Einzelfragen zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 059/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Einzelfragen zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 059/09 Abschluss der Arbeit: 9. März 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Recherche zu Punkt 3. durch die Zentrale Auftragsannahmestelle Hotline W ( ) und und ; Anfrage zu Punkt 2.3 beim Bundesministerium des Innern. Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Ob eine Differenzierung zwischen Adresshandel einerseits und Werbung, Markt- und Meinungsforschung andererseits sachgerechter wäre, ist allein eine rechtspolitische Frage. Verfassungsrechtliche Bedenken aufgrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehen bei einer fehlenden Differenzierung nicht; der Gesetzgeber hat einen weiten Einschätzungsund Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Änderung der Formvorschrift für die geplante Einwilligung nach § 28 Abs. 3a Bundesdatenschutzgesetz (Entwurf, BDSG-E). Ein verfassungsrechtlich relevanter Wertungswiderspruch ist nicht ersichtlich. Die Übergangsfrist in § 47 BDSG-E so auszulegen ist, dass die bisher generell listenmäßig erfassten Daten und die bisher mit einer individuellen Einwilligung des Verbrauchers erfassten Daten darunter fallen. Das bedeutet, dass bereits erteilte Einwilligungen erneut eingeholt werden müssen, wenn sie den geänderten Formerfordernissen nicht genügen. Die Regelung greift in Art. 14 Abs. 1 GG ein und ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren. Sie ist jedoch insbesondere wegen der eingeräumten Übergangsfrist verfassungsrechtlich zulässig. Inhalt 1. Ausgangssituation 4 1.1. Stand des Gesetzgebungsverfahrens 4 1.2. Derzeitige Rechtslage 5 1.3. Geplante Änderungen 5 1.4. Prüfungsfragen 7 2. Rechtliche Bewertung 7 2.1. Adresshandel sowie Werbung, Markt- und Meinungsforschung 7 2.2. Formvorschriften für die Einwilligung 9 2.3. Anwendungsbereich der Übergangsfrist 10 2.4. Übergangsfrist und Eigentumsschutz 12 2.4.1. Schutzbereich 12 2.4.2. Eingriff 12 2.4.3. Einordnung des Eingriffs 12 2.4.4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 13 3. Tatsächliche Erkenntnisse 15 3.1. Finanzielle Belastungen 15 3.2. Schätzungen zu Rücklaufquoten 16 - 4 - 1. Ausgangssituation 1.1. Stand des Gesetzgebungsverfahrens Das Bundeskabinett hat am 10. Dezember 2008 den vom Bundesministerium des Innern (BMI) erarbeiteten Entwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)1 angenommen. Der Entwurf für ein „Gesetz zur Regelung des Datenschutzaudits und zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften“2 (BDSG-E) ist zusammen mit einer Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates3 an den Bundesrat weitergeleitet worden. Verschiedene Ausschüsse des Bundesrates haben den Entwurf beraten und Empfehlungen abgegeben.4 Im Plenum war der BDSG-E am 13. Februar 20095; der Bundesrat hat beschlossen, eine Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 Grundgesetz (GG) abzugeben6. Die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates ist in der mittlerweile veröffentlichten Bundestagsdrucksache7 enthalten. Der Innenausschuss des Bundestages hat sich in seiner Sitzung vom 4. März 2009 mit dem Gesetzentwurf befasst und unter anderem die Zahl der Sachverständigen für die geplante Öffentliche Anhörung am 23. März 2009 erhöht.8 Der Regierungsentwurf entspricht in weiten Teilen dem Referentenentwurf vom 22. Oktober 2008.9 Die besonders umstrittenen Vorschriften zur Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels, der Werbung und der Marktund Meinungsforschung sind jedoch erheblich verändert worden.10 Das betrifft vor allem die Regelungen zum sogenannten „Listenprivileg“ und den Übergang vom Widerspruchssystem zur Einwilligungslösung. 1 Bundesdatenschutzgesetz, BGBl. I 2003, S. 66. 2 BR-Drs. 4/09 (Gesetzentwurf); vgl. auch die Anträge der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 16/1169, BT-Drs. 14/99, BT-Drs. 16/10216. 3 BR-Drs. 4/09, Anlage (nunmehr BT-Drs. 16/12011, S. 37 f. [Anlage 2]). 4 BR-Drs. 4/1/09. 5 BR-Plenarprotokoll 854, S. 19 – 23. 6 BR-Drs. 4/09 (Beschluss). 7 BT-Drs. 16/12011, S. 67 ff. (Anlage 4). 