Deutscher Bundestag Bundesanstalten als nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 046/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 2 Bundesanstalten als nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 046/12 Abschluss der Arbeit: 22. Februar 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Unterschiede zwischen rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Bundesanstalten des öffentlichen Rechts 4 3. Grundsätzliche Zulässigkeit nichtrechtsfähiger Bundesanstalten des öffentlichen Rechts 5 4. Errichtung von Bundesanstalten des öffentlichen Rechts 5 4.1. Grundsätzliche Befugnis der Bundesregierung gemäß Art. 86 GG 5 4.2. Ausnahme: Erforderlichkeit eines Gesetzes 6 4.2.1. Rechtsfähige Anstalten 7 4.2.2. Nichtrechtsfähige Anstalten bei Wahrnehmung neuer Aufgaben 7 4.2.3. Eigener Verwaltungsunterbau 7 4.2.4. Relevanz der Anstalt für die Grundrechte 8 4.3. Zusammenfassung der Errichtungsregelungen 9 5. Bewertung des DLZ-IT BMVBS 9 6. Beispiele für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Bundesanstalten 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 4 1. Einleitung Zum 1. Januar 2012 hat der Bundesverkehrsminister die Bundesanstalt für IT-Dienstleistungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (DLZ-IT BMVBS) gegründet.1 Hierdurch wurde das in seinem Geschäftsbereich seit 2008 in dieser Form bestehende Dienstleistungszentrum Informationstechnik als selbstständige Behörde ausgegliedert . Die Rechtsform des neuen DLZ-IT ist die einer nichtrechtsfähigen Bundesanstalt des öffentlichen Rechts.2 Die Errichtung erfolgte durch Organisationserlass des Bundesministers. Die Maßnahme ist Teil eines Konzeptes der Bundesregierung zur Einrichtung von IT-Dienstleistungszentren (sogenannte DLZ-IT des Bundes).3 Neben der genannten Bundesanstalt für IT-Dienstleistungen bestehen zwei weitere solche Einrichtungen, die ebenfalls aus den IT- Abteilungen anderer Ministerien oder Bundesverwaltungen hervorgegangen sind. Das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT) war zuletzt Teil des Bundesamtes für Finanzen und wurde nach dessen Auflösung 2005 eigenständige Behörde. Das dritte DLZ-IT des Bundes ist die Bundesstelle für Informationstechnik (BIT), die rechtlich als Abteilung des Bundesverwaltungsamtes arbeitet.4 Im Folgenden wird zunächst der Unterschied zwischen rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Bundesanstalten des öffentlichen Rechts dargestellt (2.). Sodann soll geklärt werden, ob die Organisationsform der nichtrechtsfähigen Bundesanstalt des öffentlichen Rechts verfassungsrechtlich zulässig ist (3.) und wenn ja, wie die Errichtung zu erfolgen hat (4.). Dabei ist insbesondere zu beantworten, wann die Errichtung durch die Bundesregierung bzw. den zuständigen Minister erfolgen kann und in welchen Fällen hierzu ein Gesetz erforderlich ist. Es folgt schließlich eine Bewertung der Einrichtung des DLZ-IT BMVBS (5.) sowie eine Auflistung von Beispielen rechtsfähiger und nichtrechtsfähiger Bundesanstalten des öffentlichen Rechts (6.). 2. Unterschiede zwischen rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Bundesanstalten des öffentlichen Rechts Eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist eine mit Sachmitteln und Personal ausgestattete Einrichtung, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung steht und dauerhaft einem öffentlichen Zweck dient.5 Anders als eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (z. B. Universitäten, Handwerkskammern , Ärztekammern, Kommunen) hat die Anstalt keine Mitglieder, sondern Nutzer.6 1 Erlass vom 13. Dezember 2011 über die Einrichtung einer Bundesanstalt für IT-Dienstleistungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (DLZ-IT BMVBS) als nicht rechtsfähige Bundesanstalt des öffentlichen Rechts zum 1. Januar 2012. 