© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 041/20 „Elektrotankstellen“ als Tankstellen im Sinne des Gesetzes über den Ladenschluß (LadSchlG) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 041/20 Seite 2 „Elektrotankstellen“ als Tankstellen im Sinne des Gesetzes über den Ladenschluß (LadSchlG) Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 041/20 Abschluss der Arbeit: 9. März 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 041/20 Seite 3 1. Einleitung und Fragestellung § 6 Abs. 1 Gesetz über den Ladenschluß (LadSchlG)1 regelt, dass Tankstellen abweichend von den allgemeinen Ladenschlusszeiten nach § 3 LadSchlG an allen Tagen während des ganzen Tages geöffnet sein dürfen. Tankstellen dürfen nur die in § 6 Abs. 2 LadSchlG bestimmten Waren abgeben. Das LadSchlG gilt nur noch in Bayern. Alle anderen Bundesländer haben vergleichbare Sonderregelungen für Tankstellen in ihren Ladenöffnungsgesetzen, die an die Stelle des LadSchlG getreten sind, getroffen.2 Gefragt wird, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verkaufsstelle, die ihren Kunden Ladestationen für Elektroautos sowie für Tretroller mit Elektroantrieb (sogenannte E-Scooter) anbietet, als „Elektrotankstelle“ unter § 6 LadSchlG fällt und welches Warenangebot eine solche „Elektrotankstelle “ anbieten darf. 2. Elektrotankstelle als Tankstelle im Sinne des § 6 LadSchlG? Der Begriff der Tankstelle wird im LadSchlG nicht legal definiert. Eine Begriffsbestimmung findet sich dagegen bspw. in § 2 Nr. 21 20. BImSchV3: Danach ist eine Tankstelle „eine Einrichtung zur Abgabe von Ottokraftstoff und Kraftstoffgemischen aus Lagertanks an Kraftstofftanks von Kraftfahrzeugen “. Höchstrichterlich ist die Frage, ob „Elektrotankstellen“ als Tankstellen im Sinne von § 6 LadSchlG (bzw. einer der entsprechenden Landesnormen) zu verstehen ist, noch nicht entschieden worden. In Literatur und Rechtsprechung wird vertreten, dass der Begriff der Tankstelle unter bestimmten Voraussetzungen auch sogenannte Elektrotankstellen umfasst.4 Nach Ansicht des OLG Dresden ist § 6 LadSchlG auf „Einrichtungen, in denen von einer festen Stelle aus ständig die – zeitlich begrenzte – Entnahme elektrischer Energie zum Verkauf an jedermann feilgehalten wird, anzuwenden “5. Die Rechtsordnung sehe keinen einheitlichen Rechtsbegriff vor. Es sei keine Differenzierung zwischen konventionellen und elektrischen Treibstoffen geboten. Der für das LadSchlG 1 Gesetz über den Ladenschluß in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003 (BGBl. I 744), zuletzt geändert durch Artikel 430 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I 1474). 2 Neumann, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Werkstand: 82. EL Oktober 2019, § 6 LadSchlG; vgl. z.B. § 5 Nr. 2 Berliner Ladenöffnungsgesetz, § 5 Gesetz über die Ladenöffnungszeiten im Freistaat Sachsen. 3 Zwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen oder Lagern von Ottokraftstoffen, Kraftstoffgemischen oder Rohbenzin), neugefasst durch Bekanntgabe vom 18. August 2014 (BGBl. I 1447), geändert durch Art. 2 Verordnung vom 24. März 2017 (BGBl I 656). 4 Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 227. EL November 2019, LadSchlG § 6 Rn. 1; OLG Dresden, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – Ss (OWi) 464/01 –, juris; inzwischen wohl auch VG Leipzig, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 5 L 233/18 –, Rn. 31, juris, bestätigt durch Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. September 2018 – 3 B 275/18 –, juris. 