© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 043/21 Zu den Kontrollgremien für die Tätigkeit der Nachrichtendienste Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 2 Zu den Kontrollgremien für die Tätigkeit der Nachrichtendienste Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 043/21 Abschluss der Arbeit: 23. März 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 3 1. Einleitung und Fragestellung Im Mai 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Grundsatzurteil zur Ausland- Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) weite Teile des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG)1 für mit Art. 10 GG unvereinbar.2 Unter anderem fehle es an einem unabhängigen objektivrechtlichen Kontrollinstrument für den BND. Die Bundesregierung hat inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen soll.3 Der Entwurf sieht unter anderem vor, das BNDG um die §§ 40 ff. zu erweitern und einen sog. Unabhängigen Kontrollrat einzuführen. Der Sachstand beschäftigt sich mit den Aufgaben, Befugnissen und Rechtsgrundlagen der verschiedenen bisher bestehenden Gremien, die der Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes dienen, sowie mit dem geplanten Unabhängigen Kontrollrat. 2. Das Parlamentarische Kontrollgremium Die Kontrollaufgabe des Parlaments erstreckt sich grundsätzlich auf alle Handlungsbereiche der Bundesregierung. Hierzu zählt auch die Arbeit der Nachrichtendienste des Bundes.4 Eine effektive parlamentarische Kontrolle erfolgt grundsätzlich öffentlich. Bei der Kontrolle der Nachrichtendienste muss dieser Grundsatz jedoch insoweit eingeschränkt werden, als die geheimhaltungsbedürftige Tätigkeit der Nachrichtendienste nicht beeinträchtigt werden darf.5 Dieses Spannungsverhältnis wird aufgelöst durch die Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr). Gemäß Art. 45d Abs. 1 GG ist die Bestellung des PKGr durch den Bundestag zwingend vorgeschrieben. Art. 45d Abs. 2 GG enthält einen Gesetzgebungsauftrag zur näheren Ausgestaltung.6 Darüber hinaus enthält Art. 45d GG keine Anforderungen an das Kontrollgremium. Seiner Pflicht ist der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit (PKGr-G)7 nachgekommen. Die Ausgestaltung des PKGr richtet sich zudem nach der Geschäftsordnung (PKGr- GO) sowie nach vereinzelten Regelungen unter anderem im BNDG. 1 Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt geändert durch Artikel 19 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 2 Urteil vom 19. Mai 2020, 1 BvR 2835/17, NJW 2020, 2235. 3 BT-Drs. 19/26103. 4 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 14. 5 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 13 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 28. 6 Vgl. Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 33. 7 Vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346), zuletzt geändert durch Artikel 13b des Gesetzes vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 4 Das PKGr ist als vom Plenum des Bundestages selbständiges Gremium mit eigenen Rechten und selbständiger Aufgabenwahrnehmung zu qualifizieren.8 Die Eigenständigkeit äußert sich etwa darin, dass das PKGr über das Ende der Wahlperiode hinaus Bestand hat, bis ein neues PKGr durch den nachfolgenden Bundestag bestellt wird.9 Da das PKGr den Bundestag bei der Kontrolle der Nachrichtendienste unterstützt, kann es als „Hilfsorgan“ des Bundestages bezeichnet werden.10 2.1. Funktion und Aufgabe Die Kontrollaufgabe des PKGr bezieht sich auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes. Zu den Nachrichtendiensten in diesem Sinne zählen neben dem BND der militärische Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Nach § 1 Abs. 1 PKGr-G ist Adressat der Kontrolle die Bundesregierung. Eine allgemeingültige Definition der nachrichtendienstlichen Tätigkeit existiert nicht. Unter Berücksichtigung der gemeinsamen Aufgabe der drei Dienste sowie ihrer ähnlichen Arbeitsweise kann die nachrichtendienstliche Tätigkeit im Sinne des Art. 45d GG beschrieben werden als die „planmäßige, regelmäßig im Verborgenen stattfindende und deshalb geheimhaltungsbedürftige Informationsbeschaffung und -auswertung zum Zweck der inneren und äußeren Sicherheit im Vorfeld der Abwehr konkreter Gefahren und der Verfolgung von Straftaten“.11 Der genaue Gegenstand der Kontrolle ist in der Literatur umstritten. Nach einer Auffassung betrifft die Kontrollaufgabe mit Verweis auf das Gesetzgebungsverfahren nur abgeschlossene Vorgänge, da das Gremium die Nachrichtendienste nur