© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 046/20 Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste ausgewählter Staaten in der Counter Terrorism Group Auslegung der sog. Third Party Rule Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 2 Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste ausgewählter Staaten in der Counter Terrorism Group Auslegung der sog. Third Party Rule Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 046/20 Abschluss der Arbeit: 2. Juli 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Deutschland 4 2.1. Überblick über die Kontrolle des Bundesamts für Verfassungsschutz 4 2.2. Auslegung der Third Party Rule 7 2.2.1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 7 2.2.2. Auslegung der Third Party Rule im Rahmen der Counter Terrorism Group durch die Bundesregierung 9 3. Auslegung der Third Party Rule in weiteren Staaten der Counter Terrorism Group 11 3.1. Frankreich 11 3.2. Großbritannien 12 3.3. Norwegen 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 4 1. Einleitung Die Counter Terrorism Group (CTG) ist ein informeller Zusammenschluss der Inlandsnachrichtendienste aller EU-Staaten sowie Großbritanniens, Norwegens und der Schweiz. Seit 2016 verfügt die CTG auch über eine sog. operative Plattform, die den Austausch operativer Erkenntnisse zum Phänomenbereich „Islamistischer Terrorismus“ durch entsandte Verbindungsbeamte vereinfachen und beschleunigen soll.1 Die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste in der CTG und ihrer operativen Plattform ist von der sog. Third Party Rule2 geprägt. Dabei handelt es sich um eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich.3 Nach der Third Party Rule behält sich eine Stelle die Berechtigung zur Verfügung über eine Information, insbesondere die Entscheidung über die Weitergabe an Dritte, auch für die Zeit nach deren Übermittlung an kooperierende Stellen vor.4 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden um eine Ausarbeitung zur Auslegung der Third Party Rule bei der Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste in der CTG gebeten. Dabei wird zunächst auf Deutschland eingegangen und anschließend auf die Auslegung der Third Party Rule in weiteren Staaten der CTG, insbesondere Frankreich, Großbritannien und Norwegen. 2. Deutschland Von deutscher Seite beteiligt sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) an der CTG und ihrer operativen Plattform in Den Haag.5 2.1. Überblick über die Kontrolle des Bundesamts für Verfassungsschutz Das BfV ist eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und untersteht seiner unbeschränkten Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht. Über die Zulässigkeit von Maßnahmen des BfV, die das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 GG) beschränken, entscheidet die sog. G 10-Kommission. Es handelt sich um ein unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Kontrollorgan eigener Art außerhalb der 1 Zur CTG und ihrer operativen Plattform vgl. bereits die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Thema „Kontrolle von Nachrichtendiensten bei Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten im Ausland“, WD 3 - 3000 - 072/17, S. 3 (letzter Zugriff auf alle in der Ausarbeitung verlinkten Internetfundstellen : 30. Juni 2020). 2 Schreibweise teilweise auch „Third-Party-Rule“; die deutsche Bezeichnung „Drittparteiregelung“ wird nur selten gebraucht. 3 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 165. 4 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 160 und 165. 5 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 18/12297, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 5 rechtsprechenden Gewalt, das als Ersatz für den fehlenden gerichtlichen Rechtsschutz dient.6 Gegenstand der umfassenden Kontrolle ist nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts7 nicht nur die Erhebung, sondern die gesamte Verarbeitung und Nutzung der auf diese Weise erlangten personenbezogenen Daten einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene (§ 15 Abs. 5 S. 2 Artikel 10-Gesetz). Dies umfasst auch die Kontrolle der Einhaltung datenschutzrechtlicher Anforderungen,8 wie insbesondere des Zweckbindungsgrundsatzes,9 der auch bei der Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Stellen eingehalten werden muss. Außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der G 10-Kommission ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz durch das BfV zuständig. Dessen Kontrolltätigkeit kann gemäß § 26a Abs. 3 S. 