5 OLG Dresden, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – Ss (OWi) 464/01 –, Rn. 23, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 041/20 Seite 4 maßgebliche wirtschaftliche Begriff der Tankstelle sei dynamisch zu verstehen und würde sich mit der allgemeinen gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung wandeln. Nach allgemeiner Ansicht müssen für die Qualifikation als Tankstelle die sonstigen logistischen, technischen und bau- und gewerbepolizeilichen Anforderungen erfüllt sein, insbesondere müssten „nichtstörende Einstellplätze mit zugänglichen Zapf(‚Lade‘)stationen“6 eingerichtet werden; bloße Steckdosen sollen nicht genügen.7 Das VG Leipzig stellt zudem darauf ab, ob die Verkaufsstelle einen separaten Stromzähler für die Abrechnung des abgegebenen Stroms vorhält.8 Unbeachtlich ist nach herrschender Meinung dagegen, welcher Anteil des Umsatzes durch die Abgabe von Treibstoff erzielt wird; es gehöre vielmehr zum legitimen wirtschaftlichen Interesse des Tankstellenbetreibers , seine Einnahmen durch den Vertrieb anderer Güter zu verbessern.9 Eine Verkaufsstelle, die Strom-Ladestellen für elektronisch betriebene Kraftfahrzeuge anbietet und dabei die logistischen, technischen und bau- und gewerbepolizeilichen Anforderungen an eine Tankstelle erfüllt, kann demnach von den erweiterten Ladenöffnungszeiten des § 6 Abs. 1 LadSchlG Gebrauch machen. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf Elektroautos. Ladestellen für E-Scooter könnten aus folgenden Gründen anders zu bewerten sein: Zwar sind auch E-Scooter Kraftfahrzeuge, vgl. § 1 Abs. 1 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung10. Zum Laden reicht es aber, den E-Scooter-Akku an eine haushaltsübliche Steckdose anzuschließen. Nach der bisherigen Rechtsprechung reicht die Zurverfügungstellung einer Steckdose für eine Qualifizierung als Tankstelle nicht aus. Ob eine Steckdose mit separaten Stromzähler kombiniert mit einem ausgewiesenen Stellplatz, der als solcher deutlich zu erkennen ist, als „Zapfladestation“ ausreichen kann, ist fraglich. Dies ist letztlich eine Tatfrage, die hier nicht abschließend bewertet werden kann. 3. Zulässiges Warenangebot einer Tankstelle im Sinne des § 6 LadSchlG Das zulässige Warenangebot einer Tankstelle ist begrenzt. Gemäß § 6 Abs. 2 LadSchlG i. V. m. § 2 Abs. 2 LadSchlG dürfen Tankstellen nur Reisebedarf und Kfz-Teile anbieten. Hierzu zählen gemäß der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 LadSchlG Zeitungen, Zeitschriften, Straßenkarten, Stadtpläne, Reiselektüre, Schreibmaterialien, Tabakwaren, Schnittblumen, Reisetoilettenartikel, Filme, Tonträger , Bedarf für Reiseapotheken, Reiseandenken und Spielzeug geringeren Wertes, Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen sowie ausländische Geldsorten. Die Aufzählung ist abschließend. 6 OLG Dresden, Beschluss vom 5. Dezember 2001, Ss (OWi) 464/01, Rn. 50, juris; vgl. auch VG Leipzig, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 5 L 233/18 –, Rn. 33 ff., juris¸ Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. September 2018 – 3 B 275/18 – Rn. 28, juris. 7 Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Werkstand: 82. EL Oktober 2019, LadSchlG § 6; VG Leipzig, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 5 L 233/18 –, juris Rn. 33; zu den baurechtlichen Anforderungen siehe Will, Unbewegte Beweger – Zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Stromtankstellen, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2014, 91 ff. 8 VG Leipzig, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 5 L 233/18 –, Rn. 33, juris. 9 OLG Dresden, Beschluss vom 5. Dezember 2001, Ss (OWi) 464/01, Rn. 49 ff., juris; Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung , Werkstand: 82. EL Oktober 2019, LadSchlG § 6. 10 Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV) vom 6. Juni 2019 (BGBl. I S. 756). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 041/20 Seite 5 Der Begriff der kleineren Menge ist nicht definiert. Nach allgemeiner Meinung ist der Begrenzung auf „kleinere Mengen“ und dem Bezug auf „Reisebedarf“ zu entnehmen, dass es sich um eine Menge handelt, die zum alsbaldigen Gebrauch und Verbrauch des Reisenden geeignet ist.11 *** 11 Vgl. OLG München, Urteil vom 17. September, 1998, 6 U 1928–98, NJW-RR 1999, 696 m.w.N.