Deutscher Bundestag Parteiverbot und Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 044/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 2 Parteiverbot und Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 044/13 Abschluss der Arbeit: 19. März 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Besteht für den Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Möglichkeit (auch unter Berücksichtigung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung - ICERD), Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern, von der staatlichen Finanzierung ganz oder teilweise auszuschließen? 4 2.1. Staatliche Finanzierung von Parteien 4 2.2. Ausschluss aus der staatlichen Finanzierung bei verfassungsfeindlicher Ausrichtung einer Partei 5 2.3. Verfassungsänderung 6 2.4. Das Internationale Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung als Grundlage für einen Ausschluss einer Partei von der staatlichen Finanzierung? 8 3. Käme im Rahmen eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung milderer Mittel (gegenüber einem Verbot) in Betracht? 9 4. Welche milderen Mittel als ein Parteiverbot kennt das deutsche Recht? 10 5. Wäre der Entzug von staatlicher finanzieller Förderung (beispielsweise auf Basis des ICERD) ein solches milderes Mittel? 10 6. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 4 1. Einleitung Parteien sind für eine demokratische Grundordnung konstitutiv. Daher gewährleistet das Grundgesetz (GG) in seinem Art. 21 eine freie Meinungs- und Willensbildung des Volkes, die durch die Parteien organisiert wird. Das Grundgesetz hat damit die Parteien „als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben“1. Zur Erledigung dieser zugewiesenen Aufgaben gewährt der Staat den Parteien daher nach § 18 Parteiengesetz (PartG)2 Finanzmittel. Parteien, die sich gegen die demokratische Grundordnung erheben und damit verfassungswidrig sind, können nach Maßgabe des Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht verboten werden . Dies ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie .3 Mit einem Verbot endet der in Art. 21 GG verankerte Bestandsschutz einer Partei, sodass auch ihr Anspruch auf staatliche Finanzmittel nach § 18 PartG entfällt. Problematisch ist allerdings der Fall, dass eine Partei zwar verfassungsfeindlich ausgerichtet ist, etwa weil sie rassistisches Gedankengut fördert, jedoch ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nicht ausgesprochen wurde. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Frage, ob auch in einem solchen Fall, die staatliche Finanzierung versagt werden kann4 oder andere Mittel gegen die Partei zulässigerweise angewendet werden können. 2. Besteht für den Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Möglichkeit (auch unter Berücksichtigung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung - ICERD), Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern, von der staatlichen Finanzierung ganz oder teilweise auszuschließen? 2.1. Staatliche Finanzierung von Parteien Parteien werden durch staatliche Mittel teilfinanziert gemäß § 18 PartG. Dabei richtet sich die Höhe der staatlichen Mittel, die der jeweiligen Partei zur Verfügung gestellt werden, nach dem Erfolg, den eine Partei bei den Wählern bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielt, der Summe ihrer Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie dem Umfang der von ihr eingeworbenen Spenden, § 18 Abs. 1 S. 2 PartG. Die Berechnung der staatlichen Mittel, die einer Partei im Einzelnen zustehen, richtet sich nach den Maßgaben des § 18 Abs. 2 und 3 PartG. Damit Parteien jedoch grundsätzlich ein Anspruch auf staatliche Mittel zusteht, müssen sie gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 PartG nach dem endgültigen Wahlergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl 1 BVerfGE 41, 399, 416. 2 Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz, PartG) vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. 8. 2011 (BGBl. I S. 1748, ber. S. 3141). 3 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 12. Aufl. 2012, Art. 21 Rn. 29. 