AUSARBEITUNG Thema: Sport als Staatsziel im Grundgesetz Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Verfasser: Abschluss der Arbeit: 20. März 2006 Reg.-Nr.: WF III G – 46/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Vorbemerkungen 3 1.1 Funktion und Struktur des Grundgesetzes 3 1.1.1 Staatszielbestimmungen 3 1.1.2 Kompetenznormen 5 1.1.3 Individuelle Grundrechte 5 1.1.4 Institutsgarantien 5 1.2 Gesellschaftliche Relevanz des Sports 6 2. Gegenwärtige verfassungsrechtliche Verankerung des Sports 7 2.1 Grundgesetz 7 2.1.1 Zuständigkeiten des Bundes für Sportpolitik 7 2.1.2 Tätigkeiten des Bundes im Bereich des Sports 15 2.1.3 Auswirkungen der geplanten Föderalismusreform 16 2.2 Europäische Union 16 2.2.1 Bestehende Verträge 16 2.2.2 Noch nicht ratifizierter Verfassungsentwurf 16 2.3 Länderverfassungen 17 3. Auswirkung einer Verankerung des Sport als Staatsziel 22 3.1 Bisherige Zurückhaltung bei der Benennung von Staatszielen 22 3.2 Rechtliche Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz 22 3.2.1 Handlungsermächtigung des Staates? 22 3.2.2 Handlungspflicht und Justiziabilität 22 3.2.3 Wirkung auf andere Verfassungsbestimmungen bzw. Auslegungshilfe 23 3.2.4 Finanzielle Bedeutung: Förderpflicht des Staates? 24 3.2.5 Einfluss auf die Verteilung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern 24 3.2.6 Fazit 25 3.3 Politische Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz 25 3.4 Erfahrungen der Länder mit einer Staatszielbestimmung Sport 25 - 3 - 1. Vorbemerkungen 1.1 Funktion und Struktur des Grundgesetzes Die Diskussion über das Für und Wider einer Verankerung des Sports im Grundgesetz hat zunächst die Funktion und die Struktur des Grundgesetzes in Betracht zu ziehen. Das Grundgesetz ist in erster Linie eine Kompetenzordnung, die einerseits Zuständigkeiten und Befugnisse zwischen dem Bund und den Ländern verteilt und auf der anderen Seite die Aufgaben und Funktionen der Verfassungsorgane des Bundes festlegt. Die zweite Funktion besteht in dem Schutz grundlegender Menschen- und Bürgerrechte, die bewusst dem demokratischen Mehrheitsprinzip entzogen sind. In diesen Grundrechten kommt zugleich eine objektive Werteordnung der Verfassung zum Ausdruck. Politikfelder bzw. gesellschaftlich relevante Anliegen können auf verschiedene Weise im Grundgesetz Erwähnung finden. 1.1.1 Staatszielbestimmungen Nach der anerkannten Definition der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen /Gesetzgebungsaufträge“ sind Staatszielbestimmungen „Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben – sachlich umschriebener Ziele – vorschreiben. Sie umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch eine Richtlinie oder Direktive für das staatliche Handeln, auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften. Im Regelfall wendet sich eine Staatszielbestimmung an den Gesetzgeber, ohne dass damit ausgeschlossen sein muss, dass die Norm auch eine Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung ist. Eine Staatszielbestimmung überlässt es der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er die ihm eingeschärfte Staatsaufgabe durch Gesetz erfüllt und dabei etwa auch Ansprüche Einzelner auf öffentliche Leistungen oder gegen Dritte entstehen lässt.“1 1 Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“, Bundesminister des Inneren/Bundesminister der Justiz (1983), Rz. 7; ebenso die Gemeinsame Verfassungskommission , Drs. 12/6000, S. 77; vgl. auch , Die Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, WF III – 249/04. - 4 - Bei Staatszielbestimmungen hat sich der Grundgesetzgeber zurückgehalten. Bisher sind im Grundgesetz unter anderem folgende Staatsziele normiert2: − Tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und Beseitigung bestehender Nachteile (Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG)3, − Erhaltung und Förderung eines freiheitlichen Kunst- und Wissenschaftslebens (Artikel 5 Abs. 3 GG)4, − Mutterschutz (Artikel 6 Abs. 4 GG), − Gleichstellungsauftrag für nichteheliche Kinder (Arikel 6 Abs. 5 GG), − Sozialverpflichtung des Eigentums (Artikel 14 Abs. 2 GG) − Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG)5, − Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere (Artikel 20a GG)6, − Verwirklichung eines vereinten Europas (Artikel 23 Abs. 1 GG)7, − Den Erfordernissen eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist Rechnung zu tragen (Artikel 109 Abs. 2 GG)8 und − Frieden in der Welt (Präambel)9. Initiativen für die Aufnahme weiterer Staatsziele gibt und gab es viele. Neben dem hier in Rede stehenden Anliegen der Aufwertung des Sports sollten unter anderem soziale Staatsziele, der Schutz ethnischer Minderheiten, die Mitmenschlichkeit und der Gemeinsinn aufgenommen werden10. Zur Zeit gibt es Initiativen, die Rechte der Kinder11, die Kultur12 und die Generationengerechtigkeit13 im Grundgesetz zu verankern. 2 Hierzu im Einzelnen: , a.a.O., S. 8 ff.. 3 Angefügt durch Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I S. 3146). 4 BVerfGE 81, 108. 5 Vgl. BVerfGE 40, 121; 59, 231; 100, 271. 6 Eingefügt durch Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I S. 3146), ergänzt durch Gesetz vom 26. 7. 2002 (BGBl. I S. 2862). Zum Verhältnis zur Kunstfreiheit siehe: BVerwG, DVBl. 1995, 1008; Zur Diskussion über die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung siehe: , Zur verfassungsmäßigen Verankerung des Tierschutzes, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 1997, WF III – 14/97; zu seiner Bedeutung siehe: , Zur Frage einer Staatszielbestimmung Tierschutz , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 1997, WF III – 242/97. 7 Eingefügt durch Gesetz vom 21. 12. 1992 (BGBl. I S. 2086). 8 Eingefügt durch Gesetz vom 8. 6. 1967 (BGBl. I S. 581). 9 Neugefasst durch Artikel 4 des Einigungsvertrages vom 31. 8. 1990 (BGBl. II S. 889). 10 Vgl. nur: Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000 sowie Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes der Fraktion der SPD, Drs. 12/6323; Entwurf eines Gesetzes zur Verfassungsreform der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 12/6686. 11 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6, Kinderrechte) der Fraktion der PDS, Drs. 14/7818. 12 Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, Drs. 15/5560. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Kultur) der Fraktion der FDP, Drs. 16/387. 