© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 056/21 Beobachtung durch den Verfassungsschutz Auswirkungen auf die waffenrechtliche Erlaubnis Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 2 Beobachtung durch den Verfassungsschutz Auswirkungen auf die waffenrechtliche Erlaubnis Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 056/21 Abschluss der Arbeit: 30. März 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Waffenrechtliche Erlaubnisse 4 3. Die Zuverlässigkeitsprüfung nach § 5 WaffG 4 3.1. Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 5 3.1.1. Verfassungs- und friedensfeindliche Bestrebungen 6 3.1.2. Individuelles Handeln oder Mitgliedschaft 6 3.2. Zuverlässigkeitsüberprüfung: Abfrage bei den Verfassungsschutzbehörden 7 3.3. Widerlegung der Regelvermutung 9 4. Auswirkungen auf die waffenrechtlichen Erlaubnisse 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wurde, welche rechtlichen Auswirkungen die Einstufung einer Partei oder eines Vereins als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat, wenn deren Mitglieder Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis sind oder eine solche beantragen wollen. 2. Waffenrechtliche Erlaubnisse Nach § 2 Abs. 2 Waffengesetz (WaffG)1 bedarf der Umgang mit Waffen und Munition, die in der Anlage 2 (Waffenliste), Abschnitt 2 zum WaffG genannt sind, der Erlaubnis. Diese waffenrechtlichen Erlaubnisse unterscheiden sich in Waffenschein (§ 10 Abs. 4 WaffG), kleiner Waffenschein (§ 10 Abs. 4 WaffG), Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), Munitionserwerbschein (§ 10 Abs. 3 WaffG), Jagdschein (§ 13 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 15 Abs. 1 Bundesjagdgesetz2) oder Waffenhandelserlaubnis (§ 21 Abs. 1 WaffG). Die allgemeinen Voraussetzungen für eine waffenrechtliche Erlaubnis sind in § 4 Abs. 1 WaffG zusammengefasst. Danach erfordert jede waffenrechtliche Erlaubnis grundsätzlich die Volljährigkeit (Nr. 1), die erforderliche Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung (Nr. 2), die erforderliche Sachkunde (Nr. 3), und ein Bedürfnis des Antragstellers (Nr. 4) sowie bei der Beantragung eines Waffenscheins oder einer Schießerlaubnis den Nachweis einer Haftpflichtversicherung (Nr. 5). Die Einstufung einer Partei oder eines Vereins als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz könnte hierbei insbesondere Auswirkungen auf die erforderliche Zuverlässigkeit im Rahmen des § 4 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 5 WaffG haben. 3. Die Zuverlässigkeitsprüfung nach § 5 WaffG Die Zuverlässigkeitsprüfung nach § 5 WaffG dient dazu, „die Rechtsordnung vor Beeinträchtigungen durch leichtfertigen oder missbräuchlichen Umgang mit der Waffe durch den Erlaubnisinhaber zu schützen“.3 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll nur solchen Personen der Umgang mit Waffen ermöglicht werden, bei denen keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie die Waffen widerrechtlich verwenden könnten.4 Verhindert werden soll nicht nur die Begehung von Straftaten, sondern insgesamt ein unsachgemäßer Umgang mit Waffen, etwa durch mangelhafte Verwahrung oder durch Überlassung an unbefugte Personen (siehe § 5 Abs. 1 Nr. 2 b und c WaffG). Im Grundsatz ist von der Zuverlässigkeit des Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller wird als unzuverlässig qualifiziert, wenn er einen der Unzuverlässigkeitstatbestände des § 5 WaffG erfüllt.5 1 Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Artikel 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 2 Bundesjagdgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849), zuletzt geändert durch Artikel 291 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 3 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. 4 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. 5 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 5 Dabei ist zwischen der absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 WaffG und der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG zu differenzieren.6 Trifft den Antragsteller eine Verfehlung nach Abs. 1 – etwa eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens –, wird seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit unwiderleglich vermutet. Der Behörde steht dabei kein Ermessen zu.7 Liegt hingegen eine Verfehlung nach Abs. 2 vor, ist nur in der Regel von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen.8 Die Prüfung der Behörde beschränkt sich in diesem Fall darauf, ob Tatsachen des Einzelfalls geeignet sind, die Regelvermutung zu entkräften (siehe dazu unter 3.3.).9 Bei der Beurteilung stellt die Waffenbehörde eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit zukünftigen ordnungsgemäßen Verhaltens auf.10 Die Behörde darf in diesem Rahmen ein Fehlverhalten aus der Vergangenheit als Indiz für eine zukünftige Unzuverlässigkeit werten.11 Aufgrund des präventiven Charakters der Norm ist es ausreichend, dass die Behörde ein zukünftiges Fehlverhalten für hinreichend wahrscheinlich erachtet.12 Im Folgenden wird näher auf die Tatbestandsvarianten der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG eingegangen. 