8 „Innenausschuss macht Druck bei Datenschutz“, heute im Bundestag (hib) vom 4. März 2009 (062/2009), http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2009/2009_062/02.html. 9 Vgl. Hanloser, Gesetz zur Regelung des Datenschutzaudits und zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften - Regierungsentwurf, MMR 2/2009, S. V. 10 Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. V unter Verweis auf den Referentenentwurf und seinen Aufsatz „BMI: Referentenentwurf für ein ,Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und zur Regelung des Datenschutzaudits’, MMR 12/2008, S. XIII. - 5 - 1.2. Derzeitige Rechtslage Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nur zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt, § 4 Abs. 1 BDSG. Die Einwilligung muss den Anforderungen des § 4a BDSG genügen. Rechtsvorschriften, welche die Nutzung personenbezogener Daten ohne Einwilligung erlauben, sind § 28 BDSG und § 29 BDSG. § 28 Abs. 1 BDSG betrifft das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke. Ferner ist die Übermittlung oder Nutzung gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 BDSG auch zulässig für Zwecke der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, wenn es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf eine Angabe über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, Berufs-, Branchen - oder Geschäftsbezeichnung, Namen, Titel, akademische Grade, Anschrift und Geburtsjahr beschränken.11 Außerdem darf kein Grund zu der Annahme bestehen, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. Dieses „Listenprivileg“12 gilt gemäß § 29 Abs. 2 lit. b) BDSG auch für Zwecke nach § 29 Abs. 1 BDSG. § 29 BDSG ist einschlägig für das geschäftsmäßige Erheben, Speichern oder Verändern personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien, dem Adresshandel oder der Markt- und Meinungsforschung dient.13 In beiden Fällen ist die Nutzung, Übermittlung oder Verarbeitung unzulässig, wenn der Betroffene widerspricht, §§ 28 Abs. 4, 29 Abs. 4 BDSG. Auf dieses Recht ist er hinzuweisen . 1.3. Geplante Änderungen Künftig soll die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels, der Werbung und der Markt- oder Meinungsforschung zentral und abschließend geregelt werden, § 28 Abs. 3 bis Abs. 4 BDSG-E. Dabei betrifft die wichtigste Änderung den Wechsel von der Widerspruchslösung hin zur Einwilligungslösung, § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG-E i. V. m. § 28 Abs. 3a BDSG-E. 11 Beispielsweise die Liste der Zahnärzte in einem bestimmten Ort, Gola/Schomerus, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz , Kommentar, 9. Auflage 2007, § 28 Rn. 56. 12 Vgl. den Begriff z. B. bei Gola/Schomerus (Fn. 11), § 28 Rn. 55. 13 Zur Abgrenzung Ehmann, in: Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 6. Auflage 2006, § 29 Rn. 15 ff. - 6 - Anders als jetzt soll die Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels , der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung nur dann zulässig sein, wenn der Betroffene entsprechend den Vorgaben des § 28 Abs. 3a BDSG-E eingewilligt hat. Dies ergibt sich bereits aus § 4 Abs. 1 Var. 2 BDSG. Allerdings konkretisiert § 28 Abs. 3a BDSG-E die Form. Die verantwortliche Stelle muss in Zukunft an den Betroffenen herantreten und ihn für eine Einwilligung gewinnen.14 Die konkrete Umsetzung wird nicht vorgegeben und bleibt den individuellen Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechend ihr überlassen, wird aber mit gewissen Kosten verbunden sein.15 Das Listenprivileg wird nicht gänzlich abgeschafft, aber erheblich eingeschränkt: Zulässig ist gemäß § 28 Abs. 3 S. 2 die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten, soweit es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, seine Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, seinen Namen, Titel, akademischen Grad, seine Anschrift und sein Geburtsjahr beschränken, und die Verarbeitung oder Nutzung - für Zwecke der Werbung für eigene Angebote oder der eigenen Markt- oder Meinungsforschung der verantwortlichen Stelle erforderlich ist, die diese Daten mit Ausnahme der Angabe zur Gruppenzugehörigkeit beim Betroffenen nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 erhoben hat (Eigenwerbung gegenüber Bestandskunden ), - für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung gegenüber freiberuflich oder gewerblich Tätigen unter deren Geschäftsadresse erforderlich ist oder - für Zwecke der Spendenwerbung einer verantwortlichen Stelle erforderlich ist, wenn Spenden an diese gemäß § 10b Abs. 1 und § 34g des Einkommenssteuergesetzes steuerbegünstigt sind.16 Ein neuer § 47 BDSG-E bestimmt eine Übergangsfrist: Für die Verarbeitung und Nutzung vor dem 1. Juli 2009 erhobener Daten ist § 28 in der bis dahin geltenden Fassung bis zum 1. Juli 2012 weiter anzuwenden. 