13 Christian Lange, MdB, Pressemitteilung vom 22. 4. 2005, www.lange-spd.de; Sierck, Verfassungsgarantie der Generationengerechtigkeit,. Wissenschaftliche Dienste, 2006, Der Aktuelle Begriff, 12/06. - 5 - 1.1.2 Kompetenznormen Neben den Staatszielen werden zahlreiche Politikfelder und Regelungsbereiche in den Kompetenznormen des Grundgesetzes aufgeführt. In den Artikeln 73 bis 75 listet das Grundgesetz auf, auf welche Felder sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt14. In den Artikeln 87 ff. GG wird bestimmt, auf welchen Gebieten der Bund durch bundeseigene Verwaltung tätig werden darf. Durch diese Kompetenznormen wird nichts über die Bedeutung der jeweiligen Regelungs - bzw. Handlungsfelder ausgesagt. Aus einer solchen Zuständigkeitsnorm ergibt sich insbesondere weder eine Regelungs- oder Handlungspflicht des Bundes noch eine Ermächtigung zum Eingriff in die Rechte der Bürger. 1.1.3 Individuelle Grundrechte Seine höchste Auszeichnung erfährt ein gesellschaftlicher Wert durch seine Verankerung in der Verfassung als Grundrecht. In erster Line dient ein Grundrecht zur Abwehr staatlicher Eingriffe. Ein Grundrecht ist unmittelbar geltendes Recht (Artikel 1 Abs. 3 GG), das individuell einklagbar ist. In ein Grundrecht darf der Staat nur eingreifen, soweit dieses nach dem Grundgesetz eingeschränkt werden kann; für den Eingriff ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich; in keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden (Artikel 19 GG). In den Grundrechten kommen objektive Wertentscheidungen der Verfassung zum Ausdruck, die als maßgebende Richtlinien für die gesamte Rechtsordnung verbindlich sind und daher bei der Gesetzgebung und bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften beachtet werden müssen. 1.1.4 Institutsgarantien Neben den Grundrechten, die dem Bürger subjektive Rechte gewähren, spricht die Verfassung bestimmten Lebens- und Normbereichen gegenüber eine Bestandsgarantie aus. So gewährt Artikel 6 Abs. 1 GG nicht nur ein subjektives Recht auf Unterlassung von Engriffen in den ehelichen und familiären Bereich, sondern schützt auch die Ehe 14 In vielen anderen Bestimmungen finden sich weitere Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes. - 6 - und die Familie als vorgegebene Lebensordnung. Das Privateigentum wird in Artikel 14 Abs. 1 GG als Rechtsinstitut gesichert. Das gleiche gilt für die freie Presse durch Artikel 5 Abs. 1 GG. Der „einfache“ Gesetzgeber darf diese Institute nicht aushölen oder gar beseitigen. 1.2 Gesellschaftliche Relevanz des Sports Die hohe gesellschaftliche Relevanz des Sports ist unbestritten15. Auf der Hand liegt die Bedeutung des Sports für die Volksgesundheit. Die Ausbildung der durch Sport bewirkten Fähigkeiten und Kenntnisse ermöglicht es vor allem Kindern und Jugendlichen, körperliche Tüchtigkeit, persönliche Einsatzbereitschaft und soziale Kompetenzen wie Teamarbeit, Solidarität, Toleranz und Fairness zu entwickeln. Das Betreiben von Sport wirkt sich außerdem positiv aus auf die Bildung, das gesellschaftliche Engagement, die Geschlechtergleichstellung, die Umwelt und den Frieden. Sport spielt eine positive Rolle bei der sozialen Integration und dem sozialen Zusammenhalt, dem Dialog zwischen den Kulturen, dem Umweltbewusstsein und der Wiedereingliederung von Kindern in Situationen nach Konflikten16. Aus diesen Erwägungen haben die Vereinten Nationen das Jahr 2005 zum Internationalen Jahr des Sports und der Leibeserziehung erklärt17. Dem Sport wird erzieherischer Wert und eine hohe Bedeutung bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zugeschrieben18. 15 Bundesregierung, 10. Sportbericht vom 20. 6. 2002, Drs. 14/9517, S. 13 f.. Zur öffentlichen Förderung der Entwicklung des Sports in Deutschlands vgl.: Antwort der Bundesregierung vom 24. 4. 2002 auf eine entsprechende Große Anfrage im Deutschen Bundestag, Drs. 14/8865. 16 Entschließung des Europäischen Parlaments zu Entwicklung und Sport, PROV (2005) 0464. 17 Resolution der Generalversammlung vom 3. 11. 2003 (A/Res/58/5). http://www.uno-jahrdessports.de. 18 Entschließung des Europäischen Parlaments zum Bericht der Kommission über die Erhaltung der derzeitigen Sportstrukturen und zur Wahrung der sozialen Funktion des Sports, ABl. C 135 vom 7. 5. 2001, S. 274. - 7 - 2. Gegenwärtige verfassungsrechtliche Verankerung des Sports 2.1 Grundgesetz Eine ausdrückliche Erwähnung des Sports im Grundgesetz fehlt. Die in Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Allgemeinen Handlungsfreiheit beinhaltet allerdings auch ein individuelles Grundrecht auf Sport. Das Recht, Sportvereine zu gründen, ist durch Artikel 9 Abs. 1 GG gewährleistet. In den Kompetenznormen für die Gesetzgebung (Artikel 70 ff. GG) und die Verwaltung (Artikel 84 ff. GG) ist der Sport nicht aufgeführt . Hieraus lässt sich jedoch lediglich folgern, dass dem Bund keine besondere Zuständigkeit für den Sport zugewiesen ist. Für spezielle, den Sport mitbetreffende Regelungsmaterien bestehen hingegen durchaus einige Zuständigkeiten des Bundes. 2.1.1 Zuständigkeiten des Bundes für Sportpolitik Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes sieht eine Trennung der Kompetenzräume von Bund und Ländern vor. Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben ist entweder dem Bund oder den Ländern zugewiesen. Alle Tätigkeiten des Staates, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen19, sind regelmäßig Sache der Länder und nur ausnahmsweise, soweit das Grundgesetz ausdrücklich 20 eine andere Regelung trifft oder zulässt (Artikel 30 GG), ist der Bund zuständig . Das gilt unabhängig davon, ob in der Form des öffentlichen oder des privaten Rechts gehandelt wird21, also z.B. wenn eine Gesellschaft des Handelsrechts (GmbH, AG u.s.w.) zur Wahrnehmung eines öffentlichen Belangs gegründet wird. Von dieser Regel erfasst wird nicht nur die Tätigkeit des Staates, die in dem Vollzug von Gesetzen besteht, sondern auch die gesetzesfreie Staatstätigkeit22, also auch die Wahrnehmung von staatlichen Fördermaßnahmen, die Fondswirtschaft und die Gewährung von Investitionshilfen 23. 19 Nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen so genannte „fiskalische“ Tätigkeiten, wie z.B. die Deckung des Eigenbedarfs für den Behördenbetrieb an Personal- und Sachmitteln etwa durch Anschaffungen , auch wenn diese letztlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen sollen (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, NJW 1986, 2359 [2360]). 