Deutscher Bundestag Maßnahmen unterhalb des Parteiverbots gegen Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern Rechtsvergleichende Betrachtung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 057/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 2 Maßnahmen unterhalb des Parteiverbots gegen Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 057/13 Abschluss der Arbeit: 24. April 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 4 3. Frankreich 5 4. Großbritannien 5 5. Italien 6 6. Österreich 6 6.1. Gründung einer Partei 6 6.2. Das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung 8 6.3. Weitere Maßnahmen gegen Parteien, die rassistische Ideen vertreten 9 6.3.1. Strafrecht 9 6.3.2. Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 9 6.3.3. Verwaltungsstrafgesetz 10 7. Polen 11 8. Russland 11 9. Schweiz 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 4 1. Zusammenfassung Die Rechtslage in den untersuchten Ländern unterscheidet sich teilweise erheblich: Im Vereinigten Königreich und der Schweiz können sich politische Parteien frei gründen. Sanktionen gegen eine Partei oder ihre Handlungen sind unter keinen Umständen vorgesehen. Auch in Italien sind Sanktionen gegen eine Partei zwar nicht vorgesehen, die Verfassung normiert aber ein Verbot der Neugründung der Faschistischen Partei, wobei dies u.a. bei jeder Vereinigung angenommen wird, die rassistische Propaganda betreibt. Damit wird keine uneingeschränkte Freiheit bei der Parteigründung gewährt. In Frankreich, Österreich und Polen ist als einziges Mittel gegen Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern, ihr Verbot bzw. ihre Auflösung vorgesehen. Lediglich in Russland können einzelne Tätigkeiten und Vorhaben politischer Parteien untersagt werden. Ein allgemeines Verbot einer politischen Partei ist hingegen in Russland nicht vorgesehen. In allen angeführten Ländern sind strafrechtliche Maßnahmen gegen einzelne Parteimitglieder oder die Partei als solche, falls sie über Rechtspersönlichkeit verfügt, möglich. 2. Einleitung Die folgende Ausarbeitung gibt einen rechtsvergleichenden Überblick darüber, ob und, wenn ja, welche Maßnahmen gegen eine Partei ergriffen werden können, die „milder“ als ein Parteiverbot ausfallen. Es sollen mögliche Vorgehensweisen dargelegt werden, die gegen Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern, zulässig sind, ohne dass die Partei verboten wird. Die Arbeit ergänzt damit die Ausführungen in der Ausarbeitung „Parteiverbot und Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung“1 zum deutschen Rechtssystem. Die zusammengestellten Informationen basieren auf Abfragen über das Europäische Zentrum für parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation (EZPWD) der Parlamente folgender Staaten: Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Russland und der Schweiz.2 Diese Parlamente wurden konkret um eine Stellungnahme zu folgender Frage gebeten: Welche milderen Mittel als ein Parteiverbot kennt die jeweilige Rechtsordnung, um gegen eine Partei vorzugehen, weil sie rassistisches Gedankengut fördert? Bis auf Dänemark haben alle Parlamente Auskunft über ihre nationale Rechtslage erteilt. Antworten der Parlamente auf der Grundlage einer EZPWD-Abfrage liegen ausschließlich in englischer bzw. französischer Sprache vor, so dass eine Arbeitsübersetzung durch den Fachbereich WD 3 ins Deutsche erforderlich war. 1 , Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Parteiverbot und Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung, Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13. 