2 Erlass (Fn. 1). 3 http://www.zivit.de/DE/Ueberuns/DLZ-IT/DLZ IT_node.html. 4 http://www.bit.bund.de/cln_101/nn_2148648/BIT/DE/Ueber__uns/Organisation/node.html?__nnn=true. 5 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage 2011, § 23 Rn. 46. 6 Maurer (Fn. 5), § 23 Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 5 Rechtsfähige Anstalten können im Gegensatz zu nichtrechtsfähigen Anstalten Träger von Rechten und Pflichten sein (§§ 89, 31 BGB7). Sie können also z.B. selbst vor Gericht klagen und verklagt werden. 3. Grundsätzliche Zulässigkeit nichtrechtsfähiger Bundesanstalten des öffentlichen Rechts Der Bund kann seine Verwaltungskompetenzen auf verschiedene Weise ausüben. Das Grundgesetz (GG)8 nennt in Art. 86 die bundeseigene Verwaltung sowie bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten. Hinzu kommen in Art. 87 GG Zentralstellen und selbständige Bundesoberbehörden . Die Nennung bundesunmittelbarer Anstalten in Art. 86 GG bezieht sich dabei nur auf rechtsfähige Anstalten.9 Nichtrechtsfähige Anstalten sind im Grundgesetz nicht genannt. Allerdings besteht für die Organisationsformen der Bundesverwaltung kein Typenzwang, sodass auch andere Formen als die im Grundgesetz Genannten gewählt werden dürfen.10 Somit sind auch nichtrechtsfähige Anstalten grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig.11 4. Errichtung von Bundesanstalten des öffentlichen Rechts Für die Organisation der Bundesverwaltung, wozu auch die Errichtung neuer Verwaltungsstellen gehört, stellen die Art. 86 ff. GG bestimmte Voraussetzungen auf. Insbesondere grenzen sie auch die Kompetenzen von Bunderegierung und Parlament gegeneinander ab.12 4.1. Grundsätzliche Befugnis der Bundesregierung gemäß Art. 86 GG Die sogenannte Organisationsgewalt für die Bundesverwaltung liegt gemäß Art. 86 GG grundsätzlich bei der Bundesregierung.13 Diese regelt die „Einrichtung“ der Behörden und erlässt die Verwaltungsvorschriften. Einrichtung umfasst dabei insbesondere auch die Schaffung (und Abschaffung ) öffentlicher Funktionsträger und Handlungseinheiten.14 7 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) geändert worden ist. 8 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944) geändert worden ist. 9 Ibler, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a. (MDH), Grundgesetz, Bd. VI, Stand: Oktober 2011, Art. 86 Rn. 68 (Stand: Mai 2008); Sachs, in: ders., Grundgesetz, 5. Auflage 2009, Art. 86 Rn. 16. 10 Hermes, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. III, 2. Auflage 2008, Art. 86 Rn. 44; Ibler, in: MDH, Art. 86 Rn. 78; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. II, 1980, S. 830 f.; anderer Ansicht allein Sachs, in: ders, Art. 87 Rn. 69 f. 11 Ibler, in: MDH, Art. 86 Rn. 68, 78 sowie Art. 87 Rn. 184 m. Fn. 74. 12 Blümel, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland (HbStR), Bd. IV, 1990, § 101 Rn. 82. 13 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Auflage 2009, Art. 86 Rn. 2; Ibler, in: MDH, Art. 86 Rn. 155. 14 Ibler, in: MDH, Art. 86 Rn. 68, 154, 160. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 6 Eingeschränkt wird diese Befugnis durch die Formulierung „soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt“. Dies bedeutet aber nicht, dass solche Organisationsmaßnahmen nur durch Gesetz erfolgen können. Vielmehr liegt hierin nur ein Zugriffsrecht des Gesetzgebers.15 Er kann tätig werden und eine Organisationsregelung erlassen, also z. B. auch durch Gesetz eine Behörde errichten und Regeln für diese erlassen, die dann den Regelungen der Bundesregierung vorgehen. Allerdings ist das Tätigwerden des Parlaments zur Errichtung der Behörden nicht notwendig. Hierfür ausreichend ist vielmehr ein