© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 056/17 Informationsrechte bei der Zulassung von Windenergieanlagen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 056/17 Seite 2 Informationsrechte bei der Zulassung von Windenergieanlagen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 056/17 Abschluss der Arbeit: 3. März 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 056/17 Seite 3 1. Einleitung Gefragt wird, ob ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages Auskunft über die Einzelheiten des Verwaltungshandelns bei der Zulassung von Windenenergieanlagen in Hessen (das nicht über ein Landes-Informationsfreiheitsgesetz verfügt) verlangen kann. Ferner wird gefragt, ob sich ein möglicher Informationsanspruch auch auf Unterlagen und Daten erstreckt, die im Verfahren zur Zulassung der Windenergieanlagen von Ingenieurbüros oder Sachverständigen ausgearbeitet und übermittelt wurden. Ebenfalls soll auf die Zugänglichkeit von internen Aktenvermerken eingegangen werden, die in diesem Zusammenhang erstellt wurden. Im Folgenden wird geprüft, ob sich ein derartiger Informationsanspruch aus dem allgemeinen parlamentarischen Frage- und Informationsrecht, dem allgemeinen Informationsfreiheitsrecht oder dem Umweltinformationsrecht ergibt. 2. Allgemeines parlamentarisches Frage- und Informationsrecht Den Mitgliedern des Bundestages steht ein allgemeines Frage- und Informationsrecht gegenüber der Bundesregierung zu, das unmittelbar aus den verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Rechtsstellung der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 GG folgt.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann das Frage- und Auskunftsrecht des Bundestages und seiner Mitglieder sich nur auf Umstände beziehen, die nach der Verteilung der Zuständigkeiten in den Verantwortungsbereich des Bundes fallen.2 Im vorliegenden Fall geht es um Einzelheiten des Verwaltungshandelns bei der Zulassung von Windenergieanlagen in konkreten Fällen. Die Entscheidung über die Zulassung von konkreten Anlagen ergeht dabei auf Landes- und nicht auf Bundesebene. Mangels eines Vorganges im Verantwortungsbereich des Bundes steht den Mitgliedern des Bundestages damit kein Anspruch auf Informationen über das Verwaltungshandeln bei der Zulassung der Windenergieanlagen zu. 3. Informationsfreiheitsgesetz des Bundes Ein Anspruch auf Informationen über das Verwaltungshandeln bei der Zulassung von Windenergieanlagen in Hessen kann auch nicht auf den allgemeinen Informationszugangsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes gestützt werden. Der Zugang zu amtlichen Informationen , die bei Landesbehörden vorhanden sind, richtet sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Landesrecht. Nicht relevant für die Abgrenzung zwischen Bundes- und Landes-Informationsfreiheitsgesetz ist, ob das Verwaltungshandeln, über das Auskunft begehrt wird, einen Vollzug von Bundes- oder Landesrecht darstellt. Der Verweis auf das Landesrecht greift auch hinsichtlich derjenigen Länder, die nicht über ein Landes-Informationsfreiheitsgesetz verfügen. Es findet insoweit keine Extension des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes statt.3 1 Vertiefend hierzu Butzer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Stand der Kommentierung: 31. Edition – Dezember 2016, Art. 38 Rn. 112 ff. 2 Siehe BVerfGE 139, 194 (227). 3 So auch VG München, Urteil vom 5. September 2013 – M 17 K 12.4719, BeckRS 2013, 56534. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 056/17 Seite 4 Solange es in Hessen also kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz gibt, kann sich ein allgemeiner Informationszugangsanspruch nur aus dem ungeschriebenen, von der Rechtsprechung entwickelten Anspruch auf ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung über das Zugangsbegehren ergeben .4 Dieses Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Zugangsbegehren wird jedoch nur dann anerkannt, wenn der Antragsteller im Einzelfall ein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Informationsinteresse gegenüber der Behörde darlegen kann.5 Im vorliegenden Fall könnte zweifelhaft sein, ob der Antragsteller sein Informationsinteresse nicht auf andere Weise, nämlich nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz (hierzu sogleich unter 4.), befriedigen kann. 4. Hessisches Umweltinformationsgesetz Für den Bereich der Umweltinformationen existieren bereichsspezifische Regelungen in den Umweltinformationsgesetzen von Bund und Ländern. Wie bei den allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen erfolgt die Abgrenzung zwischen Bundes- und Landesrecht grundsätzlich danach, ob die Behörde, von der die Informationen begehrt werden, eine des Bundes oder eines Landes ist. Im vorliegenden Fall sind damit die Regelungen des Hessischen Umweltinformationsgesetzes maßgeblich (HUIG). Als Anspruchsgrundlage für die hier begehrten Informationen kommt § 3 Abs. 1 HUIG in Betracht . Danach hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 HUIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Informationspflichtige Stellen sind dabei gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HUIG unter anderem die Behörden des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände. Gegenstand und Reichweite des Informationsanspruchs nach dem HUIG werden insbesondere durch § 2 Abs. 3 HUIG bestimmt, der den Begriff der Umweltinformationen definiert. Der Begriff erfasst danach insbesondere Daten – über den Zustand von Umweltbestandteilen, – über Faktoren, die sich auf Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken, – über Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Umweltbezug, – aus wirtschaftlichen Analysen, die zur Vorbereitung oder Durchführung der oben genannten Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Umweltbezug verwendet werden, sowie – über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschens sowie Kulturstätten und Bauwerke. 4 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, Einl Rn. 221. Siehe zum diesem ungeschriebenen Anspruch insbesondere BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 – KVR 55/14, NJW 2015, S. 3648 ff. 5 Siehe BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 – KVR 55/14, NJW 2015, S. 3648 (3649), m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 056/17 Seite 5 Ob Umweltinformationen im Sinne des HUIG vorliegen, ist stets eine Frage des konkreten Einzelfalls . Grundsätzlich lässt sich jedoch Folgendes festhalten: Mit dem Begriffspaar der Tätigkeiten und Maßnahmen mit Umweltbezug sollen umfassend alle die Umwelt beeinträchtigenden menschlichen Aktivitäten erfasst werden.6 Nach der Rechtsprechung sind die Begriffe weit auszulegen. Maßnahmen sind insbesondere alle Entscheidungen von Behörden in Form von Bescheiden, durch die im Einzelfall Rechtsvorschriften umgesetzt werden sollen, zum Beispiel Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Der Informationsanspruch nach dem HUIG erstreckt sich dabei grundsätzlich auch auf Informationen , die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens von privaten Dritten (beispielsweise von Ingenieurbüros oder Sachverständigen) übermittelt wurden sowie auf Behördenvermerke, die auf solche Informationen Bezug nehmen.7 Für die Frage der Bestimmung des Anspruchsgegenstandes ist entscheidend, dass die informationspflichtige Stelle über die begehrten Informationen „verfügt“ (§ 3 Abs. 1 HUIG). Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 HUIG verfügt eine informationspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Es muss sich nicht um eigene, das heißt von der Stelle selbst erstellte Informationen handeln.8 Aus dem Umstand, dass auch Informationen, die von privaten Dritten im Verwaltungsverfahren übermittelt wurden, grundsätzlich vom Informationszugangsanspruch nach dem HUIG erfasst werden, folgt jedoch nicht, dass im konkreten Einzelfall auch stets Zugang zu diesen Informationen gewährt wird. Die informationspflichtige Stelle hat nämlich im konkreten Fall zu prüfen, ob die Ausnahmetatbestände zum Schutz öffentlicher Belange (§ 7 HUIG) oder die zum Schutz der Rechte Dritter (§ 8 HUIG) der Gewährung des Informationszugangs entgegenstehen. Von Bedeutung für die vorliegende Frage der Zugänglichkeit von Gutachten Dritter kann insbesondere der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HUIG sein. Nach diesem ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, verletzt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Die Einzelheiten des Verhältnisses zwischen Urheberrechten auf der einen Seite und dem Informationsfreiheitsrecht auf der anderen Seite sind sehr umstritten.9 Maßgeblich für die Entscheidung über die Zugangsgewährung nach dem HUIG im konkreten Einzelfall sind dabei unter anderem der Inhalt des betroffenen Gutachtens, die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Gutachter und der informationspflichtigen Stelle, die Art und Weise des begehrten Informationszugangs sowie die Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe . Jedenfalls kann eine informationspflichtige Stelle nicht pauschal unter Verweis auf 6 Siehe zur wortlautidentischen Bundesregelung Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Stand: 81. EL – September 2016 (Kommentierung: 58. EL – März 2010), § 2 UIG Rn. 43, dort zum Folgenden. 7 Vgl. zur wortlautidentischen Bundesregelung Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Stand: 81. EL – September 2016 (Kommentierung: 58. EL – März 2010), § 9 UIG Rn. 17. 8 Zur wortlautidentischen Bundesregelung Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Stand: 81. EL – September 2016 (Kommentierung: 58. EL – März 2010), § 2 UIG Rn. 53. 9 Siehe zur Diskussion im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 27 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 056/17 Seite 6 das Urheberrecht den Zugang zu Informationen verweigern, die von Dritten übermittelt werden. Erforderlich ist insoweit eine Prüfung der Ausnahmetatbestände durch die informationspflichtige Stelle im Einzelfall. Wird der Antrag auf Informationszugang ganz oder teilweise verweigert, sind dem Antragsteller zudem gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 HUIG die Gründe für die Ablehnung mitzuteilen. ***