© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 043/18 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von Bundesbeamten in der Privatwirtschaft und für die Aufnahme von Nebentätigkeiten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 2 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von Bundesbeamten in der Privatwirtschaft und für die Aufnahme von Nebentätigkeiten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 043/18 Abschluss der Arbeit: 21. Februar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Tätigkeit in der Privatwirtschaft 4 2.1. Zuweisung 4 2.2. Sonderurlaub 5 3. Aufnahme von Nebentätigkeiten 7 3.1. Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen 7 3.2. Einzelne Versagungsgründe 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 4 1. Einleitung In einem Pressartikel wird die Tätigkeit von Bundesbeamten in der Privatwirtschaft kritisiert.1 Bezug genommen wird auf parlamentarische Anfragen aus den Jahren 2006 und 2013, wonach Beamte verschiedener Bundesministerien beim Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., bei der DaimlerChrysler AG, bei der Siemens AG und bei der Deutschen Telekom AG für den Zeitraum von einigen Monaten bis zu fünf Jahren beschäftigt gewesen seien. Darüber hinaus habe eine eigene Recherche ergeben, dass beurlaubte Beamte des Auswärtigen Amtes seit mehreren Jahren bei der Siemens AG und bei der Volkswagen AG beschäftigt seien. Vor diesem Hintergrund wird die Frage gestellt, ob Bundesbeamte beurlaubt werden können, um Tätigkeiten in der Privatwirtschaft zu übernehmen. Die weitere Bitte nach einer rechtlichen Bewertung der in dem Presseartikel erwähnten Fälle würde jedoch eine Einzelfallprüfung voraussetzen , zu der die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht befugt sind.2 Da die in Bezug genommenen parlamentarischen Anfragen jedoch auch Fälle betreffen könnten, in denen der Einsatz in der Privatwirtschaft nicht auf Grundlage einer Beurlaubung, sondern durch Zuweisung der Dienststelle erfolgte, sollen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Zuweisung kurz erläutert werden.3 Darüber hinaus wird darum gebeten, bestimmte Tatbestandsmerkmale des § 99 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) näher auszuführen, bei deren Vorliegen eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit zu versagen ist. Konkret geht es um die in § 99 Abs. 2 S. 2 BBG geregelten Versagungsgründe des Widerstreits mit den dienstlichen Pflichten (Nr. 2), der Beeinflussung der Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten (Nr. 4) und der Beeinträchtigung des Ansehens der öffentlichen Verwaltung (Nr. 6). 2. Tätigkeit in der Privatwirtschaft 2.1. Zuweisung Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BBG kann Beamten mit ihrer Zustimmung eine ihrem Amt ganz oder teilweise entsprechende Tätigkeit bei einer anderen Einrichtung zugewiesen werden, wenn ein öffentliches Interesse es erfordert. Die Rechtsstellung der Beamten bleibt in diesem Fall unberührt, § 29 Abs. 3 BBG. Der Begriff der anderen Einrichtung ist weit auszulegen und umfasst auch private Einrichtungen.4 Die Zuweisung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BBG soll ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz den Personalaustausch zwischen dem 1 Cornelia Liedtke, Wenn der Lobbyist im Amt sitzt, online-Portal der taz vom 29.01.2018, abrufbar unter: http://www.taz.de/!5477885/. 2 Siehe Nr. 1.7. des Leitfadens für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD) vom 18. Februar 2016. 