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) beschränkt werden, soweit das BMI im Einzelfall feststellt, dass die Auskunft oder Einsicht die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden würde. Nach überwiegender Meinung in der Literatur können die Gründe herangezogen werden, die auch die Einschränkung einer Auskunft gegenüber dem parlamentarischen Raum zulassen.10 Die Arbeit der Nachrichtendienste unterliegt – wie die gesamte Regierungstätigkeit – auch der parlamentarischen Kontrolle. Ausgeübt wird diese durch die parlamentarischen Fragerechte des Bundestages, seiner Mitglieder und Fraktionen, die Möglichkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Grundgesetz (GG) und das aus der Mitte des Bundestages gewählte Parlamentarische Kontrollgremium nach Art. 45d GG als besonderes Kontrollinstrument. Die Rechte des Parlaments zur Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch den Grundsatz der Gewaltenteilung, die Grundrechte und das Staatswohl begrenzt. Die parlamentarische Kontrolle ist generell auf solche Vorgänge beschränkt, die im Verantwortungsbereich der Bundesregierung liegen und die nicht dem Kernbereich der Exekutive angehören.11 Eine weitere verfassungsrechtliche Grenze der Antwortpflicht der Bundesregierung kann sich aus der – aus den Grundrechten oder Gründen des Staatswohls folgenden – Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Information ergeben. Zwar geht das Bundesverfassungsgericht vom Grundsatz aus, dass das Staatswohl der Regierung und dem Parlament gemeinsam anvertraut ist.12 Das Parlament und seine Organe können daher nicht als Außenstehende behandelt werden, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind. 6 BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016, Az. 2 BvE 5/15, juris Rn. 41 m.w.N. 7 BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999, Az. 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, juris, Rn. 304 zum früheren § 9 Abs. 3 S. 2 Artikel 10-Gesetz. 8 Vgl. die Gesetzesbegründung zum früheren § 15 Abs. 4 Artikel 10-Gesetz, BT-Drs. 14/5655, S. 26. 9 Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, 2. Aufl. 2018, Artikel 10-Gesetz, § 15 Rn. 46. 10 Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, 2. Aufl. 2018, BVerfSchG, § 26a Rn. 10 m.w.N. 11 St. Rspr., vgl. BVerfG, Urteil vom 7. November 2017, Az. 2 BvE 2/11, juris, Rn. 229 m.w.N.; vgl. dazu auch WD 3 - 3000 - 072/17 (Fn. 1), S. 4. 12 Grundlegend dazu BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984, Az. 2 BvE 11/83, juris, Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 6 Die Bundesregierung darf aber orientiert am Grad der Geheimhaltungsbedürftigkeit Informationen gegenüber dem Parlament zurückhalten, solange das Parlament den erforderlichen Grad der Geheimhaltung nicht garantieren kann.13 Welcher Grad der Geheimhaltung erforderlich ist und ob dieser garantiert werden kann, ist im Einzelfall zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht fordert im Falle einer verweigerten Herausgabe von Informationen auch eine angemessene Darlegung der Gründe.14 Konkrete Aussagen zur Dauer der Ablehnung der Auskunft oder Informationsübermittlung trifft das Bundesverfassungsgericht nicht. Diese ist generell nur dann rechtmäßig, wenn und solange ein durchgreifender Verweigerungsgrund vorliegt. Die genannten verfassungsrechtlichen Grenzen sind hinsichtlich des parlamentarischen Fragerechts des Bundestages, seiner Mitglieder und Fraktionen nicht gesetzlich geregelt. Nach § 18 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz15 (PUAG) sind die Nachrichtendienste „vorbehaltlich [der oben dargestellten] verfassungsrechtliche[n] Grenzen“ verpflichtet, Untersuchungsausschüssen des Bundestages auf Ersuchen Beweismittel vorzulegen. Wird der Zugang zu Beweismitteln verweigert, muss der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder der Einstufung schriftlich unterrichtet werden, § 18 Abs. 2 S. 2 PUAG. Die Ablehnung muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ggf. auch durch ergänzende Maßnahmen erläutert werden:16 In Betracht kommt etwa eine detaillierte und umfassende Unterrichtung des Ausschusses über die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der Geheimhaltungsbedürftigkeit. Hat der Untersuchungsausschuss dennoch Grund zu der Annahme, dass zurückgehaltene Informationen mit dem ihm erteilten Kontrollauftrag zu tun haben, muss der