kontrollieren, aber nicht in sie „hineinregieren“ dürfe.12 Nach anderer Auffassung sei eine derartige Beschränkung der Kontrolltätigkeit nicht angezeigt, da diese mit der Funktion des PKGr im Widerspruch stehe und sich entsprechende Überlegungen aus dem Gesetzgebungsverfahren nicht im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hätten.13 2.2. Befugnisse und Grenzen Das PKGr-G vermittelt dem Gremium umfangreiche Befugnisse zur Informationserhebung gegenüber der Exekutive. Grundlage für die Kontrolltätigkeit des PKGr ist die Kenntnis von den grundlegenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Deshalb ist die Bundesregierung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 PKGr-G verpflichtet, das Gremium umfassend und kontinuierlich über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Mit „allgemeinen Tätigkeiten“ in diesem Sinne sind die typischen Abläufe der Nachrichtendienste und 8 Vgl. Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 33 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 24. 9 Vgl. Unger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 45d GG Rn. 12; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 25. 10 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 34; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 24. 11 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 25. 12 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 34. 13 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 28. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 5 deren Ergebnisse gemeint.14 Vorgänge von besonderer Bedeutung sind solche, die von der Routine der Nachrichtendienste abweichen.15 Um zu gewährleisten, dass das PKGr seinen Informationsanspruch gegenüber der Bundesregierung wirksam durchsetzen kann, stehen dem PKGr eigene Informationsbeschaffungsrechte zu.16 § 5 PKGr begründet ein Aktenvorlagerecht, ein Besuchsrecht in sämtlichen Dienststellen der drei Nachrichtendienste und einen Auskunftsanspruch.17 Daneben trifft das PKGr-G Maßnahmen, um den Konflikt zwischen dem Anspruch an die Öffentlichkeit der parlamentarischen Kontrolle und dem Geheimhaltungsbedürfnis an nachrichtendienstlichen Informationen in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. Hierfür konstituiert § 13 S. 1 PKGr-G eine Berichtspflicht des PKGr gegenüber dem Plenum, der das Gremium mindestens in der Mitte und am Ende der Legislaturperiode nachkommen muss. Zusätzlich kann gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 PKGr-G die Bewertung bestimmter Vorgänge von der Geheimhaltungspflicht des § 10 Abs. 1 S. 1 PKGr-G ausgenommen werden. Die Informationsrechte des PKGr finden ihre Grenzen in den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grenzen parlamentarischer Kontrolle. Die Bundesregierung kann unter den Voraussetzungen des § 6 PKGr-G die Auskunft nur verweigern, wenn das Informationsbegehren den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung, Grundrechte Dritter oder das Staatswohl beeinträchtigt.18 Verweigert die Bundesregierung die Auskunft, muss sie ihre Entscheidung gegenüber dem PKGr substantiiert begründen, § 6 Abs. 2 S. 2 PKGr-G. 3. Die G-10-Kommission Für Überwachungsmaßnahmen zum Schutz von Staat und Verfassung, die das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis berühren, ist nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG ein eigener Kontrollmechanismus einzurichten. Diese spezielle Kontrollaufgabe wird ausgeübt durch die sog. G-10-Kommission. Diese hat ihre einfachgesetzliche Grundlage im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnisses (G-10)19. Das G-10 regelt insbesondere die Zulässigkeit von Maßnahmen zur Einschränkung der durch Art. 10 GG geschützten Grundrechte. Die G-10-Kommission wird nach § 15 Abs. 1 S. 4 G-10 durch das PKGr berufen. Sie beruht allerdings nicht selbst auf Art. 45d GG, da Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG die speziellere Ermächtigungsgrundlage bildet.20 Die Kommission besteht gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 G-10 aus dem Vorsitzenden, der die 14 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 41. 15 Unger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 45d GG Rn. 18. 16 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 45d Rn. 45; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 41. 17 Vgl. Unger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 45d GG Rn. 19 f. 18 Vgl. Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 50; Unger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 45d GG Rn. 26. 