14 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/12011, S. 26; Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. V. 15 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/12011, S. 27; Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. V. 16 Zu allen drei Ausnahmen Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. V. (VI). - 7 - 1.4. Prüfungsfragen Bezogen auf die geplanten Änderungen wird untersucht: - ob eine Differenzierung zwischen Adresshandel einerseits und Werbung, Marktund Meinungsforschung andererseits sachgerechter wäre, insbesondere mit Blick auf die Qualität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (unten Punkt 2.1.), - ob ein Wertungswiderspruch darin zu sehen ist, dass für die geplante Einwilligung strengere Formvorschriften gelten sollen als etwa für SCHUFA-Klauseln und andere datenschutzrechtlich relevante Einwilligungen (unten Punkt 2.2.), - ob die Übergangsfrist in § 47 BDSG-E so auszulegen ist, dass nur die bisher generell listenmäßig erfassten Daten davon umfasst sind, während die bisher mit einer individuellen Einwilligung des Verbrauchers erfassten Daten nicht darunter fallen und dementsprechend auch nach Ablauf der Frist genutzt werden dürfen (unten Punkt 2.3.) und - ob es verfassungsrechtlich überhaupt zulässig wäre, nicht zwischen listenmäßig und individuell erfassten Daten bei der Übergangsfrist zu unterscheiden, insbesondere mit Blick auf Rechte der Unternehmen aus Art. 14 GG (unten Punkt 2.4.). Weitere Fragen beziehen sich auf tatsächliche Umstände wie mögliche Kosten für die betroffenen Unternehmen; die Rechercheergebnisse sind unter Punkt 3. dargestellt. 2. Rechtliche Bewertung 2.1. Adresshandel sowie Werbung, Markt- und Meinungsforschung Ob eine Differenzierung zwischen Adresshandel sowie Werbung, Markt- und Meinungsforschung „sachgerechter“ wäre, ist zunächst eine rechtspolitische Frage. Aus verfassungsrechtlicher Sicht lässt sich nur beurteilen, ob die angestrebte Lösung - den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG17 genügt und - ob aus Gründen des Art. 3 Abs. 1 GG eine Ungleichbehandlung geboten wäre. Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht um die Reglementierung staatlicher Datenerhebung und Datenverwendung handelt, sondern um die durch nichtöffentliche Stellen. Hier greifen Grundrechte nicht in ihrer primären Funktion als Abwehrrechte18, sondern in ihrer Schutzfunktion; deshalb gelten andere Maßstäbe als bei der Datenverarbeitung durch die öffentliche Hand19. 17 Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG liegt nicht vor, Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Auflage 2005, Art. 1 Abs. 1 Rn. 111. 18 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Auflage 2007, Vorb. vor Art. 1 Rn. 5, m. w. N. 19 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 4. Auflage 2007, Art. 2 Rn. 122; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 17), Art. 2 Abs. 1 Rn. 177; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), - 8 - Allerdings verlangt die Schutzfunktion, dass auch das Privatrecht so zu gestalten ist, dass die in den Grundrechten verkörperte objektive Ordnung gewahrt wird20; der Gesetzgeber muss demnach insbesondere das Persönlichkeitsrecht unter Beachtung gegenläufiger Interessen21 hinreichend wirksam schützen22. Dieses Ziel ist allgemein durch die Verfassung vorgegeben, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen.23 Es ist Aufgabe der jeweils zuständigen staatlichen Organe, denen bei der Erfüllung der Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt.24 Bezüglich des Schutzes privater Daten hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, von der Widerspruchslösung zu einer Einwilligungslösung überzugehen und dieses System einheitlich auf Adresshandel sowie Werbung, Markt- und Meinungsforschung zu übertragen . Somit wird er dem grundsätzlich vorgegebenen Auftrag aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gerecht, indem er die Verwertung privater Daten durch Private erschwert und Ausnahmen einschränkt. Die Gleichbehandlung von Adresshandel sowie Werbung, Markt- und Meinungsforschung ist nur dann verfassungsrechtlich problematisch, wenn eine Ungleichbehandlung zwingend wäre. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nämlich nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem .25 Hier ist die Rechtsprechung allerdings großzügiger, weil es regelmäßig zulässig ist, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt 26: „Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf […].“27 Grundgesetz, Kommentar, Band I, Loseblattsammlung (Stand Juli 2001), Art. 2 Abs. 1 Rn. 189 f.; Wente, Informationelles Selbstbestimmungsrecht und absolute Drittwirkung der Grundrechte, NJW 1984, 1446 (1447). 20 BVerfGE 98, 365 (395); BVerfGE 7, 198 (205). 21 Allgemeine Handlungsfreiheit, Berufsfreiheit, Informationsfreiheit etc., dazu Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Fn. 19), Art. 2 Abs. 1 Rn. 189; Wente (Fn. 19), NJW 1984, 1446 (1447). 22 Murswiek, in: Sachs (Fn. 19), Art. 2 Rn. 122; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Fn. 19), Art. 2 Abs. 1 Rn. 190; vgl. BVerfGE 88, 203 (254). 23 Vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007, Aktenzeichen 1 BvR 421/05, Rn. 63. http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070213_1bvr042105.html. 24 Vgl. BVerfGE 96, 56 (64); vor allem mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit von Gesetzen, statt aller: Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 20 Rn. 87, m. w. N. 25 BVerfGE 84, 133 (158); BVerfGE 98, 365 (385). 26 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 3 Rn. 28 unter Berufung auf BVerfGE 86, 81 (87). 27 BVerfGE 98, 365 (385), Hervorhebungen durch die Verfasserin. - 9 - Bezogen auf die Regelung in § 28 BDSG müssten die tatsächlichen Unterschiede zwischen Markt- und Meinungsforschung, Werbung und Adresshandel so groß sein, dass es aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten zwingend erscheint, diese ungleich zu behandeln. Dies dürfte allenfalls für die politische Meinungsforschung28 in Betracht kommen, weil hier Daten nur in anonymisierter Form übermittelt werden29. Insgesamt aber ist es in das gesetzgeberische Ermessen gestellt, die entsprechenden Regelungen zu treffen.30 Die Bundesregierung hat im Übrigen angekündigt, die Differenzierung mit Blick auf (politische ) Meinungsforschungsinstitute zu überprüfen.31 2.2. Formvorschriften für die Einwilligung Die Einwilligung bedarf grundsätzlich der Schriftform, § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG i. V. m. § 28 Abs. 3 und Abs. 3a BDSG-E.32 Wird die Einwilligung nach § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG in anderer Form als der Schriftform erteilt, hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen den Inhalt der Einwilligung schriftlich zu bestätigen. Hiervon gibt es eine Ausnahme, wenn die Einwilligung elektronisch erklärt wird und die verantwortliche Stelle sicherstellt, dass die Einwilligung protokolliert wird und der Betroffene deren Inhalt jederzeit abrufen und die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Eine zusammen mit anderen Erklärungen erteilte Einwilligung ist nur wirksam, wenn der Betroffene durch Ankreuzen, durch eine gesonderte Unterschrift oder durch ein anderes, ausschließlich auf die Einwilligung in die Verarbeitung oder Nutzung der Daten für Zwecke des Adresshandels, der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung bezogenes Tun zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, dass er die Einwilligung bewusst erteilt.33 Dies geht über § 4a Abs. 1 S. 4 BDSG hinaus, der nur vorsieht, dass die Einwilligung besonders hervorgehoben sein muss (etwa durch Fettdruck oder eine andere Schriftart34). 28 Für eine solche Unterscheidung plädierte etwa der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates in seinen Empfehlungen zu BR-Drs. 4/09, BR-Drs. 4/1/09, S. 18 f.; vgl. auch BR-Plenarprotokoll der 854. Sitzung, S. 21. 29 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 4/09 (Beschluss), Ziffer 16, S. 15. 30 Das bestreitet wohl auch der Bundesrat nicht, vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 4/09 (Beschluss), Ziffer 16, S. 15. 31 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 16/12011, S. 73: „Die Bundesregierung wird das Anliegen prüfen“. 