© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 041/17 Referentenentwurf eines Gesetzes zum RX-Versandhandelsverbot aus verfassungsrechtlicher Sicht Ergänzung zu WD 3 - 3000 - 241/16 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 2 Referentenentwurf eines Gesetzes zum RX-Versandhandelsverbot aus verfassungsrechtlicher Sicht Ergänzung zu WD 3 - 3000 - 241/16 Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 041/17 Abschluss der Arbeit: 01.03.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Umsetzung des RX-Versandhandelsverbots im Referentenentwurf 4 2.1. Regelungsgegenstand 4 2.2. Regelungsziele 4 3. Verfassungsrechtliche Weichenstellungen 5 3.1. Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe 5 3.2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur RX- Arzneimittelpreisbindung 7 4. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG 7 4.1. Flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken 7 4.2. Steuerungsfunktion bestimmter sozialversicherungsrechtlicher Instrumente 10 4.3. Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize 11 5. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 4 1. Einleitung In der Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 241/161 wurden die verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln erörtert. Nachdem nun ein Referentenentwurf zum Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (RX-Versandhandelsverbot ) vorliegt,2 wird darum gebeten, diesen verfassungsrechtlich zu bewerten. Von besonderer Bedeutung sind insofern die Ausführungen zur Begründung des Versandhandelsverbots. Aufbauend auf den Erwägungen in der o.g. Ausarbeitung ist im Folgenden zu prüfen, ob und inwieweit die im Referentenentwurf dargelegten Gründe das RX-Versandhandelsverbot verfassungsrechtlich tragen. 2. Umsetzung des RX-Versandhandelsverbots im Referentenentwurf 2.1. Regelungsgegenstand Der Referentenentwurf sieht Änderungen des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Apothekengesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes und der Apothekenbetriebsordnung vor. Entscheidend für die hier relevante Frage nach dem RX-Versandhandelsverbot sind die Änderungen des Arzneimittelgesetzes. Durch die Streichung des Tatbestandsmerkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ in § 43 Abs. 1 S. 1 AMG-E wird das bis Ende 2003 geltende Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wiederhergestellt. Aus § 43 Abs. 1 S. 2 AMG-E ergibt sich, dass der Versandhandel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (OTC-Arzneimitteln) bei Vorliegen einer behördlichen Erlaubnis zulässig bleibt. 2.2. Regelungsziele Die Begründung des Gesetzentwurfs benennt drei Regelungsziele: Den Erhalt einer flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken, die Wahrung der Steuerungsfunktion bestimmter sozialversicherungsrechtlicher Instrumente sowie die Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize.3 Diesen Regelungszielen liegt eine Gefahrenprognose zugrunde, die nicht an die Gefahren des Vertriebswegs des Versandhandels mit Arzneimitteln anknüpft, sondern an die Gefahren des Preiswettbewerbs mit Versandapotheken aus dem EU-Ausland. Hintergrund ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach eine Preisbindung der Versandapotheken aus dem EU-Ausland für verschreibungspflichtige Arzneimittel gegen Unionsrecht verstößt.4 Aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts folgt, dass die RX-Preisbindung gegenüber Apotheken 1 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln (WD 3 - 3000 - 241/16). 2 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Entwurf eines Gesetzes zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, abrufbar unter: http://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/V/Versandhandel-Verbot_RefE.pdf. 3 Referentenentwurf (Fn. 2), 2 f. 4 EuGH, Rs. C-148/15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 5 aus dem EU-Ausland nicht mehr angewendet werden darf.5 Der RX-Versandhandel kann daher im Verhältnis zwischen Apotheken aus dem EU-Ausland und deutschen Apotheken nicht mehr außerhalb eines Preiswettbewerbs stattfinden. Um die Gefahren des Preiswettbewerbs abzuwenden, sieht der Referentenentwurf nun das Verbot des RX-Versandhandels vor. Ob ein solches Verbot die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten unionsrechtlichen Vorgaben in unzulässiger Weise unterläuft, ist hier nicht zu prüfen. 