© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 – 054/19 Besuchsrechte von Bundestagsabgeordneten in Haftanstalten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 2 Besuchsrechte von Bundestagsabgeordneten in Haftanstalten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 – 054/19 Abschluss der Arbeit: 6. März 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtsstellung von Abgeordneten 4 2.1. Verfassung und Gesetze 4 2.2. Abgeordnetenausweis 4 3. Zur Reichweite des Behinderungsverbots 5 3.1. Absichtsformel des Bundesverfassungsgerichts 5 3.2. Kritik des Schrifttums an der Absichtsformel 5 3.3. Stellungnahme 6 4. Auswirkung auf Besuchsrechte 6 4.1. Strafvollzug 7 4.2. Maßregelvollzug 8 4.3. Besonderheiten für Petitions- und Untersuchungsausschüsse 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 4 1. Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob die Rechtsstellung von Abgeordneten ein besonderes Besuchsrecht in Haftanstalten begründet. 2. Rechtsstellung von Abgeordneten 2.1. Verfassung und Gesetze Das Grundgesetz umschreibt die Rechtsstellung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nur allgemein. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG unterstreicht die Freiheit des Mandats und stellt klar, dass die Abgeordneten nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sind. Nach Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG dürfen sie nicht an der Übernahme und Ausübung ihres Mandats gehindert werden.1 Nach § 2 Abs. 1 AbgG darf niemand gehindert werden, sich um ein Mandat im Bundestag zu bewerben, es anzunehmen oder auszuüben. Dieses Verbot bindet die öffentliche Gewalt, gilt aber auch für Private . So sind Kündigungen aus Anlass der Mandatsübernahme oder -ausübung unzulässig, Art. 48 Abs. 2 S. 2 GG. Abgesehen von diesem Grundsatz, finden sich weder im Grundgesetz noch im Abgeordnetengesetz konkrete Aussagen über die Rechtsstellung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. 2.2. Abgeordnetenausweis Der Abgeordnetenausweis enthält auf der Rückseite folgenden Aufdruck: „Die Behörden und Dienststellen des Bundes und der Länder, insbesondere alle Polizeibehörden, werden gebeten, den/die Inhaber/in dieses Ausweises bei der Ausübung seines/ihres Mandats als Bundestagsabgeordnete(r) zu unterstützen, ihm/ihr bei Absperrung ungehinderten Durchlass zu gewähren und ihm/ihr gegebenenfalls Schutz und Hilfe zuteil werden zu lassen.“ Dieser Aufdruck hat lediglich appellativen Charakter und stellt keine Erweiterung der Rechte des Abgeordneten dar. Die rechtliche Funktion des Ausweises beschränkt sich auf die Identifikation seines Inhabers. Der Aufdruck verleiht dem Verlangen des Abgeordneten zusätzlichen Nachdruck und kann in Konfliktsituationen die Mandatswahrnehmung erleichtern. Eine rechtliche Pflicht zur Kooperation oder auf Zugang zu bestimmten Personen oder Orten begründet dies nicht. Dies bestätigt auch die Formulierung „werden gebeten“. 1 Eingehend dazu Feuchte, Zur Geschichte und Auslegung des Behinderungsverbots in Art. 48 Abs. 2 des Grundgesetzes , AöR 111 (1986), 325. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 5 3. Zur Reichweite des Behinderungsverbots 3.1. Absichtsformel des Bundesverfassungsgerichts Mit dem Behinderungsverbot des Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG hat sich u.a. der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluss aus dem Jahre 1976 beschäftigt.2 Dieser Entscheidung zufolge sei nicht bereits jede Einschränkung in der Mandatswahrnehmung nach Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG untersagt, gleich ob sie ihre Grundlage im Rechtskreis der staatlichen