32 Zu europarechtlichen Fragen vgl. , Vereinbarkeit von § 28 Abs. 3a des Gesetzentwurfs zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes mit europäischem Gemeinschaftsrecht, Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 3. März 2009, Aktenzeichen WD 11 - 3000 - 28/09. 33 Ausführlich zur „qualifzierten Einwilligung“ nach § 28 Abs. 3a BDSG-E, Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. V f. 34 Gola/Schomerus (Fn. 11), § 4a Rn. 14. - 10 - Auch diese Vorschrift, die möglicherweise35 strenger ist als andere Formvorschriften für datenschutzrechtliche Einwilligungen, ist in Bezug zu anderen Formvorschriften nur an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Und auch hier stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber gehalten ist, Formvorschriften gleichermaßen streng oder großzügig auszugestalten. Das ist abzulehnen, weil auch hier ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht. Soweit auf mögliche „Widersprüchlichkeiten“ abgestellt wird, ist zu unterscheiden: Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Rechtsstaats- und dem Bundesstaatsprinzip zwar den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung her.36 Hiernach verpflichte die bundesstaatliche Kompetenzordnung alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird.37 Dies stellt jedoch darauf ab, dass rechtslogische Widersprüche vermieden werden sollen. Konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers dürften beispielsweise auch durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden. Insbesondere dürften den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Anders ist es, wenn aufgrund gesetzgeberischer Entscheidung an verschiedene Einwilligungen verschiedene Formerfordernisse gestellt werden. Dies kann allenfalls rechtspolitisch als widersprüchlich angesehen werden.38 2.3. Anwendungsbereich der Übergangsfrist § 47 BDSG-E lautet: „Für die Verarbeitung und Nutzung vor dem 1. Juli 2009 erhobener Daten ist § 28 in der bis dahin geltenden Fassung bis zum 1. Juli 2012 weiter anzuwenden .“ Literatur zur Frage, welche Daten unter § 47 BDSG-E fallen, gibt es noch nicht.39 Nach den vier gängigen Auslegungskriterien40 lässt sich folgender Befund erarbeiten: 35 Der Bundesrat bezweifelt das, vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 4/09 (Beschluss), Ziffer 14, S. 12 f. 36 BVerfGE 98, 106 (118 f.); BVerfGE 98, 83 (97); BVerfGE 98, 265, (302); kritisch: Hanebeck, Die Einheit der Rechtsordnung als Anforderung an den Gesetzgeber, Der Staat 2002, 429 (451); Jarass, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, Archiv des öffentlichen Rechts 2001, 588 (599). 37 Sachs, Urteilsanmerkung zu Bundesverfassungsgericht vom 15. Juli 2003, Aktenzeichen 2 BvF 6/98, NVwZ 2003, S. 1497, in: JuS 2004, 247 (249). 38 Im Übrigen wird in Bezug auf das Wettbewerbsrecht eine Parallele beim Einwilligungsbegriff hergestellt , dazu Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. VI. 39 Hanloser (Fn. 9), MMR 2009, S. VI, äußert sich dazu nicht explizit. 40 Zippelius, Juristische Methodenlehre, 9. Auflage 2005, § 8 S. 42 ff. - 11 - Der Wortlaut der Norm differenziert nicht zwischen individuell und listenmäßig erfassten Daten, sondern spricht lediglich von „vor dem 1. Juli 2009“ erhobenen „Daten“. Dies spricht für eine generelle Geltung der Vorschrift für alle Formen von Daten. Nach historisch-genetischer Analyse wird ebenfalls nicht zwischen verschiedenen Daten unterschieden; in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 47 BDSG-E heißt es knapp41: „Die Vorschrift sieht eine Übergangsvorschrift von 36 Monaten vor mit Blick auf die neuen Anforderungen an die Erhebung personenbezogener Daten. Mit dem Stichtag 1. Juli 2012 gelten die neuen Anforderungen. Die betroffenen verantwortlichen Stellen werden daher bereits vor dem Inkrafttreten zum 1. Juli 2012 beginnen müssen, ihre Datenerhebung schrittweise umzustellen.