3. Verfassungsrechtliche Weichenstellungen Zu den durch das RX-Versandhandelsverbot betroffenen Grundrechten gehören in freiheitsrechtlicher Dimension die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und in gleichheitsrechtlicher Dimension der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Wesentlich für ihre verfassungsrechtliche Prüfung sind hier zwei verfassungsrechtliche Weichenstellungen. Zum einen kommt es darauf an, welcher verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosespielraums zugrunde zu legen ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Regelungsziele nach dem Referentenentwurf nicht an Gefahren des Vertriebsweges des Versandhandels, sondern daran anknüpfen, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch im Verhältnis zu Versandapotheken aus dem EU-Ausland zu sichern. Die Sicherung der Preisbindung auch gegenüber Apotheken aus dem EU-Ausland wiederum war bereits Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. 3.1. Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe Bei der grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es für die verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe zunächst auf die Eingriffsintensität an. Wie in der o.g. Ausarbeitung ausgeführt, handelt es sich beim RX-Versandhandelsverbot in Bezug auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG „nur“ um eine Berufsausübungsregelung, die nicht den besonders strengen Anforderungen in Form eines Nachweises höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut unterliegt, sondern die durch vernünftige Allgemeinwohlerwägungen gerechtfertigt werden kann.6 Darüber hinaus ist dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zuzubilligen. Dies bedeutet, dass das Bundesverfassungsgericht die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erörternden Fragen der gesetzgeberischen Gefahreneinschätzung nur in beschränktem Ausmaß überprüft, und zwar je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu 5 Siehe dazu Fachbereich Europa, Unionsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln (PE 6 - 3000 - 149/16), 6 f. 6 Ausführlich Wissenschaftliche Dienste (Fn. 1), 6 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 6 bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter.7 Die Einschätzungen zur Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherungsweise beispielsweise gesteht das Bundesverfassungsgericht weitgehend dem Gesetzgeber zu und nimmt insoweit „nur“ eine Evidenzkontrolle vor: „Die Sicherung der finanziellen Grundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Erhalt der Beitragsstabilität vor dem Hintergrund unverhältnismäßig ansteigender Kosten in allen Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein von hoher Bedeutung für die Allgemeinheit getragenes Regelungsziel (…), wobei dem Gesetzgeber bei der Beurteilung von Eignung und Erforderlichkeit der gewählten Mittel zur Erreichung dieses Regelungsziels ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, der nur dann überschritten wird, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können (…).“8 Ferner lassen sich aus dem bisher zulässigen RX-Versandhandel keine zwingenden Argumente herleiten, die den weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers hier spürbar einschränken. Entscheidend ist insoweit, dass die im Referentenentwurf vorgebrachten Gründe nicht auf die Gefahren des Vertriebsweges des Versandhandels abstellen. Es besteht daher keine gesetzgeberische Argumentationslast dahingehend, Veränderungen in der Gefahreneinschätzung zum Vertriebsweg zu erläutern.9 Für die Einschätzung in Bezug auf Gefahren für die flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken kann sich der Gesetzgeber auf die veränderten Rahmenbedingungen des Versandhandels berufen, namentlich auf den nun möglichen Preiswettbewerb. Schließlich ist der strenge unionsrechtliche Maßstab des Europäischen Gerichtshofs zur Überprüfung der gesetzgeberischen Gefahreneinschätzung („hinreichende Nachweise“, „genaue Angaben“ oder „Beweise“10) in Bezug auf die verfassungsrechtliche Prüfung nicht vom Anwendungsvorrang umfasst. Vielmehr gelten für die verfassungsrechtliche Prüfung die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Prüfungsmaßstäbe. 