© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 046/17 Legaldefinition des Begriffes „Gefährder“ Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/17 Seite 2 Legaldefinition des Begriffes „Gefährder Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 046/17 Abschluss der Arbeit: 27.02.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/17 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach einer Legaldefinition des Gefährderbegriffes. Dabei soll auch thematisiert werden, in welchen Bereichen des Bundesrechts eine solche Definition möglich wäre. Ferner wird nach den verfassungsrechtlichen Grundlagen für die derzeitige Länderzuständigkeit und nach Möglichkeiten einer bundeseinheitlichen Regelung gefragt. 2. Legaldefinition des Gefährderbegriffes Eine Legaldefinition des Gefährderbegriffes existiert derzeit nicht. Der Begriff des Gefährders ist ein Arbeitsbegriff der Sicherheitsbehörden, der insbesondere bei der Bekämpfung des Terrorismus Anwendung findet.1 Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes hat im Jahr 2004 eine Definition beschlossen, die von der Bundesregierung und verschiedenen Sicherheitsbehörden der Länder verwendet wird. Seitdem wird folgende Definition verwendet:2 „Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird.“ Rechtliche Verbindlichkeit besitzt diese Definition nicht. Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern könnten auch eigene Definitionen verwenden. Die Frage nach einer möglichen Neudefinition des Gefährderbegriffes ist auch Gegenstand einer kleinen Anfrage.3 Auf die noch ausstehende Antwort der Bundesregierung wird verwiesen. 3. Möglicher Regelungsort im Bundesrecht Der Bund besitzt im präventivpolizeirechtlichen Bereich nur eingeschränkte Gesetzgebungsbefugnisse . Der Kern des Polizeirechts liegt im Zuständigkeitsbereich der Länder. Für den Bund bestehen Gesetzgebungskompetenzen vor allem für den Grenzschutz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG sowie für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA in bestimmten Fällen nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG. Daneben bestehen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes im Sicherheitsbereich, etwa für die Bereiche Schifffahrts- und Bundeswasserstraßen-, Eisenbahn und Luftverkehrsverwaltung.4 In den Bereichen, in denen der Bund die Gesetzgebungsbefugnis besitzt, kann er auch Legaldefinitionen in die jeweiligen Gesetze aufnehmen. Es wäre daher möglich, im Rahmen dieser Gesetzgebungszuständigkeiten auch den Gefährderbegriff zu definieren. Denkbar wäre dies etwa im Bundeskriminalamt- oder Bundespolizeigesetz. Diese Definitionen gelten dann jedoch nur für 1 Wissenschaftliche Dienste, „Gefährder“ Aktueller Begriff Nr. 36/08 vom 23.07.2008. 2 Vgl. Wissenschaftliche Dienste, Präventivhaft für „Gefährder“ (WD 3 - 3000 - 002/17), S. 4. 3 BT-Drs. 18/11064. 4 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, 13. Aufl. 2014, Art. 73 GG Rn. 135. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 046/17 Seite 4 den Bereich des Bundesrechts. Die Bundesländer wären nicht gehalten, die Definition bei der Anwendung ihres jeweiligen Polizeirechts zugrunde zu legen. 4. Zuständigkeit der Länder für das Polizeirecht Die Gesetzgebungsbefugnis der Länder für das Polizeirecht folgt aus Art. 30 GG i.V.m. Art. 70 Abs. 1 GG. Demnach steht den Ländern das Recht der Gesetzgebung zu, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Eine solche Verleihung sieht das GG nur für einige Bereiche des Polizei- und Sicherheitsrechts vor. Das Polizeirecht als solches wird in den Katalogen der Gesetzgebungszuständigkeiten in Art. 73 und 74 GG nicht genannt. Es ist damit nach der allgemeinen Kompetenzverteilung des GG bei den Ländern verblieben.5 5. Möglichkeiten einer bundeseinheitlichen Regelung Eine bundeseinheitliche verbindliche Definition des Gefährderbegriffes könnte nur nach vorheriger Änderung des GG erfolgen. Dem Bund müsste dafür die Gesetzgebungsbefugnis für das gesamte Polizeirecht übertragen werden. Informell ist es jedoch möglich, dass sich Bund und Länder auf eine einheitliche Begrifflichkeit verständigen. Dieser Weg wurde bisher mit der Absprache der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes verfolgt. Eine rechtliche Bindungswirkung erzeugt eine solche informelle Einigung hingegen nicht. *** 5 Sannwald, [Fn. 3], Rn. 135.