© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 053/15 Verbot religiöser Vereine Rechtliche Voraussetzungen und Rechtsprechung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 2 Verbot religiöser Vereine Rechtliche Voraussetzungen und Rechtsprechung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 053/15 Abschluss der Arbeit: 4. März 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Voraussetzungen für das Verbot religiöser Vereine 4 2.1. Anwendbarkeit des Vereinsrechts auf religiöse Vereine 4 2.2. Verfassungsrechtliche Verankerung des Vereinsverbots in Art. 9 Abs. 2 GG 5 2.3. Konkretisierungen des Vereinsverbots gemäß VereinsG 5 2.4. Formelle Voraussetzungen 6 2.4.1. Zuständigkeit 6 2.4.2. Verfahren 6 2.5. Materielle Voraussetzungen 7 2.5.1. Verein i.S.v. § 2 Abs. 1 VereinsG 7 2.5.2. Verbotstatbestände 7 2.6. Rechtsfolge 9 3. Rechtsprechung zum Verbot religiöser Vereine 9 3.1. Vereinsverbot der Religionsgemeinschaft „Kalifatsstaat“ 9 3.2. Vereinsverbot eines ausländischen religiösen Vereins 11 3.3. Vereinsverbot wegen salafistischer Bestrebungen 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 4 1. Einleitung Unter das Schlagwort der „streitbaren“ oder „wehrhaften“ Demokratie werden die dem Grundgesetz immanenten Abwehrmechanismen gegen Bestrebungen zusammengefasst, die den Kern der Verfassungsordnung verletzen.1 Entsprechende Abwehrmechanismen gibt es zum einen für verfassungsfeindliche Bestrebungen durch den Staat „von oben“.2 Diesbezüglich sind insbesondere der Schutz des demokratischen Staates vor dem Missbrauch richterlicher Unabhängigkeit nach Art. 98 Abs. 2 GG3 und die Ewigkeitsklausel aus Art. 79 Abs. 3 GG zu nennen. Zum anderen gibt es entsprechende Absicherungen gegen sogenannte Verfassungsfeinde „von unten“. Dazu gehören vor allem das Parteiverbot aus Art. 21 Abs. 2 GG und das Vereinsverbot aus Art. 9 Abs. 2 GG.4 Diese Ausarbeitung befasst sich mit dem Vereinsverbot aus Art. 9 Abs. 2 GG, dessen Zielrichtung der Entzug der rechtlichen Anerkennung des Vereins ist. Dadurch soll dem Verein der „Nährboden“ seiner Existenz entzogen werden.5 Nachfolgend werden die rechtlichen Voraussetzungen dargelegt, aufgrund derer ein Verbot religiöser Vereine ergehen kann (2.). Zudem wird ein Überblick über die maßgebliche Rechtsprechung zum Verbot religiöser Vereine geliefert (3.). 2. Rechtliche Voraussetzungen für das Verbot religiöser Vereine 2.1. Anwendbarkeit des Vereinsrechts auf religiöse Vereine Weder Art. 9 Abs. 2 GG noch die konkretisierenden Vorschriften des VereinsG verhalten sich zu „religiösen Vereinen“. Es ist allgemein nur von „Vereinigungen“ oder „Vereinen“ die Rede. Ein religiöser Verein ist ein Zusammenschluss, der auf die Erreichung eines religiösen Ziels gerichtet ist, dabei aber nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen und weltanschaulichen Lebens seiner Mitglieder zum Ziel hat.6 Damit unterscheidet er sich von den 1 BVerfG, Beschl. vom 18.3.2003 – 2 BvB 1, 2, 3/01, BVerfGE 107, S. 339 (386); Baudewin, Das Vereinsverbot, NVwZ 2013, S. 1049; Gerlach, Die Vereinsverbotspraxis der streitbaren Demokratie, 2012, S. 75 ff. 2 Baudewin, Das Vereinsverbot, NVwZ 2013, S. 1049. 3 Hillgruber in Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 72. Ergänzungslieferung 2014, Art. 98, Rn. 18. 4 BVerfG, Beschl. vom 18.3.2003 – 2 BvB 1, 2, 3/01, BVerfGE 107, S. 339 (386); Baudewin, Das Vereinsverbot, NVwZ 2013, S. 1049. Mannewitz in Hirscher/Jesse (Hrsg.), Extremismus in Deutschland, 1. Auflage 2013, S. 453 (480). 5 Baudewin, Das Vereinsverbot, NVwZ 2013, S. 1049; Fischer/Rieband, Radikalisieren verboten?, in Verfassungsschutz in der freiheitlichen Demokratie, 2011, S. 107 (108). 6 BVerfG, Beschl. vom 16.10.1968 – 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, 236 (246); Groh, Vereinsgesetz Kommentar, 1. Auflage 2012, Rn. 15; Stuhlfauth, Verfassungsrechtliche Fragen des Verbots von Religionsgemeinschaften, DVBl. 2009, S. 416 (418). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 5 Religionsgemeinschaften, die sich der allseitigen Erfüllung der durch das Bekenntnis gestellten Aufgaben widmet.7 Das Vereinsrecht ist spätestens seit Abschaffung des sog. Religionsprivilegs8 sowohl für Religionsgemeinschaften als auch religiöse Vereine anwendbar: Denn mit der 2001 erfolgten Änderung des VereinsG wurde die Bestimmung, nach der Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen keine Vereine im Sinne des Gesetzes waren, gestrichen. Das Vereinsverbot kann seither sogar für Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV ausgesprochen werden.9 Im Wege eines Erst-Recht-Schlusses wird die Anwendbarkeit auch auf die nicht in dieser Weise grundgesetzlich privilegierten religiösen Vereine übertragen.10 2.2. Verfassungsrechtliche Verankerung des Vereinsverbots in Art. 9 Abs. 2 GG Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Der Wortlaut aus Art. 9 Abs. 2 GG „Vereinigungen […] sind verboten“ legt nahe, dass ein Verein bereits mit Erfüllung der normierten Verbotsvoraussetzungen als verboten gilt.11 Das Verbotsverfahren hätte demzufolge feststellenden („deklaratorischen“) Charakter. Aus dem VereinsG, welches eine Verbotsverfügung durch die jeweils zuständige Behörde fordert, ergibt sich, dass es einer ausdrücklichen Verbotsfeststellung durch die zuständige Behörde bedarf. Die Verbotsverfügung hat damit festsetzenden („konstitutiven“) Charakter.12 Folglich dürfen sich Vereine auch bis zu ihrer ausdrücklichen Verbotsfeststellung frei betätigen. 2.3. Konkretisierungen des Vereinsverbots gemäß VereinsG Die soeben erwähnte ausdrückliche Verbotsfeststellung durch die zuständige Behörde ergibt sich konkret aus § 3 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. VereinsG. Danach darf ein Verein „erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde 7 BVerfG, Beschl. vom 16.10.1968 – 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, 236 (246); Stuhlfauth, Verfassungsrechtliche Fragen des Verbots von Religionsgemeinschaften, DVBl. 2009, S. 416 (417). 8 BGBl. I 2001, S. 3319. 9 BVerwG, Urt. vom 25.1.2006 – 6 A 6/05, NVwZ 2006, 694 m.w.N. 10 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1576). 11 Baudewin, Das Vereinsverbot, NVwZ 2013, S. 1049; Fischer/Rieband, Radikalisieren verboten?, in Verfassungsschutz in der freiheitlichen Demokratie, 2011, S. 107 (108); Gerlach, Die Vereinsverbotspraxis der streitbaren Demokratie , 2012, S. 82. 12 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (988); Baudewin, Das Vereinsverbot, NVwZ 2013, S. 1049; Gerlach, Die Vereinsverbotspraxis der streitbaren Demokratie, 2012, S. 82 mit Nachweisen zum Streitstand bis zum Inkrafttreten des VereinsG; Groh, Selbstschutz der Verfassung vor Religionsgemeinschaften, 2004, S. 199 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 6 festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet“. 2.4. Formelle Voraussetzungen 2.4.1. Zuständigkeit Zuständig für ein Vereinsverbot betreffend bundesweit agierende Vereinigungen ist der Bundesinnenminister gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VereinsG. Für landesweit agierende Vereinigungen ist die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VereinsG zuständig, sofern landesrechtlich nichts anderes bestimmt ist. Darüber hinaus kann die zuständige Landesbehörde gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG ein Verbot für einen Teilverein aussprechen, der gleichzeitig länderübergreifend in einem Gesamtverein tätig ist, für dessen Verbot wiederum der Bundesinnenminister zuständig wäre. Die zuständige Landesbehörde ist dann zu einem eigenständigen Verbot ermächtigt, sofern der Teilverein eigene Verbotsgründe erfüllt und der Bund den Gesamtverein (noch) nicht verboten hat.13 Über ein solches Verbot ist nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG im Benehmen mit dem Bundesinnenminister zu entscheiden. Folglich ist der Bundesinnenminister über das beabsichtigte Verbot in Kenntnis zu setzen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.14 Eine entsprechende Entscheidung im Benehmen mit der zuständigen Landesbehörde für das Verbot von Teilvereinen ist auch vom Bundesinnenminister bei dem Verbot von Gesamtvereinen gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 VereinsG gefordert. 