7 Vgl. dazu BVerfGE 50, 290, 332 f.: „Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes in einer ungewissen Zukunft kann nicht die Befugnis des Gesetzgebers ausschließen, ein Gesetz zu erlassen, auch wenn dieses von großer Tragweite ist. Umgekehrt kann Ungewissheit nicht schon als solche ausreichen, einen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nicht zugänglichen Prognosespielraum des Gesetzgebers zu begründen. Prognosen enthalten stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil, dessen Grundlagen ausgewiesen werden können und müssen; diese sind einer Beurteilung nicht entzogen. Im Einzelnen hängt die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers von Faktoren verschiedener Art ab, im Besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter. Demgemäß hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn auch im Zusammenhang anderer Fragestellungen, bei der Beurteilung von Prognosen des Gesetzgebers differenzierte Maßstäbe zugrunde gelegt, die von einer Evidenzkontrolle (…) über eine Vertretbarkeitskontrolle (…) bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen (…).“ 8 BVerfG NJW 1994, 3007, mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung; kritisch dazu Schaks, Der Grundsatz der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts (2. Aufl., 2014), § 16 Rn. 39 ff. 9 In diese Richtung geht Frage 12 der Kleinen Anfrage in BT-Drs. 18/11095, 4 f. 10 EuGH (Fn. 4), Rn. 35 f., 40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 7 3.2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur RX-Arzneimittelpreisbindung Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde ist das Bundesverfassungsgericht mit der RX-Arzneimittelpreisbindung für Versandapotheken aus dem EU-Ausland bereits befasst worden.11 Die gegen die insoweit einschlägige Vorschrift des § 78 Abs. 1 S. 4 AMG gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Gleichwohl weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass an der materiellen Vereinbarkeit des § 78 Abs. 1 S. 4 AMG mit dem Grundgesetz keine Zweifel bestehen dürften. Das Bundesverfassungsgericht habe in der seit dem 1.1.1978 geltenden Arzneimittelpreisverordnung keinen Verfassungsverstoß gesehen und es sei nicht ersichtlich, warum sich für die Erstreckung der Preisbindung auf aus dem EU-Ausland in den Verkehr gebrachte Arzneimittel nach § 78 Abs. 1 S. 4 AMG eine andere verfassungsrechtliche Bewertung ergeben sollte.12 Zwar betrifft der hier fragliche Referentenentwurf nicht unmittelbar die Preisbindung nach § 78 Abs. 1 S. 4 AMG. Über den Umweg des RX-Versandhandelsverbots soll aber gerade die Preisbindung für RX-Arzneimittel nach § 78 Abs. 1 AMG gesichert werden, so dass die verfassungsgerichtliche Bestätigung der RX-Arzneimittelpreisbindung ein wichtiges Präjudiz darstellt. 4. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG Wie in der o.g. Ausarbeitung näher ausgeführt, liegt in dem RX-Versandhandelsverbot ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, der verfassungsrechtlich durch vernünftige Allgemeinwohlerwägungen gerechtfertigt werden kann.13 Dabei muss sich das RX-Versandhandelsverbot insbesondere als verhältnismäßig erweisen, also im Hinblick auf die Verfolgung legitimer Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen sein. Zu den dazu in der o.g. Ausarbeitung bereits angestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen ergeben sich aus der Begründung des Referentenentwurfs folgende Präzisierungen und Ergänzungen. 4.1. Flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken Nach der Begründung des Referentenentwurfs dient das RX-Versandhandelsverbot dazu, die „bestehende flächendeckende, wohnortnahe und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, insbesondere auch im akuten Krankheitsfall, weiterhin zu gewährleisten“.14 Die flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken diene der Gesundheit der Bevölkerung, u.a. da Präsenzapotheken Nacht- und Notdienste gewährleisteten, eine umfassende Vorratshaltung von Arzneimitteln und die Verfügbarkeit selten benötigter Arzneimittel (Impfstoffe, Sera) sicherstellten sowie Rezepturarzneimittel herstellen und eine persönliche pharmazeutische Beratung erbringen 11 BVerfG NJW 2016, 1436 ff. 12 BVerfG NJW 2016, 1436, 1438 m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 