© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 044/18 Zugang zur Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in sozialen Medien („Twitter“) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 044/18 Seite 2 Zugang zur Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in sozialen Medien („Twitter“) Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 044/18 Abschluss der Arbeit: 21. Februar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 044/18 Seite 3 1. Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Medien als Amtsausübung 1.1. Ermächtigungsgrundlage Wie jede andere Behörde darf auch die Polizei die Öffentlichkeit informieren. Soweit sie im Zusammenhang mit den ihr zugewiesenen Aufgaben allgemeine Informationen erteilt, bedarf sie hierfür grundsätzlich keiner Ermächtigungsgrundlage.1 Verbreitet die Polizei aber zum Beispiel das Foto eines Verdächtigen, ist eine über die bloße Aufgabenzuweisung hinausgehende Ermächtigungsgrundlage notwendig.2 1.2. Geltung allgemeiner Regeln Die an die Öffentlichkeit gegebenen (Selbst)Darstellungen der Polizei sind staatliche Informationen. Dies gilt auch für Mitteilungen über eine Kurznachrichten-Plattform wie z. B. „Twitter“.3 Als Teil der vollziehenden Gewalt ist die Polizei daher rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet. Insoweit unterliegt sie bei der Verbreitung von Informationen den Geboten der Neutralität, Sachlichkeit und Richtigkeit.4 2. Blockieren von Nutzern 2.1. Grundrechte Blockiert die Polizei bestimmte Beiträge oder Nutzer auf ihrem Kurznachrichten-Konto, greift dies grundsätzlich und je nach Fallgestaltung in folgende Grundrechte ein: – Die Meinungsfreiheit des Nutzers, insofern er Beiträge der Polizei nicht mehr kommentieren kann (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG); – die Informationsfreiheit des Nutzers, insofern er die Beiträge der Polizei nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen einsehen kann (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG); 1 WD 3 - 3000 - 157/15, Öffentlichkeitsarbeit von Polizeibehörden in sozialen Medien, S. 8, https://www.bundestag .de/blob/405538/c90e0606186c97afa54b9694a865e026/wd-3-157-15-pdf-data.pdf; siehe auch Knebel/Schoss, DÖV 2016, 105 (106); rechtspolitisch kritisch Wewer, ZRP 2016, 23, ohne jedoch die Rechtmäßigkeit der Nutzung sozialer Medien durch den Staat konkret in Frage zu stellen. 2 WD 3 - 3000 - 157/15 (Fn. 1), S. 9. 3 ThürVerfGH, NVwZ 2016, 1408, Rn. 34, 58, 62 (in Bezug auf ein Twitter-Account der Staatskanzlei kann „kein Zweifel bestehen, dass es sich um eine amtliche Äußerung handelt“). 4 WD 3 - 3000 - 157/15 (Fn. 1), S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 044/18 Seite 4 – das Recht auf gleiche Teilhabe an öffentlichen Leistungen und Einrichtungen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG);5 – die Pressefreiheit, insofern der Nutzer Medienvertreter ist (Art. 5 Abs. 1 S. 2). Für den Eingriff in die Informationsfreiheit dürfte es unerheblich sein, dass Nutzer sich unter einer anderen Identität Zugang zum Kurznachrichten-Konto der Polizei verschaffen können. Gleichermaßen sinnwidrig wäre die Argumentation, dass ein behördliches Hausverbot einen Bürger nicht belaste, weil er unter falscher Identität die Amtsräume wieder betreten könne. Für den Ausschluss von Nutzern oder das Löschen von Beiträgen kommen verschiedene Rechtsgrundlagen in Betracht.6 Die Abgrenzung im Einzelnen kann dahingestellt bleiben. Eine Spezialermächtigung gibt es im Bundespolizeigesetz nicht. Daher dürfte in jedem Fall die gefahrenabwehrrechtliche Generalklausel