Deutscher Bundestag Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, der Bundespolizei und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch den Bundestag Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 059/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 2 Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, der Bundespolizei und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch den Bundestag Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 059/11 Abschluss der Arbeit: 24. Februar 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 3 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung behandelt die parlamentarische Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, der Bundespolizei und der Polizei der Länder sowie von Einsätzen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Sie stellt die gegenwärtige Rechtslage dar und beurteilt die verfassungsrechtliche Möglichkeit einer Ausweitung bisheriger Mandatierungsbefugnisse des Bundestages. 2. Mandatierung von Auslandseinsätzen durch den Bundestag nach geltendem Recht 2.1. Bundeswehr Das Bundesverfassungsgericht verlangt seit seinem Somalia-Urteil im Verfahren der einstweiligen Anordnung vom 23. Juni 19931 für jeden konkreten Einsatz bewaffneter Streitkräfte eine konstitutive Beteiligung des Bundestages – unbeschadet der im Grundgesetz ausdrücklich geregelten Fälle. Das Bundesverfassungsgericht leitet die Notwendigkeit eines konstitutiven Parlamentsbeschlusses beim Auslandseinsatz der Bundeswehr aus der deutschen Verfassungstradition seit 1918 und einem der Wehrverfassung zugrundeliegenden Prinzip ab, nach dem der Einsatz bewaffneter Streitkräfte der konstitutiven, grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Bundestages unterliege.2 Nur bei Gefahr im Verzug ist die Bundesregierung nach § 5 Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBG) berechtigt, vorläufig den Einsatz von Streitkräften zu beschließen und an entsprechenden Beschlüssen in den Bündnissen und internationalen Organisationen mitzuwirken und diese zu vollziehen. Die Bundesregierung muss jedoch in jedem Fall das Parlament umgehend mit dem so beschlossenen Einsatz befassen. Die Streitkräfte sind zurückzurufen, wenn es der Bundestag verlangt. Was den Parlamentsvorbehalt bei Bundeswehreinsätzen angeht, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden out-of-area-Entscheidung vom 12. Juli 1994 festgestellt, dass nicht der Zustimmung des Bundestages bedarf „die Verwendung von Personal der Bundeswehr für Hilfsdienste und Hilfeleistungen im Ausland, sofern die Soldaten dabei nicht in bewaffnete Unternehmungen ein bezogen sind.“3 Nach § 2 Abs. 1 ParlBG liegt ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte vor, wenn Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten ist. Vorbereitende Maßnahmen und Planungen sind laut § 2 Abs. 2 ParlBG kein Einsatz im Sinne dieses Gesetzes. Sie bedürfen keiner Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für humanitäre Hilfsdienste und Hilfsleistungen der Streitkräfte, bei denen Waffen lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung mitgeführt werden, 1 BVerfGE 89, 38 (46 f.). 2 BVerfGE 90, 286 (383 ff., 387); zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Parlamentsvorbehalts vgl. auch Limpert, Auslandseinsatz der Bundeswehr, 2002 , S. 46 f. 3 BVerfGE 90, 286 (388). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 4 wenn nicht zu erwarten ist, dass die Soldatinnen oder Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2008 zum Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen über der Türkei im Frühjahr 20034 ist der Begriff des Einbezogenseins in bewaffnete Unternehmungen nicht so zu verstehen, dass eine Parlamentsbeteiligung für den Streitkräfteeinsatz nur und erst dann erforderlich wird, wenn bewaffnete Gewalt tatsächlich angewandt wird. Denn dann könnte der Bundestag seinen rechtserheblichen Einfluss auf die Verwendung der Bundeswehr als „regelmäßig vorhergehende“5 parlamentarische Beteiligung nicht hinreichend wahrnehmen. Seine Mitentscheidung bezieht sich auf den Zeitpunkt der Einsatzentscheidung und – außer bei Gefahr im Verzug – nicht auf einen der Entsendung nachgelagerten Zeitpunkt, in dem der Streitkräfteeinsatz mit allen damit verbundenen faktischen Handlungsnotwendigkeiten bereits begonnen hat. Für den wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt kommt es, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, „dabei nicht darauf an, ob bewaffnete Auseinandersetzungen sich schon im Sinne eines Kampfgeschehens verwirklicht haben. Entscheidend ist vielmehr, ob nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist und deutsche Soldaten deshalb bereits in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind.“6 Das Bundesverfassungsgericht legt Wert darauf, bereits in seinem Urteil vom 12. Juli 1994 festgestellt zu haben, dass für die Frage der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen im Einzelfall Einsatzzweck und Einsatzbefugnisse näher zu betrachten sind. Ist schon nach dem Einsatzzweck von vornherein geplant, dass deutsche Soldaten unabhängig von dem konkreten Einsatzverlauf militärische Gewalt anwenden, ist von einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte auszugehen. Bei Einsätzen auf der Basis von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sieht das Bundesverfassungsgericht angesichts der fließenden Übergänge zwischen den verschiedenen Einsatzformen und der möglichen Reichweite des Selbstverteidigungsrechts eine Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen stets als gegeben an. Auf der anderen Seite reicht die bloße Möglichkeit, dass es bei einem Einsatz zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, für die Annahme einer Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen nicht aus. Dies würde eine Verschiebung der Organkompetenzverteilung zwischen Bundesregierung und Bundestag im Bereich der auswärtigen Gewalt bedeuten. Schließlich besteht die theoretische Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung dort immer, wo Streitkräfte operieren. Das Bundesverfassungsgericht verlangt vielmehr eine „spezifische Nähe“ zur Anwendung militärischer Gewalt und die „qualifizierte Erwartung“ einer Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen.7 Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Unterscheidung zwischen der qualifizierten Erwartung und der bloßen Möglichkeit, dass es zu bewaffneten Auseinanderset- 4 BVerfGE 121, 135. 5 BVerfGE 90, 286 (387). 6 BVerfGE 121, 135 (164). 7 BVerfGE 121, 135 (162). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 5 zungen kommen könnte, anhand von zwei Kriterien vor: „hinreichende greifbare tatsächliche Anhaltspunkte“ und „besondere Nähe der Anwendung von Waffengewalt“.8 Die hinreichenden greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass ein Einsatz in die Anwendung von Waffengewalt münden kann, beziehen sich auf den Zweck des Einsatzes, die konkreten politischen und militärischen Umstände des Einsatzes und auf die Einsatzbefugnisse. Die Umstände des Falles und die politische Gesamtlage müssen laut Bundesverfassungsgericht „eine konkrete militärische Gefahrenlage ergeben, die eine hinreichende sachliche Nähe zur Anwendung von Waffengewalt und damit zur Verwicklung deutscher Streitkräfte in eine bewaffnete Auseinandersetzung aufweist. … Für die Beurteilung kommt es insofern auf die besonderen Umstände des konkreten Einsatzes und im Fall eines Einsatzes in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit insbesondere auch auf die Operationsziele und die Reichweite der jeweiligen militärischen Befugnisse mit Blick auf eine potentielle militärische Auseinandersetzung an.