© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 049/17 Fragen zur Abweichungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Wasserhaushalts Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 2 Fragen zur Abweichungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Wasserhaushalts Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 049/17 Abschluss der Arbeit: 9. März 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 3 1. Einleitung Am 11. Februar 2017 ist das „Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie“ in Kraft getreten.1 An konventionelles Fracking, also die Förderung von Erdöl und Erdgas aus tiefgelegenen Sandsteinschichten durch Einleitung von Frackflüssigkeit (ein Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Zusatzstoffen), werden im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) nunmehr strengere Anforderungen gestellt. Konventionelles Fracking wird in Deutschland seit vielen Jahren betrieben. Unkonventionelles Fracking, also die Gewinnung von Erdgas und oder Erdöl in weniger tief gelegenen Schiefer-, Ton-, Mergelgestein oder Kohleflözgestein mittels Frackflüssigkeit, kam in Deutschland noch nicht zum Einsatz und ist fortan grundsätzlich verboten (§ 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG). Zu Forschungszwecken dürfen jedoch mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierung bis zu vier Erprobungen des unkonventionellen Frackings durchgeführt werden (§ 13a Abs. 2 WHG). Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Bundesländer eine Gesetzgebungskompetenz zum Erlass von generellen Fracking-Verboten innerhalb ihrer Landesgrenzen haben. 2. Abweichungskompetenz Nach Art. 30 GG und Art. 70 Abs. 1 GG liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zuweist. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 70 Abs. 2 GG). Das Wasserhaushaltsrecht gehört gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung . Auf Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung verfügen die Länder über die Gesetzgebungsbefugnis nur, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Mit der oben dargestellten Änderung des WHG hat der Bund von seiner Kompetenz zur Regelung des Wasserhaushaltsrechts Gebrauch gemacht. Die Regelung ist jedenfalls in Bezug auf die Zulassung von konventionellem und unkonventionellem Fracking abschließend . Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 13a Abs. 3 WHG, der den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, noch strengere Anforderungen an die Zulassung von Fracking zu stellen (sog. Öffnungsklausel2). Allerdings sieht Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG vor, dass die Länder auf dem hier einschlägigen Gebiet des Wasserhaushalts durch Gesetz abweichende Regelungen vom Bundesrecht treffen können (sog. Abweichungskompetenz). 3. Grenzen der Abweichungskompetenz im vorliegenden Fall Die Abweichungskompetenz der Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 3 GG unterliegt gewissen Grenzen. Zu unterscheiden sind dabei Grenzen, die für sämtliche Titel der Abweichungskompetenz 1 Siehe zum Folgenden Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Aktueller Begriff Nr. 22/16 – Fracking. 2 Zu Öffnungsklauseln im Wasserrecht: Reinhardt, Gesetzgebungskompetenzen im Wasserrecht, AöR 2010, S. 459 (492 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 4 diskutiert werden (hierzu unter 3.1.) und solchen, die speziell für den Kompetenztitel des Wasserhaushalts gelten (hierzu unter 3.2). 3.1. Verbot der Negativgesetzgebung Teilweise wird vertreten, dass Landesregelungen, welche sich im Rahmen der Abweichungsgesetzgebung darauf beschränken, Bundesrecht für unanwendbar zu erklären, unzulässig seien.3 Eine derartige reine Negativgesetzgebung sei nicht vereinbar mit dem Wortlaut des Grundgesetzes, welches von „abweichenden“ Regelungen spreche und damit eine eigene positive Regelung in der Sache meine. Andere Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur halten eine Negativgesetzgebung für zulässig und verweisen darauf, dass die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Regelung oftmals allein von der Formulierung der jeweiligen Gesetze abhinge4 bzw. auch durch Außerkraftsetzen von Bundesrecht eine abweichende Rechtslage geschaffen werde.5 Der Streit muss vorliegend aber nur entschieden werden, wenn ein Fracking-Verbot eines Landes tatsächlich als Negativgesetzgebung zu qualifizieren wäre. Das am 11. Februar 2017 in Kraft getretene Bundesgesetz hat die Anforderungen an die Zulassung von konventionellem Fracking