© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 050/17 Zur Überprüfung ausländischer Urkunden in Visumverfahren Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG geltenden Vorschriften, § 6 Abs. 3 S. 2 AufenthG.2 Die Voraussetzungen des Familiennachzugs sind in den §§ 27 ff. AufenthG geregelt. Zuständig für die Erteilung des Visums ist die deutsche Auslandsvertretung, in deren Amtsbezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise Wohnsitz hat, § 71 Abs. 2 AufenthG.3 § 82 Abs. 1 S. 1 AufenthG verpflichtet den Ausländer, seine Belange und für ihn günstige Umstände unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, vorzulegen. Die behördliche Sachverhaltsermittlung wird folglich durch eine besonders ausgestaltete Darlegungs- und Nachweisverpflichtung des Ausländers modifiziert.4 Diese Verpflichtung des Ausländers, in aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, bezieht sich auf sämtliche Verfahren nach dem AufenthG5, also auch auf Visumverfahren zum Zwecke des Familiennachzugs. Der Ausländer muss folglich darlegen, dass die für die Visumserteilung zum Familiennachzug erforderlichen familienrechtlichen Beziehungen, beispielsweise das Bestehen der Ehe oder Abstammung durch Geburt, gegeben sind, und diese vor allem auch nachweisen. Der Nachweis 1 Dies sind Aufenthalte, die von vornherein für länger als drei Monate beabsichtigt sind, vgl. § 6 Abs. 1 AufenthG. 2 Das AufenthG gilt gemäß § 1 Abs. 2 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU unter anderem nicht für Angehörige von EU-Bürgern und von Staatsangehörigen der EWR-Staaten (Eichenhofer, in: Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, 12. Ed. 2016, § 1, Rn. 22 ff.). Ausgenommen von der Visumspflicht sind auch Staatsangehörige bestimmter Drittstaaten, s. Auswärtiges Amt, Staatenliste zur Visumpflicht, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUndAufenthalt/StaatenlisteVisumpflicht_node.html (abgerufen am 28.02.2017). 3 Auswärtiges Amt, Visabestimmungen, Stand 12.10.2016, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUnd- Aufenthalt/Visabestimmungen.html. 4 Kluth, in Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, 12. Ed. 2016, § 82, Rn. 8. 5 Franßen-de la Cerda, ZAR 2010, 81, 81. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 050/17 Seite 4 wird üblicherweise durch Vorlage behördlich ausgestellter Identitätspapiere und Familien- und Personenstandsurkunden geführt.6 Im Rahmen der Prüfung des Antrags stellt sich sodann die Frage nach dem Beweiswert der vorgelegten Urkunden. Dies bezieht sich sowohl auf die Frage, ob die Urkunden als solche echt sind als auch auf deren inhaltliche Richtigkeit.7 Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), das, soweit die örtlichen Gegebenheiten dies im Einzelfall zulassen, für deutsche Auslandsvertretungen analoge Anwendung findet8, enthält keine Regelungen zur Beweiskraft von Urkunden, sodass diese grundsätzlich der freien Beweiswürdigung durch die Behörden unterliegen. Nach überwiegender Ansicht im Schrifttum geben jedoch die Beweiskraftregeln der Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) für Urkunden Anhaltspunkte für die Beweiswürdigung im Verwaltungsverfahren.9 Während nach § 437 Abs. 1 ZPO bei inländischen öffentlichen Urkunden die Echtheit vermutet wird, gilt eine derartige gesetzliche Echtheitsvermutung für ausländische öffentliche Urkunden nicht. 2.1. Legalisation Nach § 438 Abs. 2 ZPO genügt für den Beweis der Echtheit einer ausländischen öffentlichen Urkunde die Legalisation durch eine deutsche diplomatische oder konsularische Auslandsvertretung . Die Legalisation von Urkunden ist in § 13 Konsulargesetz (KonsG) geregelt. Demnach ist der Konsularbeamte befugt, eine in seinem Amtsbezirk ausgestellte Urkunde zu legalisieren. Dadurch wird die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels, mit dem die Urkunde versehen ist, bestätigt, § 13 Abs. 2 KonsG. In mehreren Staaten vor allem in Asien und Afrika haben die deutschen Auslandsvertretungen jedoch mit Billigung des Auswärtigen Amtes die Legalisation bis auf weiteres eingestellt, da die notwendigen Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien.10 Aufgrund der geringen Verwaltungskraft und zum Teil weit verbreiteten Korruption bestünden bei Urkunden aus diesen Ländern 6 Antwort der Bundesregierung vom 13.11.2007 auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, BT-Drs. 16/7120, S. 1. 7 Kliebe, in: Marx, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2016, § 1 Ersterteilung eines Aufenthaltstitels, Rn. 61. 8 Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 2, Rn. 140. 