4 Vgl. hierzu auch , Ausschluss einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Parteifinanzierung , Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung, WD 3 - 3000-504/10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 5 mindestens 0,5 % oder einer Landtagswahl 1,0 % der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. War in einem Land eine Liste für eine Partei nicht zugelassen, hat diese Partei einen Anspruch auf staatliche Mittel gemäß § 18 Abs. 4 S. 2 PartG, wenn sie nach dem endgültigen Wahlergebnis 10 % der in einem Wahl- oder Stimmkreis abgegebenen gültigen Stimmen erreicht hat. Aus dieser staatlichen Teilfinanzierung scheidet eine Partei gemäß § 18 Abs. 7 PartG aus, sobald sich sie sich auflöst oder verboten wird. 2.2. Ausschluss aus der staatlichen Finanzierung bei verfassungsfeindlicher Ausrichtung einer Partei Ein Ausschluss einer Partei aus der staatlichen Finanzierung ist daher nach § 18 Abs. 7 PartG jedenfalls dann vorgesehen, wenn eine Partei nach dem im Art. 21 Abs. 2, 3 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 2, 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG)5 normierten Verfahren verboten wird. Kompetent, eine Partei zu verbieten, ist damit ausschließlich das Bundesverfassungsgericht, wie Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG explizit regelt. Fraglich ist, ob über den Fall eines Parteiverbots hinaus, eine Partei wegen ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden kann. Art. 21 Abs. 2 GG zielt nicht nur auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Staates ab, indem ein Verbot verfassungswidriger Parteien ermöglicht wird.6 Durch das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts wird auch jede Partei solange geschützt, bis das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der Partei tatsächlich angenommen hat (doppelte Schutzwirkung des Art. 21 Abs. 2 GG).7 Das sogenannte Parteienprivileg umfasst damit eine Sperrwirkung gegenüber jedem rechtlichen Eingriff in die politischen Tätigkeiten einer Partei bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungswidrigkeit der Partei feststellt.8 Verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Partei können zwar durch den Verfassungsschutz überwacht werden, wenn dies der Vorbereitung eines Verbotsverfahrens dient.9 Die Verfassungswidrigkeit einer Partei kann jedoch rechtlich bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht geltend gemacht werden.10 5 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz, BVerfGG) vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. 7. 2012 (BGBl. I S. 1501). 6 BVerfGE 5, 85, 139; Klein, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 21 Rn. 571. 7 BVerfGE 47, 130, 139; Klein, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 21 Rn. 571; Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG II, 6. Aufl. 2010, Art. 21 Rn. 216. 8 BVerfGE 12, 296, 304. 9 Klein, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 21 Rn. 577 ff.; BVerfGE 63, 266. 10 BVerfGE 107, 339, 362. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 6 Vielmehr steht allen Parteien, die nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht verboten wurden, das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 i.V.m. Art. 3 und 38 GG zu.11 Diese Chancengleichheit der Parteien bildet einen Teil der demokratischen Grundordnung.12 Damit müssen auch die staatlichen Finanzmittel allen Parteien grundsätzlich unter den selben Voraussetzungen gewährt werden. Zwar können bestimmte Differenzierungen das Recht auf Chancengleichheit einschränken. Denn der Gesetzgeber soll die vorgefundene politische Wettbewerbslage nicht verfälschen oder in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Weise verändern.13 Differenzierungen müssen aber durch einen besonders zwingenden Grund gerechtfertigt werden.14 Ein zulässiger Grund liegt vor, wenn er durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, der zu einem angemessen Verhältnis zur Wahlrechtsgleichheit steht.15 Das Bundesverfassungsgericht stellt auf „zureichende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volksvertretung sich ergebende Gründe“ ab.16 Ein Beispiel hierfür bietet die Differenzierung nach dem Wahlerfolg bei der Vergabe von staatlichen Finanzmitteln. Nach § 18 Abs. 4 PartG werden in diesem Sinne Mindestvoraussetzungen zur Teilnahme der Parteien an der staatlichen Finanzierung geregelt (s. 2.1). Diese Differenzierung ist gerechtfertigt, da so Mitnahmeeffekte und nur auf staatliche Mittel zielende Parteigründungen vermieden werden können.17 Jedenfalls keinen Grund zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung stellt die inhaltliche Ausrichtung einer Partei dar.18 Aufgrund des Schutzes, der einer Partei auf Grundlage des Art. 21 Abs. 2 GG bis zu einer durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit zusteht, kann eine verfassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei nicht als Differenzierungsgrund angeführt werden. Damit können nach geltendem Verfassungsrecht auch verfassungsfeindliche Parteien nicht von der staatlichen Finanzierung nach § 18 PartG ausgenommen werden. 