Ordnung oder außerhalb habe.3 Ebenso wenig verbiete die Vorschrift sozialadäquate Behinderungen.4 Auch aus dem Wortlaut des Verfassungstextes folge, dass nur unmittelbare Auswirkungen von Regelungen von dem Behinderungsverbot erfasst werden. Lediglich das transitive „Hindern“, Verhindern, Erschweren der Übernahme und Ausübung des Mandats sei verboten. Dagegen liege keine verfassungsrechtlich verbotene Behinderung vor, wenn die betreffende Handlung in eine ganz andere Richtung ziele und nur unvermeidlicherweise mandatsbeeinträchtigend wirke. Von diesem Standpunkt aus kommt der Senat zu dem Schluss, dass nur die absichtliche Behinderung von Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG erfasst sei. Damit wandte sich das Bundesverfassungsgericht gegen eine frühere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der bereits jedes Androhen oder Inaussichtstellen irgendwelcher Nachteile, seien sie wirtschaftlicher, beruflicher, gesellschaftlicher oder sonstiger Art, genüge.5 Es kommt nach der sogenannten Absichtsformel der Karlsruher Richter vielmehr darauf an, dass das beanstandete Verhalten zielgerichtet auf eine Behinderung des Abgeordneten angelegt ist. Dieser restriktiven Auslegung haben sich später auch der Bundesgerichtshof 6 und das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen.7 3.2. Kritik des Schrifttums an der Absichtsformel Im Schrifttum ist diese Auslegung auf Zustimmung8, aber auch auf Widerspruch gestoßen. So wird argumentiert, dass weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG 2 BVerfGE 42, 312 ff. 3 BVerfGE 42, 312 (327 f.). 4 BVerfGE 42, 312 (329). 5 So noch BGHZ 43, 384. 6 BGHZ 94, 248 (251); ablehnend Kühne, Kündigung freiberuflich beschäftigter Mandatsbewerber, ZParl 1986, 347 (357). 7 BVerwGE 73, 263 (282); BVerwGE 76, 157 (170) und BVerwGE 86, 99 (118). 8 Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung (Artikel 48, Absatz 1 und 2 GG), Dissertation, Universität Saarbrücken, 1980, S. 102 f.; Jekewitz, Freiheitsentzug und Abgeordnetenmandat, GA 1981, 433 (441); Feuchte, Zur Geschichte und Auslegung des Behinderungsverbots in Art. 48 Abs. 2 des Grundgesetzes, AöR 111 (1986), 325 ff. und Medding, Das Verbot der Abgeordnetenbehinderung, DÖV 1991, 494 (498 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 6 Anlass zu einer so einschränkenden Lesart biete.9 Auch bestehe die Gefahr, dass der Schutz des Art. 48 Abs. 2 GG praktisch leer laufe.10 Anstelle des Motivs des Handelnden müsse vielmehr der objektive Schutz der Abgeordnetentätigkeit im Vordergrund stehen.11 Dies folge auch aus der Formulierung des Satz 2, der eine Kündigung oder Entlassung „aus diesem Grunde“, also „wegen “ der Übernahme bzw. Ausübung des Mandats verbietet. Dies müsse dann auch für das allgemeinere Behinderungsverbot in Satz 1 gelten.12 Eine Handlung sei – unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG – daher dann keine Behinderung, wenn sich ihre Geeignetheit und Notwendigkeit begründen lässt, ohne auf die Ausübung des Mandats abzustellen.13 3.3. Stellungnahme Für den Untersuchungsgegenstand kann die Frage offen bleiben, ob es tatsächlich auf die Motive des Dritten ankommt oder ob es genügt, wenn die beeinträchtigende Handlung objektiv geeignet ist, die Mandatswahrnehmung zu behindern. Jedenfalls sind solche Beeinträchtigungen nicht von Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG erfasst, die in erster Linie anderen, legitimen Zwecken dienen, die außerhalb des Parlamentsrechts liegen.14 Die Behinderung der Mandatswahrnehmung ist dann nur zufällige Nebenfolge. Dazu zählen u.a. die gesetzlichen Bestimmungen des Strafvollzugsrechts und des