13 Wissenschaftliche Dienste (Fn. 1), 5 ff. 14 Referentenentwurf (Fn. 2), 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 8 könnten. Die persönliche pharmazeutische Beratung sei u.a. für eine Entlastung der Ärzte bedeutend .15 Der Schutz der Gesundheit durch eine flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken stellt nicht nur ein legitimes Ziel dar, sondern auch einen besonders wichtigen Gemeinwohlbelang.16 Unter Beachtung der erläuterten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe dürfte auch von der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit des RX-Versandhandelsverbotes auszugehen sein.17 Die Ausführungen dazu in der o.g. Ausarbeitung seien an dieser Stelle wiederholt: „Für die Annahme der Eignung einer gesetzlichen Regelung reicht es bereits aus, dass sie die Zweckerreichung fördert.18 Von einer Eignung in diesem Sinn kann man hier ausgehen : Das Verbot des RX-Versandhandels würde (…) den Preiswettbewerb mit Apotheken aus dem EU-Ausland zu Lasten einer flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken verhindern. Im Übrigen kommt dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Eignung ein weiter Spielraum zu. Die Erforderlichkeit eines RX-Versandhandelsverbots ist nur dann gegeben, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, die die Zweckerreichung in gleicher Weise fördern.19 (…) Fraglich ist aber, ob mildere und gleich geeignete Mittel in Bezug auf eine flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken zur Verfügung stehen. Der Europäische Gerichtshof verweist in der o.g. Entscheidung auf eine mögliche Aufhebung der Preisbindung. Es würden Hinweise dafür vorliegen, dass ‚mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch fördern würde, dass Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten‘.20 Die Aufhebung der Preisbindung auch für die inländischen Apotheken würde ein milderes Mittel darstellen als ein Verbot des RX-Versandhandels. Durch eine höhere Vergütung der Apothekenleistungen , die nur durch Präsenzapotheken erbracht werden können, wäre eine gewisse Kompensation der wirtschaftlichen Nachteile durch den Preiswettbewerb mit den Versandapotheken denkbar. Eine gleiche Eignung dürfte aber auch diesem milderen Mittel nicht zukommen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass höhere Preise für besondere Apothekenleistungen geeignet wären, die wirtschaftliche Existenz der Präsenzapotheken zu sichern, wäre zu berücksichtigen, dass die Aufhebung der Preisbindung auch für inländische Apotheken zu besonderen Belastungen bestimmter Endverbraucher, z.B. auf dem Land, führen kann. Besondere Belastungen für die Endverbraucher können sich aber negativ auf ihre Arzneimittelversorgung auswirken oder die Krankenversicherungssysteme belasten, wenn die Krankenversicherungen die Zusatzkosten übernehmen. Darüber hinaus könnte sich ein 15 Referentenentwurf (Fn. 2), 9, 10 16 Wissenschaftliche Dienste (Fn. 1), 8. 17 Ausführlich Wissenschaftliche Dienste (Fn. 1), 8 f. 18 BVerfGE 30, 392, 316. 19 BVerfGE 30, 292, 316. 20 EuGH (Fn. 1), Rn. 38, Hervorhebung nicht im Original. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 9 allgemeiner Preiswettbewerb nachteilig auf die Wahrnehmung der nicht-wirtschaftlichen Gemeinwohlverpflichtungen der Apotheker, wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln auswirken. Dass der Europäische Gerichtshof diesen Argumenten zur fehlenden gleichen Eignung nicht gefolgt ist, liegt an dem zugrunde gelegten strengen Prüfungsmaßstab (‚hinreichende Nachweise‘, ‚genaue Angaben‘, ‚Beweise‘).21 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der gleichen Eignung jedoch ein Einschätzungsspielraum zu. Schließlich müsste sich das Verbot des RX-Versandhandels als angemessen erweisen. Insofern ist eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübung einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der zu schützenden Gemeinwohlbelange andererseits vorzunehmen.22 Dabei kommt es auf die konkrete Betroffenheit der Rechts- bzw. Gemeinschaftsgüter an. Das Verbot des RX- Versandhandels würde die Versandapotheken in ihrer Berufsausübung nicht unerheblich beeinträchtigen. Auch wenn mit einer Existenzbedrohung angesichts des notwendigen Betriebs einer Präsenzapotheke nicht zu rechnen ist, würde der mit dem Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel verbundene wirtschaftliche Gewinn wegfallen. Wie hoch die wirtschaftlichen Einbußen konkret wären, lässt sich von hier aus allerdings nicht weiter einschätzen. Auch könnten die Endverbraucher von den günstigeren Angeboten der Apotheken aus dem EU-Ausland und von den Vorteilen des Versandhandels nicht mehr profitieren. Auf der anderen Seite kommt dem Schutz der Gesundheit ein besonderes Gewicht zu. Es erscheint plausibel, dass sich die Apothekenstruktur durch den nun möglichen Preiswettbewerb mit Apotheken aus dem EU-Ausland zu Lasten einer flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken verändert. (…) Unter Beachtung dieses Einschätzungsspielraums dürfte es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, wenn der Gesetzgeber dem Schutz der Gesundheit mit einem Verbot des RX-Versandhandels den Vorrang vor der freien Berufsausübung einräumt.“23 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Referentenentwurf die Einschätzung zur Gefährdung der flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken u.a. darauf beruht, dass der Absatz von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln 80 % des Umsatzes der Apotheken ausmacht und sich daher schon geringe Verschiebungen der Marktanteile auf die Existenz von Präsenzapotheken auswirken könnten.24 Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung fehlerhaft ist, bestehen nicht. Insbesondere die bisherigen Erfahrungen mit dem RX-Versandhandel können nicht als Argument dafür dienen, die flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken sei auch durch den bisher zulässigen RX-Versandhandel nicht beeinflusst worden. Denn der RX- Versandhandel erfolgte zumindest seit der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes im Jahr 201225 im Rahmen der RX-Arzneimittelpreisbindung und erfüllte 21 EuGH (Fn. 1), Rn. 35 f., 40. 22 Siehe dazu BVerfGE 90, 145, 173. 23 Wissenschaftliche Dienste (Fn. 1), 8 ff. 24 Referentenentwurf (Fn. 2), 11. 25 GemS-OBG NJW 2013, 1425. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 10 insoweit lediglich eine „ergänzende Funktion“.26 Durch die neuen Bedingungen des Preiswettbewerbs erscheint jedoch eine neue Einschätzung plausibel, wonach Versandapotheken aus dem EU-Ausland größere Marktanteile in dem besonders umsatzstarken Bereich der RX-Arzneimittel gewinnen können, und zwar auch mit der Folge einer Verdrängung von deutschen Präsenzapotheken. 4.2. Steuerungsfunktion bestimmter sozialversicherungsrechtlicher Instrumente Nach der Begründung des Referentenentwurfs soll das RX-Versandhandelsverbot ferner die Steuerungsfunktion bestimmter sozialversicherungsrechtlicher Instrumente sichern. Konkret geht es dabei um das Zuzahlungs- und das Festbetragssystem der gesetzlichen Krankenkassen für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das Instrument der Zuzahlung nach § 31 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dient zum einen dazu, die verantwortungsvolle Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern.27 Darüber hinaus spielen die Zuzahlungen bei der Aushandlung von Preissenkungen und Rabatten im Verhältnis zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen eine Rolle. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann RX-Arzneimittel von der Zuzahlung ausnehmen und die gesetzlichen Krankenkassen können Zuzahlungen reduzieren, wenn die pharmazeutischen Unternehmen Preissenkungen oder Rabatte gewähren, die deutlich unter den Festbeträgen liegen, § 31 Abs. 3 S. 4 und 5 SGB V. Die dadurch erzielbaren Einsparungen kommen den Patienten und den gesetzlichen Krankenversicherungen zugute und die pharmazeutischen Unternehmen können von größeren Absatzchancen der zuzahlungsbefreiten oder zuzahlungsreduzierten Arzneimittel profitieren. Hintergrund dieser Steuerungsinstrumente ist die Förderung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Wahrung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung wiederum ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Gemeinwohlbelang von besonderer Bedeutung.28 Das Instrument der Zuzahlung basiert darauf, dass die Zuzahlungen von den gesetzlich versicherten Patienten überhaupt getragen werden. Durch die fehlende Preisbindung von Versandapotheken aus dem EU-Ausland besteht die Möglichkeit, dass diese den Patienten Boni, Erstattungen, Rabatte, Gutschriften