© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 046/21 Zum Inzidenzwert als Grundlage für Maßnahmen zur Abwehr der Corona-Pandemie Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/21 Seite 2 Zum Inzidenzwert als Grundlage für Maßnahmen zur Abwehr der Corona-Pandemie Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 046/21 Abschluss der Arbeit: 19. März 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/21 Seite 3 1. Fragestellung Es wurde gefragt, ob es zulässig ist, Grundrechtseingriffe (allein) auf die Anzahl der Neuinfektionen mit COVID-19 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen (sog. Inzidenzwert) zu stützen. Zudem wurde danach gefragt, ob die Bildung konkreter Inzidenz-Schwellenwerte als Voraussetzung für die Ergreifung bzw. Aufhebung von Grundrechtseingriffen eine wissenschaftliche Evidenz erfordert. In der Darstellung wird die Frage der generellen Zulässigkeit des Inzidenzwertes als ein mögliches Kriterium von der Frage nach der Zulässigkeit des Abstellens allein auf den Inzidenzwert unterschieden. 2. Zulässigkeit des Inzidenzwertes als mögliches Kriterium Der Inzidenzwert ist seit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz vom 18. November 20201 in § 28a Abs. 3 S. 2 bis S. 12 Infektionsschutzgesetz (IfSG)2 als Kriterium für Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie gesetzlich verankert: Nach § 28a Abs. 3 S. 4 IfSG ist „insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen“ Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen. In § 28a Abs. 3 S. 5 bis S. 11 IfSG werden bestimmte Schwellenwerte genannt, bei deren Überschreitung Maßnahmen zu ergreifen sind, so etwa „umfassende Schutzmaßnahmen“ bei Überschreitung eines Inzidenz-Schwellenwertes von 50 (§ 28a Abs. 3 S. 5 IfSG). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Möglichkeiten zur Eindämmung vom Inzidenzwert abhängen.3 Dort wo der Inzidenzwert noch nicht bei 50 liege, sei eine individuelle Kontaktnachverfolgung regelmäßig noch möglich, sodass schwerwiegende Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht absolut notwendig seien. Es finden sich vereinzelte Stimmen, die das Abstellen auf den Inzidenzwert grundsätzlich für problematisch halten.4 So wurde etwa die Möglichkeit eines Rückschlusses vom Inzidenzwert auf das tatsächliche Infektionsgeschehen bezweifelt.5 Der Inzidenzwert hänge von der Anzahl durchgeführter Tests nach der Methode der Polymerase-Kettenreaktion (sog. PCR-Tests) ab. Zudem sage ein positiver PCR-Testbefund nichts über die Infektiosität des Getesteten aus. Die Inzidenzwerte seien ungeeignet, die Verhältnismäßigkeitsprüfung sachgerecht zu steuern. Jedenfalls Murswiek scheint aber im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass das Kriterium des Inzidenzwertes völlig 1 Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397). 2 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Artikel 4a des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136). 3 BT-Drs. 19/23944, S. 34. 4 Murswiek, Die Corona-Waage – Kriterien für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahmen, in: NVwZ- Extra 5/2021, 1 (2 f.); ähnlich Gall, Stellungname zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 12. November 2020, Ausschussdrucksache 19(14)246(22), S. 3 (abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/806934/44144d5913d0ec2c294a2031b624b7da/19_14_0246-22-_ESV- Tobias-Gall-3-BevSchG-data.pdf (Stand: 19. März 2021). 