20 Die Formulierung „trifft“ bedeutet in diese Zusammenhang „ausdrücklich“ (Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 12). 21 BVerfGE 12, 205 ff.; 22, 180 ff.. 22 BVerfGE 12, 205 [244, 246]; 39, 96 [109]. 23 Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 7 m.w.Nw. - 8 - 2.1.1.1 Gesetzgebungskompetenz Der Bund hat nur auf den Gebieten die Befugnis zur Gesetzgebung, in denen ihm das Grundgesetz ausdrücklich die Kompetenz dazu verleiht (Artikel 70 Abs. 1 GG). In den Normen über die Gegenstände der Bundesgesetzgebung (Artikel 73 ff. GG) ist der Sport nicht aufgeführt. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es kein in sich geschlossenes Sportrecht, weder nach Bundes- noch nach Landesrecht. Gleichwohl findet der Sport nicht im rechtsfreien Raum statt. Für spezielle, auch den Sport betreffende Regelungsmaterien bestehen Zuständigkeiten des Bundes. Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht für das Vereinsrecht (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 3 GG), das Waffenrecht (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 4a GG)24, für die Förderung der wissenschaftlichen (Sport-) Forschung (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 13 GG), den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19 GG), die Binnenschifffahrt (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 21 GG) und die Regelung des Luftverkehrs (Artikel 73 Nr. 5 GG) sowie die Kompetenz für den Erlass von Rahmenvorschriften über das Jagdwesen (Artikel 75 Abs. 1 Nr. 3 GG)25. Für den Sport nicht unbedeutend ist auch wegen der gesetzlichen Vergünstigungen26 die konkurrierende Gesetzgebung über die Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer (Artikel 106 Abs. 3 i.V.m. Artikel 105 Abs. 2 GG). 2.1.1.2 Verwaltungskompetenz Soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt, ist der Vollzug der Gesetze sowie die sonstige (gesetzesfreie) Verwaltung grundsätzlich Sache der Länder. Wird dem Bund die Aufgabenerfüllung für einen bestimmten Bereich zugewiesen – vor allem durch die Artikel 32, 87 ff. und 104a ff. GG, so erstreckt sich seine Kompetenz auch auf andere damit untrennbar verknüpften Aufgaben (Kompetenz kraft Sachzusammenhang )27, also für Hilfstätigkeiten und die Verfolgung von Nebenzwecken. Eine Kompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhang ist dann anzunehmen, wenn eine dem 24 Nach dem Entwurf der Koalitionsvertrag eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes soll zukünftig dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung für das Waffenrecht zustehen, Drs. 16/813. 25 Die Rahmengesetzgebung soll zukünftig entfallen. Das Jagdwesen soll der konkurrierenden Gesetzgebung zugeführt werden. 26 Z.B. Sportvereine als steuerbegünstigte Zweckvereine: § 67a AO; Übungsleiterpauschale: § 3 Nr. 26 EStG; Gemeinnützigkeitsschutz bei Rücklagen: § 58 Nr. 7a AO; Körperschaft- und Gewerbesteuerfreiheit : § 64 Abs. 3 AO; steuerliche Abziehbarkeit von Spenden: § 10b Abs. 1 EStG. 27 Groß, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, Art. 83 Rn. 29. - 9 - Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird28. Gleiches gilt für die notwendigen Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen (Annex -Kompetenz)29, so etwa die im Zusammenhang mit der exekutiven Funktion betriebene Öffentlichkeitsarbeit30 oder die Planung, Beratung, Informationsbeschaffung und das Sammeln von Daten und Fakten31. Für den Sport besteht keine ausdrückliche Verwaltungskompetenz des Bundes. Nur soweit der Sport die Beziehungen zu auswärtigen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten berührt, ist nach Artikel 32 Abs. 1 GG der Bund zuständig32. Die Bemühungen der Bundesregierung, die Bundesrepublik Deutschland zum Austragungsort wichtiger internationaler Sportveranstaltungen wie die Olympiade oder die Weltmeisterschaft in einer bestimmten Disziplin zu machen, dürften daher genauso unproblematisch sein, wie die damit einhergehende Förderung des Ansehens Deutschlands als Gastland durch geeignete Öffentlichkeitsmaßnahmen. Ob auch die Förderung internationaler Sporterfolge als Mittel der auswärtigen Selbstdarstellung des Staates33 als Pflege auswärtiger Beziehungen angesehen werden kann, ist dagegen eher zweifelhaft. Neben den ausdrücklichen Kompetenzen werden überwiegend auch ungeschriebene Verwaltungskompetenzen des Bundes angenommen34. Wenn bestimmte Aufgaben „begriffsnotwendig“ nur vom Bund erfüllt werden können, wird dem Bund eine Kompetenz kraft „Natur der Sache“ zugestanden35. Ein bloßes Bedürfnis nach bundeseinheitlichem Gesetzesvollzug, sei es auch zweckmäßig oder zur Förderung der Einheitlichkeit 28 BVerfGE 3, 407 [421]; 4, 74 [84]; 12, 205 [238]; 15, 1 [20]; 26, 246 [256]; 26, 281 [300]; 98, 265 [299]; Broß, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 83 Rn. 9 m.w.Nw.; Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 19. 29 Trute, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83 Rn. 82. 30 BVerfGE 44, 125 [149]; 63, 230 [243 f.]; 105, 252 [271 f.]; 105, 279 [306]: Die staatliche Informationstätigkeit untersteht vollständig der bundesstaatlichen Kompetenzordnung; sie hat sich in jedem Fall im Rahmen des vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs zu halten . 31 März, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 30 Rn. 68; Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 19. 32 Vgl. die Haltung der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik: Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Bericht der Enquete-Kommission „Auswärtige Kulturpolitik“ des Deutschen Bundestages , Drs. 8/927, S. 21 f. 33 Vgl. Rojan, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 32 Rn. 27. 34 Trute, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83 Rn. 80 m.w.N.w.; anderer Ansicht Broß, in Münch/Kunig, Grundgesetz, Vorb. Art. 83 Rn. 10 ff. und Bull, in: Alternativkommentar , Grundgesetz, Art. 83 Rn. 8, 9. 