“9 Militärtechnischen Sprachregelungen wie etwa „Bündnisroutine“ misst das BVerfG keine gesonderte Bedeutung zu. Sie hätten keinen eigenständigen normativen Gehalt und könnten deshalb das Ergebnis der erforderlichen Gesamtbetrachtung allenfalls kennzeichnen, nicht aber beeinflussen . Auch wenn der Einsatz ansonsten eher routinemäßig geprägt ist, will das BVerfG vor allem die verfassungsrechtliche Erheblichkeit einer aufgrund der konkreten Umstände in einem Einsatz angelegten Eskalationsgefahr berücksichtigt wissen.10 Die besondere Nähe der Anwendung von Waffengewalt als Element einer qualifizierten Erwartung der Einbeziehung von Bundeswehrsoldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen bedeutet für das Bundesverfassungsgericht, dass die Einbeziehung unmittelbar zu erwarten sein muss. Dies begründet bereits für sich genommen die qualifizierte Erwartung, die jedoch regelmäßig mit der Verdichtung tatsächlicher Umstände einhergehen wird, welche auf eine kommende militärische Auseinandersetzung hindeuten.11 Von Bedeutung können aber auch die Einsatzplanung und die Einsatzbefugnisse sein. Ist eine gleichsam automatisch ablaufende Beteiligung deutscher Soldaten an der Anwendung bewaffneter Gewalt von der Gesamtsituation her wahrscheinlich und hängt sie praktisch nur noch von Zufälligkeiten im tatsächlichen Geschehensablauf ab, ist ein In- Gang-Setzen solcher Mechanismen ohne Beteiligung des Bundestages nicht zulässig, etwa bei integrierten Bündnisabläufen, die vor der Anwendung von Waffengewalt praktisch kaum mehr reversibel oder jedenfalls politisch nicht mehr zu beeinflussen sind. In solchen Konstellationen kann der Bundestag auf die für die Gewaltanwendung entscheidenden tatsächlichen Geschehensabläufe nicht mehr reagieren, regelmäßig jedenfalls nicht, bevor diese eine militärische Reaktion nach sich ziehen.12 Für die drohende Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen sieht es das Bundesverfassungsgericht als ein Indiz an, wenn sie Waffen mit sich führen und ermächtigt 8 BVerfGE 121, 135 (165). 9 BVerfGE 121, 135 (165 f.). 10 BVerfGE 121, 135 (166). 11 BVerfGE 121, 135 (166). 12 BVerfGE 121, 135 (166 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 6 sind, von ihnen Gebrauch zu machen. Dies gilt nicht für eine Ermächtigung zur reinen Selbstverteidigung , wenn also der Einsatz selbst einen nicht-militärischen Charakter hat. Zeichnet den Einsatz aber ein eigentliches militärisches Gepräge aus, handelt es sich auch dann um eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung, wenn die am Einsatz beteiligten Soldaten der Bundeswehr zwar selbst unbewaffnet sind, aber als wesentlicher Teil des den bewaffneten Einsatz durchführenden integrierten militärischen Systems tätig werden. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus: „Wer im Rahmen einer bewaffneten Auseinandersetzung etwa für den Waffeneinsatz bedeutsame Informationen liefert, eine die bewaffnete Operation unmittelbar leitende Aufklärung betreibt oder sogar im Rahmen seiner militärischen Funktion Befehle zum Waffeneinsatz geben kann, ist in bewaffnete Unternehmungen einbezogen, ohne dass er selbst Waffen tragen müsste. Militärische Einsätze im Handlungsverbund integrierter Streitkräfte lassen sich verfassungsrechtlich nicht angemessen erfassen, wenn man die Frage nach der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen für einzelne Systemkomponenten und personell getrennte Einsatzfunktionen voneinander getrennt betrachtet.