5 Murswiek, Die Corona-Waage – Kriterien für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahmen, in: NVwZ- Extra 5/2021, 1 (2 f.); siehe dort auch zum Folgenden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/21 Seite 4 unzulässig sei. Er kommt vielmehr zu dem Schluss, der Inzidenzwert könne „nur ergänzend neben anderen Kriterien zur Gefahrenprognose mit herangezogen werden“.6 In der Rechtsprechung wird bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Schutzmaßnahmen regelmäßig zumindest auch auf den Inzidenzwert Bezug genommen.7 Beispiele dafür finden sich sowohl vor, als auch nach Einführung des § 28a IfSG. Dabei wird der Inzidenzwert als Indikator für die Dynamik des Infektionsgeschehens gesehen. Das Infektionsgeschehen wird wiederum mit der Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems bzw. mit Gefahren für Leib und Leben der potentiell von Infektionen Betroffenen in Verbindung gesetzt. 3. Zulässigkeit des Abstellens allein auf den Inzidenzwert In der Rechtsprechung wurde das alleinige Abstellen auf Inzidenzwerte als Voraussetzung von Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bereits öfter kritisiert. Insbesondere äußerten Gerichte Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Erstreckung von Schutzmaßnahmen auf ein größeres Gebiet (Bundesland, Kreis etc.), wenn dies allein auf den Inzidenzwert in diesem Gesamtgebiet gestützt wurde.8 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof argumentierte etwa in Bezug auf Beherbergungsverbote , das Infektionsgeschehen auf Kreisebene könne nicht nur regional gleichmäßig verteilt, sondern auch lokalisiert und klar eingrenzbar verlaufen.9 Eine entsprechend detaillierte Erkenntnislage vorausgesetzt, erlaube ein solches lokales Ausbruchsgeschehen gezielte, räumlich beschränkte Eindämmungsmaßnahmen, die das gesamte Kreisgebiet weder betreffen müssten noch – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – dürften. Daher sei es im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen , die Überschreitung des Schwellenwerts auf der jeweiligen Kreisebene in einer Rechtsverordnung als alleiniges Kriterium für die Verhängung eines Beherbergungsverbots auszugestalten. Jedenfalls sei zusätzlich eine behördliche Feststellung im Einzelfall über die Wahrscheinlichkeit einer flächendeckenden Ausbreitung des jeweiligen Infektionsgeschehens erforderlich, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. 6 Murswiek, Die Corona-Waage – Kriterien für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahme, in: NVwZ- Extra 5/2021, 1 (2 f.). 7 Siehe etwa OVG Münster, Beschluss vom 6. Juli 2020, Az. 13 B 940/20.NE, Rn. 62 (juris); VGH Kassel, Beschluss vom 29. Oktober 2020, Az. 6 B 2634/20, Rn. 27 (juris); OVG Münster, Beschluss vom 20. November 2020, Az. 15 B 1834/20, Rn. 17 (juris); BVerfG, Beschluss vom 21. November 2020, Az. 1 BvQ 135/20, Rn. 16 (juris); VerfGH NRW, Beschluss vom 10. Februar 2021, Az. VerfGH 27/21.VB-3, Rn. 46 (juris); OVG Bautzen, Beschluss vom 4. Februar 2021, Az. 3 B 6/21, Rn. 40 (juris). 8 OVG Münster, Beschluss vom 6. Juli 2020, Az. 13 B 940/20.NE, Rn. 62 (juris); VGH München, Beschluss vom 28. Juli 2020, Az. 20 NE 20.1609, Rn. 45 (juris); VGH München, Beschluss vom 29. Oktober 2020, Az. 20 NE 20.2360, Rn. 31 (juris); OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020, Az. 13 MN 371/20, Rn. 59 (juris); OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Oktober 2020, Az. 13 MN 393/20, Rn. 57 (juris); OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Januar 2021, Az. 13 MN 11/21, Rn. 32 (juris); in der Literatur etwa Eibenstein, Persona non grata dank Inzidenzwert, in: COVuR 2020, 688 (690). 