35 Lerche, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 83 Rn. 39 ff.. - 10 - der Lebensverhältnisse geeignet und erforderlich, reicht hierfür allerdings nicht36. Vielmehr müssen andere sachgerechte Gestaltungsmöglichkeiten ausscheiden37. Unzulässig ist Verwaltungshandeln des Bundes, wenn die in Rede stehende Aufgabe etwa im Zusammenwirken mehrerer Länder erfüllt werden kann. So hat das Bundesverfassungsgericht für die Rechtschreibreform eine Bundeskompetenz unter Hinweis auf die Möglichkeit der Selbstkoordinierung der Länder verneint38. Das dürfte auch für die Organisation internationaler Spielveranstaltungen in Deutschland wie die Fußball- Weltmeisterschaft gelten. Als Beispiele für Aufgaben, die begriffsnotwendig nur vom Bund zu erfüllen sind, werden unter anderem genannt: Die Bestimmung der Bundeshauptstadt und des Sitzes der Verfassungsorgane des Bundes, die Herstellung der Deutschen Einheit, die Festlegung von Wappen, Siegel und Hymne des Bundes du die Ausgestaltung der Bundesflagge39. Bund und Länder haben im Jahre 1971 den Entwurf einer „Verwaltungsvereinbarung“ über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern („Flurbereinigungsabkommen “) erarbeitet und darin einen Katalog von Aufgaben festgelegt, zu deren Erfüllung der Bund tätig werden kann, obwohl ihm für diese Aufgaben eine geschriebene Kompetenz im Grundgesetz fehlt40: − Wahrnehmung von Befugnissen und Verpflichtungen der gesamtstaatlichen Repräsentation (z.B. Filmförderung, Bau einer Bundeskunsthalle, Wiederaufbau von Baudenkmälern41), − Förderung von bundeswichtigen Auslandsbeziehungen, auch zu nichtstaatlichen Organisationen und Einrichtungen42, − Vorhaben der wissenschaftlichen Großforschung, vornehmlich im Bereich der Kern-, Weltraum-, Luftfahrt- und Meeresforschung sowie auf dem Gebiet der Datenverarbeitung 43, − Maßnahmen der überregionalen Wirtschaftsförderung, die sich auf das Wirtschaftsgebiet des Bundes als Ganzes beziehen und ihrer Art nach nicht durch ein Land al- 36 BVerfGE 11, 6 [41, 291 [312]. 37 BVerfGE 12, 205 [251]. 38 BVerfGE 98, 218 [249]. 39 März, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 30 Rn. 65 m.w.N.w.; Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 18. 40 Drs. V/2861. 41 Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 23. 42 Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 23; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 30 Rn. 14. 43 Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 30 Rn. 14. - 11 - lein wirksam wahrgenommen werden können (Steinkohle und Werftindustrie, Mittelstandsförderung und Existenzgründungsdarlehen44), − Förderung zentraler Einrichtungen und Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, die für das Bundesgebiet als Ganzen von Bedeutung sind, − Förderung der Beziehungen früher im geteilten und heute im vereinten Deutschland . Dieser Katalog sollte zwar primär nur die Finanzierung öffentlicher Aufgaben durch den Bund regeln. Das Flurbereinigungsabkommen eignet sich aber gleichzeitig auch für die Bestimmung der Verwaltungskompetenzen des Bundes45. Mangels Übereinstimmung der Partner kam es letztlich nicht zu einem Vertragsschluss. Da der Bund das geplante Abkommen jedoch als interne Richtschur nutzt46, stellt es auch heute noch für die Staatspraxis eine gewichtige Richtlinie dar47. Zu beachten ist, dass dieses oder ähnliche Abkommen nicht geeignet sind, die Kompetenzgrenzen des Bundes, wie sie das Grundgesetz getroffen hat, zu verschieben. Sie können nur als Auslegungshilfe dienen. Die Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes sind kein dispositives Recht48, über das Bund und Länder verfügen können und dessen Veränderung lediglich vom Einverständnis aller Beteiligten abhängt. Aus den in dem Flurbereinigungsabkommen aufgezählten Bundeszuständigkeiten lassen sich für eine Sportpolitik des Bundes folgende Bereiche heranziehen: − Die Außenvertretung Deutschlands bei internationalen Sportereignissen zum Zwecke der gesamtstaatlichen Repräsentation, − die Förderung von bedeutenden Beziehungen des deutschen Sports zu auswärtigen Staaten und nichtstaatlichen Organisationen, − die Förderung der sportlichen Beziehungen im vereinten Deutschland. 44 Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 30 Rn. 14. 45 Trute, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83 Rn. 84. 46 Siehe etwa Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion zur Kulturpolitik, Drs. 10/2236, S. 4. 47 , Ausgaben- und Aufgabenverantwortung nach der Finanzverfassung – Konnexitätsprinzip , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WF IV G – 85/03, 2003, S. 5; Gubelt, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 30 Rn. 23. 48 BVerfGE 32, 145 [156]; 39, 96 [108, 121]. - 12 - 2.1.1.3 Ausgabenkompetenz: finanzielle Sportförderung Der mit Abstand größte Förderer des Sports in Deutschland ist die öffentliche Hand. Im Jahr 2000 betrug die direkte staatliche Förderung des Sports einschließlich der Investitionsausgaben der Gebietskörperschaften ca. 7,5 Mrd. €. Hinzu kommt die indirekte Förderung aufgrund von Steuermindereinnahmen durch Ausnahmeregelungen für gemeinnützige Sportvereine49. Die Bundesregierung reklamiert für den Bund folgende Finanzierungsbefugnisse im Bereich des Sports50: − Gesamtstaatliche Repräsentation (z. B. Olympische Spiele, Paralympics, Deaflympics , Welt- und Europameisterschaften), − Auslandsbeziehungen (einschließlich sportlicher Entwicklungshilfe), − Förderung von Maßnahmen nicht staatlicher zentraler Organisationen, die für das Bundesgebiet als Ganzes von Bedeutung sind und durch ein Land allein nicht wirksam unterstützt werden können (z. B. DSB, NOK, Bundessportfachverbände) sowie − ressortzugehörige Funktionen (z. B. ressortakzessorische Forschungsvorhaben). Nach Artikel 104a Absatz 1 GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben , die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt (Konnexitätsprinzip). Aufgaben die der Bund wahrzunehmen hat, sind diejenigen Aufgaben, für welche das Grundgesetz die Erledigung durch eine bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts vorsieht (Artikel 86 GG). Die Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung sind im Grundgesetz abschließend aufgezählt (siehe oben: Punkt 2.1.1.2, S. 8). Alle anderen Angelegenheiten sind Aufgaben, welche die Länder wahrnehmen und daher auch grundsätzlich zu finanzieren haben. Daraus folgt, dass der Bund nur die Kosten für die oben unter Punkt 2.1.1.2 genannten Tätigkeiten des Bundes zu tragen hat. 49 Bundesregierung, 10. Sportbericht vom 20. 6. 2002, Drs. 14/9517, S. 21. 50 Bundesregierung, 10. Sportbericht vom 20. 6. 