2.4.2. Verfahren Vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes ist gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG eine Anhörung erforderlich , sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände nach § 28 Abs. 2 VwVfG greift. Als ein solcher Ausnahmetatbestand kommt in Bezug auf das Vereinsverbot insbesondere § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint.15 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Vereinsrecht ist es dafür ausreichend, dass die Verbotsbehörde auf Grund der ihr bekannten Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte.16 Dies ist beim Verbot eines Vereins dann der Fall, wenn es Indizien dafür gibt, dass dieser 13 Groh, Vereinsgesetz Kommentar, 1. Auflage 2012, § 3, Rn. 28. 14 Groh, Vereinsgesetz Kommentar, 1. Auflage 2012, § 3, Rn. 28. 15 Vgl. dazu auch: BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1575). 16 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1575), bezugnehmend auf BVerwG, Beschl. vom 29.1.2013 – 6 B 40/12, NVwZ 2013, S. 521 (524) m.w.N. in Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 7 im Wege seiner Anhörung schleunigst versuchen wird, seine Infrastruktur, etwaiges Vereinsvermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen.17 2.5. Materielle Voraussetzungen 2.5.1. Verein i.S.v. § 2 Abs. 1 VereinsG Ein Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG ist – ohne Rücksicht auf die Rechtsform – jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Der Begriff ist nach herrschender Ansicht18 weit auszulegen, denn einerseits entspricht ein weites Verständnis dem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck des Vereinsgesetzes und andererseits dem Schutz der Vereinigungsfreiheit. Solche Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer sind, sind als Ausländervereine von § 14 Abs. 1 VereinsG umfasst. Ausländische Vereine gemäß § 15 Abs. 1 VereinsG sind Vereine mit Sitz im Ausland, deren Organisation oder Tätigkeit sich auf den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt. 2.5.2. Verbotstatbestände Nach § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG ist für ein Verbot Voraussetzung, dass die Zwecke oder Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotstatbestände müssen jeweils durch die Bestrebungen des Vereins als solchen erfüllt sein, unabhängig von der Einstellung einzelner Anhänger.19 In der Praxis relevant sind für das Verbot religiöser Vereine vor allem das Zuwiderhandeln gegen die verfassungsgemäße Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Die verfassungsmäßige Ordnung wird mit der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ gleichgesetzt20 und beinhaltet „vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung einer Opposition“.21 Ein Verein gilt jedoch nicht schon dann als verboten, wenn dieser die verfassungsmäßige Ordnung 17 Vgl. Attendorn/Baier, Assessorexamensklausur – Öffentliches Recht: Grundrechte und Beamtenrecht – Verbot einer Motorradgang, JuS 2013, S. 158 (160). 18 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1575) m.w.N. 19 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1577). 20 Cornils in Epping/Hillgruber, GG Kommentar, 2009, Art. 9, Rn. 26; Gerlach, Die Vereinsverbotspraxis der streitbaren Demokratie, 2011, S. 83. 21 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1576) m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 8 lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt, sondern er muss verfassungsfeindliche Ziele in kämpferisch-aggressiver Weise verwirklichen wollen.22 Ausreichend soll dafür bereits die fortlaufende Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung sein.23 Ähnlich verhält es sich bei dem Zuwiderhandeln gegen den Gedanken der Völkerverständigung, bei dem die Betätigung in kämpferisch-aggressiver Weise darauf zielen muss, ernsthafte Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Staaten und Völker im Sinne von Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG herbeizuführen und das damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt, also die Tätigkeit des Vereins und sein Zweck der friedlichen Überwindung der Interessengegensätze von Völkern zuwiderläuft.24 Durch den Verweis der Vorschriften §§ 14, 15 VereinsG auf die Verbotsnorm des Art. 9 Abs. 2 GG finden die Verbotstatbestände auch auf Ausländer- und ausländische Vereine Anwendung.25 Darüber hinaus normiert § 14 Abs. 2 VereinsG erweiterte Verbotstatbestände für Ausländervereine. Er lautet: „(2) Ausländervereine können verboten werden, soweit ihr Zweck oder ihre Tätigkeit 1. die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet, 2. den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, 3. Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind, 4. Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll oder 5. Vereinigungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen.“ 22 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1576). 23 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1576). 24 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1579); Gerlach, Die Vereinsverbotspraxis der streitbaren Demokratie, 2011, S. 86. 25 Gerlach, Die Vereinsverbotspraxis in der streitbaren Demokratie, 2011, S. 81. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 9 Über § 15 Abs. 1 S. 1 VereinsG i.V.m. § 14 Abs. 2 VereinsG sind diese erweiterten Verbotstatbestände auch auf ausländische Vereine anwendbar. 2.6. Rechtsfolge Als Rechtsfolge statuiert Art. 9 Abs. 2 GG, dass Vereinigungen, die die Tatbestandsvoraussetzungen des Vereinsverbots erfüllen, „verboten sind“. Wie bereits erwähnt, beinhaltet der Wortlaut aus § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG die behördliche Feststellung des Vereinsverbots. Damit soll nach der Rechtsprechung des BVerwG der Behörde aber keine Ermessensentscheidung eröffnet werden.26 Es sei nunmehr lediglich entschieden, dass ein Verein erst dann als verboten gilt, wenn dies behördlich festgestellt ist.27 3. Rechtsprechung zum Verbot religiöser Vereine Für die gerichtliche Überprüfung von Vereinsverboten sind die Oberverwaltungsgerichte (OVG) bzw. das BVerwG sachlich zuständig. Für die Überprüfung von Teilvereinsverboten und landesweit agierenden Vereinen besteht eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit gemäß § 48 Abs. 2 VwGO des jeweils örtlich zuständigen OVG. Über die Rechtmäßigkeit von Verboten zu bundesweit agierenden Gesamtvereinen entscheidet ausschließlich das BVerwG gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Nachfolgend werden zentrale Entscheidungen zum Verbot religiöser Vereine skizziert.28 In allen wiedergegebenen Entscheidungen wird die Rechtmäßigkeit der behördlich ausgesprochenen Vereinsverbote festgestellt. 3.1. Vereinsverbot der Religionsgemeinschaft „Kalifatsstaat“ Das Urteil des BVerwG vom 27. November 2002 zum „Kalifatsstaat“ erging kurz nach der Änderung des Vereinsgesetzes vom 8. Dezember 2001 zur Streichung des sog. Religionsprivilegs und befasst sich mit der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf Religionsgemeinschaften. In dem Urteil ging es um den im Vereinsregister unter der Bezeichnung „Verband der islamistischen Vereine und Gemeinden“ eingetragenen und darin als Religionsgemeinschaft qualifizierten „Kalifatsstaat“. Dieser Verein richtete sich ausweislich der Verfügung durch das Bundesinnenministerium gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.29 Zur Begründung des Verbots wurde beispielsweise das Streben nach einer islamischen Ordnung auf der Grundlage 26 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987). 27 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987); weiterführend zur Problematik: Attendorn/ Baier, Assessorexamensklausur – Öffentliches Recht: Grundrechte und Beamtenrecht – Verbot einer Motorradgang, JuS 2013, S. 158 (162). 28 Soweit ersichtlich, gibt es keine neuere Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zum Verbot religiöser Vereine in ihrem Zuständigkeitsbereich für die Überprüfung von Vereinsverboten. 29 Zum Ganzen: BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 10 der Scharia mit dem Endziel der Weltherrschaft des Islams genannt. Auch sei den Äußerungen des „Kalifatsstaats” zu entnehmen, dass die Demokratie für mit dem Islam unvereinbar und für verderblich gehalten werde. Diese Ziele würden in kämpferisch-aggressiver Weise verfolgt und die Äußerungen seien hetzerisch und von Aufrufen zur gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem (politischen) Gegner geprägt.30 Das auf dieser Grundlage erfolgte Verbot wurde durch das Urteil des BVerwG für rechtmäßig erklärt.31 Durch Streichung des sog. Religionsprivilegs sei es nunmehr möglich