9 Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 26, Rn. 88; Herrmann, in: Bader/ Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar VwVfG, 34. Ed. 2017, § 26, Rn. 31.1; a.A.: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 26, Rn. 34: analoge Anwendung der ZPO. 10 Merkblatt des Auswärtigen Amtes „Ausländische öffentliche Urkunden zur Verwendung in Deutschland“, Stand 09.12.2016, http://www.konsularinfo.diplo.de/contentblob/1615026/Daten/4664539/Urkunden_Auslaendische _oeffentliche_inDeutschland.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 050/17 Seite 5 erhebliche Zweifel an ihrer Echtheit.11 Der Mangel an „geordneten“ Verwaltungsstrukturen führe zudem dazu, dass selbst echte, also die von der zuständigen Stelle ausgestellten öffentlichen Urkunden keine Gewähr böten, dass sie einen wahren Inhalt haben.12 2.2. Nachforschungen zur Prüfung von Urkunden durch Vertrauensanwalt Ist die Legalisation einer Urkunde nicht möglich, so steht es gemäß § 438 Abs. 1 ZPO nach den Umständen des Falles im Ermessen der Behörde, ob eine Urkunde, die sich als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen ist. Die Behörde hat folglich ebenfalls im Wege der freien Beweiswürdigung über die Echtheit der Urkunde und deren Beweiswert zu entscheiden. Gerade in Herkunftsstaaten, in denen die Legalisation ausgesetzt wurde, fehlt es jedoch in der Regel an der Verlässlichkeit öffentlicher Urkunden.13 In diesen Fällen ziehen die Auslandsvertretungen deshalb sogenannte Vertrauensanwälte heran, die vor Ort überprüfen sollen, ob die vorgelegten Urkunden formal echt sind beziehungsweise der bescheinigte Sachverhalt zutrifft.14 Hierzu sucht der Vertrauensanwalt zum Beispiel lokale Behörden, Familienangehörige, Schulen oder Krankenhäuser auf.15 Die Antragsteller werden daher häufig aufgefordert, weitere Urkunden wie Taufbescheinigungen oder Schulzeugnisse vorzulegen und Namen und Adressen von im Land lebenden Familienangehörigen zu nennen.16 Das Ergebnis der Nachforschungen des Vertrauensanwaltes wird von den Konsularbeamten zu einem Abschlussergebnis zusammengefasst und dient als gutachtliche Entscheidungshilfe.17 Ein solches Überprüfungsverfahren kann von der Auslandsvertretung selbst eingeleitet werden oder im Rahmen der Amtshilfe für deutsche Behörden oder der Rechtshilfe für deutsche Gerichte 11 Sauerland, StAZ 2012, 65, 65. 12 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 4. Ausländerbericht, 01.02.2000, S. 47 (https://www.bundesregierung.de/Content/Infomaterial/BPA/IB/4-auslaenderbericht.html?view=track- Download). 13 Vgl. Antwort der Bundesregierung vom 10.01.2008 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 16/7698, S. 4. 14 Unterrichtung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Sechster Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vom 22.05.2005, BT-Drs. 15/5826, S. 205. 15 Kliebe, in: Marx, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2016, § 1 Ersterteilung eines Aufenthaltstitels, Rn. 61. 16 Unterrichtung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Sechster Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vom 22.05.2005, BT-Drs. 15/5826, S. 205. 17 Unterrichtung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Sechster Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vom 22.05.2005, BT-Drs. 15/5826, S. 205. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 050/17 Seite 6 durchgeführt werden.18 Die Nachforschungen werden mit Einverständnis des Antragstellers vorgenommen19, der auch regelmäßig die Kosten für das Überprüfungsverfahren zu tragen hat.20 Die Durchführung solcher Nachforschungen wird in der Regel von der Mitwirkungspflicht des Ausländers gemäß § 82 Abs. 1 AufenthG erfasst.21 Kann die Behörde aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Mitwirkung des Ausländers den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermitteln, geht dies zu Lasten des Antragstellers und darf von der Behörde bei der Beweiswürdigung ermessensfehlerfrei nachteilig berücksichtigt werden.22 *** 18 Merkblatt des Auswärtigen Amtes, „Ausländische öffentliche Urkunden zur Verwendung in Deutschland“, Stand 09.12.2016, http://www.konsularinfo.diplo.de/contentblob/1615026/Daten/4664539/Urkunden_Auslaendische _oeffentliche_inDeutschland.pdf. 19 Antwort der Bundesregierung vom 22.03.2007 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 16/4798, S. 5; Antwort der Bundesregierung vom 10.01.2008 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 16/7698, S. 4. 20 Unterrichtung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Sechster Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vom 22.05.2005, BT-Drs. 15/5826, S. 205. 21 Vgl. Franßen-de la Cerda, ZAR 2010, 81, 83. 22 Franßen-de la Cerda, ZAR 2010, 81, 83.