2002, Drs. 14/9517, S. 15. - 13 - Nach Artikel 104a Abs. 4 GG kann der Bund in Abweichung von dem Konnexitätsprinzip den Ländern und Gemeinden Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen gewähren, die − zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder − zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder − zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Finanzhilfen sind Geldzahlungen an die Länder zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, welche die Länder trotz entsprechender Anstrengungen nicht aus eigener Kraft erfüllen können51 und die nicht zu einer Vollfinanzierung eines bestimmten Vorhabens führen dürfen52. Mit Investitionen sind dauerhafte, langlebige Anlagegüter (Sachinvestitionen) oder die Förderung von Sachinvestitionen Dritter gemeint53. Besonders bedeutsam sind die Investitionen, wenn sie den Rahmen normaler Landesvorhaben übersteigen und es sich um Sachgebiete von gesamtstaatlicher Bedeutung handelt54, also überregionale, gesamtwirtschaftliche Effekte ausgelöst werden55. Die Finanzhilfen müssen zur Erreichung eines der genannten Förderziele – Abwehr einer gesamtwirtschaftlichen Störung, Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftkraft, Wirtschaftswachstum – erforderlich sein. Die ausschließliche Verfolgung anderer Ziele, z.B. Raumordnung oder Strukturpolitik aber auch Sportpolitik ist mit Artikel 104a GG nicht vereinbar. So kann der Bund ein Land bei der Errichtung oder Instandsetzung eines überregional bedeutsamen Stadions finanziell unterstützen, wenn das Land hierzu nicht aus eigener Kraft in der Lage ist und eines der in Artikel 104a Abs. 4 GG genannten Förderziele die Finanzhilfe erforderlich macht. Der bloße politische Wille, in Deutschland weitere Fußballstadien zu errichten, reicht hierfür nicht. Da der Bund keine Bundesverwaltung für Sport hat, engagiert er sich für den Sport besonders durch Zuwendungen. Dies sind alle Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Leistungen an Stellen außerhalb der Verwaltung des Bundes oder des Landes zur Erfüllung bestimmter Zwecke (§ 14 HGrG56). Sie werden insbesondere in Form 51 Henneke, in: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, Art. 104a GG Rn. 23. 52 BVerfGE 39, 96 [116]. 53 Henneke, in: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, Art. 104a GG Rn. 25. 54 BVerfGE 39, 96 [114 f.]. 55 Hellermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 104a Rn. 110. 56 Haushaltsgrundsätzegesetz. - 14 - von Geldleistungen gewährt als zweckgebundene Zuschüsse, Zuweisungen, Schuldendiensthilfen und andere nicht rückzahlbare Leistungen sowie zweckgebundene Darlehen und andere bedingt oder unbedingt rückzahlbare Leistungen57. Stellen in diesem Sinne sind alle Rechtspersonen außer der zuwendenden Körperschaft (Bund bzw. Länder). Gleichgültig ist, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche oder um inländische oder ausländische Rechtspersonen handelt58. Zuwendungen darf der Bund nur gewähren, wenn der Bund an der Aufgabenerfüllung ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann (§ 23 BHO59). Das „erhebliche Interesse“, bestimmte Zwecke nicht durch eigene Behörden erfüllen zu lassen, kann sich aus verschiedenen Gründen ergeben: − Es gibt für diese Aufgabe keinen eigenen Verwaltungsapparat, − trotz vorhandenem Verwaltungsapparat ist die Einschaltung oder Förderung von fremden Stellen wirtschaftlicher oder − der Bund will als Förderer politisch nicht in Erscheinung treten60. Es muss aber auch ein „erhebliches Interesse des Bundes“ handeln. Dies liegt nur dann vor, wenn die Erledigung der Aufgabe dem Bund obliegt. Nur dann besitzt der Bund für die zu fördernde Maßnahme eine Finanzierungskompetenz. Wie bereits dargestellt, folgt diese nach dem Konnexitätsgrundsatz der Verwaltungskompetenz des Bundes (siehe oben Punkt 2.1.1.2, S. 8). Förderungen nichtstaatlicher Organisationen im Bereich des Sports durch den Bund kommen daher nur ausnahmsweise in Betracht61: − Es muß sich um zentrale Maßnahmen handeln, die für das Bundesgebiet als Ganzes von Bedeutung sind und die ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden können. − In Betracht kommen Projekte von bundesweiter bzw. gesamtstaatlicher repräsentativer Bedeutung sowie internationale Maßnahmen. − Gefördert werden dürfen leistungsfähige Infrastrukturen auf Bundesebene (Dachverbände , Spitzenverbände). − Der Bund ist auch zuständig für die Förderung von Modell- und Pilotprojekten. 57 Vorläufige Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (Vorl. VV) zu § 23 BHO i.d.F. vom 16.9.1996 (GMBl. 1996, S. 817 ff.), Nr. 1.1. 58 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, BHO § 23 Rn. 2. 59 Bundeshaushaltsordnung. 60 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, BHO § 23 Rn. 5. 61 Dommach, Kommentar zum Haushaltsrecht, BHO § 23 Rn. 9 - 15 - Im Bundeshaushalt sind im Einzelplan 06 (Bundesministerium des Innern), Kapitel 02, Titelgruppe 01 Mittel für die Sportförderung vorgesehen. Für das Hauhaltsjahr 2005 wurden insgesamt 133 Mio. € für Sportförderung veranschlagt. Für Sportstätten wurden durch den Bund 29 Mio. €, für die Sportförderung 103 Mio. € vom Parlament bewilligt 62. Die wichtigsten Ausgabetitel im Überblick (ab 10 Mio. €): − Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports (Titel 684 11) wurden 71,4 Mio. € veranschlagt, darunter 11,8 Mio. € für Zentrale Lehrgänge und Trainingsmaßnahmen , 18,6 Mio. € für Leistungssportpersonal und 26,1 Mio. € für die Olympiastützpunkte (OSP) und Bundesleistungszentren (BLZ). − Für Zuwendungen für die Errichtung, Erstausstattung und Bauunterhaltung von Sportstätten für den Hochleistungssport wurden 24,9 Mio. € in den Haushalt eingestellt (Titel 882 11). − Für das Kunst- und Kulturprogramm der DFB-Kulturstiftung der Fußball-WM 2006 wurden 10 Mio. € veranschlagt (Titel 686 15). − Die Bundesregierung kann für eine Standortkampagne sowie für Aufgaben der Stabsstelle WM 2006 und für Sicherheitsmaßnahmen anlässlich der WM 2006 10,7 Mio. € ausgeben (Titel 532 11). 