Nachrichtendienst die Gründe des Untersuchungsausschusses erwägen und bei Fortbestehen der Ablehnung auch weitere Möglichkeiten der Darlegung der Ablehnungsgründe gegenüber dem Ausschuss prüfen. Die Bundesregierung ist gemäß § 4 Abs. 1 Kontrollgremiumgesetz (PKGrG) verpflichtet, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) umfassend über die allgemeine Tätigkeit der deutschen Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. § 6 Abs. 1 S. 1 PKGrG beschränkt die Kontrolle aber auf solche Informationen und Gegenstände, die der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste des Bundes unterliegen. Diese fehlt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in der Regel, wenn es sich um Informationen handelt, die den 13 BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984, Az. 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, juris, Rn. 123; Urteil vom 21. Oktober 2014, Az. 2 BvE 5/11, juris Rn. 150 f.; Beschluss vom 13. Juni 2017, Az. 2 BvE 1/15, juris Rn. 98. 14 BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009, Az. 2 BvE 5/06, juris, Rn. 132. 15 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1142, geändert durch Art. 4 Abs. 1 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004, BGBl. I S. 718. 16 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 144; Urteil vom 17. Juli 1984, 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, juris, Rn. 171. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 7 Nachrichtendiensten von ausländischen Behörden übermittelt worden sind.17 Hält die Bundesregierung ihre Verfügungsbefugnis für nicht gegeben, muss sie das PKGr darüber informieren und auf Verlangen geeignete Maßnahmen ergreifen, um dennoch unterrichten zu dürfen (§ 6 Abs. 1 S. 2 und 3 PKGrG). Das PKGr sieht insbesondere die Einleitung von Konsultationsverfahren mit ausländischen Regierungen als geeignete Bemühungen an.18 Die Bundesregierung kann nach § 6 Abs. 2 PKGrG die Unterrichtung, die Auskunft und die Übermittlung von Akten und Daten ferner verweigern , soweit dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig ist oder wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist (S. 1). Das für den betroffenen Nachrichtendienst zuständige Mitglied der Bundesregierung muss die Gründe der Verweigerung gegenüber dem PKGr darlegen (S. 2). Bezüglich der Frage, ob eine multilaterale Aufsicht über den internationalen Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten geschaffen werden sollte, verwies das BMI gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages darauf, dass das Verwaltungshandeln der beteiligten nationalen Behörden vollumfänglich den nationalen Aufsichtsmechanismen unterliege und damit auch bereits die erforderlichen und zweckmäßigen Anforderungen an eine parlamentarische Kontrolle erfüllt seien. 2.2. Auslegung der Third Party Rule 2.2.1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Third Party Rule stellt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 zur Vorlage der NSA-Selektorenliste an den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages kein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen dar, sondern ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einzuordnen. Das Verbot der Weitergabe an Dritte werde in seinem Umfang vom herausgebenden Staat bestimmt. Die Bundesregierung sei verpflichtet, sich im Falle eines Konfliktes um ein Einverständnis des herausgebenden Staates zu bemühen.19 Ob die Third Party Rule generell als Auskunftsverweigerungsgrund der Nachrichtendienste auch gegenüber Kontrollorganen des Parlaments und gegenüber Aufsichtsbehörden und sonstigen Kontrollorganen gilt, hatte das Bundesverfassungsgericht aber ausdrücklich offengelassen, da die USA jedenfalls im konkreten Fall den Untersuchungsausschuss als Drittpartei angesehen habe.20 Fehle die Freigabe des herausgebenden Staates, dürfe die Übermittlung von Informationen an das Parlament zwar dennoch nur verweigert werden, wenn eine Abwägung ergebe, dass das Interesse an der Erhaltung der außen- und sicher- 17 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 165. 18 Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum Dezember 2015 bis Oktober 2017), BT-Drs. 19/422, S. 6. 19 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rz. 164 unter Verweis auf Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 374 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 20 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rz. 163. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 8 heitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung das parlamentarische Informationsinteresse überwiege. Durch die Offenlegung von erhaltenen Informationen trotz Vertraulichkeitsabsprachen werde die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aber erheblich beeinträchtigt .21 Abwägungsrelevant sei ferner, ob originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen des herausgebenden Staates berührt seien.22 Andererseits sei auch zu berücksichtigen, ob eine Gefahr des Entstehens eines kontrollfreien Raumes und damit eines völligen Ausschlusses des Parlaments von jeglicher Information bestehe.23 Im Ergebnis überwog nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts das Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung gegenüber dem parlamentarischen Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses.24 Im jüngst ergangenen Urteil zur strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes 25 hat sich das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Informationsverweigerung aufgrund der Third Party Rule erneut geäußert: „Der Informationsfluss in den parlamentarischen Raum und damit auch zum Parlamentarischen Kontrollgremium kann […] aus Geheimhaltungsgründen grundsätzlich begrenzt werden. Der Gesetzgeber darf insoweit berücksichtigen, dass die parlamentarische Kontrolle einen anderen Charakter aufweist […] als eine Kontrolle, die allein auf die Beachtung des objektiven Rechts ausgerichtet ist, und dass Geheimhaltung im parlamentarisch -politischen Umfeld faktischen Grenzen unterliegt. Allerdings ist das Parlamentarische Kontrollgremium nach Art. 45d GG in einer Form, die den Belangen des Geheimschutzes Rechnung trägt, regelmäßig über die Kontrolltätigkeit zu unterrichten. Darüber hinaus muss es den Kontrollinstanzen möglich sein, in abstrakter, die Geheimhaltung gewährleistender Weise ihre Beanstandungen und Kritik letztlich auch an das Parlament und damit an die Öffentlichkeit heranzutragen.“26 Weiter hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal bekräftigt, dass die Bunderegierung seinerzeit unter Berufung auf die Third Party Rule mit den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages bestimmte Informationen zurückhalten durfte.27 Die Drittparteiregelung könne aber strikt auf Geheimhaltung ausgerichteten und zu dieser verpflichteten unabhängigen Kontrollinstanzen, die nicht in das Parlament und dessen 21 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 168 ff. 22 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 177. 23 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 177. 24 BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 176 ff. 25 Näher hierzu der Aktuelle Begriff Nr. 06/20 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 26. Mai 2020. 26 BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020, Az. 1 BvR 2835/17, juris Rn. 298; Hervorhebungen nur hier. 27 BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020, Az. 1 BvR 2835/17, juris, Rn. 293 unter Verweis auf seinen Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 2 BvE 2/15, juris, Rn. 167 und 176 ff.; Hervorhebungen nur hier. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 9 politische Kommunikationszusammenhänge eingebunden sind, in Zukunft nicht mehr entgegengehalten werden.28 Zwar bleiben die Bundesregierung und der Bundesnachrichtendienst an bereits in der Vergangenheit gegebene Zusagen gebunden. Für die Zukunft sind jedoch durch die Art der Ausgestaltung der Kontrollinstanzen sowie durch veränderte Absprachen mit den ausländischen Diensten die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die mit der Rechtskontrolle betrauten Instanzen nicht mehr als „Dritte“ angesehen werden.29 Die Frage, ob die Third Party Rule der G 10-Kommission , die eine quasi-gerichtliche Kontrolle innerhalb des Funktionsbereichs der Exekutive ausübt,30 ohne in diese inkorporiert zu sein, entgegengehalten werden kann, war nicht Gegenstand des BND- Urteils. 