“ Die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates beziehen sich auch auf § 47 BDSG-E; allerdings betreffen sie nur die Frist als solche42 und die Art der Gewinnung der Daten43. Diesen Empfehlungen ist der Bundesrat in seiner Stellungnahme gefolgt.44 Die Bundesregierung lehnt eine Verkürzung der Frist ab, äußert sich aber ebenfalls nicht zur möglichen Unterscheidung der Daten.45 Allerdings hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes bezüglich des sogenannten Scorings46 klargestellt, dass auch bei schon vorhandenen Datenbeständen die Einwilligung nachzuholen sei, ohne auf verschiedene Arten von Daten abzustellen47. Aus systematischen Erwägungen und Sinn und Zweck der Regelungen könnte der Bezug zu § 28 BDGS – „ist § 28 […] anzuwenden“ den Rückschluss zulassen, dass auch nur die dort genannten Daten von der Übergangsfrist betroffen sein sollen. Dort, wo bereits eine Einwilligung vorliegt, müsste der Schutzzweck – die bewusste Entscheidung des Verbrauchers für eine Verwendung seiner Daten – gar nicht mehr erreicht werden. Dagegen spricht jedoch, dass für die Einwilligung, die im Zusammenhang mit anderen Erklärungen abgegeben wird, bewusst eine andere Formvorschrift vorgesehen ist als für sonstige Einwilligungen, § 28 Abs. 3a S. 2 BDSG-E. Dies soll ausweislich der Begründung sicherstellen, dass es keinen Zweifel darüber gibt, dass der Betrof- 41 BT-Drs. 16/12011, S. 34. 42 Für eine kürzere Frist plädiert der Agrarausschuss, Empfehlungen zu BR-Drs. 4/09, BR-Drs. 4/1/09, Nummer, 34, S. 28; vgl. auch BR-Plenarprotokoll der 854. Sitzung, S. 20 (D). 43 „Erhobene“ und „gespeicherte“ Daten, Ausschuss für Innere Angelegenheiten, Empfehlungen zu BR-Drs. 4/09, BR-Drs. 4/1/09, Nummer, 33, S. 28. 44 BR-Drs. 4/09 (Beschluss), Nummer 27 und 28, S. 24. 45 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 16/12011, S. 75. 46 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10529. Dies ist zwar nicht Teil des Gesetzgebungsverfahrens zu § 47 BDSG-E, sollte in die Gesamtschau aber einbezogen werden. 47 BT-Drs. 16/10529, S. 55 f. (Fn. 46). - 12 - fene seine Einwilligung in die Weitergabe seiner Daten für Werbezwecke gegeben hat.48 Es lässt sich demnach nicht generell davon ausgehen, dass bisher erteilte Einwilligungen diesem Standard genügen. Das spricht dafür, dass alle Daten, auch solche für die eine Einwilligung abgegeben wurde, unter § 47 BDSG-E fallen. Ausgenommen sind nur solche Einwilligungen, die bereits jetzt den Formerfordernissen des § 28 Abs. 3a BDSG-E genügen.49 2.4. Übergangsfrist und Eigentumsschutz Sollte man mit der hier vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis kommen, dass bereits erteilte Einwilligungen nachgeholt werden müssen, ist fraglich, ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist. Maßstab ist Art. 14 GG. 2.4.1. Schutzbereich Bei Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG handelt es sich um einen normgeprägten Schutzbereich: Eigentum ist die Summe aller vermögenswerten Rechtspositionen, die dem einzelnen durch einfaches Recht zugeordnet werden und die ihm eine private Nutzungs- und Verfügungsbefugnis einräumen.50 Nicht geschützt ist „das Vermögen als solches“51. Mit der Einwilligung erlangt ein Unternehmen das Recht, bestimmte Daten auf die von der Einwilligung gedeckte Art und Weise zu nutzen. Dieses Recht hat einen bestimmten , je nach äußeren Bedingungen feststellbaren, Marktwert. Es ist damit Eigentum im Sinn von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. 2.4.2. Eingriff Da das Gesetz nach der hier vertretenen Auffassung auch die Nachholung von erlangten Einwilligungen vorsieht, wird die bereits bestehende, konkrete Rechtsposition insoweit modifiziert, weil sie nicht mehr in der ursprünglich zulässigen Form genutzt werden kann. Ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG liegt vor. 2.4.3. Einordnung des Eingriffs Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung kommt es maßgeblich darauf an, wie dieser Eingriff zu bewerten ist – bei Art. 14 GG ist zwischen Enteignung und Inhaltsund Schrankenbestimmung zu unterscheiden.52 Eine Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn „ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver 48 BT-Drs. 16/12011, S. 30. 49 Im Ergebnis ähnliche Einschätzung des Bundesministeriums des Innern, telefonische Rückfrage vom 9. März 2009. 50 Statt aller: Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 14 Rn. 7 f. 51 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 14 Rn. 7. 