© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 042/19 Parlamentarisches Informationsrecht zu nicht abgeschlossenen Vorgängen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 042/19 Seite 2 Parlamentarisches Informationsrecht zu nicht abgeschlossenen Vorgängen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 042/19 Abschluss der Arbeit: 14. Februar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 042/19 Seite 3 1. Fragestellung Es stellt sich die Frage, inwieweit das parlamentarische Fragerecht die Entwürfe von Stellungnahmen Dritter erfasst und welche Fristen hierfür gelten. 2. Fragerecht Anerkannt ist, dass sich das parlamentarische Fragerecht auf alle Gegenstände erstreckt, für welche die Regierung zuständig ist.1 Das Fragerecht begründet die Pflicht der Adressaten zu einer vollständigen und zutreffenden Antwort.2 Grenzen der Antwortpflicht sind „begründungsbedürftige Ausnahmen“ und können sich nur aus der Verfassung selbst ergeben.3 Die durch das Bundesverfassungsgericht anerkannten verfassungsrechtlichen Grenzen des parlamentarischen Fragerechts listet die Kommentierung wie folgt auf: „Zum einen müssen staatliche Geheimnisse nicht offenbart werden. Zum anderen darf durch Informationsersuchen nicht die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Bundesregierung bzw. der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung beeinträchtigt werden. Und schließlich darf eine Informationsverweigerung auf den Schutz des Staatswohls und den Schutz anderenfalls gefährdeter individueller Rechte gestützt werden. […] In derartigen Fällen hat die Bundesregierung dem Bundestag die Gründe für die Auskunftsverweigerung grundsätzlich ausführlich darzulegen.“4 Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung erfasst nach der Rechtsprechung des BVerfG in der Regel Informationen aus dem Bereich der „Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist“.5 Daher erstreckt sich „die Kontrollkompetenz des Bundestages grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge“.6 Hierzu gehören auch „ressortinterne und -übergreifende Abstimmungsprozesse“.7 Das parlamentarische Fragerecht ist auf Auskunft gerichtet, nicht auf die Vorlage von Akten.8 Die Vorlage von Akten ist nur in bestimmten Fällen vorgesehen, wie z. B. Untersuchungsausschüssen (§ 18 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz) oder dem Parlamentarischen Kontrollgremium (§ 5 1 Butzer, in: BeckOK, Grundgesetz, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 38 Rn. 112. 2 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. EL September 2017, Art. 43 Rn. 96. 3 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. EL September 2017, Art. 43 Rn. 96. 4 Butzer, in: BeckOK, Grundgesetz, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 38 Rn. 114 (Hervorhebung durch Autor). 5 du Mesnil/Müller: Die Rechtsstellung der Bundestagsabgeordneten, JuS 2016, 603 (Hervorhebung durch Autor). 6 Harks, JuS 2014, 979 (Hervorhebung durch Autor). 7 Wünsch/Harks, LKV 2014, 438 (442) (Hervorhebung durch Autor). 8 Vgl. die Übersicht bei Butzer, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 39. Edition Stand: 15.11.2018, Art. 38 GG Rn. 112-114. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 042/19 Seite 4 Abs. 1 Kontrollgremiumgesetz). Das parlamentarische Fragerecht kann sich aber auf Auskunft über den Inhalt oder die Ergebnisse bestimmter Akten richten. Anders als in einem Teil der Landesverfassungen,9 enthält das Grundgesetz keine Bestimmung zu Fristen bei der Beantwortung parlamentarischer Fragen. Anhaltspunkte für Fristen ergeben sich aber aus der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – GO-BT (z. B. § 104 Abs. 2; Anlage 4 GO-BT bei schriftlichen Einzelfragen). Abgesehen davon spricht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die hohe Bedeutung des parlamentarischen Kontrollrechts dafür,10 dass die Bundesregierung Fragen unverzüglich beantwortet: „Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen.“11 3. Informationsfreiheitsgesetz Neben dem parlamentarischen Kontrollrecht können Abgeordnete auch einen Anspruch „auf Zugang zu amtlichen Informationen“ geltend machen (§ 1 Abs. 1 S. 1 Informationsfreiheitsgesetz – IFG).12 Dieser umfasst die Einsicht in Akten (§ 1 Abs. 2 S. 1 IFG). Nach § 4 Abs. 1 IFG soll der „Antrag auf Informationszugang […] abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.“ Solange sich ein Gutachten oder eine Stellungnahme im Entwurfsstadium befindet, dürfte es vom privilegierten Zugang des § 4 Abs. 1 S. 2 IFG ausgeschlossen sein.13 Es stehen nur die Gutachten oder Stellungnahmen Dritter dem nach § 4 Abs. 1 S. 2 IFG privilegierten Informationszugang offen. Gutachten und Stellungnahmen der Behörde selbst und (sonstiger) Beteiligter unterfallen § 4 Abs. 1 S. 2 IFG nicht. Nach der Rechtsprechung sind behördenexterne 9 WD 3 - 3000 - 42/10, Parlamentarisches Frage- und Zitierrecht der Landtage, https://www.bundestag .de/blob/423664/aae97b2ab05b42e6a9189dee791e52c0/wd-3-042-10-pdf-data.pdf. 10 Vgl. BVerfG, Urteil vom 7.11.2017, 2 BvE 2/11, juris Rn. 196: Geboten ist „eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann“. 11 BVerfG, Urteil vom 7.11.2017, 2 BvE 2/11, juris Rn. 195 (Hervorhebung durch Autor). 12 Zum Verhältnis der beiden Rechte siehe Debus, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 22. Edition Stand: 01.11.2018, § 1 IFG Rn. 203. 13 Die Kommentierung problematisiert diese Frage nicht, vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, § 4 Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 042/19 Seite 5 aber verwaltungsinterne Stellen keine „Dritten“.14 Daher stammt z. B. die Stellungnahme einer nachgeordneten Behörde, die ein Bundesministerium für seinen Entscheidungsprozess verwendet, nicht von einem „Dritten“ im Sinne des § 4 IFG. Nach § 7 Abs. 8 S. 1 und 2 IFG ist die Information „dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Belange unverzüglich zugänglich zu machen. Der Informationszugang soll innerhalb eines Monats erfolgen“ (Hervorhebung durch Autor). Satz 2 ergänzt Satz 1 um eine Fristvorgabe, die für den Regelfall die Höchstdauer des Hinauszögerns eines Informationszugangs markiert. Deshalb stellt Satz 2 mitnichten eine Konkretisierung des Merkmals „unverzüglich“ (Satz 1) dar.15 Die Frist des § 7 IFG kann sich insbesondere bei der Beteiligung Dritter verlängern (§ 8 IFG). *** 14 OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28.5.2013, Az. 12 S 23/13, juris Rn. 9; a.A. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, § 4 Rn. 41. 15 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, § 7 Rn. 164.