9 VGH München, Beschluss vom 28. Juli 2020, Az. 20 NE 20.1609, Rn. 45 (juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/21 Seite 5 In einer anderen Entscheidung äußerte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung durch Rechtsverordnung, die weitergehende Einschränkungen auf lokaler Ebene alleine an die Überschreitung bestimmter 7-Tage-Inzidenzen knüpfte.10 In den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten sollten in diesem Fall automatisch strengere Regeln in Kraft treten. Das Gericht kritisierte, dass dem In- bzw. Außerkrafttreten bestimmter Maßnahmen damit keine erneute konkrete Gefährdungsbeurteilung des Verordnungsgebers zugrunde liege, sondern nur eine abstrakte – und mangels nachvollziehbarer Herleitung oder Begründung der Grenzwerte zudem fragliche – Gefährdungsbeurteilung, die sich ohne weitere Zwischenschritte oder behördliche Entscheidungen fortlaufend aktualisiere und unmittelbar Rechtsfolgen auslöse. Allgemeiner führte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg in mehreren Beschlüssen aus, es dürften keine unterschiedslos generalisierenden infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen getroffen werden.11 Vielmehr könnten vorhandene oder zumutbar zu ermittelnde tatsächliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen in dem betroffenen Gebiet zu einer differenzierten Betrachtung und zu unterschiedlichen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zwingen, etwa bei klar eingrenzbaren Infektionsvorkommen. Die Erforderlichkeit der Maßnahmen müsse vom Verordnungsgeber nicht nur anhand der 7-Tage-Inzidenz beurteilt werden, sondern unter Einbeziehung aller anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände.12 4. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Bildung konkreter Inzidenz-Schwellenwerte Staatliche Eingriffe in Grundrechte müssen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Sie unterliegen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dies bedeutet, dass die Maßnahmen einen legitimen Zweck verfolgen und zum Erreichen dieses Zwecks geeignet und erforderlich sowie angemessen sein müssen.13 Bei der Frage, ob eine Maßnahme zum Erreichen des legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, hat der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber einen Einschätzungsspielraum.14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hängt der Umfang des Einschätzungsspielraums unter anderem davon ab, inwieweit für den Staat die Möglichkeit besteht bzw. bestand, sich ein hinreichend sicheres Urteil über die Sachlage zu bilden.15 Zum Umfang der verfassungsrechtlichen Prüfung im Falle eines Einschätzungsspielraums hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: 10 VGH München, Beschluss vom 29. Oktober 2020, Az. 20 NE 20.2360, Rn. 31 (juris). 11 OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020, Az. 13 MN 371/20, Rn. 59 (juris); Beschluss vom 29. Oktober 2020, Az. 13 MN 393/20, Rn. 57 (juris); Beschluss vom 18. Januar 2021, Az. 13 MN 11/21, Rn. 32 (juris). 12 OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Februar 2021, Az. 13 MN 44/21, Rn. 38 (juris); Beschluss vom 26. Februar 2021, Az. 13 MN 63/21, Rn. 32 (juris). 13 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL Oktober 2019, Art. 20 VII Rn. 110. 14 Siehe in Bezug auf die Corona-Maßnahmen etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2020, 11 S 12/20, BeckRS 2020, 4408 Rn. 8. 15 Siehe etwa BVerfGE 50, 290 (332 f.); 88, 87 (97). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/21 Seite 6 „Je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten des Gesetzgebers, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, kann die verfassungsgerichtliche Kontrolle dabei von einer bloßen Evidenzkontrolle über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen.“16 Im Hinblick auf teils widerstreitende Meinungen in der Wissenschaft dürfte dem Staat in Bezug auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ein weiter Spielraum zukommen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof äußerte sich dazu wie folgt: „Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Regelung in tatsächlicher Hinsicht einer Einschätzungsprärogative des Normgebers unterliegt. Dies gilt in besonderer Weise dann, wenn die Tatsachengrundlage, auf der der Normgeber seine Entscheidung zu treffen hat, angesichts der Neuartigkeit der Gefahrenlage und der im fachwissenschaftlichen Diskurs auftretenden Ungewissheiten – wie hier – als besonders unsicher anzusehen ist [...].