3.1. Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG besitzen Personen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren13 a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, bb) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder cc) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder aber 6 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1; König/Papsthart, in: dieselben, WaffG, 2. Auflage 2012, § 5 Rn. 5 f. 7 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 2. 8 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1; König/Papsthart, in: dieselben, WaffG, 2. Auflage 2012, § 5 Rn. 9. 9 Eifel, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, in: Jus 2004, 565 (567). 10 Eifel, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, in: Jus 2004, 565 (570). 11 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. 12 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. Oktober 2013, 21 CS 13.1564, juris Rn. 10 m.w.N. 13 Hervorhebungen nur hier. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 6 b) in diesem Zeitraum Mitglied in einer Vereinigung war, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt haben, oder c) eine solche Vereinigung unterstützt haben. 3.1.1. Verfassungs- und friedensfeindliche Bestrebungen Tatbestandsmäßig sind zum einen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Diese sind gleichzusetzen mit Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 4 Abs. 1 lit. c BVerfSchG. Aus § 92 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB)14 ergeben sich diejenigen Verfassungsgrundsätze , die unmittelbarer Ausdruck der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind. Verfassungsfeindliche Bestrebungen sind solche, die darauf gerichtet sind, die elementaren Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.15 Zur Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG führt ferner die Verfolgung von Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker. Diese Begriffe finden sich auch in § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG, Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 26 Abs. 1 GG. Zur Erfüllung des Tatbestands muss das vorwerfbare Verhalten darauf abzielen, in aggressiv-kämpferischer Weise den Frieden zwischen den Völkern zu stören.16 Allein die Kritik an fremden Staaten oder das Ablehnen von Kontakten der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten genügen nicht. Der Tatbestand ist beispielsweise erfüllt bei einem Aufruf zum Führen eines Angriffskrieges oder zur Bekämpfung des „Weltjudentums“ sowie bei Straftaten nach den §§ 102 und 104 StGB. Eine weitere Tatbestandsvariante nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist die Gefährdung der auswärtigen Belange der Bundesrepublik durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen . 3.1.2. Individuelles Handeln oder Mitgliedschaft § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfordert entweder eine individuelle Verfolgung der soeben aufgeführten Bestrebungen oder eine Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder die Unterstützung einer solchen Vereinigung. Für die Waffenbehörde ist es für die Bejahung der Unzuverlässigkeit ausreichend, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme der Verfolgung der Bestrebungen begründen.17 Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist zuständig für die Ermittlung dieser tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung.18 Vor der Verschärfung des § 5 WaffG durch das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz von 2020 war für die Annahme eines „Verfolgens“ von Bestrebungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG eine aktive 14 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. März 2021 (BGBl. I S. 333). 15 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 48. 16 Vgl. Bauer, in: Dreier, GG, 3. Auflage 2013, Art. 9 Rn. 58; siehe dort auch zum Folgenden. 17 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 29. 18 Heller/Soschinka/Rabe, in: Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Auflage 2020, Kap. 5, Rn. 770a. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 7 Beteiligung notwendig.19 Im Gegensatz dazu wurde nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG eine Regelunzuverlässigkeit bereits im Falle der bloßen Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei oder Vereinigung bejaht. Diese hatte zur Folge, dass früher die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber noch nicht verbotenen Vereinigung nicht zur Regelunzuverlässigkeit führte, wenn dem Betroffenen keine dortige Aktivität nachgewiesen werden konnte. Mit der Neufassung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG wurde diese Regelungslücke geschlossen, indem auch die reine Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung als Tatbestandsvariante aufgenommen wurde. Nach der Wertung des Gesetzgebers schließt die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung typischerweise eine Zustimmung zu deren Zielen ein und bringt damit die eigene Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck.20 3.2. Zuverlässigkeitsüberprüfung: Abfrage bei den Verfassungsschutzbehörden Nach § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG muss zur Prüfung der Zuverlässigkeit unter anderem eine Regelanfrage bei der zuständigen Landesverfassungsschutzbehörde erfolgen. Gemäß § 3 Abs. 1 BVerfSchG ist Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Gedanken der Völkerverständigung und andere Schutzgüter (sog. Beobachtung)21. Voraussetzung für die Beobachtung ist nach § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG das „Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“ für solche Bestrebungen. Für die Beurteilung der Frage, ob solche Anhaltspunkte bestehen, müssen notwendigerweise im Vorfeld Informationen gesammelt werden, wobei nur öffentliche Quellen genutzt werden können.22 Das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnet diese Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen in drei Kategorien ein. Zunächst wird eine Partei oder ein Verein behördenintern als Prüffall eingestuft.23 In dieser Phase wird die Vereinigung danach überprüft, ob genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung vorliegen. Zu diesem Zweck darf das Bundesamt für Verfassungsschutz lediglich Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen sammeln und auswerten, beispielsweise aus Zeitungsartikeln, öffentlichen Äußerungen der beteiligten Personen oder dem Parteiprogramm. Ergeben sich aus dieser Beobachtung tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung, wird eine Partei oder ein Verein als Verdachtsfall eingestuft.24 Ab dem Zeitpunkt der Einstufung als Verdachtsfall kann das Bundesamt für Verfassungsschutz die 19 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 29. 20 BT-Drs. 19/15875, S. 36. 21 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 87. 22 Siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes: „Prüffälle“, WD 3 - 3000 - 025/19, S. 3, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/594482/3bb972c9b730fbfde747b37117f0d813/WD-3-025-19-pdf-data.pdf. 23 Fn. 22, S. 3. 24 So z.B. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2019, S. 53, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb-2019-gesamt.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 8 jeweilige Gruppierung beobachten und somit nachrichtendienstliche Mittel einsetzen.25 Führt die weitere Beobachtung des Personenzusammenschlusses nach Ansicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz dazu, dass keine Zweifel mehr am Vorliegen extremistischer Bestrebungen vorliegen , wird eine Partei oder ein Verein als gesicherte extremistische Bestrebung (Beobachtungsfall) eingestuft.26 Nach dem neuen § 5 Abs. 2 Nr. 3b WaffG würde bereits die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit begründen.27 Inwieweit die durch die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ermittelten tatsächlichen Anhaltspunkte und die daraus resultierende Einstufung einer Partei als „Verdachtsfall“ Auswirkungen auf die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse der Parteimitglieder hat, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Dies liegt zum einen an der Tatsache, dass es sich bei § 5 Abs. 2 Nr. 3b WaffG um eine Neuregelung handelt und bisher keine Erkenntnisse in Rechtsprechung und Literatur dazu bestehen, welcher Grad der Einstufung durch den Verfassungsschutz notwendig ist, um den Tatbestand der waffenrechtlichen Norm im Falle der Mitgliedschaft in einer Partei zu bejahen. Die Gesetzesbegründung gibt nur den Hinweis, dass jedenfalls „Parteien, bei denen das Bundesverfassungsgericht im Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes festgestellt hat, dass sie auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielende Bestrebungen verfolgen, deren Verbot mangels Anhaltspunkten, die die Zielerreichung zumindest möglich erscheinen lassen, jedoch nicht ausgesprochen wurde“, unter die Regelung fallen.28 Zum anderen handelt es sich bei der Prüfung der Waffenbehörde um eine eigenständige Einzelfallprüfung hinsichtlich der Gefahrenprognose. Die Waffenbehörde erkundigt sich in diesem Rahmen nach § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG bei den Verfassungsschutzbehörden nur danach, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können. Bei ihrer eigenen Prüfung dürfte die Waffenbehörde auch zu einer anderen Einschätzung als die Verfassungsschutzbehörden kommen können. Es steht außerdem grundsätzlich im Ermessen der Verfassungsschutzbehörden, welche Daten sie an die Waffenbehörde übermitteln.29 Dabei sind unter anderem die Interessen der Allgemeinheit, die nachrichtendienstlichen Geheimhaltungsinteressen und die Interessen des Betroffenen abzuwägen . 