2.2.2. Auslegung der Third Party Rule im Rahmen der Counter Terrorism Group durch die Bundesregierung Das BMI teilte in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Jahr 2012 mit, dass jede Information der CTG „der Verfügungsbefugnis des Nachrichtendienstes bzw. des Staates [unterliegt], von dem sie stammt; je nach Information kann die Verfügungsbefugnis auch gemeinsam bestehen“31. Im Jahr 2017 äußerte das BMI die Ansicht, dass für eine Freigabe grundsätzlich alle an der CTG beteiligten Nachrichtendienste ihr Einverständnis bekunden müssten, da es sich um ein Konsensgremium handle.32 Noch vor dem BND-Urteil verwies das BMI im Mai 2020 gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages darauf, dass allein die Sicht des Informationsgebers maßgeblich sei, wer Dritter ist. Der Informationsgeber könne etwa auch die G 10-Kommission als Dritten ansehen. Konkret hat die Bundesregierung in zahlreichen Antworten auf parlamentarische Fragen von Mitgliedern des Bundestages zur Tätigkeit des BfV in der CTG, ihrer operativen Plattform oder auch im sog. Berner Club33 unter Verweis auf das Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses die 28 BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020, Az. 1 BvR 2835/17, juris, Rn. 294. Für die strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND sind solche umfassenden Kontrollinstanzen erst noch zu schaffen. Das BND-Urteil enthält detaillierte Vorgaben für deren Ausgestaltung. 29 Ebenda. 30 BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016, Az. 2 BvE 5/15, juris, Rn. 41 m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . 31 BT-Drs. 17/9844, S. 24. 32 Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim BMI Dr. Günter Krings auf eine schriftliche Nachfrage des Abgeordneten Andrej Hunko zur Antwort des BMI auf BT-Drs. 18/12297, abrufbar unter: https://www.andrejhunko .de/start/download/dokumente/980-nachfrage-ans-bmi-zur-third-party-rule-und-zur-kontrolle-des-bfvbei -aktivitaeten-im-ausland/file. 33 Informeller Zusammenschluss von Inlandsgeheimdiensten, dem die EU-Mitgliedstaaten, Großbritannien, Norwegen und die Schweiz und ggf. weitere Staaten angehören sollen, vgl. Die Wochenzeitung, Der geheime Club der geheimen Dienste, Nr. 10/2020 vom 5. März 2020. Die Bundesregierung hat sich bislang in Antworten auf parlamentarische Anfragen (etwa auf BT-Drs. 19/7268 und zuletzt BT-PlPrt. 19/151, S. 18848D – 18849D) nicht zum Bestehen und zu Einzelheiten des Berner Clubs und einer dortigen Tätigkeit des BfV geäußert. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 10 Übermittlung der angefragten Informationen verweigert.34 Auch eine Übermittlung an die Geheimschutzstelle des Bundestages, in der Abgeordnete Einsicht in die Dokumente nehmen können, wurde in den meisten Fällen35 abgelehnt. Die Verweigerung der Informationsübermittlung erfolgte überwiegend ohne einen Hinweis, ob zuvor Freigabeersuchen an die herausgebende(n) Stelle(n) gerichtet wurden.36 Auf Nachfrage eines Mitglieds des Bundestages teilte das BMI mit, dass jedenfalls vor Verweigerung der Auskünfte auf BT-Drs. 18/5048, 18/7930, 18/9323, 18/9974 und 18/10641 keine Freigabeanfragen erfolgt seien. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage führte die Bundesregierung zudem aus, dass an den NSU-Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Bundestages innerhalb des Berner Clubs ausgetauschte Informationen zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) unter Beachtung der Third Party Rule nur übermittelt worden seien, „wenn die erfragte Weitergabe von dem ausländischen Nachrichtendienst zuvor freigegeben war“; die Einzelheiten wurden nicht näher erläutert.37 Die deutschen Nachrichtendienste verweigern auch gegenüber dem PKGr die Informationsübermittlung unter Hinweis auf die Third Party Rule, wenn ein entsprechendes Einverständnis des verfügungsberechtigten ausländischen Dienstes fehlt. Das PKGr hat diesbezüglich im Jahr 2016 ausgeführt: „Aus der Arbeit des Gremiums und aus Kontakten mit ausländischen Kontrollgremien ergibt sich zunehmend der Eindruck, dass die nationale parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste mit der zunehmenden internationalen Zusammenarbeit der Dienste nicht Schritt hält. Eine zufriedenstellende Lösung für eine hinreichende parlamentarische Kontrolle der internationalen Zusammenarbeit der Nachrichtendienste – etwa beim Austausch von Informationen – wurde bisher jedoch nicht gefunden bzw. verabschiedet. Das Gremium geht jedoch davon aus, dass in absehbarer Zeit geeignete Vorschläge zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste in diesem Bereich vorgelegt werden.