“13 Danach endet mit der Anwendung militärischer Gewalt der ansonsten weit bemessene Gestaltungsspielraum der Exekutive im auswärtigen Bereich. Funktion und Bedeutung des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts verbieten es, seine Reichweite restriktiv zu bestimmen. Vielmehr will ihn das Bundesverfassungsgericht in Zweifelsfällen parlamentsfreundlich ausgelegt wissen.14 Dies bedeutet, dass immer dann, wenn sich nicht eindeutig bestimmen lässt, ob es sich tatsächlich um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte handelt, der Parlamentsvorbehalt greift. Eine Grauzone geht „zu Lasten“ der Bundesregierung. Insbesondere wendet sich das Bundesverfassungsgericht dagegen, das Eingreifen des Parlamentsvorbehalts unter Berufung auf Gestaltungsspielräume der Exekutive maßgeblich von den politischen Bewertungen und Prognosen der Bundesregierung abhängig zu machen.15 Insoweit billigt das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung keinen eigenverantwortlichen Entscheidungsraum zu. Den alleinigen Bezug auf eine exekutivische Eigenverantwortung hält es für ungeeignet, für eine restriktive Auslegung des Parlamentsvorbehalts oder gar für dessen grundsätzliche Ablehnung zu streiten.16 Wenn Soldatinnen und Soldaten nach diesen vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung zu erwarten ist, gilt der Parlamentsvorbehalt. 2.2. Polizei Es ist unbestritten, dass bei einem Einsatz der Bundespolizei im Ausland nach § 8 Abs. 1 oder 2 BPolG es keiner Zustimmung des Bundestages bedarf.17 Selbst von ansonsten kritischen Stimmen 13 BVerfGE 121, 135 (168). 14 BVerfGE 121, 135 (162), vgl. zum entsprechenden Regel-Ausnahmeverhältnis auch Epping, AöR 1999, 423 (455 f.); Schmidt-Radefeldt, Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration, 2005, 166 f. 15 BVerfGE 121, 135 (163). 16 BVerfGE 121, 135 (163). 17 Blümel/Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 3. Auflage 2006, § 8 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 7 zu § 8 BPolG wird das fehlende Zustimmungsbedürfnis des Bundestages für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, da die Bundespolizei Teil der inneren Staatsverwaltung und deshalb der Exekutive zuzuordnen ist.18 Hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlagen sind internationale von bilateralen Polizeimissionen zu unterscheiden . Die Rechtsgrundlage für die Teilnahme der Bundespolizei an internationalen Polizeimissionen bildet § 8 Abs. 1 Bundespolizeigesetz (BPolG). Danach kann die Bundespolizei zur Mitwirkung an polizeilichen oder anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen im Ausland verwendet werden – auf Ersuchen und unter Verantwortung der Vereinten Nationen (VN), einer regionalen Abmachung oder Einrichtung gemäß Kapitel VII der Charta der VN, der die Bundesrepublik Deutschland angehört, der Europäischen Union oder der Westeuropäischen Union. Die Entscheidung über die Verwendung trifft die Bundesregierung (§ 8 Abs. 1 Satz 3 BPolG). Der Bundestag ist über die beabsichtigte Verwendung zu unterrichten (§ 8 Abs. 1 Satz 4 BPolG); er braucht dem Einsatz – anders als einem Einsatz der Bundeswehr im Ausland – nicht (konstitutiv) zuzustimmen. Er kann aber durch Beschluss verlangen, dass die Verwendung beendet wird (§ 8 Abs. 1 Satz5 BPolG). Dies ist bisher nicht geschehen. Rechtsgrundlage bilateraler Einsätze ist § 65 BPolG (Amtshandlungen von Beamten der Bundespolizei im Zuständigkeitsbereich eines Landes oder Tätigkeiten in anderen Staaten). Nach § 65 Abs. 2 BPolG dürfen Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei außerhalb der Bundesrepublik Deutschland tätig werden, soweit völkerrechtliche Vereinbarungen oder der Beschluss des Rates 2008/615/JI vom 23. Juni 200819 dies vorsehen oder das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen des anderen Staates einer Tätigkeit von Beamten der Bundespolizei im Ausland allgemein oder im Einzelfall zustimmt. Maßgeblich sind ferner §§ 20, 60 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Nach § 20 Abs.1 Nr. 2 BeamtStG kann Beamtinnen und Beamten mit ihrer Zustimmung vorübergehend ganz oder teilweise eine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit bei einer anderen Einrichtung als ihrer Dienststelle zugewiesen werden, wenn öffentliche Interessen es erfordern. § 60 BeamtStG regelt entsprechende Verwendungen im