfall. 2.3. Zweckentfremdung öffentlicher Mittel Verwendet ein Ministerium öffentliche Mittel für Gutachten, die amtlichen Funktionen dienen, ist dies haushaltsrechtlich grundsätzlich unproblematisch. Verwendet das Ministerium die öffentlichen Mittel hingegen für parteipolitische Arbeit oder politischen Meinungskampf, liegt regelmäßig ein Verstoß gegen haushaltsrechtliche Prinzipien vor.11 Für die Abgrenzung ist wie bei der Parteienfinanzierung (oben Punkt 2.1) und dem Neutralitätsgebot (oben Punkt 2.2) darauf abzustellen, welchem der beiden Bereiche die Mittelverwendung primär zuzuordnen ist.12 3. Abgeordnete 3.1. Grenzen Nach § 44b Nr. 3 Abgeordnetengesetz, § 4 Abs. 4 Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Bundestages – Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anlage 1 GO-BT), findet für „Spenden an ein Mitglied des Bundestages […] § 25 Abs. 2 und 4 des Gesetzes über die politischen Parteien entsprechende Anwendung“. Damit gilt das oben unter Punkt 2.1 zu Parteien Gesagte für Abgeordnete entsprechend. 3.2. Rechtsfolgen Nach § 44b Nr. 3 AbgG, § 4 Abs. 7 Anlage 1 GO-BT entscheidet der Bundestagspräsident „im Benehmen mit dem Präsidium über die Verwendung […] rechtswidrig angenommener Spenden“. Ferner kann das Präsidium nach § 8 Abs. 2 Anlage 1 GO-BT einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln feststellen: „Die Feststellung des Präsidiums, dass ein Mitglied des Bundestages seine 7 BVerfGE 138, 102 (Rn. 27 ff., 38 ff). 8 BVerfGE 138, 102, Leitsatz 2. 9 Vgl. BVerfGE 138, 102, Leitsatz 2: „Soweit der Inhaber eines Regierungsamtes am politischen Meinungskampf teilnimmt, muss sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt“ (Hervorhebung durch Autor). 10 Vgl. BVerfGE 138, 102, Leitsatz 2 (vorige Fn.). 11 Vgl. Bayerischer Oberster Rechnungshof, Beratende Äußerung zu Gutachtens- und Beratungsaufträgen der Staatskanzlei zur Erforschung der öffentlichen Meinung, Januar 2011, S. 7 mit weiteren Nachweisen, https://www.orh.bayern.de/media/com_form2content/documents/c7/a311/f43/11-01-28_Beratende_Auesserung _Meinungsumfragen.pdf. 12 Vgl. Bayerischer Oberster Rechnungshof, ebenda, S. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 059/20 Seite 5 Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, wird unbeschadet weiterer Sanktionen nach § 44a des Abgeordnetengesetzes als Drucksache veröffentlicht.“ Weitere Sanktionen nach § 44a AbgG scheiden aus, da der grundsätzlich einschlägige § 44a Abs. 3 AbgG für Spenden nicht gilt.13 *** 13 Raue, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 44a Rn. 82.