3 Vgl. BT-Drs. 16/3727, 6 zu Frage 11; BT-Drs. 17/12631, 4 f. 4 Grigoleit, in: Battis, Bundesbeamtengesetz (5. Aufl., 2017), Rn. 5 zu § 29. Siehe auch Schmidt, Beamtenrecht (2017), Rn. 205, der von einer „Abordnung in die Privatwirtschaft“ spricht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 5 öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft fördern.5 Ein öffentliches Interesse an der Zuweisung liege vor, wenn durch den Austausch Methoden aus Bereichen außerhalb des öffentlichen Dienstes erlernt und Erfahrungen gesammelt werden können.6 2.2. Sonderurlaub Rechtsgrundlage für die Gewährung von Sonderurlaub ist die Sonderurlaubsverordnung.7 Die Sonderurlaubsverordnung (SUrlV) ist eine von der Bundesregierung auf Grundlage des § 90 Abs. 1 BBG („Urlaub aus anderen Anlässen“) erlassene Rechtsverordnung.8 Nach § 22 Abs. 1, § 23, § 3 Nr. 2 SUrlV kann auf Antrag Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Eine Beurlaubung für den Zeitraum von mehr als drei Monaten erfordert nach § 22 Abs. 1 S. 2 SUrlV zudem das Vorliegen eines besonders begründeten Falls sowie eine Genehmigung durch die oberste Dienstbehörde. Eine bestimmte Höchstdauer des Sonderurlaubs sieht die Vorschrift des § 22 SUrlV nicht vor. Aus dem Wesen der Beurlaubung und der grundsätzlichen Verpflichtung zur Erfüllung der übertragenen Dienstgeschäfte folgt aber eine zeitliche Begrenzung.9 Der Sonderurlaub aus wichtigem Grund wird im Rahmen einer Ermessensentscheidung gewährt. Hinsichtlich der Frage, ob die Gewährung von Sonderurlaub für die Aufnahme einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft in Betracht kommt, ist die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „wichtiger Grund“ entscheidend. Bei dem „wichtigen Grund“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt.10 Die insoweit einschlägige Rechtsprechung betrifft insbesondere Fälle, in denen der wichtige Grund in der Sphäre des Antragstellers liegt.11 Die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hierzu weisen zunächst auf eine restriktive Lesart hin. In einer Entscheidung über den Antrag eines Soldaten auf Gewährung von Sonderlaub für die Fortführung eines Studiums wird darauf abgestellt, dass 5 BT-Drs. 16/7076, 108: „Durch die Neuregelung soll der Personalaustausch zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft gefördert werden.“ 6 BT-Drs. 16/7076, 108. 7 Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte sowie für Richterinnen und Richter des Bundes, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/surlv_2016/BJNR128400016.html. Zur Anwendbarkeit auch auf Soldaten vgl. § 9 der Verordnung über den Urlaub der Soldatinnen und Soldaten, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/soldurlv/BJNR005290957.html. 8 Besondere Regelungen gelten für Beamte, die bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigt sind, vgl. § 4 Abs. 2 Postpersonalrechtsgesetz. Zum Wechsel von Bundesbeamten zu Bundestagsfraktionen Grzeszick, Beschäftigung beurlaubter Beamter als Mitarbeiter von Bundestagsfraktionen, DÖV 2018, 96 ff. 9 Nokiel, Sonderurlaub nach § 13 SUrlV und dessen Widerruf nach § 15 SUrlV, DÖD 2009, 11; Weber/Banse, Urlaubsrecht des öffentlichen Dienstes (Stand: Januar 2005), Rn. 6 zu § 13 SUrlV. 10 BVerwGE 46, 173 f. 11 Siehe dazu auch BVerwG Beschluss vom 21. April1993 – 1 WB 48/92 –, juris, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 6 „eine Beurlaubung aus wichtigem Grund nicht schon dann in Betracht gezogen werden kann, wenn der Soldat seine Belange selbst für wichtig hält, sondern nur, wenn sie bei objektiver Betrachtung triftig, d.h. gewichtig und schutzwürdig sind. Je länger der beantragte Sonderurlaub ist, umso stärker wird das öffentliche Interesse an der vollen Dienstleistung berührt und umso höhere Anforderungen sind demgemäß an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Urlaubsgrundes zu stellen. Handelt es sich um einen besonders langen oder - wie hier - sogar mehrjährigen Sonderurlaub, so können die persönlichen Belange des Soldaten als wichtiger Grund im Sinne von § 13 Beamtensonderurlaubs-VO nur dann anerkannt werden, wenn er sich in einer Ausnahmesituation befindet, die sich als wirkliche Zwangslage darstellt.“12 In Bezug auf die Aufnahme eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft ist jedoch nicht erkennbar, dass die Rechtsprechung die Annahme eines wichtigen Grundes von vornherein ausschließen würde. Die einschlägigen Judikate befassen sich vielmehr mit der Frage, ob die privatwirtschaftliche Tätigkeit so gewichtig ist, dass sie eine Fortsetzung der Beurlaubung rechtfertigt. So führt beispielsweise das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 zum Interesse des Beamten an der Fortführung seiner privatwirtschaftlichen Beschäftigung aus: „Handelt es sich um einen besonders langen Urlaub, so können die persönlichen Belange - d.h. hier das Interesse des Antragstellers an der Fortführung des privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses mit der Q. G. AG über das sechste Jahr hinaus - als wichtiger Grund im Sinne des § 13 Abs. 1 SUrlV das dienstliche Interesse an der Dienstleistung des Beamten nur dann überwiegen , wenn sich der Beamte in einer ‚Ausnahmesituation befindet, die sich als wirkliche und nicht von ihm zu vertretende Zwangslage‘ darstellt.“13 Weiter erläutert das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das Nebeneinander von Beamten- und privatem Arbeitsrechtsverhältnis: „Durch die Begründung eines privaten Arbeitsverhältnisses entsteht eine Doppelrechtsbeziehung . Der Beamte wird einerseits in seinem Beamtenverhältnis ohne Dienstbezüge beurlaubt, wodurch seine beamtenrechtliche Dienstpflicht gegenüber seinem Dienstherrn entfällt, ohne sich jedoch der Status des Beamten verändert. Andererseits entsteht durch Eingehen der Beschäftigung auch ein arbeitsrechtliches Verhältnis, für welches der Arbeitsvertrag und die arbeitsrechtlichen Regelungen Geltung beanspruchen. Durch die Beurlaubung soll eine solche Pflichtenkollision grundsätzlich vermieden werden, denn ein beurlaubter Beamter unterliegt gegenüber seinem Dienstherrn für die Zeit der Beurlaubung keiner Dienstleistungspflicht. Nach Ablauf der Beurlaubung kann - wie vorliegend geschehen - grundsätzlich eine Kollision der Verpflichtungen aus den beiden Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen auftreten, wenn das Arbeitsverhältnis über den Sonderurlaub hinaus fortbesteht und die Dienstpflichten aus dem Beamtenverhältnis wieder aufleben. Naturgemäß führt dies zu einer Pflichtenverletzung aus 12 BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1973 - BVerwG I WB 85/73, BeckRS 1973, 31327765, Hervorhebungen nicht im Original. 13 VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10. Februar 2011 – 12 L 1551/10 –, juris, Rn. 13. Siehe auch VG Bayreuth, Beschluss vom 30. Dezember 2014 – B 5 E 14.875 –, juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 7 zumindest einem Arbeitsverhältnis, da es dem Beamten unmöglich ist, beiden Verpflichtungen nachzukommen. Diese Pflichtenkollision kann jedoch entweder durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder durch Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Verlangen des Beamten vermieden werden.“14 Nicht ausgeschlossen ist jedenfalls, dass auch dienstliche Belange, z.B. die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Beschäftigung, das Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtfertigen können.15 Das Verwaltungsgericht München führt dazu aus: „Zwar liegt hier nicht der klassische Grundfall der genannten Vorschrift vor, dass der Beamte einen wichtigen persönlichen Grund geltend macht, der es erfordert, seine Dienstleistungspflicht in der Regel entgegen dem Interesse des Dienstherrn vorübergehend ruhen zu lassen. Vielmehr stellt sich die Beurlaubung in Fällen wie dem vorliegenden als ein personalwirtschaftliches Instrument des Dienstherren dar, die Arbeitskraft des von ihm zu alimentierenden Beamten produktiv einzusetzen und damit zugleich den in Art. 33 Abs. 5 GG wurzelnden Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung zu erfüllen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch hierin ein wichtiger Grund für eine Beurlaubung liegen kann, (…).