2.1.2 Tätigkeiten des Bundes im Bereich des Sports Aus Sicht der Bundesregierung konzentriert sich die Sportförderung des Bundes auf den Leistungssport sowie solche herausragenden breitensportliche Aktivitäten, an denen ein gesamtstaatliches Interesse besteht. Die Bundesregierung hat sich an den Olympiastützpunkten (OSP), dem Ausbau der Systemelemente „Häuser der Athleten“, „Eliteschulen des Sports“ und „Trainermischfinanzierung“ beteiligt. Sie hat den Leistungssport der Behinderten gefördert. Der Bund hat sich am Stiftungskapital der Nationalen Anti- Doping-Agentur (NADA) mit rund 5,1 Mio. € beteiligt. In Vorbereitung der Fußball- Weltmeisterschaft 2006 hat der Bund einen Finanzierungsbeitrag von zusammen 247 Mio. € für die Modernisierung des Berliner Olympiastadions und den Umbau des Leipziger Zentralstadions geleistet. Im Zeitraum 1999 bis 2003 hat die Bundesregierung für Modernisierung und Instandsetzung von Spotanlagen für den Breitensport in den neuen Ländern („Goldener Plan Ost“) rund 52 Mio. € bereitgestellt. 62 Vgl. Funktionenübersicht im Bundeshaushalt, Kennziffer 323 und 324. - 16 - Wegen der näheren Einzelheiten über die Tätigkeit des Bundes im Bereich des Sports wird auf den 10. Sportbericht der Bundesregierung vom 20. 6. 200263 und auf die Antwort der Bundesregierung vom 24. 4. 2002 auf eine Große Anfrage im Deutschen Bundestag verwiesen64. 2.1.3 Auswirkungen der geplanten Föderalismusreform Von der in dem Koalitionsvertrag vom 11. 11. 2005 verabredeten Reform des Föderalismus betreffen den Sport folgende Änderungsvorschläge: − Der Bund erhält statt der bisherigen Rahmengesetzgebungszuständigkeit die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Jagdwesen und statt der konkurrierenden die ausschließliche für das Waffenrecht. − Nicht mehr zu den Gemeinschaftsaufgaben (Artikel 91a und 91b GG) soll der Ausbau und Neubau von Hochschulen zählen. 2.2 Europäische Union 2.2.1 Bestehende Verträge In den Verträgen über die Gründung der Europäischen Union ist der Sport nicht erwähnt . Allerdings heißt es in der zur Schlussakte des Vertrages von Amsterdam angenommenen Erklärung Nr. 29 zum Sport65: Die Konferenz unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, insbesondere die Rolle, die dem Sport bei der Identitätsfindung und der Begegnung der Menschen zukommt. Die Konferenz appelliert daher an die Gremien der Europäischen Union, bei wichtigen, den Sport betreffenden Fragen die Sportverbände anzuhören . In diesem Zusammenhang sollten die Besonderheiten des Amateursports besonders berücksichtigt werden. 2.2.2 Noch nicht ratifizierter Verfassungsentwurf In dem Entwurf einer Verfassung von Europa (Vertrag vom 29. Oktober 2004)66 ist vorgesehen, der Union eine Zuständigkeit für die Durchführung von Unterstützungs-, 63 Bundesregierung, 10. Sportbericht vom 20. 6. 2002, Drs. 14/9517 (der Sportbericht der Bundesregierung erscheint alle 4 Jahre, vgl. Beschluss vom 5. 5. 1979, Drs. 6/2152, und Beschluss vom 19. 10. 1979, Drs. 8/3210). 64 Antwort der Bundesregierung vom 24. 4. 2002, Drs. 14/8865. - 17 - Koordinierungs- oder Ergänzungsmaßnahmen im Bereich des Sports zu geben (Artikel I-17). In dem ergänzenden Artikel III-282 im Titel „Interne Politikbereiche und Maßnahmen “ heißt es: (1) … Die Union trägt unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Sports, seiner auf freiwilligem Engagement basierenden Strukturen und seiner sozialen und pädagogischen Funktion zur Förderung der europäischen Aspekte des Sports bei. Die Tätigkeit der Union hat folgende Ziele: … g) Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere junger Sportler. (2) Die Union und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit Drittländern und den für den Bildungsbereich und den Sport zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat.… Der Vorschlag entspricht eher einer Kompetenznorm als einer Staats- bzw. Gemeinschaftszielbestimmung . 2.3 Länderverfassungen Alle Bundesländer mit Ausnahme der Freien und Hansestadt Hamburg haben den Sport bereits in ihrer Verfassung erwähnt. In diesen Verfassungen wird der Sport als Staatsziel bestimmt. Teilweise wird die Förderung des Sports den Gebietskörperschaften (auch Kreisen und Gemeinden) auferlegt; wie der Sport allerdings etwa durch die Gemeinden zu fördern ist, wird in keiner Verfassung spezifiziert. Baden-Württemberg: Artikel 3c67 [Kultur- und Sportförderung; Landschafts- und Denkmalschutz] (1) Der Staat und die Gemeinden fördern das kulturelle Leben und den Sport unter Wahrung der Autonomie der Träger. (2) Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden. 65 Gesetzentwurf, Drs. 13/9339, S. 68. 66 Gesetzentwurf, Drs. 15/4900. 67 Art. 3c eingef. mWv 10. 6. 2000 durch G v. 23. 5. 2000 (GBl. S. 449). - 18 - Bayern: Artikel 140 [Förderung von Kunst und Wissenschaft] (1) Kunst und Wissenschaft sind von Staat und Gemeinde zu fördern. (2) Sie haben insbesondere Mittel zur Unterstützung schöpferischer Künstler, Gelehrter und Schriftsteller bereitzustellen, die den Nachweis ernster künstlerischer oder kultureller Tätigkeit erbringen. (3) Das kulturelle Leben und der Sport sind von Staat und Gemeinden zu fördern. Berlin: Artikel 32 [Sportförderung] 1Sport ist ein förderungs- und schützenswerter Teil des Lebens. 2Die Teilnahme am Sport ist den Angehörigen aller Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Brandenburg: Artikel 35 (Sport) 1Sport ist ein förderungswürdiger Teil des Lebens. 2Die Sportförderung des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände ist auf ein ausgewogenes und bedarfsgerechtes Verhältnis von Breitensport und Spitzensport gerichtet. 3Sie soll die besonderen Bedürfnisse von Schülern, Studenten, Senioren und Menschen mit Behinderungen berücksichtigen. Freie Hansestadt Bremen: Artikel 36a Der Staat pflegt und fördert den Sport. Freie und Hansestadt Hamburg: Keine Erwähnung des Sports. Die Verfassung der Freie und Hansestadt Hamburg trifft überwiegend nur Regelungen zur Staatsorganisation und kennt weder Grundrechte noch Staatszielbestimmungen. Hessen: Artikel 62a68 [Sport] Der Sport genießt den Schutz und die Pflege des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände . 68 Art. 62a eingef. durch G v. 18. 10. 2002 (GVBl. I S. 626). - 19 - Mecklenburg-Vorpommern: Artikel 16 (Förderung von Kultur und Wissenschaft) (1) 1Land, Gemeinden und Kreise schützen und fördern Kultur, Sport, Kunst und Wissenschaft. 