2.3. Verfassungsänderung Da Parteien nach den Regelungen des Grundgesetzes auch bei verfassungsfeindlicher Ausrichtung bis zu einem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nicht von der staatlichen Finan- 11 BVerfGE 6, 279, 280; BVerfGE 111, 54, 104; Epping, Rechtgutachten über die Frage ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen Parteifinanzierung ausgeschlossen werden kann, 2008, S. 9. 12 BVerfGE 120, 82, 104. 13 BVerfGE 85, 264, 297; BVerfGE 104, 287, 300; BVerfGE 111, 382, 398; BVerfGE 121, 108, 123. 14 BVerfGE 47, 198, 227; BVerfGE 111, 54, 105; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 12. Aufl. 2012, Art. 21 Rn. 17. 15 Epping, Rechtgutachten über die Frage ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen Parteifinanzierung ausgeschlossen werden kann, 2008, S. 10. 16 BVerfGE 95, 408, 418. 17 Morlok, Kommentar zum Parteiengesetz, 2012, § 18 Rn. 2. 18 Epping, Rechtgutachten über die Frage ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen Parteifinanzierung ausgeschlossen werden kann, 2008, S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 7 zierung ausgeschlossen werden können, stellt sich die Frage inwieweit eine Verfassungsänderung diese Rechtslage ändern könnte. Die Voraussetzungen zur Änderung des Grundgesetzes sind in Art. 79 GG normiert. Neben der formellen Voraussetzung eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses des Bundestages und des Bundesrates in Form einer Zweidrittelmehrheit gemäß Art. 79 Abs. 2 GG, stellt Art. 79 Abs. 3 GG eine materielle Schranke für eine Verfassungsänderung auf (Ewigkeitsgarantie). Danach sind Änderungen unzulässig, die die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze berühren. Die demokratisch rechtsstaatliche Grundordnung als identitätsbildendes Leitprinzip der Bundesrepublik Deutschland soll damit gesichert werden.19 Der Ausschluss von Parteien von der staatlichen Finanzierung würde die Parteiengleichheit bei der Parteienfinanzierung und damit die Chancengleichheit beeinträchtigen. Dies wäre folglich dann unzulässig, wenn die Chancengleichheit der Parteien von den in Art. 79 Abs. 3 GG aufgezählten Grundprinzipien umfasst wäre. Zunächst ist daher zu prüfen, ob die Chancengleichheit der Parteien in den Grundsätzen des Art. 1 GG, der Menschenwürdegarantie, enthalten ist. Die Chancengleichheit der Parteien lässt sich unter anderem aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten (s.o.). Die Grundsätze des Art. 1 GG umfassen auch andere Grundrechte als Art. 1 GG, soweit sich die normative Wirkung der anderen Grundrechte zugleich aus Art. 1 Abs. 1 GG und damit dem Menschenwürdegehalt ergeben.20 Im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG umfasst der Menschenwürdegehalt das Willkürverbot, wonach sich für eine Differenzierung jedenfalls ein vernünftiger, sachlicher Grund anführen lassen muss.21 Problematisch ist schon, ob sich Parteien im Rahmen ihrer Chancengleichheit auf die Menschenwürde und ihren Gehalt beziehen können.22 Jedenfalls aber stellt die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei einen sachlichen Grund für eine etwaige Differenzierung bei der Vergabe staatlicher Finanzmittel dar, sodass das Willkürverbot nicht verletzt und damit die Grundsätze des Art. 1 GG nicht berührt würden.23 Die Chancengleichheit der Parteien könnte jedoch ein Grundsatz des Art. 20 GG sein, sodass sie durch eine Verfassungsänderung nicht berührt werden dürfte. Als Grundsatz des Art. 20 GG geschützt wird die demokratische Ordnung. Neben der Volkssouveränität ist davon ein offener Prozess politischer Willensbildung umfasst.24 Parteien schließen die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammen und ermöglichen ihnen auf diesem Wege erst einen Einfluss auf das 19 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 79 Rn. 59. 20 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 12. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 10. 21 BVerfGE 1, 14, 52; BVerfGE 84, 90, 121; BVerfGE 94, 12, 34. 22 Das Bundesverfassungsgericht lehnt dies ab, BVerfGE 95, 220, 242. 23 Epping, Rechtgutachten über die Frage ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen Parteifinanzierung ausgeschlossen werden kann, 2008, S. 30. 