52 Statt aller: Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 14 Rn. 35. - 13 - Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet“53. Keine Enteignung soll vorliegen, wenn mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt ist; dann kann es sich nur um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handeln.54 Mit der Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes beabsichtigt der Gesetzgeber einen besseren Schutz der Verbraucher vor der unberechtigten bzw. unerwünschten ten Weitergabe ihrer Daten; dieses Ziel ist abzuwägen gegen das Interesse der Unternehmen , Daten für ihre Zwecke nutzen zu können. Es handelt sich mithin allein um den Ausgleich privater Interessen. Eine Enteignung scheidet schon aus diesem Gesichtspunkt aus. Dagegen spricht auch nicht, dass die Intensität der Beeinträchtigung für die Unternehmer erheblich sein kann, weil die ursprünglich erlangten Einwilligungen nach einer Übergangsfrist nicht mehr genutzt werden können. Die Einordnung als Inhaltsbestimmung hängt nicht von der Intensität der Beeinträchtigung ab.55 Werden bei der Festlegung von Eigentümerpflichten die sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen überschritten, so ist die gesetzliche Regelung verfassungswidrig; sie wird dadurch aber nicht zu einer Enteignung.56 2.4.4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Jede Inhalts- und Schrankenbestimmung muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen; bei der Beurteilung hat der Gesetzgeber einen erheblichen Prognosespielraum 57. Die Einwilligung und die Form der Einwilligung sollen sicherstellen, dass Verbraucher sich bewusst für oder gegen eine Nutzung ihrer Daten entscheiden können. Außerdem sollen Fälle von rechtswidrigem Datenhandel durch mehr Transparenz verhindert werden.58 Beides sind legitime Ziele, die durch die gesetzliche Regelung gefördert oder erreicht werden können; „die Möglichkeit der Zweckerreichung“ ist für die Frage der Geeignetheit einer Regelung ausreichend59. Erforderlich ist die Regelung, wenn keine milderen, gleichermaßen wirksamen Mittel zur Verfügung stehen.60 Bezüglich der Nachholungspflicht könnte als milderes Mittel einfach darauf verzichtet werden . Dies wäre jedoch mit Blick auf den geplanten Zweck des Gesetzes nicht gleichermaßen wirksam, da die Formvorschriften in bestimmten Fällen nicht gleich hoch sind. Überdies räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber auch bei der Beurtei- 53 BVerfGE 70, 191 (199 f.); vgl. auch BVerfGE 24, 367 (394); BVerfGE 38, 175 (180); BVerfGE 42, 263 (299); BVerfGE 52, 1 (27). 54 BVerfGE 104, 1 (10); BVerfGE 101, 239 (259). 55 BVerfGE 58, 137 (145). 56 BVerfGE 52, 1 (27 f.). 57 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 14 Rn. 38. 58 BT-Drs. 16/12011, S. 1. 59 BVerfGE 67, 157 (175); allgemein zu Zweck und Geeignetheit Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 20 Rn. 84. 60 Sachs, in: Sachs (Fn. 19), Art. 20 Rn. 152. - 14 - lung der Erforderlichkeit einen erheblichen Gestaltungsspielraum ein.61 Bezüglich der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn wird verlangt, dass der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts steht.62 Dafür sind Schwere, Intensität und Tragweite der Eigentumsbeeinträchtigung bedeutsam63, aber auch, inwiefern der Gesetzgeber durch Übergangslösungen möglichst schonend in Rechtspositionen eingreift64. Der Eingriff könnte – je nachdem, wie kostenintensiv die nachträgliche Einholung der Einwilligungen ist – für die betroffenen Unternehmen nicht unerheblich sein. Andererseits haben Unternehmen durch die Übergangsfrist ausreichend Zeit, um sich auf die dann geltende Rechtslage einzustellen.65 Hinzu kommt folgende Erwägung des Bundesverfassungsgerichts: „Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der vom Kläger ausgeübten Eigentümernutzung kann nicht hergeleitet werden, dass diese Befugnis nach ihrem Beginn für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben müsse oder nur im Wege der Enteignung wieder genommen werden dürfe. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes nicht vor der Alternative steht, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen.“66 Zum selben Ergebnis führt die Prüfung am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips. Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit, der wiederum unter bestimmten Voraussetzungen Vertrauensschutz gebieten kann. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere der Fall, wenn Gesetze rückwirkend in Rechtspositionen des Bürgers oder von Unternehmen eingreifen. Zu unterscheiden ist zwischen echter und unechter Rückwirkung. Bei der echten Rückwirkung wird in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen. Hier geht die überwiegende Auffassung davon aus, dass dies grundsätzlich unzulässig ist.67 Bei der unechten Rückwirkung wird in bereits begonnene, aber noch nicht vollständig abgeschlossene Vorgänge mit Wirkung allein für die Zukunft eingewirkt. Dies ist grundsätzlich zulässig.68 61 Sachs, in: Sachs (Fn. 19), Art. 20 Rn. 151, m. w. N. 62 Sachs, in: Sachs (Fn. 19), Art. 20 Rn. 154. 