etc. gewähren, die den Betrag der Zuzahlung teilweise oder ganz kompensieren und somit faktisch zu einer teilweisen oder vollständigen Befreiung von der Zuzahlung führen. Das RX- Versandhandelsverbot schließt den Preiswettbewerb mit RX-Arzneimitteln aus und fördert damit die Erhaltung der Steuerungsfunktion des Zuzahlungsinstruments. Das RX-Versandhandelsverbot stellt somit in Bezug auf die Förderung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ein geeignetes Mittel dar. Mildere Mittel, die die Versandapotheken weniger stark beeinträchtigen, aber die Steuerungsfunktion der Zuzahlungsinstrumente in gleicher Weise fördern, sind nicht ersichtlich. Insbesondere dürfte solchen Regelungen keine gleiche Wirksamkeit zukommen, die die Versicherten verpflichten, 26 Zur „ergänzenden Funktion“ des Arzneimittelversandhandels vgl. den Referentenentwurf (Fn. 2), 12. 27 Referentenentwurf (Fn. 2), 12. Vgl. dazu auch Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V (5. Aufl., 2017), Rn. 39 zu § 31: „Die Verpflichtung zur Zuzahlung stellt eine traditionsreiche, allerdings oftmals in ihrer Ausgestaltung geänderte Form der Selbstbeteiligung an den Kosten durch den Versicherten dar, um das Preisbewusstsein zu stärken, das Leistungsverhalten zu beeinflussen und einen überhöhten Verbrauch von Arzneimitteln zu verhindern (…).“ 28 BVerfGE 70, 1, 30. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 11 die ihnen von nicht preisgebundenen Apotheken gewährten Vergünstigungen wieder an die gesetzliche Krankenversicherung abzuführen. Eine solche Aufrechterhaltung der Zuzahlungen dürfte mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden und damit nicht gleich wirksam zur Förderung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Das RX-Versandhandelsverbot erweist sich daher auch als erforderlich. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübung einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der zu fördernden finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits vorzunehmen. Das RX-Versandhandelsverbot stellt – wie bereits unter Ziff. 4.1. ausgeführt – eine nicht unerhebliche Grundrechtsbeeinträchtigung auf Seiten der Versandapotheken dar. Auf der anderen Seite steht mit der Förderung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherungen ein Gemeinwohlbelang von besonderer Bedeutung. Wie schwer die Einbußen wiegen, die durch eine Beeinträchtigung der Zuzahlungsregelungen entstehen, und wie wichtig und dringlich daher Maßnahmen zum Erhalt der Steuerungsfunktion der Zuzahlungsregelungen sind, kann hier nicht abschließend bewertet werden. Die Mäßigungsfunktion, die von Zuzahlungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgeht, dürfte jedoch deutlich in den Hintergrund treten, wenn die Zuzahlungen durch Angebote der nicht preisgebundenen Versandapotheken aus dem EU-Ausland teilweise oder vollständig kompensiert werden. Auch erscheint es plausibel, dass den gesetzlichen Krankenkassen ein erhebliches Einsparpotential aus Vereinbarungen mit den pharmazeutischen Unternehmen entgeht, die auf den Zuzahlungsregelungen basieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt die gesetzgeberische Gefahreneinschätzung in Bezug auf die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zudem bloß einer Evidenzkontrolle vor.29 Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzgeberische Einschätzung in Bezug auf die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung offensichtlich fehlgeht und schon deswegen die Angemessenheit in Frage stehen würde, bestehen jedenfalls nicht. 4.3. Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize Schließlich soll das RX-Versandhandelsverbot nach der Begründung des Referentenentwurfs Gesundheitsgefahren entgegenwirken, die von finanziellen Fehlanreizen ausgehen. Wie oben bereits ausgeführt, stellt der Gesundheitsschutz einen besonders wichtigen Gemeinwohlbelang dar. Anknüpfungspunkt für die weitere Begründung ist die Vorschrift des § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG), die Rabatte für verschreibungspflichtige Arzneimittel ausschließt. Der mit dem Rabattverbot des § 7 HWG verfolgte Zweck, Gesundheitsgefahren zu vermeiden, die von finanziellen Fehlanreizen für verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgehen, gelte auch für den RX-Versandhandel. Im Referentenentwurf heißt es dazu: „Um die Gesundheit der Verbraucher zu schützen, ist es daher notwendig, dass keine finanziellen Anreize vorhanden sind, die zu einem über dieses Maß hinausgehenden Gebrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel führen könnten. Das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bewirkt, dass der einheitliche Apothekenabgabepreis bei allen in Deutschland abgegebenen Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel zur Anwendung kommt und dass das damit unmittelbar verbundene Rabattverbot nach § 7 HWG weiterhin greift. Dies trägt dem Charakter von Arzneimitteln als Waren 29 Siehe oben Ziff. 3.