19 Vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298; 2007 I S. 154), zuletzt geändert durch Artikel 38 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 20 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Auflage 2015, Art. 45d Rn. 18, 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 6 Befähigung zum Richteramt besitzen muss, und drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern , die an den Sitzungen mit Rede- und Fragerecht teilnehmen können. Nach § 1 Abs. 2 G-10 i.V.m. den §§ 14, 15 G-10 obliegt die Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen dem PKGr und der G-10-Kommision gemeinsam. Das PKGr übernimmt hierbei die allgemeine politische Kontrolle über die Durchführung des G-10 in Form einer Gesamtübersicht über die Beschränkungsmaßnahmen sowie in Form der Behandlung von Grundsatzfragen.21 Die G-10- Kommission entscheidet im Einzelfall über die Zulässigkeit und Notwendigkeit der konkreten Beschränkungsmaßnahmen.22 Beide Kontrollorgane sind unter Wahrung der jeweiligen Geheimhaltungsvorschriften über allgemeine Angelegenheiten ihrer Kontrolltätigkeit zum regelmäßigen Austausch verpflichtet, § 15 Abs. 8 G-10. Ähnlich wie dem PKGr sind der 10-G-Kommission weitreichende Informationsrechte eingeräumt. Hierzu zählen gemäß § 15 Abs. 5 G-10 Auskunfts-, Einsichts- und Zutrittsrechte. Die Befugnis erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Datenverarbeitung und beinhaltet eine Unterrichtungspflicht der Nachrichtendienste bzw. der Ministerien über G-10-relevante Sachverhalte.23 4. Das bisherige Unabhängige Gremium Die bisherige Fassung von § 16 BNDG sieht ein weiteres Kontrollinstrument mit spezieller Aufgabenzuweisung vor: das sog. Unabhängige Gremium zur Kontrolle der Ausland-Ausland-Überwachung des BND. Das dreiköpfige Gremium wird durch das Bundeskabinett berufen und ist mit Richtern und Bundesanwälten am Bundesgerichtshof besetzt. Als Teil der Exekutive beruht es nicht auf Art. 45d GG. Es ist aber gemäß § 16 Abs. 6 BNDG dem PKGr zur regelmäßigen Unterrichtung verpflichtet . Es übt seine Kontrolle lediglich stichprobenartig aus und besitzt weit weniger Befugnisse als das PKGr oder die G-10-Kommission.24 Da ihm wesentliche Informationsbefugnisse – wie etwa Auskunfts-, Einsichts- und Zutrittsrechte – fehlen, wurden bereits in der Vergangenheit die Wirksamkeit seiner Arbeitsweise und die Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt.25 5. Der geplante Unabhängige Kontrollrat Der im Gesetzentwurf zur Neufassung des BNDG vorgesehene Unabhängige Kontrollrat nach den §§ 40 ff. BNDG-E soll das Unabhängige Gremium ersetzen.26 Dadurch sollen die Anforderungen des 21 BVerfGE 143, 1 (18). 22 BVerfGE 143, 1 (18). 23 Roggan, in: derselbe, G-10, 2. Online-Auflage 2018, § 15 Rn. 13. 24 Vgl. Bergemann, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Auflage 2018, Kapitel H.: Nachrichtendienste und Polizei, Rn. 138c. 25 Vgl. Dietrich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 16 BNDG Rn. 2. 26 BT-Drs. 19/26103, S. 102. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 7 Bundesverfassungsgerichts an die strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung umgesetzt werden.27 Verfassungsrechtliche Grundlage des Unabhängigen Kontrollrats ist wie bei der G-10-Kommission nicht Art. 45d GG, sondern Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG,28 da der Kontrollrat der Überprüfung von Einschränkungen des Art. 10 Abs. 1 GG dienen soll. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein solches Kontrollorgan sowohl innerhalb des Parlaments als auch als unabhängige Institution im Funktionsbereich der Exekutive ausgestaltet werden.29 In seinem Grundsatzurteil zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung führt das Bundesverfassungsgericht hierzu ergänzend aus: „Vorgegeben ist allein, dass das mit der Nachprüfung betraute Kontrollorgan vom Parlament geschaffen sein muss und seine Mitglieder parlamentarisch […] bestimmt werden müssen. Doch kann das Kontrollorgan innerhalb oder außerhalb des Parlaments gebildet werden.