Erlass der Bundesregierung. Ob entgegen dem Wortlaut von Art. 86 GG auch ein Erlass des zuständigen Ministers ausreicht, ist im Einzelnen umstritten.16 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage bisher offen gelassen,17 das Bundesverwaltungsgericht hat entsprechende Organisationserlasse eines Ministers ausreichen lassen.18 Zentrales Argument hierfür ist zunächst der uneinheitliche Gebrauch des Begriffs „Bundesregierung“ im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes, der auf eine fehlende redaktionelle Überarbeitung zurückgeführt wird.19 Es dürfe daher nicht zu streng dem Wortlaut gefolgt werden. Ferner sei nach dem Sinn und Zweck von Art. 86 GG die besondere Hürde der Kollegialentscheidung nicht nötig, da es hier, anders als in Art. 84, 85 GG, nicht um den brisanten Konflikt zwischen Bundes- und Landesverwaltungskompetenzen gehe.20 Zahlreiche Stimmen im Schrifttum verfolgen eine vermittelnde Lösung, wonach wegen des Grundsatzes der Ressortzuständigkeit aus Art. 65 S. 2 GG ein solcher Ministererlass jedenfalls so lange ausreichen soll, bis die Bundesregierung als Kollegialorgan einen anders lautenden Erlass verabschiedet.21 Die Behördeneinrichtung gemäß Art. 86 S. 2 GG kann – dieser Ansicht folgend – somit grundsätzlich auch durch den zuständigen Ressortminister erfolgen. 4.2. Ausnahme: Erforderlichkeit eines Gesetzes Abweichend von der Grundregel des Art. 86 GG kann aber für bestimmte Fälle ausnahmsweise ein Parlamentsgesetz zur Errichtung einer Behörde erforderlich sein.22 15 Burgi, in: v.Mangoldt/Klein/Starck (MKS), Grundgesetz, Bd. III, 5. Auflage 2005, Art. 86 Rn. 68; Sachs, in: ders., Art. 86 Rn.37. 16 Blümel, HbStR, § 101 Rn. 84; Burgi, in: MKS, Art. 86 Rn. 66 f. 17 In BVerfGE 26, 338 (396) werden Argumente für beide Ansichten vorgebracht, die Entscheidung wird aber mangels Relevanz für das Entscheidungsergebnis ausdrücklich offen gelassen. 18 So z.B. in einer Entscheidung über einen gemäß Art. 86 S. 1 GG ergangenen Erlass des Bundesverteidigungsministers zum Verwaltungsverfahren bei den Kreiswehrersatzämtern, BVerwGE 36, 327 (333 f.). 19 BVerwGE 36, 327 (333). 20 BVerwGE 36, 327 (334). 21 Burgi, in: MKS, Art. 86 Rn. 67; zustimmend Bull, Alternativkommentar Grundgesetz (AK-GG), Bd. III, Stand: November 2003, Art. 86 Rn. 23 (Stand: 2001); Ibler, in: MDH, Art. 86 Rn. 132 ff.; Sachs, in: ders., Art. 86 Rn. 22, 36. 22 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 7 4.2.1. Rechtsfähige Anstalten Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG bestimmt, dass für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz errichtet werden können. Die Norm dient der Abgrenzung der Organisationsgewalt von Regierung und Parlament im Bereich der Bundesverwaltung . Abweichend von der Grundregel des Art. 86 GG wird hier für bestimmte, besonders bedeutende Organisationsmaßnahmen eine Regelung dem Parlament vorbehalten. Eine solche besonders bedeutende Organisationsmaßname liegt nach dem Wortlaut von Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG unter anderem in der Errichtung einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts. Dies meint nach dem Wortlaut zunächst nur den Regelfall der rechtsfähigen Anstalten .23 Diese dürfen also nur durch Gesetz errichtet werden. 4.2.2. Nichtrechtsfähige Anstalten bei Wahrnehmung neuer Aufgaben Uneinheitlich bewertet wird die Frage, ob auch nichtrechtsfähige Anstalten unter Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG fallen und damit nur durch Gesetz errichtet werden dürfen,24 oder ob sie mangels ausdrücklicher Nennung in Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG unter die Grundsatznorm des Art. 86 GG fallen, also der Regelung durch die Bundesregierung ohne gesetzliche Grundlage zugänglich sind.25 Hier hilft der Sinn und Zweck der Norm weiter. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG soll ein Ausufern der Bundesverwaltung verhindern und so den Grundsatz der Landesverwaltung in Art. 30, 83 GG wahren helfen.26 Hierzu stellt die Vorschrift mit dem Vorbehalt des Gesetzes eine besonders hohe Hürde für die Einrichtung „neuer“ Verwaltungsträger auf. Sind hingegen die Aufgaben ohnehin bereits von der Bundesverwaltung erfasst und sollen nur in eine neue Organisationsform gebracht werden, besteht keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Grundlage.27 Die Auslagerung bereits bestehender Verwaltungseinheiten einer Bundesbehörde in eine nichtrechtsfähige Anstalt fällt demnach nicht unter den Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG. 4.2.3. Eigener Verwaltungsunterbau Was Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG im Verhältnis von Regierung zu Parlament bestimmt, regelt Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG im Verhältnis Bund zu Ländern. Da gemäß Art. 30, 83 GG die Verwaltung grundsätzlich Sache der Länder ist, darf der Bund in der Regel keine Verwaltungsbehörden vor Ort errichten, d.h. unterhalb der Bundesoberbehörden darf er keinen sogenannten Verwaltungsunterbau einrich- 23 Hermes, in: Dreier, Art. 87 Rn. 76. 24 So Hermes, in: Dreier, Art. 87 Rn. 76 f. 25 Dahingehend z.B. Stern, Staatsrecht, S. 831. 26 Stern, Staatsrecht, S. 832. 27 Blümel, HbStR, § 101 Rn. 91; Stern, Staatsrecht, S. 832. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 8 ten. Eine Ausnahme bilden hier z. B. die Kreiswehrersatzämter als bundeseigene Verwaltung mit einem Unterbau, also mit einer flächendeckenden Behördenstruktur im Bundesgebiet. Für die Einrichtung einer solchen Bundesverwaltung in der Fläche fordert Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG wiederum als Ausnahme zur grundsätzlichen Organisationsgewalt der Bundesregierung ein Parlamentsgesetz, das zusätzlich der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Aufgrund dieser Regelung war es z. B. auch nötig, das Technische Hilfswerk nachträglich auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Es war 1953 als nichtrechtsfähige Bundesanstalt des öffentlichen Rechts zunächst durch einen Organisationserlass des Bundesinnenministers errichtet worden.28 Da es als Katastrophenschutzbehörde allerdings in der Fläche, also mit eigenem Verwaltungsunterbau tätig war und ist, forderte das Oberverwaltungsgericht Hamburg aufgrund von Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG eine gesetzliche Grundlage für die Behörde.29 Diese wurde 1990 durch das THW- Gesetz30 geschaffen. Bundesanstalten des öffentlichen Rechts mit eigenem Verwaltungsunterbau sind nach dieser Vorschrift also unabhängig von ihrer Rechtsfähigkeit durch Gesetz zu errichten. 4.2.4. Relevanz der Anstalt für die Grundrechte Neben den besonderen Voraussetzungen für die Behördenorganisation in den Art. 86 ff. GG kann auch noch der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes greifen. Dieser wird insbesondere aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1, 3 GG hergeleitet.31 Im Bereich der Verwaltungsorganisation greift dieser Vorbehalt des Gesetzes insbesondere dann, wenn die einzurichtende Behörde im grundrechtlich geschützten Bereich tätig wird.32 Auch aus diesem Grund wurde seinerzeit eine gesetzliche Grundlage für das THW für erforderlich gehalten. Denn die Entlassung von Mitarbeitern des THW war nur in dem Organisationserlass geregelt, mit dem das THW errichtet worden war. Durch eine Entlassung wird aber besonders scharf in das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG eingegriffen.33 Solche Eingriffe sind nur mit einer gesetzlichen Grundlage möglich. Dort also, wo die Tätigkeit nichtrechtsfähiger Anstalten wesentlich für die Grundrechte ist, sind diese durch Gesetz einzurichten. 