Versammlungs- und Polizeirechts. Soweit in diesen Bereichen staatliche Maßnahmen die Tätigkeit von Abgeordneten des Deutschen Bundestages beeinträchtigen, handelt es sich um sozialadäquate Beeinträchtigungen. Aus der Eigenschaft als Ab- geordneter folgen insoweit keine besonderen Abwehrrechte oder Leistungsansprüche gegenüber den Anstalts- bzw. Einsatzleitern. Verboten ist nur solches staatliche Handeln, das objektiv auf die Behinderung von Abgeordneten ausgerichtet ist bzw. – nach der engeren Auslegung – mit der Absicht der Behinderung von Abgeordneten vorgenommen wird. 4. Auswirkung auf Besuchsrechte Rechtsprechung und Literatur in Bezug auf die Behinderung der Mandatswahrnehmung existieren nur für den Bereich des Arbeits- und Dienstrechts. Im Zusammenhang mit dem Zugang zu Inhaftierten liegen – soweit ersichtlich – keine wissenschaftlichen Stellungnahmen vor. Die 9 von Arnim, in: BK, Zweitbearbeitung 1980, Art. 48 Rn. 38 (nicht mehr eingehend problematisiert bei von Arnim/Drysch, in: BK, Drittbearbeitung 2010, Art. 48 Rn. 34ff.). 10 Schneider, in: AK-GG, 3. A., Stand: August 2002, Art. 48 Rn. 6. 11 Kühne, Kündigung freiberuflich beschäftigter Mandatsbewerber, ZParl 1986, 347 (357). 12 So Pieroth/Roth, Das Verbot von Zuwendungen an Mitglieder des Landtags gem. § 16 Abs. 1 AbgG NRW, Münster 2006, S. 13; a.A. Medding, Das Verbot der Abgeordnetenbehinderung, DÖV 1991, 494 (498 f.), der darin einen Hinweis auf die Finalität der relevanten Behinderungen erblickt; Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz , Baden-Baden 2016, § 2 Rn. 10. 13 Pieroth/Roth, Das Verbot von Zuwendungen an Mitglieder des Landtags gem. § 16 Abs. 1 AbgG NRW, Münster 2006, S. 13; Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, Baden-Baden 2016, § 2 Rn. 10. 14 Storr, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 2, 7. A., 2018, Art. 48 Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 7 Rechtsstellung von Abgeordneten bei Entscheidungen und Maßnahmen der Anstaltsleitung ist daher anhand des jeweiligen Fachrechts zu beurteilen. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von der Rechtsstellung anderer Betroffener, da nur in Extremfällen eine nach Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG und § 2 Abs. 1 AbgG verbotene Behinderung in Betracht kommt. 4.1. Strafvollzug Besuche von Mitgliedern eines Petitions- oder Untersuchungsausschusses, oder von anderen Abgeordneten regelt das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) nicht.15 Sie setzen das Einverständnis des Gefangenen voraus.16 Aus der Eigenschaft als Mitglied des Parlaments folgt für den Abgeordneten in diesem Bereich kein Anspruch auf eine generelle Zugangsgewährung.17 Vielmehr sind die Landesjustizverwaltungen berechtigt, solche Besuche durch Verwaltungsanordnung einheitlich zu regeln: Nach Nr. 2 der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zu § 151 StVollzG können die Landesjustizverwaltungen den Besuch von Anstalten durch anstaltsfremde Personen regeln. Einschlägige Kommentierungen18 verweisen insbesondere auf entsprechende Verwaltungsvorschriften für Besuche von Abgeordneten in Hessen19 und Niedersachsen .20 Dort besteht grundsätzlich ein Recht auf eine positive Entscheidung über den Antrag. In Brandenburg ergibt sich das Besuchsrecht von Landtagsabgeordneten unmittelbar aus Art. 56 Abs. 3 S. 1 Verfassung des Landes Brandenburg.21 Allerdings gilt dies nicht unbeschränkt. Zum einen besteht das Erfordernis eines vorherigen Antrags.22 Zum anderen darf der Besuch landesverfassungsrechtlichen Belangen des Strafvollzuges nicht entgegenstehen.23 In den Bundesländern, die keine entsprechenden Regelungen getroffen haben und in denen auch keine vergleichbare Verwaltungspraxis besteht, ergeht die Entscheidung nach Ermessen. Insoweit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Besuchserlaubnis. Der Antragsteller kann die ableh- 15 Schwind, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal StVollzG, 6. A., 2013, § 24 Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.1978 – 1 Vollz (Ws) 33/78 = MDR 1979, 428 (nur Leitsätze); siehe eingehend hierzu unten unter 4.3. 