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 041/17 Seite 12 besonderer Art Rechnung und wirkt einer Trivialisierung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, der durch eine Bewerbung von Rabatten Vorschub geleistet wird, und den damit einhergehenden Gesundheitsgefahren entgegen. Überdies wird durch das Versandhandelsverbot verhindert, dass Patienten bewusst Verzögerungen des Therapiebeginns in Kauf nehmen, um einen Bonus bei der beliefernden Apotheke zu erhalten.“30 Das RX-Versandhandelsverbot schließt den preisungebundenen Handel mit RX-Arzneimitteln und damit die Möglichkeit von finanziellen Fehlanreizen z.B. durch Rabatte oder Gutscheine aus. In Bezug auf die Vermeidung von Gesundheitsgefahren, die aus solchen finanziellen Anreizen resultieren, stellt das RX-Versandhandelsverbot somit ein geeignetes Mittel dar. Mildere Mittel, die die Versandapotheken weniger stark beeinträchtigen, aber die Vermeidung von Gesundheitsgefahren in gleicher Weise fördern, sind nicht ersichtlich. Insbesondere zusätzliche Informationspflichten der Versandapotheken zum ordnungsgemäßen Gebrauch von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürften nicht in gleicher Weise dazu geeignet sein, möglichen finanziellen Fehlanreizen des RX-Versandhandels zu begegnen, so dass von der Erforderlichkeit des RX-Versandhandelsverbotes auszugehen ist. Auch bei der Abwägung der konkret betroffenen Rechtsgüter, also der Berufsausübungsfreiheit und dem Gesundheitsschutz, erscheint es nicht unangemessen, der Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize den Vorrang vor dem Schutz der Berufsausübungsfreiheit einzuräumen. Gegen die Wichtigkeit und Dringlichkeit, Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize zu vermeiden, lässt sich dabei nicht schon einwenden, dem preisungebundenen RX-Versandhandel würde nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Die gesetzgeberische Einschätzung, dass der preisungebundene RX-Versandhandel eben durch den Preiswettbewerb Marktanteile in nicht unerheblichem Ausmaß gewinnt, und demzufolge die Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize steigen, dürfte vielmehr in den Einschätzungsund Prognosespielraum des Gesetzgebers fallen. 5. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich auch nicht aus den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Die mit einem Verbot nur des RX-Versandhandels verbundene Ungleichbehandlung zwischen dem RX- und dem OTC-Versandhandel bedarf nach dem hier anzulegenden Willkürmaßstab eines sachlichen Grundes. Dieser dürfte in Bezug auf das Ziel der flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken darin liegen, dass gerade der nun mögliche Preiswettbewerb mit den umsatzrelevanteren RX-Arzneimitteln die Wirtschaftlichkeit der Präsenzapotheken gefährdet, während der schon jetzt zugelassene Preiswettbewerb bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln keine entsprechenden existenzbedrohenden Wirkungen auslöst. Die sozialversicherungsrechtlichen Zuzahlungsregelungen beziehen sich darüber hinaus allein auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, so dass Maßnahmen zum Erhalt der Steuerungsfunktion der Zuzahlungsinstrumente auf RX-Arzneimittel beschränkt werden können. Schließlich stellt das unterschiedliche Gefahrenpotential von RX- und OTC-Arzneimitteln einen sachlichen Grund dafür dar, den RX- und OTC-Versandhandel insoweit ungleich zu behandeln, als es um die Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch finanzielle Fehlanreize geht. *** 30 Referentenentwurf (Fn. 2), 10 f. Vgl. dazu auch die Begründung eines Gesetzentwurfs zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 17/9341, 67.