2Dabei werden die besonderen Belange der beiden Landesteile Mecklenburg und Vorpommern berücksichtigt. Niedersachsen: Artikel 6 Kunst, Kultur und Sport Das Land, die Gemeinden und die Landkreise schützen und fördern Kunst, Kultur und Sport. Nordrhein-Westfalen: Artikel 1869 [Kultur, Kunst, Wissenschaft und Sport] (1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern. (2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände . (3) Sport ist durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern. Rheinland-Pfalz: Artikel 40 (1) Das künstlerische und kulturelle Schaffen ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände zu pflegen und zu fördern. (2) Die Erzeugnisse der geistigen Arbeit, die Rechte der Urheber, Erfinder und Künstler genießen den Schutz und die Fürsorge des Staates. (3) Der Staat nimmt die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft in seine Obhut und Pflege. Die Teilnahme an den Kulturgütern des Lebens ist dem gesamten Volke zu ermöglichen. (4) Der Sport ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände zu pflegen und zu fördern. Saarland: Art. 34a [Förderung des Sports] Wegen seiner gesundheitlichen und sozialen Bedeutung genießt der Sport die Förderung des Landes und der Gemeinden. 69 Art. 18 ist neu gef. durch G v. 24. 11. 1992 (GV. NW. S. 448). - 20 - Sachsen: Artikel 36 Kunst, Kultur und Sport (1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern. (2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen innerhalb des Landes sind zu pflegen. (3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten und weitere Einrichtungen unterhalten. (4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die Pflege der Denkmale von Kultur und Natur. (5) Das Nähere regeln die Gesetze. Sachsen-Anhalt: Artikel 36 Kunst, Kultur und Sport (1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern. (2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen innerhalb des Landes sind zu pflegen. (3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten und weitere Einrichtungen unterhalten. (4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die Pflege der Denkmale von Kultur und Natur. (5) Das Nähere regeln die Gesetze. Schleswig-Holstein: Artikel 970 Schutz und Förderung der Kultur (1) Das Land schützt und fördert Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. (2) Das Land schützt und fördert die Pflege der niederdeutschen Sprache. (3) Die Förderung der Kultur einschließlich des Sports, der Erwachsenenbildung, des Büchereiwesens und der Volkshochschulen ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. 70 Art. 9 geänd. durch G v. 20. 3. 1998 (GVOBl. Schl.-H. S. 150). - 21 - Thüringen: Artikel 30 (1) Kultur, Kunst, Brauchtum genießen Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften. (2) Die Denkmale der Kultur, Kunst, Geschichte und die Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes und seiner Gebietskörperschaften. Die Pflege der Denkmale obliegt in erster Linie ihren Eigentümern. Sie sind der Öffentlichkeit im Rahmen der Gesetze unter Beachtung der Rechte anderer zugänglich zu machen. (3) Der Sport genießt Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften . - 22 - 3. Auswirkung einer Verankerung des Sport als Staatsziel 3.1 Bisherige Zurückhaltung bei der Benennung von Staatszielen Der Verfassungsgesetzgeber war bisher zurückhaltend bei der Aufnahme von Staatszielen ins Grundgesetz (siehe oben: Punkt 1.1.1, S. 3). Dahinter steckt die Skepsis, dass die bloße Benennung eines Staatsziels im Grundgesetz schon die Chance seiner Verwirklichung vergrößert71. Eine geschichtliche Bestätigung für die Annahme, dass Staatsziele einen entsprechenden Einfluss haben, gibt es nicht72. Dazu kam die Befürchtung, die wenigen im Grundgesetz vorhandenen Staatszielbestimmungen würden durch das beliebige Hinzufügen weiterer Staatsziele entwertet. Zu viele Staatszielbestimmungen würden sich gegenseitig wieder aufheben und ihre jeweiligen Konturen verlieren73. Da die Aufnahme von Staatszielen nicht auch ihre Verwirklichung garantieren könne, bestehe die Gefahr einer Diskrepanz zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit , die zur Politikverdrossenheit beitrage74. 3.2 Rechtliche Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz 3.2.1 Handlungsermächtigung des Staates? Für das Tätigwerden des Staates auf ein bestimmtes Ziel hin bedarf es keines verfassungsrechtlichen Staatszieles. Den gesetzgebenden Körperschaften bleibt es unbenommen , auch Ziele zu verwirklichen, die nicht als Staatsziele in das Grundgesetz aufgenommen worden sind. 3.2.2 Handlungspflicht und Justiziabilität Staatszielbestimmungen sind zwar Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung , die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorgeben. Sie verpflichten jedoch kein Staatsorgan zu bestimmten Entscheidungen75. Vor allem können Staatsziele nicht eingeklagt werden (Artikel 19 71 Vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 80 ff. 72 Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Präambel Rn. 38. 73 Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 78. 74 Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 81. Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“, Zwischenbericht, Drs. 15/5560, S. 10. - 23 - dungen75. Vor allem können Staatsziele nicht eingeklagt werden (Artikel 19 Abs. 4 GG), da sie keine subjektiven Rechte einzelner begründen. 3.2.3 Wirkung auf andere Verfassungsbestimmungen bzw. Auslegungshilfe Verfassungsrechtlich normierte Staatsziele können jedoch die Anwendung und Reichweite anderer Verfassungsbestimmungen beeinflussen. Insbesondere bei der Bestimmung der Schranken eines Grundrechts können mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter von Bedeutung sein76. Einige Grundrechte enthalten keinen ausdrücklichen Gesetzes- oder Schrankenvorbehalt 77, wodurch sich die Frage stellt, ob der Staat zur Verwirklichung eines anderen Zwecks oder zum Schutze eines anderen Rechtes in ein solches vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht eingreifen darf. Enthält ein Grundrecht keinen Vorbehalt für den einfachen Gesetzgeber, darf es weder durch die allgemeine Rechtsordnung noch durch eine unbestimmte Klausel relativiert werden; die Grenzen des Grundrechts können sich nur aus der Verfassung selbst ergeben78. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden die vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung in den kollidierenden Grundrechten Dritter und in den mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern ihre Grenzen. Zwischen den in Konflikt stehenden Verfassungsgütern ist abzuwägen und ein angemessener Ausgleich herbeizuführen79. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts80 kann einem Staatsziel „Bedeutung für die Auslegung von Grundrechten sowie für die Auslegung und verfassungsrechtliche Beurteilung von – nach Maßgabe eines Gesetzesvorbehalts – grundrechtseinschränkenden Gesetzen zukommen. Es ist jedoch nicht geeignet, Grundrechte ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber, also unmittelbar, zu be- 75 BVerfGE 59, 231 [263]: „wäre es anders, dann würde das Prinzip mit dem Prinzip der Demokratie in Widerspruch geraten: Die demokratische Ordnung des Grundgesetzes würde als Ordnung eines freien politischen Prozesses entscheidend eingeschränkt und verkürzt, wenn der politischen Willensbildung eine so und nicht anders einzulösende verfassungsrechtliche Verpflichtung vorgegeben wäre. Wegen dieser Offenheit kann das Sozialstaatsprinzip den Grundrechten keine unmittelbaren Schranken ziehen.“ 76 , Die Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, WF III – 249/04, S. 6 ff.. 77 Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 4 Abs. 1 und 2), Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), Versammlungen in geschlossenen Räumen (Artikel 8 Abs. 1), Berufswahl (Artikel 12 Abs. 1). 78 BVerfGE 30, 173 [193]. 79 BVerfGE 28, 243 [261]; 30, 173 [193]; 32, 98 [109]; 67 213 [228]. 80 BVerfGE 59, 231 [263]. - 24 - schränken. Es begründet die Pflicht des Staates“, für seine Verwirklichung zu sorgen; „bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.“ Es sagt „nichts darüber, wie diese Aufgabe im Einzelnen zu verwirklichen ist.“ So ist das Grundrecht auf Berufsfreiheit im Lichte des Sozialstaatsprinzips anzuwenden 81. Wegen des vorbehaltlos gewährleisteten Rechts auf Wissenschaftsfreiheit war es etwa erforderlich, den Tierschutz ins Grundgesetz aufzunehmen82. Durch die Änderung hat der Gesetzgeber die Möglichkeit erhalten, zwischen der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und den Belangen des Tierschutzes abzuwägen83. Eine solche Konfliktlage ist beim Sport nicht erkennbar. Außerdem ließe sich im Konfliktfall über das Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit eine Abwägung erreichen. Eine leichte Verschiebung könnte sich im Verhältnis des Sports zum Umweltschutz ergeben. Die Gerichte könnten sich veranlasst sehen, bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Sportanlagen den Umweltschutz zu schwächen. 3.2.4 Finanzielle Bedeutung: Förderpflicht des Staates? Auch wenn Staatszielbestimmungen Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung sind, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorgeben, so schreiben sie den zuständigen Staatsorganen weder Umfang noch Form der Förderungspflicht vor. Insbesondere dem Gesetzgeber ist vielmehr ein breiter Gestaltungsraum belassen. So kann aus einem Staatsziel z.B. kein Vorrecht auf Steuerfreiheit oder Steuerbegünstigung hergeleitet werden84. 3.2.5 Einfluss auf die Verteilung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern In der Auseinandersetzung um die Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz ist der Widerstand der Ministerpräsidenten vor allem auf die Befürchtung gegründet, der Bund erlange durch eine Erwähnung der Kultur im Grundgesetz zusätzliche Kompetenzen aus dem Bereich der „Kulturhoheit“ der Länder. In ihrem Zwischenbericht hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ vorgeschla- 81 BVerfGE 33, 303 [331]. 82 Eingefügt in Artikel 20a GG durch Gesetz vom 26. 7. 2002 (BGBl. I S. 2862). Gesetzentwurf, Drs. 14/8860; Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 70. 83 , Zur Frage einer Staatszielbestimmung Tierschutz, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 1997, WF III – 242/97; Maurer, Staatsrecht I, 2001, § 6 Rn. 11. Vgl. auch Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 14/7180. - 25 - gen, das Grundgesetz um einen Artikel 20b mit folgender Formulierung zu ergänzen: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“85 Bei dieser Formulierung dürften die Bedenken der Länder unbegründet sein. Der Bund könnte hieraus Kompetenzen weder als Gesetzgeber noch als Vollziehender ableiten. Der „Staat“ wäre in diesem Falle die jeweils zuständige Körperschaft, also in erster Linie die Länder86. Würde in Anlehnung an den Vorschlag der Enquete-Kommission zur Kultur z.B. formuliert : „Der Staat schützt und fördert den Sport“, wäre das Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern nicht betroffen. 3.2.6 Fazit Die rechtliche Wirkung der Aufnahme eines Staatszieles Sport ins Grundgesetz wäre daher begrenzt. 3.3 Politische Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz Mit der Aufnahme eines Staatszieles kann jedoch Einfluss auf die politische Auseinandersetzung und die Bildung der öffentlichen Meinung genommen werden. So kann derjenige, der sich für ein in der Verfassung genanntes Staatsziel politisch einsetzt, häufig schon dadurch Eindruck machen, dass er darauf hinweist, die Verwirklichung seines Anliegens werde im Übrigen von der Verfassung ausdrücklich verlangt. Staatsziele sind geeignet, die in ihnen zum Ausdruck kommenden Werte und Belange deutlich zu machen und in das Bewusstsein der staatlichen Organe und der Bevölkerung zu rücken. 3.4 Erfahrungen der Länder mit einer Staatszielbestimmung Sport Auf die Staatszielbestimmungen in den jeweiligen Landesverfassungen ist in folgenden Gerichtsentscheidungen eingegangen worden. 84 BVerfGE 81, 108. 85 Drs. 15/5560, S. 12. Vgl. auch die in der Kommission diskutierten weiteren Formulierungsvorschläge , S. 16 ff.. 86 Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“, Zwischenbericht, Drs. 15/5560, S. 9, m.w.N.w.. - 26 - Das Staatsziel Sport in der baden-württembergischen Verfassung ist in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart mit herangezogen worden, um das „Wohl der Allgemeinheit“ für die Rechtmäßigkeit der Enteignung eines privaten Grundstücks zum Zwecke der Nutzung des Grundstücks als öffentlicher Sportplatz zu begründen87. Das in der Verfassung von Nordrhein-Westfalen enthaltene Sportförderungsgebot begründet nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen keinen Anspruch für Sportler oder für Sportgruppen auf Bereitstellung von Übungsgelegenheiten88. Zwar mag aus dem Staatsziel Sport ein Appell an die Planungsträger gegeben sein, gerade was verbreitete Sportarten und Breitensport insgesamt betrifft, gebührend mit zu berücksichtigen. Leistungsansprüche folgten hieraus jedoch nicht. 87 OLG Stuttgart, SpuRt 2002, 27-31. 88 OVG NW, NuR 2000, 106-108.