16 Joester/Wegner, in: AK-StVollzG, 6. A., 2012, § 24 Rn. 2; Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, 12. A., 2015, § 24 Rn. 1. 17 Schwind, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal StVollzG, 6. A., 2013, § 24 Rn. 6. 18 Joester/Wegner, in: AK-StVollzG, 6. A., 2012, § 24 Rn. 1; Schwind, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal StVollzG, 6. A., 2013, § 24 Rn. 6. 19 Vgl. OLG Frankfurt INFO 1986, 475, zitiert nach Joester/Wegner, in: AK-StVollzG, 6. A., 2012, § 24 Rn. 1. 20 Siehe Niedersächsische Ausführungsvorschriften für den Strafvollzug, Zu § 151 8. II. 21 Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28.07.2008 – 53/06, Rn. 70ff. 22 Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28.07.2008 – 53/06, Rn. 74. 23 Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28.07.2008 – 53/06, Rn. 77. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 8 nende Entscheidung aber auf Ermessensfehler hin überprüfen lassen (z. B. Begründung mit sachfremden Erwägungen). Dazu kann er einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG stellen.24 Wie oft und wie lange inhaftierte Personen Besuch empfangen dürfen, hängt von der jeweiligen Landesstrafvollzugsgesetzgebung ab. Ferner ist es möglich, Häufigkeit und Dauer der Besuchszeiten in der Hausordnung festzulegen (vgl. § 161 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG).25 Gem. § 24 Abs. 1 StVollzG muss es dem Gefangenen jedoch mindestens eine Stunde pro Monat gestattet sein, Besuch zu empfangen.26 Davon ausgenommen sind Verteidigerbesuche, welche hinsichtlich Häufigkeit und Dauer keine Einschränkungen erfahren.27 Etwaige Hinweise darauf, dass dies auch für den Besuch von Abgeordneten gilt, liegen nicht vor. Insofern gelten für Abgeordnete in diesem Bereich grundsätzlich die gleichen Vorschriften wie für Nichtmandatsträger. 4.2. Maßregelvollzug Im Bereich des Maßregelvollzugs stellt sich die Rechtslage ähnlich dar. Hier befinden sich die einschlägigen Regelungen in allen 16 Landesgesetzen zum Maßregelvollzug.28 Danach haben Ehe-/Lebenspartner und Verwandte einen Anspruch auf Besuch.29 Dritte, die den Patienten aus beruflichen oder dienstlichen Gründen besuchen wollen, bedürfen einer Erlaubnis durch die Krankenhausleitung.30 Das gilt auch für Abgeordnete, die den Patienten im Rahmen der Wahrnehmung ihres Mandats besuchen möchten. Für ablehnende Entscheidungen sehen einige Landesgesetze besondere Dokumentations- und Begründungspflichten vor.31 In jedem Falle besteht auch hier die Möglichkeit, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Diese Rechtslage ist vergleichbar mit der in den meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Aus diesem Grunde hat sich das Europäische Parlament in der Vergangenheit an die Kommission mit der Forderung gewandt, allen Mitgliedern des Parlaments ein unionsweites 24 Schwind, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal StVollzG, 6. A., 2013, § 24 Rn. 4. 25 Joester/Wegner, in: AK-StVollzG, 6. A., 2012, § 24 Rn. 10; Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, 12. A., 2015, § 24 Rn. 17. 26 Bosch, in: BeckOK StVollzG, 14. Edition, 2018, § 24 Rn. 7. 