verschärft, indem es diese Förderungstechnik z.B. in Wasserschutz- oder Heilquellengebieten untersagt (§ 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a und b WHG). Für unkonventionelles Fracking ist erst mit Einfügung des § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG eine ausdrückliche Verbotsnorm geschaffen worden. Ein generelles Fracking-Verbot auf Landesebene wäre daher als eine weitere „Verschärfung“ der Zulassungsregeln anzusehen. Mithin würde eine eigene positive Regelung getroffen werden. Negativgesetzgebung läge hingegen vor, wenn die Länder die strengeren Voraussetzungen für Fracking in ihrem Hoheitsbereich für unanwendbar erklären und somit geringere Anforderungen als der Bund für eine Fracking-Erlaubnis genügen lassen würden. Dies steht hier aber nicht in Rede. Damit stellt sich die Frage eines Verbots der Negativgesetzgebung im vorliegenden Fall nicht. 3.2. Abweichungsfester Kernbereich Für einige der in Art. 72 Abs. 3 GG genannten Gebiete der Abweichungskompetenz sind dort jedoch Einschränkungen genannt, laut den Gesetzesmaterialien des verfassungsändernden Gesetzgebers sogenannte abweichungsfeste Kerne.6 Für diese Bereiche ist eine Abweichung der Länder ausgeschlossen. Für den Kompetenztitel des Wasserhaushalts nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG werden von Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG „stoff- oder anlagenbezogene Regelungen“ von der Abweichungsgesetzgebung ausgenommen. 3 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 43 m.w.N.; Foerst, Die Abweichungskompetenz der Länder gemäß Art. 72 III GG im Bereich des Wasserhaushaltsrechts, 2012, S. 68-70. 4 Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar Grundgesetz, Stand: 31. Edition Dezember 2016, Art. 72 Rn. 24.2. 5 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 72 Rn. 30. 6 BT-Drs. 16/813, S. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 5 Zu prüfen ist also im vorliegenden Fall, ob die vom Bund erlassenen Vorschriften zum Fracking, von denen mit einem generellen Verbot auf Landesebene abgewichen würde, zu den abweichungsfesten „stoff- oder anlagenbezogenen Regelungen“ im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG zu zählen sind. Im Wesentlichen geht es dabei um den unverändert gebliebenen § 8 WHG in Verbindung mit den neu erlassenen § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WHG, § 13a WHG sowie § 13b WHG. 3.2.1. Anlagenbezogene Regelungen Auf Anlagen „bezogen“ sind nach den Gesetzesmaterialien zu Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG „alle Regelungen, deren Gegenstand […] von Anlagen ausgehende Einwirkungen auf den Wasserhaushalt betreffen, z.B. das Einbringen und Einleiten von Stoffen“.7 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird der Begriff der „anlagenbezogenen Regelung“ überwiegend weit ausgelegt, um den Anforderungen des Gesetzeszwecks (Schutz der Gewässer durch nachhaltige Gewässerbewirtschaftung) gerecht zu werden.8 Einigkeit besteht darin, dass es für das Begriffsverständnis nicht auf den Anlagenbegriff des WHG ankommen kann.9 Als Anlagen werden im Hinblick auf die Gesetzesmaterialien und den Schutzzweck des Wasserhaushaltsrechts überwiegend – mit im Detail abweichenden Wendungen – alle technischen Einrichtungen angesehen , die geeignet sind, nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu verursachen.10 Auch Rohrleitungen werden zu Anlagen in diesem Sinne gezählt.11 Anlagenbezogene Regelungen sind alle Regelungen, die die Art und Weise der Anlage an sich betreffen.12 Anlagenbezogen sollen insbesondere auch Regelungen über die Zulassung von Anlagen sein.13 Dahinter steht der Gedanke des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass Investoren in Deutschland hinsichtlich der Anlagengenehmigung einen einheitlichen Rechtsrahmen vorfinden sollen.14 Nicht anlagenbezogen sind hingegen Regelungen über die erforderliche Qualität von Gewässern, da derartige Vorschriften 7 BT-Drs. 16/813, S. 11. 8 Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (346); siehe auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Gesetzgebungskompetenz des Landes für Frackingverbot , Umdruck 18/4945, S. 6. 9 Benneter/Poschmann, in: Holtschneider/Schön (Hrsg.), Die Reform des Bundesstaates, 2007, S. 189; Ginzky/Rechenberg , Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (347). 10 Foerst, Die Abweichungskompetenz der Länder gemäß Art. 72 III GG im Bereich des Wasserhaushaltsrechts, 2012, S. 187; Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (347). 