28 Erlaß des Bundesministers des Innern vom 25. August 1953. 29 Hamburgisches OVG, Urteil vom 14. Mai 1980 OVG Bf. II 79/77, DVBl. 1981, 48 (49 f.). 30 THW-Helferrechtsgesetz vom 22. Januar 1990 (BGBl. I S. 118), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2350) geändert worden ist. 31 Ausführlich zur Herleitung Herzog/Grzeszick, in: MDH, Art. 20 Rn. 97 ff. 32 Herzog/Grzeszick, in: MDH, Art. 20 Rn. 123. 33 Hamburgisches OVG, Urteil vom 14. Mai 1980 OVG Bf. II 79/77, DVBl. 1981, 48 (50 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 9 4.3. Zusammenfassung der Errichtungsregelungen Die Errichtung nichtrechtsfähiger Bundesanstalten des öffentlichen Rechts durch Organisationserlass des zuständigen Ministers gemäß Art. 86 S. 2, 65 S. 2 GG ist also jedenfalls dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Aufgabe bereits vorher von der Bundesverwaltung erledigt wurde, durch die Errichtung der Anstalt kein eigener Verwaltungsunterbau entsteht und die Arbeit der neu errichteten Anstalt nicht wesentlich für die Grundrechtsverwirklichung der Bürger ist. 5. Bewertung des DLZ-IT BMVBS Wie bereits festgestellt, handelt es sich beim DLZ-IT BMVBS um eine nichtrechtsfähige Bundesanstalt des öffentlichen Rechts.34 Eine Pflicht zur Errichtung nur durch Gesetz folgt damit nicht schon aus dem Wortlaut von Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, der sich nur auf rechtsfähige Anstalten bezieht. Auch nach ihrem Sinn und Zweck erfasst die Norm nichtrechtsfähige Anstalten jedenfalls dann nicht, wenn sie Aufgaben erfüllen, die bereits vorher von der Bundesverwaltung erledigt wurden. Die von der neuen Bundesanstalt ausgeführten Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnik hat zuvor bereits das Dienstleistungszentrum Informationstechnik (DLZ-IT) als Abteilung des Ministeriums erbracht.35 Es entsteht hier also kein neuer Bereich der Bundesverwaltung, sondern es wird lediglich eine verwaltungsinterne Änderung der Organisationsform vorgenommen. Aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG folgt daher kein Vorbehalt des Gesetzes für die Errichtung der Anstalt.36 Die neue Bundesanstalt ist eine einzelne Behörde mit Sitz in Ilmenau, die nicht mit einem Verwaltungsunterbau in der Fläche tätig wird. Auch aus Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich somit kein Vorbehalt des Gesetzes. Schließlich könnte die Errichtung durch Gesetz noch erforderlich sein, wenn die Arbeit der Anstalt wesentlich für die Grundrechtsverwirklichung der Bürger wäre. Hier werden jedoch nur Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnik direkt für das Ministerium erbracht. Es ist daher keine besondere Relevanz für die Grundrechte erkennbar. Es greift somit keiner der möglichen grundgesetzlichen Vorbehalte. Die Errichtung der Behörde war somit nach der Grundsatznorm des Art. 86 S. 2 GG durch die Bundesregierung möglich. Die 34 Erlass (Fn. 1). 35 http://www.dlz-it.de/DE/Aktuelles/Meldungen/2012-01-01/2012-01-01.html;jsessionid=125CCF0D16FD75 E008102AA76651A402.010?nn=36258. 36 So auch allgemein für die Auslagerung ministerieller Abteilungen und Referate in nichtrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts: Blümel, HbStR, § 101 Rn. 91. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 10 tatsächlich erfolgte Errichtung durch den zuständigen Bundesverkehrsminister war nach dem oben unter Punkt 4.1 Gesagten ebenso zulässig. Die Bundesregierung hat dabei jederzeit das Recht, abweichende Regelungen zu treffen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Kommentarliteratur speziell für Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung im Bereich des Electronic Government. Demnach fällt insbesondere auch die Schaffung von IT-Kompetenzzentren unter die Regierungskompetenz aus Art. 68 S. 2 GG.37 6. Beispiele für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Bundesanstalten Rechtsfähige und damit gemäß Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG durch Gesetz errichtete Bundesanstalten des öffentlichen Rechts sind z. B. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)38 und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)39. Nach den einzig verfügbaren Daten von 2006 bestehen insgesamt 33 solche rechtsfähigen Bundesanstalten.40 Der Bestand an nichtrechtsfähigen Bundesanstalten des öffentlichen Rechts ist deutlich größer und liegt nach den Daten von 2006 bei 95.41 Diese wurden weit überwiegend durch ministerielle Organisationserlasse errichtet. Eine Ausnahme bildet insoweit aus den oben bereits erläuterten Gründen das Technische Hilfswerk. Auf der folgenden Seite findet sich eine Auflistung ausgewählter nichtrechtsfähiger Bundesanstalten des öffentlichen Rechts. 37 Burgi, in: MKS, Art. 86 Rn. 78; Ibler, in: MDH, Art. 86 Rn. 165. 38 Errichtet durch das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1310), das zuletzt durch Artikel 19 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2481) geändert worden ist. 39 Errichtet durch das Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KredAnstWiAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juni 1969 (BGBl. I S. 573), das zuletzt durch Artikel 173 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist. 40 http://www.bitvtest.de/infothek/artikel/lesen/geltungsbereich-bitv.html. 41 http://www.bitvtest.de/infothek/artikel/lesen/geltungsbereich-bitv.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 046/12 Seite 11 Anstaltsname Errichtungsart Zuständiges Ministerium Gründungsjahr Technisches Hilfswerk Zunächst Organisationserlass42, später Gesetz43 Bundesministerium des Innern 1953 Bundeszentrale für politische Bildung Organisationserlass44 Bundesministerium des Innern 1952 Bundesinstitut für Sportwissenschaft Organisationserlass45 Bundesministerium des Innern 1970 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Organisationserlass46 Bundesministerium des Innern 1973 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin47 Organisationserlass48 Bundesministerium für Arbeit und Soziales 1996 Bundesanstalt für Straßenwesen Organisationserlass49 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 1951 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information Organisationserlass50 Bundesministerium für Gesundheit 1969 42 Erlass (Fn. 28). 43 THW-Gesetz (Fn. 30). 44 Erlass des Bundesministers des Innern über die Errichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst vom 25. November 1952, zuletzt Erlass über die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) vom 24. Januar 2001. 45 Erlass des Bundesministers des Innern vom 10. Oktober 1970 (GMBl. S. 539), neugefasst durch Erlass vom 18. November 2010. 46 Erlass des Bundesministers des Innern vom 12. Februar 1973, zuletzt geändert durch Erlass vom 21. November 2007, GMBl. S. 3191. 47 http://www.baua.de/de/Ueber-die-BAuA/Ueber-die-BAuA.html. 48 Errichtungserlass des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Juni 1996, http://www.wissen schaftsrat.de/download/archiv/7697-07.pdf, S. 7. 49 Erlasse des Bundesministers für Verkehr vom 12. Januar 1951 und vom 8. Juli 1951, http://www.bast.de/cln_ 030/nn_37278/DE/Publikationen/Broschueren/Dokumente/50-jahre-bast,templateId=raw,property= publicationFile.pdf/50-jahre-bast.pdf, S. 12. 50 Erlaß des Bundesministers für Gesundheitswegen vom 1. September 1969, GMBl. 1969, S. 401, http://www.dimdi.de/static/de/dimdi/aufgaben/gesetzliche-aufgaben-errichtungserlass.htm.