“16 Es erscheint daher nicht abwegig, dass Beurlaubungen für Tätigkeiten in der Privatwirtschaft im Einzelfall auch mit anderen dienstlichen Interessen, z.B. mit dem Interesse an dem Erfahrungserwerb des Beamten, begründet werden können. Hierzu liegen allerdings – soweit ersichtlich – keine einschlägigen Judikate der Verwaltungsgerichte vor. 3. Aufnahme von Nebentätigkeiten Entgeltliche Nebenbeschäftigungen bedürfen nach § 99 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 BBG der vorherigen Genehmigung. Die Genehmigung darf nur für höchstens fünf Jahre erteilt und kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden, § 99 Abs. 4 BBG. Über die Genehmigung der Nebenbeschäftigung entscheidet die oberste Dienstbehörde, soweit sie diese Befugnis nicht auf eine nachgeordnete Behörde übertragen hat, § 99 Abs. 5 S. 1 und 2 BBG. Die zuständige Behörde prüft das Vorliegen der Versagungsgründe nach § 99 Abs. 2 BBG. 3.1. Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen Eine Genehmigung ist nach § 99 Abs. 2 BBG zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Bei der Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll 14 VG Gelsenkirchen (Fn. 13), Rn. 16, Hervorhebungen nicht im Original. In diesem Sinne auch VG Bayreuth (Fn. 13), Rn. 19. 15 Noch offengelassen in BVerwG, Beschluss vom 21. April 1993 – 1 WB 48.92, BeckRS 1993, 31305967. 16 VG München, Beschluss vom 30. April 2013 – M 21 E. 13.1073, BeckRS 2014, 53332. Siehe dazu auch VG Karlsruhe , Urteil vom 11. Juni 2013 – 1 K 2326/12 –, juris, Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 8 nachprüfbar ist.17 Für die Annahme einer Besorgnis im Sinne des § 99 Abs. 2 BBG ist eine nur abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht ausreichend. Andererseits bedarf es auch nicht einer hohen Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen in absehbarer Zeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen vielmehr dann gegeben, wenn „bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen wahrscheinlich ist“.18 Dieser Maßstab ist bei der Prüfung der Regelbeispiele des § 99 Abs. 2 S. 2 BBG, die die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen näher konkretisieren, zu berücksichtigen.19 3.2. Einzelne Versagungsgründe Die hier fraglichen Versagungsgründe des Widerstreits mit den dienstlichen Pflichten (Nr. 2), der Beeinflussung der Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten (Nr. 4) und die Beeinträchtigung des Ansehens der öffentlichen Verwaltung (Nr. 6) weisen untereinander eine große inhaltliche Nähe auf. Nach § 99 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BBG liegt eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen vor, wenn die Nebenbeschäftigung den Beamten in einen Widerstreit mit den dienstlichen Pflichten bringen kann. Ein solcher Widerstreit setzt zunächst voraus, dass die Nebenbeschäftigung solche Aufgaben umfasst , die auch Gegenstand des amtlichen Pflichtenkreises sind. Ferner muss sich die Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Nebenbeschäftigung gerade eine gegenläufige Intention verfolgen als die dienstliche Pflichterfüllung.20 Einen solchen Widerstreit mit dienstlichen Pflichten hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf eine gleichlautende Vorschrift des Landesbeamtenrechts für die Nebenbeschäftigung eines Steuerbeamten in einem privaten Lohnsteuerhilfeverein angenommen. Der Steuerbeamte habe als Sachwalter der Steuerverwaltung ein möglichst hohes Steueraufkommen anzustreben. Bei einer Nebentätigkeit in einem Lohnsteuerhilfeverein sei er hingegen Sachwalter des jeweiligen Steuerpflichtigen und habe dessen Individualinteresse wahrzunehmen und unter Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens die Steuerschuld möglichst gering zu halten.21 Ein anderer (landesrechtlicher) Fall betrifft die Nebentätigkeit eines Vollstreckungsbeamten beim Finanzamt als Immobilienmakler. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ist von einem Widerstreit mit dienstlichen Interessen ausgegangen, soweit Immobilien betroffen sind, auf die das Finanzamt aufgrund von 17 BVerwGE 60, 254, 255. 18 BVerwGE 60, 254, 256 f. 19 Battis, in: Battis (Fn. 4), Rn. 7 zu § 99. 20 Battis, in: Battis (Fn. 4), Rn. 44 zu § 99. 21 BVerwGE 60, 254, 258. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 9 Steuerschulden zugreifen will. Es liege dann im Provisionsinteresse des Beamten, den Verkauf zu beschleunigen, damit dies nicht durch eine Vollstreckungsmaßnahme des Finanzamtes verhindert werde.22 Eine Beeinträchtigung der dienstlichen Interessen liegt nach § 99 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BBG vor, wenn die Nebenbeschäftigung die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflussen kann. Dieser Versagungsgrund entspricht der beamtenrechtlichen Pflicht gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 BBG, die Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei der Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen. Im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns sowie zur Verwirklichung des rechtsstaatlichen Grundsatzes fairer Verfahrensgestaltung sind die Beamten verpflichtet, bereits den Schein der Parteilichkeit und Voreingenommenheit zu vermeiden.23 In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Fall des Steuerbeamten festgestellt, es könne der „berechtigte Eindruck entstehen, dass der Steuerbeamte mit Billigung des Dienstherrn dienstliche mit privaten Interessen verquickt und damit die objektive, gerechte und sachliche Erledigung der Dienstgeschäfte nicht mehr gewährleistet ist“. Es könne in der Öffentlichkeit leicht der Anschein erweckt werden, dass der von dem Steuerbeamten beratene Steuerpflichtige einen „Fürsprecher“ in der Verwaltung gefunden haben, dessen Mitwirkung sich günstig auswirke.24 Der Versagungsgrund der Beeinträchtigung des Ansehens der öffentlichen Verwaltung nach § 99 Abs. 2 S. 2 Nr. 6 BBG dient dazu, das Vertrauen in die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung zu schützen. Er korrespondiert mit der Pflicht des Beamten aus § 61 Abs. 1 S. 3 BBG, auch durch sein Verhalten außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert. Eine Beeinträchtigung des Ansehens der öffentlichen Verwaltung wurde in Bezug auf gleichlautendes Landesbeamtenrecht z.B. beim Betrieb einer Videothek mit vornehmlich gewaltverherrlichenden und pornografischen Filmen durch einen Strafvollzugsbeamten bejaht.25 Dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich ist ferner die Ausübung einer Nebentätigkeit, die den Eindruck hervorruft, der Beamte gehe seinem eigentlichen Beruf nicht mit voller Hingabe nach. In Bezug auf die von einem Obervermessungsrat beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung für den Verkauf, die Herstellung und die Wartung von Computern im Umfang von fünf bis sechs Stunden pro Woche hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz hierzu ausgeführt, die angestrebte Tätigkeit sei geeignet, Achtung und Vertrauen in das Amt und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung erheblich zu beschädigen. Die Bevölkerung würde kein Verständnis aufbringen, wenn ein von ihr alimentierter Beamter sich in einem derartigen Umfang unternehmerisch betätigen dürfte. In solch einem Fall werde nämlich der „böse Schein“ geweckt, der Beamte ginge seinem 22 OVG Mecklenburg-Vorpommern DVBl. 2005, 324. 23 Vgl. Werres, in: Brinktrine/Schollendorf, Beck’scher Online-Kommentar Beamtenrecht Bund (Stand: März 2017) Rn. 6 zu § 60 BBG. 24 BVerwGE 60, 254, 260; siehe auch Ilberts/Baßlberger, Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst des Bundes, der Länder und Kommunen (3. Aufl., 2017), Rn. 106. 25 VG Hannover NJW 1988, 1162. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 043/18 Seite 10 eigentlichen Beruf nur untergeordnet nach.26 In dem oben genannten Fall des Steuerbeamten begründet das Bundesverwaltungsgericht den Ansehensverlust der öffentlichen Verwaltung damit, dass die Nebenbeschäftigung bei der Lohnsteuerhilfe „das für ein reibungsloses Funktionieren einer sauberen Verwaltung unbedingt erforderliche Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unbefangenheit und Unparteilichkeit der Beamten der Steuerverwaltung und in die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen “ beeinträchtigen würde.27 *** 26 OVG Koblenz NVwZ-RR 2002, 860 f. 27 BVerwGE 60, 254, 260.