25 Landesamt für Verfassungsschutz Bremen, Glossar der Verfassungsschutzbehörden, https://www.verfassungsschutz .bremen.de/detail.php?gsid=bremen77.c.2076.de&template=20_glossar_d&lang=de&begriff=V; AfD zum Verdachtsfall erklärt: Unter Beobachtung – was heißt das?, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/faqafd -101.html (online zuletzt abgerufen am 26.03.2021). 26 Die AfD und der Verdachtsfall, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/verfassungsschutz-die-afd-undder -verdachtsfall.2897.de.html?dram:article_id=491495 (online zuletzt abgerufen am 26.03.2021). 27 Heller/Soschinka/Rabe, in: Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Auflage 2020, Kap. 5, Rn. 770a. 28 BT-Drs. 19/15875, S. 36. Dies bezieht sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu NPD, BVerfGE 144, 20. 29 Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 19 BVerfSchG Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 9 3.3. Widerlegung der Regelvermutung Ist der Tatbestand von § 5 Abs. 2 WaffG erfüllt, so muss geprüft werden, ob im Einzelfall atypische Umstände vorliegen, die die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit entkräften.30 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt ein Abweichen von der Regelvermutung nur dann in Betracht, wenn die konkreten Umstände die Verfehlung des Antragstellers „ausnahmsweise in einem derartig milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Verfehlung begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind“.31 Nicht ausreichend sind eine strafrechtliche Unbescholtenheit oder ein langjähriger beanstandungsfreier Waffenbesitz, da diese zu den Grundvoraussetzungen des WaffG zählen.32 Wurde der Tatbestand von § 5 Abs. 2 WaffG im Rahmen der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung erfüllt, so ist eine eindeutige Abkehr bzw. Distanzierung erforderlich.33 Nicht genügend ist der alleinige Austritt aus der Vereinigung, da dieser nicht unbedingt mit einer Loslösung von den durch die Vereinigung verfolgten Zielen verbunden ist.34 4. Auswirkungen auf die waffenrechtlichen Erlaubnisse Ein Bejahen der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit durch die Waffenbehörde hat Auswirkungen sowohl auf die Beantragung als auch auf eine Verlängerung einer Waffenerlaubnis . Wird die Regelvermutung durch den Antragsteller nicht widerlegt, liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WaffG nicht vor und die waffenrechtliche Erlaubnis ist zu versagen; die Behörde hat kein Ermessen.35 Zudem hat gemäß § 4 Abs. 3 WaffG die zuständige Behörde die Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch nach Ablauf von drei Jahren, erneut auf ihre Zuverlässigkeit und ihre persönliche Eignung zu prüfen. Der Zeitraum wurde von fünf auf drei Jahre verkürzt, um rechtzeitig auf waffenrechtlich relevante Entwicklungen beim einzelnen Waffenbesitzer reagieren zu können.36 Auch in diesem Fall müsste die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit durch den Erlaubnisinhaber widerlegt werden, damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfüllt sind und die waffenrechtliche Erlaubnis nicht durch die zuständige Behörde gemäß § 45 Abs. 2 WaffG widerrufen werden kann. Dies gilt auch, wenn die für die Auskunft zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WaffG bedeutsame Erkenntnisse erlangt und der zuständigen Behörde unverzüglich mitteilt (Nachbericht), § 5 Abs. 5 S. 3 WaffG. 30 BVerwG, Urteil vom 19.6.2019, 6 C 9.18, LKV 2019, 458 (464). 31 Roth, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Reichsbürgern, in: NVwZ 2018, 1772 (1773) m.w.N. 32 Spitzlei/Hautkappe, Individuelle waffenrechtliche Unzuverlässigkeit infolge der Zugehörigkeit zu einem Kollektiv?, in: DÖV 2018, 973 (979); VGH Kassel, Urteil vom 12.10.2017, 4 A 626/17, NVwZ 2018, 1813 (1816) m.w.N. 33 Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12.10.2017, 4 A 626/17, NVwZ 2018, 1813 (1816) m.w.N. 34 Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12.10.2017, 4 A 626/17, NVwZ 2018, 1813 (1816 f.). 35 Heller/Soschinka/Rabe, in: Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Auflage 2020, Kap. 5, Rn. 731. 36 BT-Drs. 14/7758, S. 53. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 056/21 Seite 10 Darüber hinaus kann die zuständige Behörde aufgrund einer fehlenden Zuverlässigkeit weitere Anordnungen treffen. Hierbei sind beispielsweise das Verbot, erlaubnispflichtige Waffen und Munition zu besitzen (§ 41 Abs. 2 WaffG), das Verbot, erlaubnisfreie Schusswaffen oder Munition zu besitzen (§ 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG), die Verpflichtung, die Waffen unbrauchbar zu machen oder an einen Berechtigten abzugeben (§ 46 Abs. 2 S. 1 WaffG) oder die Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis (§ 46 Abs. 1 S. 1 WaffG) zu nennen. ***