“17 Der Gerichtshof setzte sich auch mit der Kritik an der wissenschaftlichen Begründetheit von Inzidenzwerten auseinander.18 Es möge Stimmen geben, die unter anderem die Eignung der Inzidenzzahlen zur Bewertung des Infektionsgeschehens, die Zuverlässigkeit von PCR-Tests sowie eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems verneinten. Dies rechtfertige jedoch nicht den Vorwurf eines Verfassungsverstoßes des Normgebers. Es sei gerade die Aufgabe des Normgebers, die in der öffentlichen Diskussion vertretenen – teils kontroversen – Auffassungen im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums zu gewichten und eine Entscheidung zu treffen. Die Ansicht, dass der Normgeber erst tätig werden dürfe, wenn die Tatsachengrundlage für eine beabsichtigte Regelung in der Wissenschaft übereinstimmend als gesichert bewertet wird, entspreche nicht den Vorgaben der Verfassung. Allerdings stellte etwa das OVG Lüneburg bestimmte Anforderungen an die Bildung konkreter Inzidenz-Schwellenwerte für die Verhängung bzw. Aufhebung von Schutzmaßnahmen. In mehreren Beschlüssen, die in Eilverfahren ergingen, stellte das OVG in Aussicht, dass es einer näheren Prüfung im Hauptsacheverfahren bedürfe, ob die seit Pandemiebeginn angenommene 7-Tage- Inzidenz von 50 als Obergrenze für eine effektive Kontaktnachverfolgung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst als sachlich gerechtfertigt angesehen werden könne.19 Hierin bestünden aus verschiedenen Gründen Zweifel. Zum einen sei fraglich, ob bis zu diesem Schwellenwert die Kontaktnachverfolgung tatsächlich umfassend gewährleistet sei. Schon angesichts bestehender rechtlicher 16 BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020, 2 BvR 2347/15 u.a., NJW 2020, 905 (910). 17 BayVerfGH, Entscheidung vom 21. Oktober 2020, Az. Vf. 26-VII-20, Rn. 21 (juris). 18 BayVerfGH, Entscheidung vom 29. Januar 2021, Az. Vf. 96-VII-20, Rn. 46 (juris); BayVerfGH, Entscheidung vom 1. Februar 2021, Az. Vf. 98-VII-20, Rn. 21 (juris); dem zustimmend VerfGH Sachsen, Beschluss vom 11. Februar 2021, Az. Vf. 14-II-21, Rn. 32 (juris). 19 OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Januar 2021, Az. 13 MN 11/21, Rn. 33 (juris); OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Februar 2021, Az. 13 MN 44/21, Rn. 22 (juris) und öfter. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/21 Seite 7 Grenzen für die Tätigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes sei eine lückenlose Kontaktnachverfolgung wohl kaum möglich. Andererseits sei die personelle und sachliche Verstärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes während der Pandemie zu berücksichtigen und zu klären, wie sich diese auf die Fähigkeit zur Kontaktnachverfolgung ausgewirkt habe. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die Anknüpfung weiterer Öffnungsschritte an eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 – die in einem rechtlich nicht bindenden Beschluss der sog. Ministerpräsidentenkonferenz in Aussicht gestellt worden sei – wohl unzulässig wäre.20 Der für die Aufhebung von Infektionsschutzmaßnahmen zu erreichende Inzidenzwert sei keine „politische Zahl“, die im Wege eines Kompromisses bei Verhandlungen zwischen der Exekutive des Bundes und der Länder vereinbart werden könne. Er habe vielmehr maßgeblich an die tatsächliche Fähigkeit der Gesundheitsverwaltung zur Nachverfolgung anzuknüpfen. Nur eine Anknüpfung an tatsächliche Gegebenheiten sei geeignet, die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie hervorgerufenen erheblichen Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen. *** 20 OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Februar 2021, Az. 13 MN 44/21, Rn. 25 f. (juris).