24 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Kommentar zum GG II, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 8 staatliche Geschehen.25 Der Volkswille erscheint in Parteien, die als politische Handlungseinheit fungieren.26 Daher gilt die Gründungsfreiheit und Existenz von Parteien als wesentlicher Bestandteil des Demokratieprinzips und damit als änderungsfester Grundsatz des Art. 20 GG.27 Dies gilt wohl jedoch nicht gleichermaßen für die Chancengleichheit der Parteien. Zu den Grundsätzen demokratischer Legitimation gehören zwar die Gleichheit der politischen Mitwirkungsrechte aller Staatsbürger sowie ein normativ geschützter Raum offener Meinungsbildung.28 Dies führt jedoch nicht auch zu einer absolut geschützten Chancengleichheit der Parteien. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG einen Schutzauftrag des Staates gegen Rassendiskriminierung vorzugehen, enthält.29 Ein absoluter Schutz vor Einschnitten in die Chancengleichheit der Parteien, die aufgrund der Förderung rassistischen Gedankenguts vorgenommen werden, ist daher wohl nicht von den Grundsätzen der Demokratie und damit des Art. 20 GG umfasst. Die materielle Schranke zur Verfassungsänderung des Art. 79 Abs. 3 GG steht folglich wohl nicht einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien in diesem Sinne entgegen. 2.4. Das Internationale Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung als Grundlage für einen Ausschluss einer Partei von der staatlichen Finanzierung? Das Internationale Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD)30 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der in der UN-Generalversammlung konzipiert wurde. Deutschland ist dem Vertrag am 15. Juni 1969 beigetreten. Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zur innerstaatlichen Wirksamkeit durch ein Vertragsgesetz in deutsches Recht transformiert.31 Das ICERD steht damit auf der Ebene eines einfachen Bundesgesetzes.32 Die Anwendung der Verfassung genießt folglich Anwendungsvorrang, sodass Art. 21 Abs. 2 GG innerstaatlich auch im Zusammenhang mit Anwendung des ICERD zu beachten ist. Parteien werden trotz einer verfassungsfeindlichen Ausrichtung und der Förderung von rassistischem Gedankengut von Art. 21 Abs. 2 GG solange geschützt, bis das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Partei feststellt. Art. 21 Abs. 2 GG entfaltet insoweit bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Sperrwirkung gegen Eingriffe in den Status von Parteien. 25 BVerfGE 11, 266, 273; BVerfGE 44, 125, 145; BVerfGE 52, 63, 82. 26 BVerfGE 2, 1, 12. 27 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Kommentar zum GG II, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 43; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 79 Rn. 125, 135; Dreier, in: Dreier, Kommentar zum GG II, 2. Aufl. 2007, Art. 79 Rn. 41. 28 Klein, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 79 Rn. 125. 29 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 12. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 115, 133; 30 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (ICERD), United Nations, Treaty Series, Band 660, S. 195. 31 Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 9. Mai 1969 (BGBl. II, S. 961). 32 Gesetze, die völkerrechtlicher Verträge umsetzen, sind auf der Ebene regulärer Bundesgesetze, vgl. BVerfGE 1, 396, 410 f.; BVerfGE 42, 263, 284; BVerfGE 63, 343, 354. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 9 Darüber hinaus enthält das ICERD lediglich Verpflichtungen der Staaten, Regelungen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung zu schaffen.33 Daher kann auch der Ausschluss von Parteien, die rassistisches Gedankengut fördern, von der staatlichen Finanzierung nicht unmittelbar auf das ICERD gestützt werden. Die Mitgliedstaaten sind vielmehr aufgefordert, entsprechende Normen im nationalen Recht zu erlassen. 