“30 „Der Informationsfluss in den parlamentarischen Raum und damit auch zum Parlamentarischen Kontrollgremium kann [...] aus Geheimhaltungsgründen grundsätzlich begrenzt werden. Der Gesetzgeber darf insoweit berücksichtigen, dass die parlamentarische Kontrolle einen anderen Charakter aufweist [...] als eine Kontrolle, die allein auf die Beachtung des objektiven Rechts ausgerichtet ist, und dass Geheimhaltung im parlamentarisch-politischen Umfeld faktischen Grenzen unterliegt. Allerdings ist das Parlamentarische Kontrollgremium nach Art. 45d GG in einer Form, die den Belangen des Geheimschutzes Rechnung trägt, regelmäßig über die Kontrolltätigkeit zu unterrichten. Darüber hinaus muss es den Kontrollinstanzen möglich sein, in abstrakter, die Geheimhaltung gewährleistender Weise ihre Beanstandungen und Kritik letztlich auch an das Parlament und damit an die Öffentlichkeit heranzutragen.“31 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anforderungen an die Transparenz , den Rechtsschutz und die Kontrolle.32 In Bezug auf die Fernmeldeaufklärung im Ausland seien die Anforderung an Transparenz und individuellen Rechtsschutz allerdings erheblich zurückgenommen . Im Ausgleich dazu seien erhöhte Anforderungen an eine unabhängige objektivrechtliche Kontrolle zu stellen. Für die strategische Telekommunikationsüberwachung sei „die Kontrolle […] als kontinuierliche Rechtskontrolle auszugestalten, die einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglicht. Sie ist auf Wahrung der Grundrechte der Betroffenen auszurichten 27 BT-Drs. 19/26103, S. 50. 28 Vgl. BT-Drs. 19/26103, S. 107. 29 BVerfGE 30, 1 (23); BVerfGE 143, 1 (39). 30 BVerfG NJW 2020, 2235 (2263). 31 BVerfG NJW 2020, 2235 (2266). 32 BVerfG NJW 2020, 2235 (2262 m.w.N.); siehe dort auch zum Folgenden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 043/21 Seite 8 und gilt der Sicherung und praktischen Effektivierung der rechtlichen Grenzen der staatlichen Überwachungstätigkeit.“33 „Denn mit der Kontrolle ist ein Ausgleich dafür zu schaffen, dass übliche rechtsstaatliche Sicherungen in weitem Umfang ausfallen. […] Sie hat zwei Funktionen zu erfüllen: Zum einen muss sie das Rechtsschutzdefizit ausgleichen, dass durch die faktische Schwäche der individuellen Rechtsschutzmöglichkeit besteht. […] Zum anderen hat sie [...] die gebotene verfahrensmäßige Strukturierung der Handhabung dieser Befugnisse [der Überwachungsbefugnisse] abzusichern.“34 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist diesen Anforderungen nur genüge getan, wenn der Kontrollmechanismus zwei verschiedene Arten von Kontrollen sicherstellt:35 Erstens sei eine gerichtsähnlich ausgestaltete Stelle nötig, die aus unabhängig besetzten Spruchkörpern bestehe, Schutzaufgaben entsprechend einem Richtervorbehalt ausübe und eine nachträgliche Überprüfung der Überwachungstätigkeiten vornehme, die einer gerichtlichen Kontrolle gleichwertig sei. Zweitens werde ein unabhängiges, administratives Kontrollorgan benötigt, das eigeninitiativ stichprobenmäßig den gesamten Prozess der Überwachungsmaßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfe. Diesen Vorgaben soll der Gesetzentwurf durch die Erweiterung des BNDG in den §§ 40 ff. BNDG-E nachkommen.36 Gemäß § 40 Abs. 1 BNDG-E ist für die Kontrolle des BND in Bezug auf die technische Aufklärung und die damit einhergehende Übermittlung und Kooperation auf Grundlage des BNDG der Unabhängige Kontrollrat zuständig. Nach § 41 Abs. 1 BNDG-E ist der Kontrollrat „eine oberste Bundesbehörde und als unabhängiges Organ […] nur dem Gesetz unterworfen.“ Gemäß § 40 Abs. 2 BND-G wird die Rechtskontrolle ausgeübt durch das gerichtsähnliche Kontrollorgan (§§ 42 ff. BNDG-E) und das administrative Kontrollorgan (§§ 50 ff. BNDG-E) als Untergliederungen des Unabhängigen Kontrollrates. Das gerichtliche Kontrollorgan ist besetzt mit Richtern oder Bundesanwälten am Bundesgerichtshof, § 43 Abs. 1 BNDG-E. Sie werden gemäß § 43 Abs. 4 BNDG-E durch die Mitglieder des PKGr gewählt. Dem gerichtsähnlichen Kontrollorgan obliegt die Rechtmäßigkeitskontrolle einer Vielzahl weitreichender und in § 42 Abs. 1 bis 4 BNDG-E im Einzelnen aufgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Die Aufgabe des administrativen Organs besteht in der Unterstützung des gerichtsähnlichen Organs und der Rechtskontrolle in Bereichen, die nicht der Kontrolle des gerichtsähnlichen Organs unterstehen. § 58 BNDG-E eröffnet dem Unabhängigen Kontrollrat, dem PKGr, der G-10-Kommission und dem Bundesdatenschutzbeauftragtem die Befugnis , sich unter Wahrung der Geheimhaltungsbedürfnisse über allgemeine Angelegenheiten ihrer Kontrolltätigkeiten auszutauschen. Die Rechte der anderen Kontrollmechanismen bleiben durch die Tätigkeit des Unabhängigen Kontrollrates ausdrücklich unberührt, § 58 Abs. 2 BNDG-E. *** 33 BVerfG NJW 2020, 2235 (2263). 34 BVerfG NJW 2020, 2235 (2263). 35 BVerfG NJW 2020, 2235 (2263). 36 Vgl. BT-Drs. 19/26103, S. 101 ff.