einschlägig sein.7 Für alle vorgenannten vier Eingriffe gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.8 Damit muss der Eingriff – ein legitimes Ziel verfolgen; – geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen; – das mildeste Mittel sein; – und angemessen sein. Ein Ausschluss verfolgt nur dann ein legitimes Ziel, wenn er mit dem vorgenannten Gebot der Neutralität im Einklang ist. Die Polizei kann den Zugang eines Nutzers also nicht allein deshalb beschränken, weil der Nutzer eine missliebige Meinung äußert. Bei Straftaten, wie z. B. Beleidigungen , oder bei ähnlichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen verfolgt der Ausschluss hingegen ein legitimes Ziel. Das Löschen von Beiträgen oder der Ausschluss von Nutzern können je nach Fallgestaltung geeignet sein, ein legitimes Ziel zu erreichen (z. B. eine Beleidigung zu beenden). Abhängig von der Sachlage kann sich ein anderes, milderes Mittel ergeben. Z. B. ist der vorübergehende Ausschluss eines Nutzers gegenüber dem unwiderruflichen Ausschluss das mildere Mittel. 5 Die genaue Abgrenzung beider Grundrechte in dieser Fallkonstellation ist umstritten, aber im Ergebnis wohl unerheblich, vgl. Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 18. 6 Schmehl, JuS 2005, 817 (819): Einrichtungsgewalt, Annexbefugnis aus den Vorschriften über öffentliche Einrichtungen , öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, § 1004 BGB analog, gewohnheitsrechtliche Befugnis, gefahrenabwehrrechtliche Generalklausel. 7 Schmehl, JuS 2005, 817 (821). 8 Zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Art. 3 siehe Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 044/18 Seite 5 Ähnliches gilt für das nur teilweise Löschen von Beiträgen (soweit technisch möglich und gleichermaßen geeignet) gegenüber dem vollständigen Löschen von Beiträgen. Ferner muss die Reaktion der Polizei angemessen sein. D.h., auch wenn es nur ein Mittel gibt, darf dieses nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen. Auf dieser Prüfungsstufe dürften sich eher keine Probleme ergeben, da jedenfalls das (teilweise) Löschen eines einzelnen Beitrags z. B. im Falle einer Beleidigung regelmäßig angemessen sein dürfte. 2.2. Sonderproblem: Datenerhebung beim Plattformbetreiber Die Betreiber verschiedener sozialer Plattformen haben unter Umständen Mechanismen programmiert , die blockierte Nutzer oder die Anzahl deren blockierter Beiträge speichern. Hieraus könnten in der Zukunft weitere Nachteile folgen (Sperrung anderer Konten, etc.). Die Einzelheiten hängen von den Nutzungsbedingungen der sozialen Plattform ab. Zu den wesentlichen Anwendungsvoraussetzungen gehört, dass Nutzer den Bedingungen bei der Registrierung (privatrechtlich) wirksam zustimmen und dass die Bedingungen dem Datenschutzrecht entsprechen.9 Insoweit lässt sich argumentieren, dass die Polizei selbst nicht in die informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Nutzer eingreift, wenn sie z. B. deren Beiträge blockiert. Die Blockade selbst ist weder Datenerhebung, noch eine Datenweitergabe. Die Datenerhebung und -verarbeitung nimmt vielmehr allein der Betreiber durch die entsprechend programmierte Plattform vor.10 Grundlage hierfür sind insbesondere das anwendbare Datenschutzgesetz und die Einwilligung der Nutzer. *** 9 Engeler, Der staatliche Twitter-Auftritt, MMR 2017, 651 (652). 10 Engeler, Der staatliche Twitter-Auftritt, MMR 2017, 651 (653), mit weiteren Nachweisen (u. a. OVG Schleswig ZD 2014, 643: Inhaberschaft eines Kontos bei der sozialen Plattform „Facebook“ ist für sich genommen keine Datenerhebung oder -verarbeitung).