“38 Bislang wurden keine entsprechenden Änderungen in das PKGrG aufgenommen. Laut jüngstem Tätigkeitsbericht39 hat das PKGr auch im Zeitraum November 2017 bis September 2019 in Einzelfällen unter Berufung auf die Third Party 34 BT-Drs. 18/5048 (Fragen 24 bis 26); 18/5967 (Fragen 10 bis 16); 18/7466 (Frage 28); 18/7930 (Fragen 21, 22, 27 und 31); 18/8975 (Frage 2); 18/9323 (Fragen 3, 5, 14, 20); 18/9974 (Frage 20); 18/10641 (Frage 7 und 7a); 18/11577 (Frage 19); 18/12297 (Frage 8, 18 und 22); 19/489 (Frage 6); 19/1261 (Frage 16b); 19/7268 (Fragen 1 bis 1f); 19/17002 (Frage 3, 4, 5a, 14a, 15, 17a und 18b). 35 Übermittlung der Informationen zur CTG in eingestufter Form an die Geheimschutzstelle des Bundestages bspw. bei BT-Drs. 17/9844 (Fragen 21a bis 21c); 19/7268 (Fragen 1 bis 1f). 36 BT-Drs. 18/5048 (Fragen 24 bis 26); 18/5967 (Fragen 10 bis 16); 18/7466 (Frage 28); 18/7930 (Fragen 21, 22, 27 und 31); 18/8975 (Frage 2); 18/9323 (Fragen 3, 5, 14, 20); 18/9974 (Frage 20); 18/10641 (Frage 7 und 7a); 18/11577 (Frage 19); 18/12297 (Frage 8, 18 und 22); 19/489 (Frage 6); 19/1261 (Frage 16b). Die Antworten der Bundesregierung auf BT-Drs. 19/7268 (Fragen 1 bis 1f) und 19/17002 (Frage 3, 4, 5a, 14a, 15, 17a und 18b), enthalten lediglich den Hinweis, dass in Bezug auf die erfragten Einzelheiten eine Freigabe der Informationen nicht vorliege; ob Freigabeersuchen gestellt wurden, wird nicht mitgeteilt. 37 BT-Drs.18/5967, S. 3. 38 Tätigkeitsbericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Berichtszeitraum November 2013 bis November 2015, BT-Drs.18/7962, S.14. 39 Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum November 2017 bis September 2019), BT-Drs. 19/15266, S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 11 Rule keine detaillierten Informationen von den Nachrichtendiensten erhalten, weil kein Einverständnis der die Information übermittelnden Stelle zur Weitergabe an das Gremium bestand. Über die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten sei in unterschiedlichen Zusammenhängen jedoch regelmäßig berichtet worden, wenn auch in der Regel ohne Nennung der jeweiligen Partner. Konkret in Bezug auf die CTG seien die politischen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit mit Partnerdiensten wie zum Beispiel in Folge der Entführung eines vietnamesischen Staatsangehörigen aus dem Berliner Tiergarten sowie der Ermordung eines Mannes georgischer Nationalität in Berlin Moabit thematisiert worden. 3. Auslegung der Third Party Rule in weiteren Staaten der Counter Terrorism Group Informationen über die Auslegung der Third Party Rule in den weiteren in der CTG vertretenen Staaten sind kaum öffentlich zugänglich. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte kommt in einer Studie aus dem Jahr 2018 zu der Bewertung, „dass Kontrollgremien oftmals als ‚Dritte‘ betrachtet werden und daher die der internationalen Zusammenarbeit entstammenden Daten nicht bewerten können. […] Ungeachtet der ‚Third-Party-Rule‘ sollten die EU-Mitgliedstaaten in Betracht ziehen, den Kontrollgremien vollständigen Zugriff auf die im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit übermittelten Daten zu gewähren. Dies würde die Kontrollbefugnisse auf alle seitens der Nachrichtendienste verfügbaren und von diesen verarbeiteten Daten ausdehnen.“40 In Belgien, den Niederlanden und Schweden würden bereits jetzt Kontrollorgane nicht als Third Parties angesehen werden.41 Im Folgenden wird auf die für die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages verfügbaren Informationen hinsichtlich der Auslegung der Third Party Rule in Frankreich, Großbritannien und Norwegen eingegangen.42 3.1. Frankreich Die nachrichtendienstliche Tätigkeit im Bereich der Terrorismusbekämpfung obliegt dem Inlandsnachrichtendienst (Direction générale de la sécurité intérieure; DGSI).43 Nach Informationen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages werde die Third Party Rule durch die französischen Nachrichtendienste streng gewahrt. Die Third Party Rule dürfe aber der Regierung 40 FRA, Überwachung durch Nachrichtendienste: Grundrechtsschutz und Rechtsbehelfe in der Europäischen Union – Teil II – Zusammenfassung, Mai 2018, S. 12; der ausführliche Gesamtbericht liegt nur in englischer Sprache vor: Surveillance by intelligence services: fundamental rights safeguards and remedies in the EU Volume II: field perspectives and legal update, 2017 (mit Einzelheiten zur Third Party Rule insbesondere in Abschnitten 11.2. und 11.3.). 41 FRA, Gesamtbericht (Fn. 39), S. 107. 42 Zu weiteren Informationen zur parlamentarischen Kontrolle in den genannten und etlichen weiteren Staaten vgl. bereits die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 12. Mai 2017 zum Thema „Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in ausgewählten Staaten - Aktualisierung der Ausarbeitung WF III G - 12/06 vom 23. Januar 2006“, WD 3 - 3000 - 016/17. 43 Information im Internetauftritt des Ministeriums des Innern der Französischen Republik, La Direction générale de la sécurité intérieure; vgl. auch WD 3 - 3000 - 016/17 (Fn. 41), S. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 12 von französischen Nachrichtendiensten wohl nicht entgegengehalten werden, da deren Aufgabe gerade in der Information der Regierung besteht und die Regierung ebenso zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Die französische Regierung stehe dem multilateralen Austausch von Informationen oft zurückhaltend gegenüber und bevorzuge bilaterale Kooperationen, auch wenn Frankreich insbesondere den Nutzen der CTG zur Terrorismusbekämpfung anerkenne. Die Haltung der französischen Regierung zur Frage einer multilateralen Aufsicht über die CTG ist nicht bekannt. In einer Antwort auf eine parlamentarische Frage zur Schaffung einer Nachrichtenagentur auf EU- Ebene betonte die französische Regierung, dass die nationale Sicherheit in der alleinigen Verantwortung eines jeden Mitgliedstaates stehe.44 Die parlamentarische Kontrolle der geheimdienstlichen Tätigkeiten obliegt insbesondere der Délégation parlamentaire au renseignement (DPR).45 Die Tätigkeiten dieses parlamentarischen Kontrollgremiums unterliegen der Geheimhaltung und seine Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Um seine Aufgabe wahrnehmen zu können, erhält es von den zuständigen Ministern die dafür notwendigen Informationen oder kann diese von der Regierung verlangen. Die Satzung des Gremiums sieht hierfür allerdings vor, dass die Informationen, welche ihr von den betroffenen Diensten übermittelt werden, sich nicht „auf den Austausch mit ausländischen Diensten oder mit internationalen Einrichtungen, die im Bereich der Nachrichtendienste zuständig sind, beziehen dürfen“. Der französische Verfassungsrat hat bislang nicht über die Auslegung der Third Party Rule und die Frage, ob diese zur Verweigerung der Informationsweitergabe an das Gremium zur parlamentarischen Kontrolle oder weitere Aufsichtsbehörden der Regierung berechtigt, entschieden. 3.2. Großbritannien In Großbritannien erfolgt die nachrichtendienstliche Kontrolle durch parlamentarische und außerparlamentarische Instanzen.46 Die außerparlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste wird einerseits durch den Investigatory Powers Commissioner (IPC) wahrgenommen, welcher insbesondere für die Kontrolle der Ausübung von nachrichtendienstlichen Ermittlungsbefugnissen im Zusammenhang mit dem Abhören von Kommunikation zuständig ist. Dieser wird durch das Investigatory Powers Commissioner's Office (IPCO) unterstützt. Darüber hinaus besteht mit dem Investigatory Powers Tribunal (IPT) ein spezielles unabhängiges Gericht, welches Beschwerden bezüglich möglicher rechtswidriger Maßnahmen durch britische Nachrichtendienste zu untersuchen berechtigt ist. Das (deutsche) Bundesverfassungsgericht geht im o.g. BND-Urteil davon aus, dass diesen Kontrollinstanzen ein umfassender Zugriff auf sämtliche zur Kontrolle erforderlichen Unterlagen der von 44 Vgl. die Antwort des französischen Innenministers vom 28. Juli 2016 auf die schriftliche Frage Nr. 19207 vom 10. Dezember 2015. 45 WD 3 - 3000 - 016/17 (Fn. 41), S. 9 f. 46 Vgl. hierzu schon WD 3 - 3000 - 016/17 (Fn. 41), S. 24 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 13 ihnen überwachten Dienste zusteht und ihnen aufgrund ihrer strikten Verpflichtung zur Geheimhaltung auch die Third Party Rule nicht entgegengehalten werden könne.47 Das Gericht verweist diesbezüglich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), der von einer umfassenden Einsichtsbefugnis des IPT hinsichtlich sämtlicher für seine Aufgabenerfüllung notwendiger Unterlagen und Informationen auf Grundlage des „Regulation of Investigatory Powers Act 2000“ ausgegangen ist.48 Weiter wird der Jahresbericht des IPCO für das Jahr 2017 angeführt , nachdem die kontrollierten Nachrichtendienste ihrer Verpflichtung, umfassenden und uneingeschränkten Zugang zu allen für die Ausübung seiner Aufsicht benötigten Informationen zu ermöglichen, auch umfassend nachkämen.49 3.3. Norwegen Bisher war die Third Party Rule in Norwegen nur Teil der Dienstanweisungen zur Kooperation der norwegischen Nachrichten- und Sicherheitsdienste untereinander sowie von Vereinbarungen mit ausländischen Diensten. Aspekte der Third Party Rule wurden nun in einem im Juni 2020 verabschiedeten , aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetz über die norwegischen Nachrichtendienste50 geregelt. Ausweislich der Gesetzesmaterialien wird das dort verankerte Prinzip der Third Party Rule durch das norwegische Verteidigungsministerium so verstanden, dass der Nachrichtendienst Informationen, die er von einem Dritten erhalten hat, nicht ohne Zustimmung des ursprünglichen Inhabers der Information weiterzugeben befugt sei.51 Dies gelte gemäß § 10 des neuen Gesetzes auch für die Weitergabe von erhaltenen Informationen an weitere norwegische Nachrichten- und Sicherheitsdienste. Der Kontrollausschuss für Nachrichten-, Überwachungs- und Sicherheitsdienste (EOS-Ausschuss)52 überprüft, ob die norwegischen Nachrichten- und Sicherheitsdienste (EOS-Services)53 ihre Aktivitäten im Rahmen der rechtlichen Vorgaben ausüben. Der Ausschuss hat laut Gesetz unbegrenzten Zugang zu Archiven und Registern der Dienste.54 Bei Ausübung seiner Kontrollbefugnisse hat der Ausschuss die nationalen Sicherheitsinteressen und die Beziehungen zu anderen Staaten zu berücksichtigen . Er soll bei seiner Arbeit nur die für seine Kontrolltätigkeit notwendigen Informationen 47 BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020, Az. 1 BvR 2835/17, juris, Rn. 295 m.w.N. 48 EGMR, Big Brother Watch and others v. United Kingdom, Urteil vom 13. September 2018, Nr. 58170/13 u.a., Rn. 250, 379. 49 IPCO, Bericht für das Jahr 2017, 31. Januar 2019, S. 41. 50 Beschlussfassung in norwegischer Sprache abrufbar unter: https://www.stortinget.no/no/Saker-og-publikasjoner /Vedtak/Beslutninger/Lovvedtak/2019-2020/vedtak-201920-134/?all=true. 51 Stellungnahme des Verteidigungsministeriums vom 12. November 2018 zum Gesetzentwurf, Abschnitt 13.3.2. 52 Nähere Einzelheiten bei WD 3 - 3000 - 016/17 (Fn. 41), S. 18 f. 53 Einzelheiten zu den einzelnen norwegischen Diensten dargestellt in WD 3 - 3000 - 016/17 (Fn. 41), S. 17 f. 54 Lov om kontroll med etterretnings-, overvåkings- og sikkerhetstjeneste (EOS-kontrolloven), englische Übersetzung bei EOS-Ausschuss, Bericht für das Jahr 2018, Anhang 5 (Appendix 5), S. 78 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 046/20 Seite 14 anfragen und soweit wie möglich Rücksicht auf den Schutz aus dem Ausland erhaltener Informationen nehmen. Dem Ausschuss darf die Third Party Rule bei seiner Kontrolle grundsätzlich nicht entgegengehalten werden.55 Allerdings sind die Zugriffsbefugnisse des EOS-Ausschusses bei besonders sensiblen Informationen durch Parlamentsbeschluss begrenzt. Dazu gehören insbesondere Informationen über Operationen inländischer oder ausländischer Nachrichtendienste mit Auslandsbezug , deren Offenlegung das Verhältnis zu einer ausländischen Macht ernsthaft schädigen oder zu schweren Verletzungen oder zum Verlust des Lebens von eigenem Personal oder dem Personal Dritter führen könnten. Die Befugnisse der norwegischen Datenschutzbehörde erstrecken sich nicht auf personenbezogene Daten von norwegischen Behörden, deren Verarbeitung aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der Sicherheitsbedürfnisse verbündeter Staaten oder aufgrund anderer wesentlicher nationaler Sicherheitsinteressen erforderlich ist.56 Direkte Aussagen der norwegischen Regierung zur Frage, ob eine multilaterale Aufsicht über die CTG und ihre operative Plattform erfolgen sollte, finden sich soweit ersichtlich nicht. Allerdings machte das norwegische Justizministerium 2019 auf eine Anfrage des EOS-Ausschusses allgemeine Aussagen zur internationalen Zusammenarbeit bei der Aufsicht der Nachrichtendienste und der hiermit verbundenen Frage nach rechtlichen Befugnissen für den Austausch von geheimen Informationen mit anderen europäischen Aufsichtsbehörden. Nach Auffassung des Justizministeriums sei mit einer derartigen Kooperation eine Reihe von Herausforderungen verbunden, einschließlich der Notwendigkeit einer Gesetzesänderung. Allerdings ergebe sich auch ein möglicher Konflikt mit der Einhaltung der Third Party Rule, welche jedoch nicht durch Gesetzesänderungen in einzelnen Ländern angepasst werden könne, da diese in Vereinbarungen zwischen den Diensten verschiedener Länder verankert sei.57 *** 55 So auch die Stellungnahme des Verteidigungsministeriums (Fn. 50), S. 339. 56 Lov om behandling av personopplysninger (personopplysningsloven), § 23. 57 EOS-Ausschuss, Bericht für das Jahr 2019, Anhang 6 (Appendix 6), S. 62 f.