3. Käme im Rahmen eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung milderer Mittel (gegenüber einem Verbot) in Betracht? Das Verfahren zum Verbot einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht ist in Art. 21 Abs. 2, 3 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG normiert. Gemäß § 43 Abs. 1 BVerfGG sind der Bundestag , der Bundesrat und die Bundesregierung antragsberechtigt, sowie gemäß § 43 Abs. 2 BVerfGG die Landesregierungen, soweit sich die Organisation der in Frage stehenden Partei auf das Gebiet des betreffenden Landes beschränkt. Antragsgegenstand ist gemäß Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei, Antragsgegner ist damit eine politische Partei . Die Voraussetzungen, damit die Verfassungswidrigkeit einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden kann, sind in Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG ausgeführt. Danach muss die in Frage stehende Partei nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen , die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und zeigt sich der Antrag somit als begründet, stellt das Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 Abs. 2 GG, § 46 Abs. 1 BVerfGG fest, dass die politische Partei verfassungswidrig ist. Auf die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Partei verfassungswidrig ist, folgt unmittelbar das Verbot der Partei und deren Auflösung gemäß § 46 Abs. 3 BVerfGG.34 Sobald die Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt ist, verliert die in Frage stehende Partei von Rechts wegen ihren Parteienstatus und ist vom Schutz des Art. 21 GG nicht mehr umfasst.35 Damit einher geht auch das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen. Die unmittelbar durchzuführende Vollstreckung regelt § 32 PartG. Andere Mittel als das Verbot bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei sind weder im Grundgesetz noch im einfachen Recht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht prüft daher nicht die Anwendung milderer Mittel gegenüber einem Verbot, sondern lediglich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verfassungswidrigkeit vorliegen. Ist dies der Fall, kann nach geltendem Recht nur das Parteiverbot folgen. 33 Vgl. z.B. Art. 2 und 4 ICERD. 34 Klein, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, 66. EL 2012, Art. 21 Rn. 553. 35 Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG II, 6. Aufl. 2010, Art. 21 Rn. 247; Kluth, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar zum GG, stand 01.01.2013, Art. 21 Rn. 203. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 044/13 Seite 10 4. Welche milderen Mittel als ein Parteiverbot kennt das deutsche Recht? Bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht verliert die in Frage stehende Partei ihren Status gemäß Art. 21 GG und wird kraft Gesetzes verboten , § 46 Abs. 3 S. 1 BVerfGG. Ein milderes Mittel ist damit bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei nicht vorgesehen. Ist hingegen die Verfassungswidrigkeit einer Partei trotz ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung noch nicht durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden, entfaltet Art. 21 Abs. 2 GG eine Sperrwirkung gegenüber jedem Eingriff. Parteien sind bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht vor jeder Beeinträchtigung geschützt. Auch in diesem Fall ist daher die Anwendung milderer Mittel nicht vorgesehen. 5. Wäre der Entzug von staatlicher finanzieller Förderung (beispielsweise auf Basis des ICERD) ein solches milderes Mittel? Der Entzug von staatlicher finanzieller Förderung bei verfassungsfeindlicher Ausrichtung einer Partei stellte zwar ein milderes Mittel gegenüber einem Verbot dar, da die Eingriffsintensität und Sanktionswirkung geringer wäre. Nach geltendem deutschen Recht ist der Ausschluss von Parteien von der staatlichen Finanzierung aber nicht vorgesehen (s. 3). Möglich wäre jedoch eine Verfassungsänderung zur Einführung dieses milderen Mittels (s. 2.3). 6. Zusammenfassung Nach geltender Rechtslage kann eine Partei, trotz der Förderung und Verbreitung von rassistischem Gedankengut, nicht von der staatlichen Finanzierung gemäß § 18 PartG ausgeschlossen werden, da Art. 21 Abs. 2 GG zum Schutze der Partei eine Sperrwirkung gegenüber jedem Eingriff in den Status der Partei entfaltet. Diese Sperrwirkung wird allein durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben, eine Partei als verfassungswidrig zu erklären. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, eine Partei als verfassungswidrig zu erklären, folgt unmittelbar gemäß § 46 Abs. 3 BVerfGG das Verbot der Partei. Mildere Mittel als ein Parteiverbot sind dabei im Verfahren nicht vorgesehen. Jedoch erscheint eine Grundgesetzänderung, die die Sperrwirkung des Art. 21 Abs. 2 GG aufhebt und Eingriffe in die Chancengleichheit der Parteien etwa durch einen (Teil-)Ausschluss von der staatlichen Finanzierung zulässt, mit der materiellen Schranke des Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar.