© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 049/15 Gang des Parteiverbotsverfahrens Von der Vorbereitung des Antrags bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 2 Gang des Parteiverbotsverfahrens Von der Vorbereitung des Antrags bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 049/15 Abschluss der Arbeit: 5. März 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die parlamentarische Seite eines Verbotsverfahrens 4 2.1. Parlamentarische Initiierung eines Verbotsverfahrens 4 2.1.1. Beauftragung des Innenausschusses mit einer Empfehlung an das Plenum 4 2.1.2. Direkte Abstimmung des Antrags im Plenum 5 2.2. Parlamentarische Begleitung eines anhängigen Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht 5 3. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 6 3.1. Zulässigkeit des Antrags 6 3.1.1. Antrag 6 3.1.1.1. Antragsform 7 3.1.1.2. Antragsbegründung 7 3.1.2. Antragsberechtigung 8 3.1.3. Antragsgegner 9 3.1.4. Antragsgegenstand 9 3.2. Vorverfahren 9 3.3. Voruntersuchungen und mündliche Verhandlung 10 3.4. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 4 1. Einleitung Allein das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenz über die Verfassungswidrigkeit einer Partei zu entscheiden, Art. 21 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. § 13 Nr. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Erst mit der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass eine Partei verfassungswidrig ist, dürfen für diese aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit negative Konsequenzen gezogen werden.1 Dies wird mit dem Begriff des Parteienprivilegs2 umschrieben. Der Bundestag, der Bundesrat, die Bundes- sowie die jeweiligen Landesregierungen sind antragsberechtigt zur Einleitung des in den §§ 43 ff. BVerfGG näher geregelten Parteiverbotsverfahrens. Diese Ausarbeitung stellt den wesentlichen Ablauf eines solchen Parteiverbotsverfahrens dar. Nachfolgend wird zum einen die parlamentarische Praxis im Bundestag zur Initiierung und Begleitung eines Verbotsverfahrens skizziert (2.) und zum anderen das eigentliche Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erläutert (3.). 2. Die parlamentarische Seite eines Verbotsverfahrens 2.1. Parlamentarische Initiierung eines Verbotsverfahrens Allen Beratungen des Bundestages über ein Parteiverbotsverfahren ist Folgendes gemein: Initiiert werden diese mit einem Antrag, der auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt wird. Solche Anträge sind Vorlagen nach § 75 Abs. 1 lit. d GOBT, die gem. § 76 Abs. 1 GOBT grundsätzlich von mindestens einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zu unterzeichnen sind. Am Ende der parlamentarischen Befassung zum Parteiverbot steht der Beschluss des Bundestages zu der Frage, ob vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsantrag gegen eine Partei gestellt werden soll. Der konkrete Ablauf der parlamentarischen Beratungen gestaltet sich dabei in der Praxis unterschiedlich. Exemplarisch wird nachfolgend die Behandlung der beiden NPD-Verbotsverfahren im Bundestag herausgegriffen. 2.1.1. Beauftragung des Innenausschusses mit einer Empfehlung an das Plenum Beim ersten NPD-Verbotsverfahren3 holte der Bundestag auf Antrag der damaligen Koalitionsfraktionen der SPD und Bündnis90/DIE GRÜNEN zunächst eine Empfehlung des Innenausschusses ein, bevor das Plenum den Beschluss fasste, dass der Bundestag einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht stellt. Dieser Antrag lautete: „Der Bundestag wolle beschließen: 1 BVerfGE 39, 334 (357); Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 2013, § 32 Rn. 1171. 2 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1156; Kluth, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 23. Edition 2014, Art. 21 Rn. 211; Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 43 Rn. 1. 3 BVerfGE 107, 339. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 5 I. … II. Der Innenausschuss (federführend) und der Rechtsausschuss (mitberatend) des Deutschen Bundestages werden beauftragt, die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zu prüfen und dem Deutschen Bundestag eine Empfehlung zu den hieraus zu ziehenden Folgerungen vorzulegen.“4 Gemäß diesem Antrag beschloss der Bundestag die federführende Beratung des Innenausschusses.5 Der Rechtsausschuss wurde zur Mitberatung bestimmt.6 Letztlich empfahl der Innenausschuss dem Bundestag, beim Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. BVerfGG zu beantragen.7 Diesem Votum stimmte der Bundestag nach Beratung im Plenum zu.8 2.1.2. Direkte Abstimmung des Antrags im Plenum Das für das erste NPD-Verbotsverfahren beschriebene Verfahren ist nicht zwingend. So wurde in dem aktuellen NPD-Verbotsverfahren kein Antrag gestellt, den Innenausschuss zu beauftragen, eine Empfehlung an das Plenum zu den aus den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden zu ziehenden Folgerungen vorzulegen. Vielmehr ist es nach § 75 Abs. 1 lit. d GOBT allgemein auch zulässig, unmittelbar – also ohne vorherige Einholung einer Empfehlung eines Ausschusses – im Plenum über den Antrag direkt abzustimmen. Anträge, dass der Bundestag beschließen wolle, beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß § 13 Nr. 2 BVerfGG zu beantragen, stellten jeweils die Fraktion der SPD und die Fraktion Die Linke.9 Beide Anträge wurden nach Beratung im Plenum abgelehnt.10 2.2. Parlamentarische Begleitung eines anhängigen Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht Entschließt sich ein antragsberechtigtes Organ zu einem Antrag gemäß § 43 BVerfGG, so wird das gerichtliche Verfahren parlamentarisch begleitet. Dies gilt auch dann, wenn der Bundestag selbst keinen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gestellt hat. 4 BT-Drs. 14/4500. 5 BT-PlPr 14/130, S. 12563 B-C. 6 BT-Drs. 14/4500. 7 BT-Drs. 14/4923. 8 BT-PlPr 14/141, S. 13807 A. 9 BT-Drs. 17/13227; BT-Drs. 17/13231. 10 BT-PlPr 17/237 , S. 29704D - 29721B. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 6 In der Regel wird der Rechtsausschuss des Bundestages mit der Begleitung bundesverfassungsgerichtlicher Verfahren betraut. Dies ergibt sich zum einen aus der Parlamentspraxis11, wird aber auch durch § 75 Abs. 1 lit. j GOBT verdeutlicht. Hiernach können Beschlussempfehlungen und Berichte des Rechtsausschusses über Streitigkeiten vor dem Bundesverfassungsgericht als Vorlage auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt werden. Anders verhielt es sich in den beiden NPD-Verbotsverfahren. Hier wurde die Betreuung des gerichtlichen Verfahrens dem Innenausschuss federführend aufgetragen.12 In dem ersten NPD- Verbotsverfahren wurde hierzu eine Berichterstattergruppe eingerichtet. Dieser gehörten neben den Berichterstattern des Innenausschusses auch solche des Rechtsausschusses an. Letztere nahmen jedoch nur beratend an den Sitzungen teil.13 Aufgabe der Berichterstattergruppe war es, das vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Verbotsverfahren auf der Seite des Antragsstellers zu begleiten. So tagte die Berichterstattergruppe etwa zur Beratung über die von einem Prozessbevollmächtigten erstellten Schriftsatzentwurf. Auch das aktuelle – jedoch alleine durch den Bundesrat als Antragsteller initiierte – Verbotsverfahren wird durch den Innenausschuss federführend begleitet.14 3. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 3.1. Zulässigkeit des Antrags 3.1.1. Antrag Entsprechend dem für Verfahren vor dem BVerfGG geltenden Antragsprinzip15 kann auch das Parteiverbotsverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden, §§ 43 Abs. 1, 23 BVerfGG. Dieser Antrag ist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Der Antrag ist zu begründen und die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben, § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG. Eine diese Anforderungen näher konkretisierende Vorschrift betreffend das Parteiverbotsverfahren existiert nicht, sodass auf die allgemeine Vorschrift des § 23 BVerfGG zurückgegriffen werden muss. 11 Sekretariat des Innenausschusses, telefon. Auskunft vom 25. Februar 2015. 12 Sekretariat des Innenausschusses, telefon. Auskunft vom 25. Februar 2015. 13 Sekretariat des Innenausschusses, telefon. Auskunft vom 25. Februar 2015. 14 Sekretariat des Innenausschusses, telefon. Auskunft vom 25. Februar 2015. 15 Bethge, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 17 Rn. 21; Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar , 2013, § 23 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 7 3.1.1.1. Antragsform Zur Wahrung der Schriftform ist erforderlich, dass der Inhalt der Erklärung sowie die Person, von der die Erklärung ausgeht, zuverlässig entnommen werden kann.16 Eine eigenhändige Unterschrift ist hierfür nicht erforderlich, wird allerdings empfohlen, um eine sichere Identifizierung des Erklärenden zu gewährleisten.17 Gegenüber neueren Übermittlungsformen ist das Schriftformerfordernis offen. So genügt auch die Übermittlung mittels Telefax oder Computerfax.18 In beiden Fällen ist es nicht erforderlich, das Original, das zur Vorlage der Fernkopie dient, einzureichen.19 Im Falle des Computerfaxes muss jedoch zusätzlich die Unterschrift des Antragsstellers eingescannt werden, wobei nicht ausreicht, dass die Unterschrift auf einem gesonderten Blatt eingescannt und übermittelt wird.20 Nicht formwirksam hingegen sind mittels E-Mail übermittelte Anträge.21 3.1.1.2. Antragsbegründung Aus § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG folgt eine Begründungspflicht des Antragstellers. Kommt dieser den Anforderungen nicht nach, ist der Antrag unzulässig. Dieses Erfordernis sowie die Pflicht zur Angabe von Beweismitteln stehen somit in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem Untersuchungsgrundsatz aus § 26 BVerfGG.22 Mit der Begründungspflicht werden zunächst Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht verlangt.23 So muss die Begründung vollständig und verständlich sein und dem Bundesverfassungsgericht zumindest die Prüfung der Zulässigkeit des Antrags ermöglichen .24 Während Fachterminologie nicht verlangt wird, ist ein bloßer Bezug oder Verweis auf die Begründung des Antrags eines Dritten nicht ausreichend.25 Anders als etwa im Zivilprozess darf 16 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 23. 17 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 23 Rn. 6 f. 18 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 28 ff.; Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar , 2013, § 23 Rn. 8 f. 19 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 28. 20 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 31 ff.; Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar , 2013, § 43 Rn. 17. 21 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 23 Rn. 10. 22 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 23 Rn. 21. 23 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 55. 24 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 56. 25 BVerfGE 8, 141 (143); 32, 365 (368); von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 23 Rn. 55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 8 sich der Antragsteller auch nicht auf den Grundsatz des „iura novit curia“26 zurückziehen. Vielmehr werden neben den tatsächlichen Ausführungen zusätzlich auch rechtliche Ausführungen erwartet. Hierbei muss der Antragsteller sich also mit den materiellen Verbotsvoraussetzungen einer Partei aus Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG sachlich auseinandersetzen. Dies schließt auch die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein.27 Gleichfalls dürfte eine Auseinandersetzung mit den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Anforderungen an ein Parteiverbot angezeigt sein. Schließlich findet diese nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes28 bei der Auslegung nationaler Vorschriften Berücksichtigung.29 Der EGMR hält ein Parteiverbot wegen der grundlegenden Bedeutung der Parteien für eine Demokratie nur bei überzeugenden und zwingenden Gründen sowie einem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis für vereinbar mit Art. 11 EMRK.30 Ein Parteiverbot sei jedenfalls dann notwendig im Sinne der Rechtsprechung des EGMR, wenn Frieden und Demokratie durch konkrete nachweisbare Handlungen bereits hinreichend bedroht seien. Der EGMR bejaht die Notwendigkeit insbesondere bei der konkreten Gefahr, dass die Partei ihre konventionswidrigen Ziele mit realen Chancen politisch auch durchsetzen wird. Die Gefahr für die Demokratie sinke jedoch mit der Bedeutung und dem gesellschaftlichen Einfluss einer Partei. Habe sie keine realen Chancen zur Durchsetzung ihres Programms, seien umso höhere Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen. Aus diesen Anforderungen folgt somit, dass zur Zulässigkeit des Antrags nicht eine irgendwie geartete Begründung ausreicht. Vielmehr muss die Begründung substantiiert sein.31 3.1.2. Antragsberechtigung Wie bereits erwähnt, haben die in § 43 Abs. 1 und 2 BVerfGG benannten Organe das Initiativrecht auf Einleitung eines Verbotsverfahrens. Dies sind der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung sowie die Landesregierungen. Das Antragsrecht letzterer gilt jedoch vorbehaltlich der Einschränkung aus § 43 Abs. 2 BVerfGG. Danach muss sich die Organisation der Partei, gegen welche sich der Antrag richtet, auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränken. Dies richtet sich nach den Organisationsstrukturen der Partei.32 Die Partei muss demnach ausschließlich in 26 Lat.: „Das Gericht kennt das Recht“. Hiernach haben die Parteien des Zivilprozesses keine Pflicht, rechtliche Ausführungen zu machen. Vielmehr obliegt ihnen nur die Darlegung von Tatsachen wohingegen das Gericht das Recht hierauf anwendet. 27 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 23 Rn. 18. 28 Nettesheim, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 72. Ergänzungslieferung 2014, Art. 59 Rn. 187. 29 BVerfGE 63, 343 (33); 74, 358, (370); 75, 1, (19); 82, 106, (115); 111, 307 (317). 30 EGMR, Urt. v. 13.02.2003 (GK), Wohlfahrtspartei u.a., Nr. 41340/98 u.a.; Urt. v. 30.10.2005, United Macedoniam Organisation Ilinden – Pirin u.a., Nr. 59489/00. 31 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 23 Rn. 12. 32 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 43 Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 9 dem jeweiligen Land über Gebietsverbände oder (Unter-)Gliederungen verfügen.33 Andernfalls ist die Partei nicht auf das Land der Landesregierung beschränkt, sodass ein Antrag einer Landesregierung unzulässig wäre. 3.1.3. Antragsgegner Antragsgegner des Verbotsverfahrens kann nur eine politische Partei sein, deren Verbot der Antrag bezweckt. Zwar schreibt dies lediglich § 43 Abs. 2 BVerfGG für den Verbotsantrag der Landesregierung ausdrücklich vor. Gleiches gilt aber auch für § 43 Abs. 1 S. 2 BVerfGG.34 Der Parteienbegriff aus § 2 PartG stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verfassungsgemäße Konkretisierung des Art. 21 GG dar.35 Danach sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten. Nicht von dieser Legaldefinition erfasste Vereinigungen, welche verfassungswidrige Ziele verfolgen, unterfallen hingegen dem Vereinsverbot aus Art. 9 Abs. 2 GG.36 3.1.4. Antragsgegenstand Der Antrag muss auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei gerichtet sein, nicht hingegen auf die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit. Somit ist der Antrag nur zulässig, wenn dieser auf ein Verbot der Partei zielt. Folglich muss der Antragsteller von der Verfassungswidrigkeit der Partei überzeugt sein.37 3.2. Vorverfahren Nachdem der Antrag eingegangen ist, leitet das Bundesverfassungsgericht ein Vorverfahren nach § 45 BVerfGG ein. Hierbei gibt es dem Vertretungsberechtigten der Partei Gelegenheit zur Äußerung binnen einer im Ermessen des Gerichts zu bestimmenden Frist. Erst nach Ablauf dieser Frist entscheidet das Gericht unter Heranziehung der eingegangenen Stellungnahme, ob der Antrag als 33 Von Coelln, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 43 Rn. 8; Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar , 2013, § 43 Rn. 17. 34 Von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 43 Rn. 13. 35 BVerfGE 24, 260 (263f.); zuletzt BVerfGE 111, 382 (409); Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1164. 36 Von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 43 Rn. 14. 37 Von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, 45. Ergänzungslieferung 2014, § 43 Rn. 36. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 10 unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen ist. Andernfalls beschließt der Senat die Durchführung der Verhandlung. In dem Verbotsverfahren gegen die KPD hat das Vorverfahren beispielsweise lediglich 2 Monate, im ersten NPD-Verbotsverfahren hingegen 8 Monate in Anspruch genommen. 14 Monate dauerte das Vorverfahren gegen die „Nationale Liste“ sowie die „Freie Deutsche Arbeiterpartei“.38 Dem Vorverfahren kommt in zweierlei Hinsicht Bedeutung zu: Zum einen erhält die Partei zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme die Möglichkeit, Einsicht in die Akten zu nehmen.39 Zum anderen ist das Vorverfahren auch maßgebend für den Zeitpunkt der Rechtsfolgen aus § 47 i. V. m. § 38 Abs. 1 BVerfGG. Hiernach werden die Beschlagnahme und Durchsuchung nach den Vorschriften der Strafprozessordnung ermöglicht. Umstritten aber ist, ob diese Rechtsfolge erst mit dem Beschluss, die Verhandlung durchzuführen, oder schon mit Beginn des Vorverfahrens einsetzt.40 Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage bislang nicht entschieden. Für die letztere Auffassung wird der Wortlaut des § 38 Abs. 1 BVerfGG angeführt: „Nach Eingang des Antrags …“.41 Der Schutzzweck des Vorverfahrens deutet jedoch in eine andere Richtung: dieses soll die Partei vor vorschnellen, die Partei belastenden Entscheidungen schützen.42 Die Entscheidung über den Durchführungsbeschluss ergeht ohne mündliche Verhandlung und bedarf in Anlehnung an § 15 Abs. 4 S. 1 BVerfGG der qualifizierten Mehrheit von sechs der acht Senatsmitglieder.43 Ein Nichtdurchführungsbeschluss hingegen ist bereits mit der Mehrheit der Mitglieder des Senates beschlossen.44 Wird weder die qualifizierte Mehrheit für eine Durchführung noch die einfache Mehrheit gegen eine Durchführung der Verhandlung erreicht, liegt ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vor.45 3.3. Voruntersuchungen und mündliche Verhandlung Beschließt der Senat die Durchführung des Verfahrens, ist das Vorverfahren abgeschlossen und es ist entsprechend den Grundsätzen der Öffentlichkeit und Mündlichkeit eine mündliche Verhandlung durchzuführen, es sei denn, dass alle Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichten, § 25 BVerfGG. Zur 38 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 43 Rn. 17. 39 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1166. 40 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1166. 41 Storost, in Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2. Auflage 2015, § 38 Rn. 4. 42 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1166. 43 BVerfGE 107, 339 (357); Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 43 Rn. 10. 44 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 43 Rn. 10. 45 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 43 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 11 Beweiserhebung und Vorbereitung der mündlichen Verhandlung steht es im Ermessen des zuständigen Senats, Voruntersuchungen anzuordnen, §§ 47, 38 Abs. 2 S. 1 BVerfGG.46 Die Voruntersuchung wird einem beauftragten Richter eines anderen Senats übertragen, §§ 47, 38 Abs. 2 S. 2 BVerfGG.47 Hiermit soll der Schein einer Voreingenommenheit des verhandelnden Senats genommen werden. Der beauftragte Richter nimmt die Beweiserhebung vor, darunter etwa die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, §§ 26, 27 BVerfGG. Verzichtet der Senat auf eine Voruntersuchung, so wird die Beweiserhebung in der Verhandlung durch den Senat selbst durchgeführt.48 3.4. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht entscheidet darüber, ob der Antrag, eine politische Partei für verfassungswidrig zu erklären, begründet ist, §§ 43 Abs. 1, 46 Abs. 1 BVerfGG. Abweichend von der Regel, nach der das Gericht mit einer Mehrheit der Senatsmitglieder (§ 15 Abs. 3 S. 2 BVerfGG) entscheidet, bedarf es für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei – ebenso wie die Entscheidung zur Durchführung der Verhandlung – gem. §§ 13 Nr. 2, 15 Abs. 4 S. 1 BVerfGG einer Zweidrittelmehrheit der Senatsmitglieder. Die Rechtsfolgen der Verbotsentscheidung ergeben sich aus § 46 BVerfGG. Erweist sich der Verbotsantrag letztendlich als begründet, so stellt das Bundesverfassungsgericht nach § 46 Abs. 1 BVerfGG fest, dass die Partei verfassungswidrig ist. Die Wirkung des Urteils tritt mit seiner Verkündung ein.49 Dabei ist die Entscheidung für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden bindend, § 31 Abs. 1 BVerfGG. Letztlich können aufgrund des Entscheidungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts und des Parteienprivilegs erst mit der Feststellung durch das Gericht die Konsequenzen aus der Verfassungswidrigkeit gezogen werden.50 Die Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht kann sich auf einen rechtlich oder organisatorisch selbstständigen Teil der Partei beschränken, § 46 Abs. 2 BVerfGG. Mit dieser Feststellung ist zwingend die Auflösung der Partei oder des selbstständigen Teils der Partei und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen, zu verbinden, § 46 Abs. 3 S. 1 BVerfGG. Eine Ersatzorganisation in diesem Sinne liegt vor, wenn sie dazu bestimmt ist, an die Stelle einer nicht mehr vorhandenen oder funktionierenden Organisation zu treten.51 Für solche Ersatzorganisationen ist ein neues Parteiverbotsverfahrens nicht mehr erforderlich.52 Allein für Ersatzorganisationen, die bereits vor dem Verbot der ursprünglichen Partei bestanden haben oder im Bundestag oder im Landtag vertreten sind, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass es sich um eine Ersatzorganisation handelt, § 33 Abs. 2 PartG. Auf andere Parteien, die Ersatzorganisationen einer verbotenen 46 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1168. 47 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1168. 48 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 3. Auflage 2012, § 32 Rn. 1169. 49 BVerfGE 5, 85 (393). 50 BVerfGE 39, 334 (357); Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht – Ein Lehr- und Handbuch, 2013, § 32 Rn. 1171. 51 BVerfGE 6, 300 (307). 52 Lenz/Hansel, in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Handkommentar, 2013, § 47 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 049/15 Seite 12 Partei sind, ist gem. § 33 Abs. 3 PartG die für Vereinsverbote einschlägige Vorschrift des § 8 Abs. 2 VereinsG anwendbar. Danach kann auf Grundlage einer besonderen Verfügung, durch die festgestellt wird, dass die Partei eine Ersatzorganisation der verbotenen Partei ist, das Verbot der Ersatzorganisation vollzogen werden, §§ 8 Abs. 2 i.V.m. § 5 VereinsG. Zusätzlich kann das Gericht die Einziehung des Vermögens einer für verfassungswidrig erklärten Partei oder des selbstständigen Teiles der Partei zugunsten des Bundes oder des Landes zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen. Eine wesentliche Rechtsfolge ist zudem, dass eine einmal für verfassungswidrig erklärte Partei nicht wieder zugelassen werden darf.53 Die Verbotsentscheidung hat außerdem Auswirkungen auf die Parlamentsmandate: Ein Mitglied einer durch das Bundesverfassungsgericht aufgelösten Partei verliert nicht nur seine Mitgliedschaft in der Partei, sondern auch sein Mandat im Bundestag, § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4 BWahlG.54 ( ( ) 53 Hölscheidt, Das Parteiverbot, in JA 2001, 734 (735). 54 Kritisch zur Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 1 Nr. 5 BWahlG: Morlok, in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar Band II, 2. Auflage 2006, Art. 38 Rn. 138.