Ausland. Zur Rechtsgrundlage für die Teilnahme von Polizeivollzugsbeamten (PVB) der Länder hat das Bundesministerium des Innern auf Anfrage Folgendes mitgeteilt: „Die Länder ordnen ihre PVB gemäß den gültigen Landesgesetzen in Verbindungmit § 14 BeamtStG in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern (BMI) ab. Die aufnehmende Behörde im Geschäftsbereich des BMI weist die PVB gemäß § 29 Bundesbeamtengesetz (BBG) dem für den Einsatz verantwortlichen zwischen- oder überstaatlichen Mandatgeber zur Dienstverrichtung zu. PVB des Bundes, die nicht der Bundespolizei angehören, werden von ihren Dienstherren gemäß § 27 BBG vor der Entsendung in das Bundespolizeipräsidium abgeordnet. Vor ihrer Zuweisung werden die PVB auf die Wirksamkeit der Regelungen des § 143 BBG (Anmerkung des Verfassers: Verwendungen im Ausland) hingewiesen.“ 18 Fischer-Lescano, Verfassungsrechtliche Fragen der Auslandsentsendung des BGS, AöR 2003, S. 52 (78 ff.). 19 ABl. L 210 vom 6. August 2008, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 8 2.3. Entwicklungszusammenarbeit Einsätze jedweder Art im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bedürfen keiner Mandatierung durch den Bundestag. Entwicklungszusammenarbeit stellt sich als Wahrnehmung der auswärtigen Gewalt (Art. 32 Abs. 1 GG) dar. Sie ist Sache der Exekutive. Der Bundestag ist nur zu beteiligen, wenn es um es um die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG oder die ausschließliche Gesetzgebung über die Angelegenheiten sowie die Verteidigung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG geht. 3. Erweiterung der Mandatierungsbefugnisse des Bundestages Eine Erweiterung der Mandatierungsbefugnisse des Bundestages über Auslandseinsätze der Bundeswehr hinaus und ihre Ausdehnung auf Polizeieinsätze und Einsätze im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit müssen sich an der verfassungsrechtlichen Vorgabe der Gewaltenteilung messen lassen. In beiden Fällen handelt es sich um Akte der auswärtigen Gewalt. Die Gewaltenteilung, also die Verteilung der staatlichen Funktionen Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (sog. funktionelle Gewaltenteilung) auf verschiedene staatliche Organe (sog. organisatorische oder institutionelle Gewaltenteilung), ist in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG niedergelegt und wird in den einzelnen Organisationsnormen und Aufgabenzuweisungen der Verfassung konkretisiert. Daneben ist die funktionelle Gewaltenteilung insbesondere auch in Art. 1 Abs. 3 GG verankert. Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dient die Gewaltenteilung primär der Mäßigung und Bändigung der öffentlichen Gewalt im Dienste individueller Freiheit.20 Zudem ist es Sinn der Gewaltenteilung, „dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“.21 Das BVerfG versteht die Gewaltenteilung als Prinzip der „gegenseitige(n) Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“.22 Dabei hat das GG die staatlichen Funktionen und Organe in differenzierter Weise einander zugeordnet und zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen vorgenommen. Die auswärtige Gewalt ist die Domäne der Exekutivorgane.23 Andere Organe – namentlich das Parlament – dürfen in diese Domäne nur auf Grund besonderer verfassungsrechtlicher Bestimmungen übergreifen.24 Im Falle eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr ergibt sich der verfassungsrechtlich geforderte Parlamentsvorbehalt ungeachtet näherer gesetzlicher Ausgestaltung im ParlBG unmittelbar aus dem GG.25 Das BVerfG sieht den der Regierung von der Verfassung für außenpolitisches Handeln gewährten Eigenbereich exekutiver Handlungsbefugnis und Verant- 20 BVerfGE 9, 268 (279 f.); 67, 100 (130). 21 BVerfGE 68, 1 (86); 95, 1 (15), 98, 218 (251 f.). 22 BVerfGE 34, 52 (59); 95, 1 (15). 23 Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 77. 24 BVerfGE 1, 351 (369); 55, 349 (368); 68, 1 (85 ff.). 