63 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 18), Art. 14 Rn. 40. 64 BVerfGE 58, 300 (351). 65 Für die Notwendigkeit dieser Frist auch der Bundesrat (Fn. 46), vgl. BT-Drs. 16/10529, S. 55. 66 BVerfGE 58, 300 (358 f.), Hervorhebungen durch die Verfasserin. 67 Sachs, in: Sachs (Fn. 19), Art. 20 Rn. 133, m. w. N. 68 Sachs, in: Sachs (Fn. 19), Art. 20 Rn. 136, m. w. N. - 15 - Hier handelt es sich um einen Fall der unechten Rückwirkung, weil als Vorgang in diesem Sinne die Verwendung der Daten nach Maßgabe der Einwilligung anzusehen ist. Diese Verwendung ist noch nicht abgeschlossen. Bezugspunkt ist nicht der Zeitpunkt der Einwilligung, weil Rechtsfolgen, die auf diesem Zeitpunkt abzielen (etwa durch eine nachträgliche Sanktion) nicht angeordnet worden sind. 3. Tatsächliche Erkenntnisse 3.1. Finanzielle Belastungen Welche finanziellen Folgen die nachträgliche erneute Einholung einer Einwilligung für die betroffenen Unternehmen hätte und welche Kosten pro Kunde entstünden, lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln.69 Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sieht keine gravierenden wirtschaftlichen Probleme für die betroffenen Unternehmen.70 Die geplante Übergangsfrist sei ausreichend, um Einwilligungen einzuholen. „Belastbare Daten “ zu den zu erwartenden Kosten für die betroffenen Unternehmen gebe es nicht; eine Prognose werde alleine schon durch die Vielfalt der Daten und Möglichkeiten der Einholung einer Einwilligung erschwert.71 Der Nationale Normenkontrollrat geht davon aus, dass die Informationspflichten zu einer jährlichen Belastung der Wirtschaft in Höhe von zirka 10,1 Millionen Euro führen .72 Dabei soll der Großteil der mit dem Entwurf entstehenden Bürokratiekosten (zirka 9,65 Millionen Euro) auf die Neufassung des § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG zurückzuführen sein. Diese dürfte in der Praxis dazu führen, dass bei denjenigen Rechtsgeschäften, bei denen der Kunde persönliche Daten angeben muss und der Verkäufer beabsichtigt, die Kundendaten zu Werbezwecke an Dritte weiterzugeben, der Kunde zukünftig gefragt werden muss, ob er mit der Weitergabe seiner Daten einverstanden ist.73 Das Bundesministerium des Innern ist von einer Fallzahl von 30 Millionen jährlich und einem Aufwand von einer Minute je Vorgang ausgegangen, so dass bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 19,30 Euro eine jährliche Belastung von 9,65 Millionen Euro entsteht.74 Der Normenkontrollrat hält die dargestellten Bürokratiekosten für plausibel. Von der Regelung am stärksten betroffen dürften Unternehmen im Massenge- 69 Literatur- und Internetrecherche; Recherche durch die Zentrale Auftragsannahmestelle (Hotline W). 70 Telefonat mit dem Leiter des Referats für Grundsatzangelegenheiten (Referat I) des Bundesdatenschutzbeauftragten vom 20. Februar 2009. 71 Vgl. Fn. 70. 72 BT-Drs. 16/12011, S. 3 f. und S. 37 f. 73 BT-Drs. 16/12011, S. 37 f. 74 BT-Drs. 16/12011, S. 37 f. - 16 - schäft sein, bei denen große Bestände an Kundendaten anfallen bzw. vorhanden sind. Insbesondere im Versandhandel und im Telekommunikationsbereich dürfte die Neuregelung daher dazu führen, dass die entsprechenden Bestellformulare um ein entsprechendes Einwilligungsfeld ergänzt werden. Der erforderliche Bearbeitungsaufwand sei mit einer Minute je Fall ausreichend bemessen.75 3.2. Schätzungen zu Rücklaufquoten Erhebungen oder Untersuchungen zur Frage der Rückmeldequote der Kunden gibt es nicht; nach Auskunft des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 76 gibt es dazu bisher keinerlei Erfahrungswerte. Aus seiner Sicht liegt der Erfolg einer Erlaubniseinholung ganz bei den Unternehmen. Es komme darauf an, wie seriös und transparent das Unternehmen dem Verbraucher gegenübertreten würde und welche Folgen eine Einwilligung in die Datennutzung für den Verbraucher hätte. Man könne zur Einwilligungsquote und dem zukünftigen Werbeverhalten der Verbraucher keine verlässlichen Prognosen machen, alle momentan dazu angegebenen Zahlen und Daten seien bloße Mutmaßungen.77 75 BT-Drs. 16/12011, S. 3 f. und S. 37 f. 76 Vgl. Fn. 70. 77 Vgl. Fn. 70.