und unbedenklich, dass die Verbotsverfügung auch eine Religionsgemeinschaft wie den „Kalifatsstaat“ treffe. Die Unbedenklichkeit sei zumindest insoweit anzunehmen, als es um die Abwehr verfassungsrechtlicher Bestrebungen gehe.32 Dies sei vorliegend zu bejahen, denn der Verein lege das Verständnis eines Staates zugrunde, der mit eigenem Rechtssystem (Scharia) und eigener Staatsgewalt unter der Leitung des Kalifen geführt werden solle.33 Dadurch würde die Autorität staatlicher Gesetze grundsätzlich abgelehnt. Dies stelle einen Unterschied zu vielen anderen Religionen dar, die ihrem Glauben zwar einen Vorbehalt gegenüber den Geboten des Rechts einräumten, die Autorität staatlicher Gesetze aber grundsätzlich anerkennen würden.34 Zudem diene diese Staatsvorstellung den Vereinsmitgliedern als Legitimation für die Hinwegsetzung über deutsche Gesetze und die notfalls gewaltsame Durchsetzung der Vorstellungen des „Kalifatsstaats“. Auch begegne es keinen Bedenken, dass trotz der Bedeutung der religiösen Vereinigungsfreiheit keine Vorkehrungen für ein Wiederaufleben des verbotenen Vereins, beispielsweise mittels einer Befristung des Verbots, getroffen wurden.35 Mit dem Vereinsverbot werde der Verein zwar vollständig aufgelöst, doch könnten sich die Mitglieder jederzeit zu einem neuen Verein zusammenschließen . Bei dem Kalifatsstaat handele es sich um einen sogenannten Ausländerverein im Sinne von § 14 Abs. 1 VereinsG. Zwar finde die allgemeine Rechtsgrundlage für Vereinsverbote aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG nur auf Vereine Anwendung, die keine Ausländervereine seien.36 Die Ausgestaltung des Vereinsverbots im Vereinsgesetz zeige jedoch, dass allgemein jeder Verein verboten werden solle, der einen der Verbotstatbestände erfüllt.37 Daher sei über § 14 Abs. 1 S. 1 30 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986. 31 Zum Ganzen: BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987). 32 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987). 33 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (989). 34 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (989). 35 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987). 36 Zum Ganzen: BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987). 37 BVerwG, Urt. vom 27.11.2002 – 6 A 4/02, NVwZ 2003, S. 986 (987) unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4.10.2001, BT-Drs. 14/7026, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 11 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 VereinsG das Vereinsverbot auch auf Ausländervereine anwendbar. Im nachfolgenden Beschluss des BVerfG vom 2. Oktober 2003 zu der vom Verein eingelegten Verfassungsbeschwerde wird herausgestellt, dass für den Schutz des Grundrechts auf religiöse Vereinigungsfreiheit effektive verfahrensmäßige Vorkehrungen getroffen werden müssen.38 Dies wird mit dem besonderen Charakter der religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV begründet.39 An dieser besonderen Stellung der religiösen Vereinigungsfreiheit sei sodann das Verbot einer Religionsgemeinschaft, welches einen Eingriff in die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG darstelle, zu messen. Insbesondere sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Verbot sei aber in diesem Fall unbedenklich, da der Verein „Kalifatsstaat“ in kämpferischaggressiver Weise das Ziel verfolge, die verfassungsgemäße Ordnung des Grundgesetzes zu untergraben . Der Verein wolle die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze der Demokratie und des Rechtsstaats notfalls mit Gewalt durch eine mit diesen Grundsätzen unvereinbare Herrschaftsordnung ersetzen.40 Diese Zielrichtung gehe über eine bloß abstrakte Kritik am Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland hinaus, sodass dem Vereinsverbot verfassungsrechtlich keine Bedenken entgegenstünden. 