25 BVerfGE 90, 286 (390). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 9 wortlichkeit durch den Parlamentsvorbehalt als nicht berührt an, was insbesondere hinsichtlich der Entscheidung über die Modalitäten, den Umfang und die Dauer der Einsätze sowie die notwendige Koordination in und mit Organen internationaler Organisationen gelte.26 Für Polizeieinsätze im Ausland fehlt eine grundgesetzliche Beschränkung der auswärtigen Gewalt . Ein Indiz dafür, dass im Falle einer parlamentarischen Mandatierung der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nicht berührt wäre, könnte der Umstand sein, dass bereits nach geltender Rechtslage gemäß § 8 Abs. 1 Satz 5 BPolG der Bundestag die Beendigung einer Auslandsverwendung der Bundespolizei verlangen kann. Da im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit jegliche verfassungsrechtliche Begrenzung der auswärtigen Gewalt fehlt, wäre eine Mandatierung durch den Bundestag auf diesem Gebiet zumindest verfassungsrechtlich problematisch. Gegen eine klarstellende Ergänzung des GG zur Ermöglichung einer zweifelsfreien parlamentarischen Mandatierung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Art. 79 Abs. 3 GG steht dem auch unter dem Gesichtspunkt der Kernbereichslehre des BVerfG nicht entgegen, wonach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG jeder Gewalt einen Kernbereich an Aufgaben gewährleistet.27 Wie die Ausführungen des BVerfG zum Parlamentsvorbehalt beim Auslandseinsatz der Bundeswehr28 zeigen, wird durch eine parlamentarische Mandatierung der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nicht berührt. Das BVerfG hat im Hinblick auf den Auslandseinsatz der Bundeswehr Mindestanforderungen und Grenzen des Parlamentsvorbehalts formuliert und dem Eigenbereich exekutiver Handlungsbefugnis und Verantwortlichkeit insbesondere die Entscheidung über die Modalitäten, den Umfang und die Dauer der Einsätze sowie die notwendige Koordination in und mit Organen internationaler Organisationen zugeordnet. Jenseits dieser Mindestanforderungen und Grenzen des Parlamentsvorbehalts seien das Verfahren und die Intensität der Beteiligung des Bundestages in der Verfassung nicht im Einzelnen vorgegeben. Es sei Sache des Gesetzgebers, die Form und das Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung näher auszugestalten.29 Das BVerfG hält je nach dem Anlass und den Rahmenbedingungen des Einsatzes unterschiedliche Formen der Mitwirkung für denkbar. Insbesondere im Hinblick auf unterschiedliche Arten der Einsätze empfehle es sich, Zeitpunkt und Intensität der Kontrolle des Parlaments näher zu umgrenzen. Dabei könne es angezeigt sein, im Rahmen völkerrechtlicher Verpflichtungen die Beteiligung nach der Regelungsdichte abzustufen, in der die Art des möglichen Einsatzes bereits durch ein vertraglich geregeltes Programm vorgezeichnet sei. Eine gesetzliche Regelung müsse das Prinzip förmlicher parlamentarischer Beteiligung jedenfalls hinreichend zur Geltung bringen.30 § 3 Abs. 2 ParlBG legt fest, welche Angaben der Zustimmungsantrag der Bundesregierung und damit das Mandat für Auslandseinsatz der Bundeswehr enthalten muss: den Einsatzauftrag, das Einsatzgebiet, die rechtlichen Grundlagen des Einsatzes, die Höchstzahl der einzusetzenden Soldatinnen und Soldaten, 26 BVerfGE 90, 286 (389). 27 BVerfGE 30, 1 (27 f.); 34, 52 (59); 95, 1, 15 f.). 28 BVerfGE 90, 286 (389). 29 BVerfGE 90, 286 (389). 30 BVerfGE 90, 286 (389). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 059/11 Seite 10 die Fähigkeiten der einzusetzenden Streitkräfte, die geplante Dauer des Einsatzes die voraussichtlichen Kosten und die Finanzierung. An diesen gesetzlichen Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr könnten sich auch Mandate für Auslandeseinsätze der Bundespolizei und solche im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit orientieren.