27 Vgl. BT-Drs. 7/3998 vom 29.08.1975; Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, 12. A., 2015, § 24 Rn. 51. 28 Baden-Württemberg: § 40; Bayern: Art. 12; Berlin: § 66; Brandenburg: § 45 Abs. 1, § 24; Bremen: § 28; Hamburg: § 15; Hessen: §§ 17-19; Mecklenburg-Vorpommern: §§ 29 Abs. 1-3, 31, 42 Abs. 3; Niedersachsen: § 20; Nordrhein -Westfalen: § 9 Abs. 1-3; Rheinland-Pfalz: § 24; Saarland: § 15 Abs. 1-3; Sachsen: § 25; Sachsen-Anhalt: § 22 Abs. 1, 4, 5; Schleswig-Holstein: §§ 9, 13, 14; Thüringen: § 17 (Übersicht nach Lesting, in: Kammeier/Pollhäne , Maßregelvollzugsrecht, 4. A., 2018, 318, jeweils mit genauer Gesetzesbezeichnung, in der Regel das für Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten einschlägige Gesetz („PsychKG“)). 29 Lesting, in: Kammeier/Pollhäne, Maßregelvollzugsrecht, 4. A., 2018, 320 G 51. 30 In diesem Sinne wohl Lesting, in: Kammeier/Pollhäne, Maßregelvollzugsrecht, 2. A., 2002, S. 255 ff., G 18 ff. 31 So z.B. Brandenburg: § 24 Abs. 2 S. 1 BbgPsychKG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 054/19 Seite 9 Hospitationsrecht in den Strafvollzugsanstalten der Mitgliedstaaten einzuräumen32. Bislang besteht ein solches Recht nur für die Abgeordneten der nationalen Parlamente in Frankreich, Italien und Polen.33 Im Bundestag ist der Vorschlag des Europäischen Parlaments an die Ausschüsse zur Beratung überwiesen, aber nicht weiter verfolgt worden.34 Ein entsprechender Gesetzesentwurf blieb jedoch aus. Die Landesgesetze über den Maßregelvollzug sehen keine Begrenzung der Anzahl der Besuche vor. Allerdings sind Besuche nur zulässig, „soweit es ihr [untergebrachte Person] Gesundheitszustand gestattet und die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht gefährdet wird. Andernfalls kann die Leitung der Einrichtung den Besuch verbieten.“35 4.3. Besonderheiten für Petitions- und Untersuchungsausschüsse Auf Bundesebene bestimmt § 1 des Gesetzes über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (GGArt45cG): „Zur Vorbereitung von Beschlüssen über Beschwerden nach Artikel 17 des Grundgesetzes haben die Bundesregierung und die Behörden des Bundes dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages Akten vorzulegen, Auskunft zu erteilen und Zutritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten.“ Davon abgesehen kann ein Untersuchungsausschuss nach § 19 Untersuchungsausschussgesetz wohl grundsätzlich eine Haftanstalt in Augenschein nehmen. Da der Bund mangels Zuständigkeit keine Haftanstalten unterhält, müsste der Petitions- oder Untersuchungsausschuss das betreffende Land um Amtshilfe ersuchen (Art. 35 Abs. 1, Art. 44 Abs. 3 GG). Ein Besuchsrecht in Bezug auf konkrete inhaftierte Personen ergibt sich hieraus jedoch wohl nicht (siehe auch oben unter 4.1). Das Recht auf Zugang zur Haftanstalt würde auch nicht dem einzelnen Abgeordneten zustehen, sondern allenfalls dem Ausschuss. Nach § 4 GGArt45cG ist der Petitionsausschuss ferner „berechtigt, den Petenten, Zeugen und Sachverständige anzuhören.“ Hierfür ist aber nicht notwendigerweise ein Besuch in einer Haftanstalt erforderlich. Denkbar wäre auch eine Vorführung vor den Ausschuss. *** 32 Zuletzt Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zu den Rechten der Häftlinge in der Europäischen Union (2003/2188(INI)) und Bericht Turco (A5-0094/2004) vom 24.02.2004. 33 Bericht des (EP) Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten (Turco) vom 24.02.2004, A5-0094/2004, S. 15. 34 Vgl. BT-Drs. 15/3266 vom 02.06.2004; Mitteilung des federführenden Ausschusses: BT-PlPr 15/133, S. 12227D. 35 So z.B. § 40 Abs. 1 Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Baden-Württemberg.