3.2. Vereinsverbot eines ausländischen religiösen Vereins Den Ausgangspunkt für das Urteil des BVerwG vom 25. Januar 200641 war eine Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums. Diese war mit der Begründung ergangen, dass sich die Tätigkeit des Vereins gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, da dieser die Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange befürworte. Da das Verbot einen ausländischen Verein im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 VereinsG traf, stellte das BVerwG zunächst heraus, dass auch auf ausländische Vereine die Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG über §§ 14 Abs. 1 und 3 Abs. 1 VereinsG Anwendung fänden.42 Darüber hinaus sei der Verbotstatbestand des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der Völkerverständigung aus Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG auch auf den ausländischen Verein als Religionsgemeinschaft anwendbar.43 Das BVerwG zweifelt jedoch an der Qualifikation des Vereins als Religionsgemeinschaft. Es kommt 38 Zum Ganzen: BVerfG, Beschl. vom 2.10.2003 – 1 BvR 536/03, NJW 2004, S. 47 (48). 39 BVerfG, Beschl. vom 2.10.2003 – 1 BvR 536/03, NJW 2004, S. 47 (48). 40 BVerfG, Beschl. vom 2.10.2003 – 1 BvR 536/03, NJW 2004, S. 47 (48). 41 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694. 42 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694. 43 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694 (695). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 12 aber zu dem Schluss, dass der Verein dann zumindest als religiöser Verein anzusehen sei.44 Religiöse Vereine unterlägen aber ebenso dem Verbotsvorbehalt des Art. 9 Abs. 2 GG wie Religionsgemeinschaften .45 Das BVerwG bestätigt das Vereinsverbot des Bundesinnenministeriums auf Grundlage des Verbotstatbestandes des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Dem Verein seien eine Vielzahl von öffentlichen Äußerungen im Rahmen des Nahostkonflikts zuzurechnen, in denen zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Menschen aufgefordert wird.46 Ein Betätigungsverbot als milderes Mittel käme nicht in Betracht, da zu befürchten sei, dass sich der Verein zur Wahrung seiner Identität darüber hinwegsetzte.47 Auch bedürfte es für ein Vereinsverbot keiner Umsetzung der Äußerungen in entsprechende Handlungen. Ausreichend sei, dass die Aufforderung zur Bekämpfung Israels Ausdruck einer religiösen Pflicht sei und solche Pflichten wegen ihres existenzergreifenden Anspruchs als auch nach historischen Erfahrungen in besonderem Maße darauf angelegt seien, eingelöst zu werden. Auf Grundlage dieser Erwägungen liege auch mit Blick auf Art. 4 GG ein hinreichend gewichtiger Verbotsgrund vor und die Verfügung sei in diesem Sinne verhältnismäßig. 3.3. Vereinsverbot wegen salafistischer Bestrebungen In dem Urteil des BVerwG vom 14. Mai 201448 geht es um eine Verfügung des Bundesinnenministeriums , die ein Vereinsverbot gegen die „DawaFFM“ und den „Internationalen Jugendverein – Dar al Schabab e.V.“ aufgrund deren Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung beinhaltete. Das BVerwG befasst sich in seiner Entscheidung ausführlich mit dem Begriff des „Vereins“ aus § 2 Abs. 1 VereinsG. Aufgrund einer weiten Auslegung der Tatbestandsmerkmale begründet es sodann die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf religiöse Vereine.49 Auch die Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG seien somit auf religiöse Vereine anwendbar. Das BVerwG bestätigt die Begründung des Bundesinnenministeriums, dass der Verein wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung zu verbieten sei. Zu dem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung wird Folgendes ausgeführt: Den seitens des Vereins vertretenen und verbreiteten Lehren liege eine Werteordnung zu Grunde, die im 44 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694 (695). 45 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694 (695). 46 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694 (696). 47 BVerwG, Urt. vom 25.1.2005 – 6 A/05, NVwZ 2006, S. 694 (696). 48 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573. 49 Zum Ganzen: BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1575). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 13 Widerspruch zu derjenigen des Grundgesetzes stehe. Von besonderem Gewicht sei dabei die Nichtanerkennung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG durch die Propagierung von in der Scharia vorgesehenen grausamen Strafen. Diese Strafen bezögen sich auf religiöse Verfehlungen, die durch eine – ihrerseits mit Art. 4 GG unvereinbare – religiöse Intoleranz definiert seien. Sie würden darüber hinaus für Fälle allgemeiner Kriminalität gefordert. Hinzu komme die Befürwortung von gleichfalls aus Vorgaben der Scharia abgeleiteten Verhaltensweisen, die dem Verfassungsgebot der Gleichberechtigung von Frauen und Männern aus Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG zuwiderliefen. Das hierin zum Ausdruck kommende Verständnis der Scharia als eines von Gott gesetzte und deshalb allen staatlichen Gesetzen übergeordnete Recht stehe im Widerspruch zu den grundgesetzlichen Prinzipien des Rechtsstaats bzw. der Demokratie.50 Zudem wurden bei einem in führender Position tätigen Vereinsmitglied mehrere Schriften gefunden , die von der Bundesprüfstelle als jugendgefährdende Medien eingestuft wurden. In diesen wird beispielsweise das Schlagen der Ehefrau, die gegen die Gebote Allahs verstößt, und die Tötung derjenigen, die dem islamischen Glauben abtrünnig werden, befürwortet. Der Umstand, dass diese Schriften in beachtlicher Zahl (ca. 60 Publikationen) bei einem führenden Vereinsmitglied gefunden wurden, rechtfertige den Schluss, dass sich der Verein mit ihrem Inhalt identifiziere und sie zum Zweck der Verbreitung ihres Inhalts habe verteilen wollen.51 Im Zusammenhang mit Demonstrationen im Mai 2012 gegen Veranstaltungen, in denen Mohammedkarikaturen gezeigt wurden, waren mehrere Polizeibeamte schwer verletzt worden. Dieses Vorgehen sei in einem Youtube-Video auf einem dem Verein zugewiesenen Kanal gezeigt und als im Sinne Allahs befürwortet worden. Man sei schließlich von den Ungläubigen provoziert worden. Dieses Verhalten ist nach Ansicht des Gerichts als schwerwiegende Missachtung des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG zu qualifizieren.52 Auch verstoße der Verein gegen den Gedanken der Völkerverständigung aufgrund seiner öffentlichen Aufforderung zur Anwendung von Gewalt gegen und der Tötung von Menschen. Zur Erfüllung des Verbotstatbestandes sei es bei diesen Äußerungen nicht mehr erforderlich, dass der Verein selbst Gewalt ausübe.53 Die jeweiligen Ziele würden in aggressiv-kämpferischer Weise verfolgt. Dennoch müsse bei dem Verbot religiöser Vereine in besonderem Maße der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz , insbesondere die Religionsfreiheit aus Art. 4 GG, beachtet werden.54 Insbesondere sei 50 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1577, Rn. 37). 51 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1577, Rn. 38). 52 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1578, Rn. 42 f.). 53 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1580, Rn. 54). 54 Zum Ganzen: BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1576 ff.); zur Vereinbarkeit mit weiteren Grundrechten ausführlich: Groh, Selbstschutz der Verfassung gegen Religionsgemeinschaften, 2004, S. 211, Fn. 54; Schmidt, Das Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach Grundgesetz und Vereinsgesetz nach Fall des Religionsprivilegs, 2012, S. 141 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 053/15 Seite 14 im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu beachten, dass staatliche Stellen unter Berücksichtigung der Religionsfreiheit von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht in die Verlegenheit kommen, die vertretenen Glaubensansätze als richtig oder falsch zu bewerten.55 Auch dürften religiöse Vereine nicht schon wegen abstrakter Kritik am Verfassungssystem Deutschlands oder wegen ihrer Überzeugung, göttliche Gesetze gingen staatlichen vor, verboten werden.56 Vielmehr dürften für ein Vereinsverbot nur die Auswirkungen der religiösen Gruppierung auf den Staat betrachtet werden.57 ( ) ( ) 55 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1577). 56 BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1577). 57 BVerfG, Beschl. vom 2.10.2003 – 1 BvR 536/03, NJW 2004, 47 (48); BVerwG, Urt. vom 14.5.2014 – 6 A 3/13, NVwZ 2014, S. 1573 (1577); siehe hierzu auch: Schultz, Vereinsverbote – Vollzugsmaßnahmen eines „präventiven Verfassungsschutzes “ und „Feind-Verwaltungsrecht“ im „Kampf der Kulturen“, online abrufbar unter: http://www.menschenrechtsanwalt .de/2011/11/vereinsverbote/ (zuletzt abgerufen am 2.3.2015).