11 Kotulla, Umweltschutzgesetzgebungskompetenzen und „Föderalismusreform“, NVwZ 2007, S. 489 (494). 12 Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (347); vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein bundesweites Verbot von Fracking in Trinkwassergewinnungsgebieten, WD 3 - 3000 - 248/14, S. 6. 13 Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (347). 14 Benneter/Poschmann, in: Holtschneider/Schön (Hrsg.), Die Reform des Bundesstaates, 2007, S. 190. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 6 nicht nur für Anlagen, sondern jegliche Gewässerbenutzung Bedeutung haben.15 Auch Vorschriften über den Gewässerausbau oder die Gewässerunterhaltung sind nicht anlagenbezogen.16 3.2.2. Stoffbezogene Regelungen Auf Stoffe „bezogen“ sind nach der Gesetzesbegründung zu Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG „alle Regelungen, deren Gegenstand stoffliche […] Einwirkungen auf den Wasserhaushalt betreffen, z.B. das Einbringen und Einleiten von Stoffen“.17 Auch der Begriff der „stoffbezogenen Regelungen“ wird überwiegend weit ausgelegt.18 Hier geht es um der Schutz der Gewässer vor den von Stoffen möglicherweise ausgehenden nachteiligen Veränderungen der Wasserbeschaffenheit.19 Dabei kommt es gerade nicht darauf an, ob die Belastungen des Wassers von einer Anlage verursacht werden.20 3.2.3. Meinungsstand zu den Abweichungsmöglichkeiten der Länder hinsichtlich des Rechtsrahmens für die Fracking-Technologie Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage, ob die Regelungen über die Zulassung der Fracking- Technologie im WHG als „anlagen- oder stoffbezogen“ zu qualifizieren und damit abweichungsfest sind, bislang nicht befasst. Auch allgemein zur Abweichungsgesetzgebung der Länder auf dem Gebiet des Wasserhaushalts und deren Begrenzung durch die Kernbereiche der stoff- oder anlagenbezogenen Regelungen liegt keine Rechtsprechung vor, die auf den vorliegenden Fall übertragen werden könnte. In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden die Abweichungsmöglichkeiten der Länder hinsichtlich des Rechtsrahmens für die Fracking-Technologie nur vereinzelt diskutiert.21 Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Ansichten unterscheiden: 15 Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (347); Ruttloff, Die Gesetzgebungskompetenz für das Wasserwirtschaftsrecht nach der Föderalismusreform, UPR 2007, S. 333 (333). 16 Benneter/Poschmann, in: Holtschneider/Schön (Hrsg.), Die Reform des Bundesstaates, 2007, S. 191. 17 BT-Drs. 16/813, S. 11. 18 Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl. 2014, Einf. Rn. 39; Ginzky/Rechenberg, Der Gewässerschutz in der Föderalismusreform, ZUR 2006, S. 344 (348); Kotulla, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2011, Einf. Rn. 40. 19 Kotulla, Umweltschutzgesetzgebungskompetenzen und „Föderalismusreform“, NVwZ 2007, S. 489 (493). 20 Benneter/Poschmann, in: Holtschneider/Schön (Hrsg.), Die Reform des Bundesstaates, 2007, S. 192. 21 Daneben finden sich Untersuchungen zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für ein Frackingverbot, die sich jedoch auf die Rechtslage vor Schaffung der Regelungen zum Fracking im WHG beziehen, siehe z.B. Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Gesetzgebungskompetenz des Landes für Frackingverbot, Umdruck 18/4945. In der Literatur aus jüngster Zeit stehen in Bezug auf den Ausschluss von Fracking-Vorhaben nicht Fragen der Landesgesetzgebung , sondern solche der Landesplanung im Vordergrund, siehe etwa Kment, Landesplanerischer Ausschluss von Fracking-Vorhaben in NRW, NWVBl. 2017, S. 1 ff., oder Schlacke/Schnittker, Fracking und Raumordnung – Steuerungspotenziale der Landesentwicklungsplanung, ZUR 2016, S. 259 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 7 Von einer Ansicht werden die bundesrechtlichen Fracking-Regelungen uneingeschränkt und ohne nähere Begründung als stoff- oder anlagenbezogen angesehen.22 Eine Abweichungskompetenz – hier also die Befugnis, Fracking generell zu verbieten – stünde den Ländern demnach nicht zu. Diese Auffassung kann sich auf das oben dargelegte weite Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Stoff- oder Anlagenbezogenheit stützen. In diesem Zusammenhang ist auch eine Literaturstimme zu nennen, die sich zwar nicht auf die neu geschaffenen Bundesregelungen zur Fracking- Technologie bezieht, jedoch übertragen auf diese Regelungen ebenfalls im Ergebnis eine Abweichungsmöglichkeit der Länder ablehnen dürfte. Diese Stimme sieht Benutzungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG (Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern) und § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG (Maßnahmen, die geeignet sind, […] nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen) als anlagenbezogen und abweichungsfest an.23 Zur Begründung wird angeführt, dass solche Benutzungen ohne die Nutzung von Anlagen kaum denkbar seien. Folgt man dieser Argumentation, müsste man auch für Regelungen zur Fracking-Technologie einen Anlagenbezug annehmen und eine Abweichungskompetenz der Länder ablehnen, da ein Einsatz dieser Technologie ohne die Nutzung von Anlagen nur schwer vorstellbar erscheint. Nach anderer Ansicht ist zu differenzieren24: Abweichungsfest sind danach jedenfalls die stofflichen Anforderungen an die beim Fracking verwendeten Gemische (§ 13a Abs. 4 WHG) sowie etwaige Regelungen über ein Stoffregister (§ 13b Abs. 5 WHG). Auch die von § 13a Abs. 5 WHG in Bezug genommenen bergrechtlichen Standards stünden den Ländern nicht zur wasserrechtlichen Disposition. Nicht abweichungsfest seien hingegen die Regelungen zur Fracking-Technologie in § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4, § 13a und § 13b WHG, soweit diese im Übrigen für bestimmte Benutzungen Grundsatzverbote konstituierten. So seien beispielsweise die gebietsbezogenen Regelungen in § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG über die Zulassung von Fracking-Maßnahmen in der Nähe von bestimmten Gewässern weder stoff- noch anlagenbezogen. Gleiches gelte für die Regelungen über die Zulassung von Maßnahmen des unkonventionellen Frackings in § 13a Abs. 2 WHG. Diese seien zwar erkennbar auf ein bundeseinheitliches Vorgehen angelegt, in dem sie Erlaubnisse für bundesweit vier Erprobungsmaßnahmen sowie einen Zustimmungsvorbehalt der jeweiligen Landesregierung vorsehen würden. Der maßgebliche konkrete normative Regelungsgehalt der einstweiligen Beschränkung der Frackingmaßnahmen auf die bloße Erprobung und deren zahlenmäßige Beschränkung sei jedoch rein 22 Schlacke/Schnittker, Fracking und Raumordnung – Steuerungspotenziale der Landesentwicklungsplanung, ZUR 2016, S. 259 (260); Wagner, „Fracking“ – der Regierungsentwurf, UPR 2015, S. 201 (207). 23 Foerst, Die Abweichungskompetenz der Länder gemäß Art. 72 III GG im Bereich des Wasserhaushaltsrechts, 2012, S. 224. Nach anderer Ansicht ist eine Abweichungskompetenz im Regelungsbereich des § 9 WHG hingegen zu bejahen , da Benutzungen verhaltensbezogen und eben nicht anlagenbezogen seien und § 9 WHG das Vorliegen einer Benutzung gerade nicht von dem Einsatz bestimmter Stoffe, sondern von dem, dem jeweiligen Verhalten innewohnenden , Wirkungspotential abhängig mache, siehe Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Stand: 81. EL September 2016 (Kommentierung: 59. EL September 2010), § 9 WHG Rn. 96. 24 Reinhardt, Entscheidung vertagt oder verkappt: Die WHG-Novelle 2016 zum Fracking, NVwZ 2016, S. 1505 (1510), siehe dort zum Folgenden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/17 Seite 8 verhaltensbezogen und nicht stoff- oder anlagenbezogen im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG.25 Der bloße Umstand, dass es zur Durchführung von Fracking regelmäßig einer Anlage bedürfe, begründe als solcher noch nicht die Annahme einer spezifisch anlagenbezogenen Regelung.26 Folgt man dieser differenzierenden Ansicht, ließe sich eine Abweichungskompetenz der Länder für ein generelles Fracking-Verbot mit der Argumentation begründen, dass die Grundsatzverbote in § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WHG sowie §§ 13a und 13b WHG nicht stoff- oder anlagenbezogen und damit auch nicht abweichungsfest seien. Nicht näher befasst sich diese Ansicht aber mit dem Umstand, dass bei einem derartigen Verbot auch die ihrer Einschätzung nach abweichungsfesten Regelungen über die verwendeten Gemische und das Stoffregister in dem betroffenen Land ins Leere laufen würden. 4. Ergebnis Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage der Abweichungskompetenz der Länder bezüglich der Regelungen zur Fracking-Technologie im WHG bislang noch nicht befasst. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird diese Frage uneinheitlich beantwortet, wobei keine herrschende Meinung erkennbar ist. *** 25 Vgl. hierzu auch die Kommentierung zu § 9 WHG a.F. bei Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Stand: 81. EL September 2016 (Kommentierung: 59. EL September 2010), § 9 WHG Rn. 96. 26 Reinhardt, Entscheidung vertagt oder verkappt: Die WHG-Novelle 2016 zum Fracking, NVwZ 2016, S. 1505 (1510).