2 EZPWD-Anfrage Nr. 2264 vom 26. März 2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 5 3. Frankreich Art. 4 der französischen Verfassung normiert den Status von politischen Parteien und deren grundsätzliche Freiheit, solange sie „die Grundsätze der Staatshoheit und der Demokratie respektieren“. Ruft eine Partei zum Gewalteinsatz auf oder verbreitet sie Hass und insbesondere Rassenhass, kann eine Auflösung erfolgen. Art. 212-1 des Gesetzes zur inneren Sicherheit normiert, dass alle Vereinigungen und tatsächliche Zusammenschlüsse durch Verordnung des Ministerrates aufzulösen sind, „die Diskriminierung, Hass oder Gewalt gegen Einzelne oder Personengruppen aufgrund ihrer Herkunft, Zugehörigkeit oder Ausschlusses aus einer bestimmten Ethnie, eines Volkes , einer Rasse oder einer Religion initiieren, sowie Gedankengut oder Theorien verbreiten, die diese Diskriminierung, Hass oder Gewalt zu rechtfertigen oder fördern beabsichtigen“.3 Damit ist, soweit eine Partei rassistisches Gedankengut fördert, allein ihre Auflösung vorgesehen. Die aus dem Jahre 1936 stammende Regelung kommt jedoch sehr selten zur Anwendung. Darüber hinaus können sowohl politische Parteien, die als Vereinigungen Rechtspersönlichkeit besitzen, als auch die Parteivorsitzenden als natürliche Personen gemäß den strafrechtlichen Regelungen bezüglich Diskriminierung und dem Gesetz vom 29. Juli 1881 über die Pressefreiheit wegen öffentlicher Beleidigungen belangt werden. 4. Großbritannien Nach geltendem Recht im Vereinigten Königreich gibt es weder ein Gesetz, das das Verbot politischer Parteien vorsieht, noch andere Regelungen, die eine Überprüfung von internen Strukturen politischer Parteien ermöglichen. Das Gesetz über politische Parteien, Wahlen und Volksentscheide 2000 (Political Parties, Elections and Referendums Act 2000) setzt die Registrierung von Parteien voraus, damit diese in Wahlen antreten können. Die Wahlkommission ist für die Registrierung zwar zuständig, sie überprüft zum Zwecke der Registrierung einer Partei jedoch nicht die Vereinbarkeit der Partei mit demokratischen Grundsätzen. Die Partei muss zu ihrer Registrierung lediglich ihre Vorstandsmitglieder angeben. Darüber hinaus werden Parteien gemäß dem Gesetz über politische Parteien, Wahlen und Volksentscheide verpflichtet, Auskunft über ihre Finanzierung zu erteilen. Kommen Parteien dieser Verpflichtung jedoch nicht nach, werden sie nicht etwa aus dem Parteienregister gelöscht. Der Partei kann lediglich eine Strafzahlung auferlegt werden, wenn sie eine nach dem Gesetz über politische Parteien, Wahlen und Volksentscheide strafbare Handlung begangen hat. Wahlkandidaten der Parteien können in so einem Fall für mehrere Jahre von den Wahlen ausgeschlossen werden.4 3 In seiner Ursprungsfassung war diese Regelung in Art. 1 Abs. 6 des Gesetzes vom 10. Januar 1936 über Kampf- und Milizgruppierungen enthalten und wurde durch Anordnung Nr. 2012-351 vom 12. März 2012 in das Gesetz zur inneren Sicherheit übergeführt. 4 Für weitere Einzelheiten zur Finanzierung von Parteien siehe: http://www.electoralcommission.org.uk/partyfinance /legislation (Stand: 11. April 2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 6 5. Italien Art. 49 der italienischen Verfassung5 verankert als Grundsatz das Recht aller Bürger, in freier Selbstbestimmung Parteien zu gründen, um auf demokratischem Wege an der nationalen Politik mitzuwirken. In Art. 18 bestimmt die Verfassung, dass alle Bürger das Recht haben, in freier Selbstbestimmung und ohne gesonderte Erlaubnis Vereinigungen zu gründen, die ihrem Zweck nach dem Strafrecht nicht widersprechen. Darüber hinausgehende gesetzliche Vorschriften über den Status von politischen Parteien und ihre Rolle in öffentlichen Institutionen wurden bislang nicht getroffen. Aus diesem Grunde existieren keine Regelungen bezüglich der Frage, welche Befugnisse eine politische Partei hat oder was sie zu unterlassen hat. Wie alle anderen nicht-öffentlichen Körperschaften sind politische Parteien von den Bestimmungen des Privatrechts erfasst. Die Verfassung schreibt neben den oben genannten jedoch noch folgende Grundsätze fest: Ausschluss aller Geheimorganisationen und privaten Vereinigungen auf paramilitärischer Basis (Art. 38) und Verbot der Neugründung der Faschistischen Partei (Anhang XII der Übergangsbestimmungen ). Das Gesetz Nr. 645 von 1952 konkretisiert das Verbot der Neugründung der Faschistischen Partei. Gemäß Art. 1 dieses Gesetzes „ist bereits dann von einer Neuformierung der aufgelösten Faschistischen Partei auszugehen, wenn eine Vereinigung, eine Bewegung oder eine Gruppe undemokratische Zwecke verfolgt, Gewalt als eine Methode des politischen Kampfes androht oder anwendet , die Einschränkung der Grundfreiheiten billigt, die Demokratie verunglimpft, rassistische Propaganda betreibt (…)“. Straftaten, die unter die Bestimmungen des Gesetzes 645/1952 fallen, werden mit Gefängnisstrafe – je nach dem Maß der Schuld – zwischen fünf und zehn Jahren bestraft. 6. Österreich 6.1. Gründung einer Partei Die Gründung politischer Parteien ist in Österreich im Parteiengesetz 2012 (PartG)6 geregelt. Gemäß § 1 Abs. 3 PartG ist die Gründung politischer Parteien frei, sofern bundesverfassungsgesetzlich 5 http://www.senato.it/documenti/repository/istituzione/costituzione_inglese.pdf (Stand 5. April 2013). 6 Abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =20007889 (Stand 11. April 2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 7 nichts anderes bestimmt ist. Ihre Tätigkeit darf keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden. Gemäß § 1 Abs. 4 PartG haben die politischen Parteien Satzungen zu beschließen, die sie beim Bundesministerium für Inneres zu hinterlegen haben. Mit der Hinterlegung der Satzung erlangt die politische Partei Rechtspersönlichkeit. Die Satzungen sind von den politischen Parteien in geeigneter Weise im Internet zu veröffentlichen. Die Satzung hat insbesondere Angaben zu enthalten über die: Organe der Partei und deren Vertretungsbefugnis, wobei jedenfalls ein Leitungsorgan, eine Mitgliederversammlung und ein Aufsichtsorgan vorgesehen sein müssen, Rechte und Pflichten der Mitglieder, Gliederung der Partei, Bestimmungen über die freiwillige Auflösung der politischen Partei. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ermächtigt das PartG den/die Bundesminister /in für Inneres nicht, die Hinterlegung einer Satzung zu verweigern. Auch keine andere Behörde kann die Gründung einer politischen Partei verbieten bzw. bescheidmäßig feststellen, dass etwa infolge des faschistischen Charakters einer Organisation, deren „Versuch“, sich als politische Partei zu konstituieren, „gescheitert“ ist, dass also die Rechtsfolge der Rechtspersönlichkeit als politische Partei nicht eingetreten ist. Wenn allerdings eine Satzung die aufgezählten Voraussetzungen (1.-4.) nicht erfüllt, erlangt die politische Partei durch die Veröffentlichung und Hinterlegung der Satzung beim Bundesministerium für Inneres keine Rechtspersönlichkeit.7 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgt daraus, dass alle Verwaltungsbehörden und alle Gerichte für Zwecke der bei ihnen anhängigen Verfahren selbständig zu beurteilen haben, ob die Behauptung einer dort auftretenden Personengruppe, als politische Partei Rechtspersönlichkeit zu besitzen, zutrifft oder nicht. In der Literatur wird daher vertreten, dass sowohl von Anfang an verfassungswidrige Parteien, als auch solche, die zuächst rechtmäßig bestehen, dann aber in verfassungswidrige Aktivitäten „abgleiten“, von einem „stillen Verbot“ (Nichterwerb bzw. Verlust der Rechtspersönlichkeit) betroffen sind.8 7 Vgl. etwa VfSlg. 9.648, 10.705, 11.258 und 11.761; Wieser, in: Korinek/Holoubek, Kommentar zum österreichischen Bundesverfassungsrecht, Band IV, Parteiengesetz (7), Fn. 50. 8 Wieser, in: Korinek/Holoubek, Kommentar zum österreichischen Bundesverfassungsrecht, Band IV, Parteiengesetz (7), Fn. 50. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 8 6.2. Das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung Nach dem im Verfassungsrang stehenden Staatsvertrag von Wien9 ist Österreich von Verfassungs wegen nicht nur zur Auflösung nationalsozialitischer Organisationen verpflichtet, sondern unter anderem auch dazu, die Bemühungen fortzusetzen, alle Spuren des Nationalsozialismus zu entfernen, um zu gewährleisten, dass nazionalsozialistische Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden, und um alle nationalsozialistische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern. Des Weiteren ist der österreichische Staat verpflichtet, alle faschistischen Organisationen sowie alle jene Organisationen, die gegenüber denVereinten Nationen eine feindliche Tätigkeit ausüben oder gegen die demokratischen Rechte der Bevölkerung handeln, aufzulösen. Durch das Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (VerbotsG)10 wurden die NSDAP und ihre Gliederungen und Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen aufgehoben; in § 3 VerbotsG wurde ein allgemeines Wiederbetätigungsverbot normiert: „Es ist jedermann untersagt, sich, sei es auch außerhalb dieser Organisationen, für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen.“ Des Weiteren enthält das Gesetz Bestimmungen über die Registrierung von Nationalsozialisten, Strafbestimmungen sowie Bestimmungen über sonstige gegenüber Nationalsozialisten eintretende Rechtsfolgen. Gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist § 3 VerbotsG auch dann anwendbar, wenn das für die Behörde maßgebliche Gesetz seine Beachtung nicht ausdrücklich vorschreibt. Als allgemeine Generalklausel steht dieses Verbot neben und über allen Einzelvorschriften.11 Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgerichtshof Parteien, die neonazistisches Gedankengut verbreiten, als durch das Parteiengesetz verboten ansieht. Die Begriffsmerkmale des neonazistischen Gedankengutes gewinnt er aus einer Gesamtschau aller einschlägigen Bestimmungen. Weitere Verbotstatbestände sind etwa das im Verfassungsrang stehende Anschlussverbot des Art. 4 Z 2 Staatsvertrag von Wien sowie die Verpflichtung aus Art. 9 Z 2 Staatsvertrag von Wien auch nichtfaschistische Organisationen aufzulösen, die eine den Vereinten Nationen feindliche Tätigkeit entfalten oder die die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte berauben wollen. 9 Abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =10000265 (Stand 11. April 2013). 10 StGBl. 13/1945 idF des BVG vom 6. Februar 1947 über die Behandlung der Nationalsozialisten (NS-G, BGBl. 25/1947), abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =10000207 (Stand 11. April 2013). 11 VfSlg. 10.705, 11.258 und 11.761. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 9 6.3. Weitere Maßnahmen gegen Parteien, die rassistische Ideen vertreten 6.3.1. Strafrecht Zentrale Bestimmung des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB) im Zusammenhang mit der Verbreitung rassisitischer Ideen ist der Tatbestand der Verhetzung: § 283. (1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, oder wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine in Abs. 1 bezeichnete Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht. Allerdings gelten die Bestimmungen des StGB grundsätzlich nur für natürliche Personen. Einzelne Mitglieder einer politischen Partei, die rassistische Äußerungen machen bzw. Taten begehen, können nach dieser Bestimmung strafrechtlich belangt werden. Darüber hinaus kommt die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer politischen Partei als juristische Person nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz12 in Betracht. Rechtsprechung hierzu liegt jedoch noch nicht vor. 6.3.2. Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 Nach Art. III Abs. 1 Z 3 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (EGVG) ist von der Bezirksverwaltungsbehörde (wenn die Tat nicht nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist) wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu € 1.090,- zu bestrafen, wer einen anderen aus dem Grund der Rasse, der Hautfarbe , der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung diskriminiert oder ihn hindert, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind. Auch diese Bestimmung bezieht sich grundsätzlich nur auf natürliche Personen. 12 Abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =20004425 (Stand 11. April 2013); für detaillierte Ausführungen zu diesen Regelungen siehe Hilf/Zeder, VbVG, in: Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage 2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 10 6.3.3. Verwaltungsstrafgesetz Das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) regelt die Verwantwortlichkeit juristischer Personen in § 9:13 (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. (2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. (3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen. (4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind. (5) Verletzt der verantwortliche Beauftragte auf Grund einer besonderen Weisung des Auftraggebers eine Verwaltungsvorschrift, so ist er dann nicht verantwortlich, wenn er glaubhaft zu machen vermag, dass ihm die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift unzumutbar war. (6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten – unbeschadet der Fälle des § 7 – strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben. (7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand. 13 Für detaillierte Ausführungen zu dieser Bestimmung siehe Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz , 2010, S. 207 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 11 7. Polen Als Maßnahme gegen eine politische Partei, die rassistische Ansichten verbreitet, ist es allein zulässig, sie für verfassungswidrig zu erklären. Gemäß Art. 13 der Verfassung der Republik Polen sind solche Parteien und andere Organisationen verboten, „die sich in ihren Programmen auf die totalitären Methoden und Praktiken des Nationalsozialismus, Faschismus und Kommunismus berufen. Verboten sind zudem solche Parteien, deren Programm oder Tätigkeit Rassen- oder Nationalitätenhass verbreiten, Gewalt zum Zweck der Machtübernahme oder Einflussausübung auf die Staatspolitik als legitim erachten oder das Verheimlichen von Parteistrukturen oder Parteimitgliedschaften vorsehen.“ Zur Feststellung der Verfassungsmäßigkeit von Zielen oder Aktivitäten politischer Parteien ist das Verfassungsgericht gemäß Art. 188 Nr. 4 der polnischen Verfassung befugt. Stellt das Verfassungsgericht fest, dass eine Partei darauf abzielt, rassistisches Gedankengut zu fördern, wird die Partei aus dem Verzeichnis über die politischen Parteien gelöscht. Die Verwaltung dieses Verzeichnisses fällt gemäß Art. 44 § 1 des Gesetzes vom 27. Juni 1997 über die politischen Parteien14 in den Zuständigkeitsbereich des Regionalgerichts Warschau. 8. Russland Regelungen über die Gründung, Tätigkeiten und Auflösung von Parteien sind im Bundesgesetz Nr. 95-FZ vom 7. Juli 2001 über politische Parteien getroffen. Darin ist normiert, dass die Gründung von Parteien auf Grundlage einer Berufs-, Rassen-, ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit verboten ist. Darüber hinaus sind bei Ausübung von extremistischen Tätigkeiten folgende Maßnahmen gegen alle öffentlichen Organe, worunter auch politische Parteien fallen, vorgesehen: Verwarnung mit dem Inhalt, dass extremistische Tätigkeiten verboten sind (durch den Staatsanwalt); Anzeige des Verbots extremistischer Tätigkeiten (durch den Staatsanwalt); Untersagung der Tätigkeit (durch den Staatsanwalt, unter Gerichtsvorbehalt). Unter extremistische Tätigkeiten fallen gemäß dem Bundesgesetz Nr. 114-FZ vom 25. Juli 2002 über Maßnahmen gegen extremistische Tätigkeiten: Verbreitung von Sozial-, Rassen-, ethnischem oder religiösen Hass; Propaganda über die Überlegenheit bestimmter Rassen, Ethnien, sozialer oder religiöser Zugehörigkeiten oder Sprachen; 14 Konsolidierte Fassung im Amtsblatt des Jahres 2011 Nr. 155, Meldung 924 mit weiteren Änderungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 057/13 Seite 12 Verletzung von Menschen- oder Bürgerrechten und Freiheiten aufgrund von Rassen-, ethnischer , sozialer, sprachlicher oder religiöser Zugehörigkeit; Begehen von Straftaten aufgrund von politischem, ideologischem, Rassen- oder ethnischem Hass und Hass gegen jede soziale Gruppierung. 9. Schweiz In der Schweiz sind im Zusammenhang mit der Verbreitung von rassistischem Gedankengut keine Sanktionen speziell für politische Parteien vorgesehen. Im schweizerischen Recht existieren kein besonderes Parteiengesetz sowie nur wenige spezifische Regelungen zu den Parteien. Eine staatliche Parteienfinanzierung ist nicht vorgesehen. Verstoßen jedoch Vertreter von Parteien gegen den Straftatbestand der Rassendiskriminierung,15 werden sie als Einzelpersonen zur Rechenschaft gezogen, auch wenn sie im Namen einer Partei auftreten.16 15 Schweizerisches Strafgesetzbuch Art. 261bis: Rassendiskriminierung, http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a261 bis.html (Stand: 5. April 2013). 16 Fallbeispiele: http://www.ekr.admin.ch/dienstleistungen/00169/00273/index.html?webgrab_path=aHR0cDovL3d3dy5lZGktZWtyLm FkbWluLmNoL3BocC94ZGV0YWlscy5waHA%2FaWQ9MjAwOS0yMQ%3D%3D&lang=de (Stand: 5. April 2013); http://www.ekr.admin.ch/dienstleistungen/00169/00273/index.html?webgrab_path=aHR0cDovL3d3dy5lZGktZWtyLm FkbWluLmNoL3BocC94ZGV0YWlscy5waHA%2FaWQ9MjAwOS0yMQ%3D%3D&lang=de (Stand: 5. April 2013).