Deutscher Bundestag Gebührenpflichtigkeit einer Plakatiergenehmigung für Parteien im Wahlkampf Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 041/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 2 Gebührenpflichtigkeit einer Plakatiergenehmigung für Parteien im Wahlkampf Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 041/13 Abschluss der Arbeit: 08. März 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Genehmigungspflichtigkeit der Wahlsichtwerbung 4 2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 4 2.2. Einschränkungen durch einfachgesetzliche Regelungen 4 2.3. Erforderlichkeit einer Sondernutzungserlaubnis nach straßenrechtlichen Vorgaben 5 2.4. Einfluss der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien auf die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis 6 3. Gebührenpflicht für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis 8 3.1. Grundsätzlich: Gebührenpflichtigkeit 8 3.2. Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 4 1. Einleitung Die Ausarbeitung1 setzt sich mit der Frage auseinander, ob und in welchen Grenzen Kommunen für die Genehmigung des Aufstellens von Wahlplakaten (sogenannter Wahlsichtwerbung) durch Parteien allgemein und insbesondere im Vorfeld von Wahlen Gebühren von den Parteien erheben dürfen. Die Untersuchung berücksichtigt beispielhaft das sächsische Landesrecht und die kommunalrechtlichen Vorschriften der Städte Dresden und Leipzig. 2. Genehmigungspflichtigkeit der Wahlsichtwerbung Eine Gebührenpflichtigkeit setzt einen Rechtsgrund für die Gebührenerhebung voraus. Dieser beruht bei der Aufstellung von Wahlplakaten in der Öffentlichkeit in der Regel auf einer straßenrechtlichen Sondernutzung. Entspräche die Wahlsichtwerbung keiner Sondernutzung, so entfiele von vornherein eine Gebührenpflichtigkeit. Im Folgenden wird dargestellt, dass die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien lediglich auf die Frage der Erlaubniserteilung, nicht aber auf die Frage einwirkt, ob eine erlaubnispflichtige und damit auch grundsätzlich gebührenpflichtige Sondernutzung vorliegt. 2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG haben die politischen Parteien die Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Parteien können diesen Auftrag des Grundgesetzes nur dann wirksam wahrnehmen, wenn sie nicht nur innerparteilich arbeiten, sondern auch nach außen tätig und sichtbar werden. Nach außen wirkende Tätigkeiten der verschiedensten Art wie der Straßenwahlkampf mit Plakatwerbung fallen daher in den Schutzbereich der Parteifreiheit.2 Die Wahlkämpfe vor den Bundestagswahlen sind aufgrund der aus Art. 38 Abs. 1 GG folgenden Wahlfreiheit zufolge grundsätzlich frei und unterliegen de lege lata weder nach Beginn und Dauer noch nach Art und Menge der Wahlwerbung noch im Umfang der dafür aufgewendeten Geldmittel einer gesetzlichen Beschränkung.3 Da Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) die Freiheit zum Wahlkampf konstituiert, weil durch ihn die überwiegende Anzahl von Wahlkampfaktivitäten geschützt wird, finden diese Aktivitäten allerdings ihre Schranken in den Vorschriften der „allgemeinen Gesetze“.4 2.2. Einschränkungen durch einfachgesetzliche Regelungen Plakatwerbung kann daher aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen verschiedenen Reglementierungen unterliegen. Denkbar sind insbesondere bauordnungsrechtliche, straßen- und straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, die – je nach Größe und Dauer der Plakatwerbung – unterschiedli- 1 Die Ausarbeitung beruht auf den Ausarbeitungen WD 3 – 3000 – 325/09 und WD 3 – 009/07 des Fachbereichs WD 3: Verfassung und Verwaltung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. 2 Morlok, Martin, in: Dreier, Horst (Hrsg), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2006, Band II, Art. 21, Rn. 60. 3 Seifert, Karl-Heinz, Bundeswahlrecht, Kommentar, 3. Auflage 1976, S. 159. 4 Walther, Christoph J., Wahlkampfrecht, 1989, S. 99. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 5 che Zulässigkeitsvoraussetzungen und Grenzen normieren. Allgemein lässt sich feststellen, dass diese Grenzen ganz überwiegend auf gefahrenabwehrrechtlichen Gründen beruhen. 2.3. Erforderlichkeit einer Sondernutzungserlaubnis nach straßenrechtlichen Vorgaben Im Schwerpunkt regelt das landesrechtliche Straßenrecht die Genehmigungspflichtigkeit von Wahlsichtwerbung im öffentlichen Verkehrsraum. Bei der Nutzung einer öffentlichen Straße ist zwischen erlaubnisfreiem Gemeingebrauch und erlaubnispflichtiger Sondernutzung zu unterscheiden . § 14 Abs. 1 S. 1 Straßengesetz für den Freistaat Sachsen (SächsStrG)5 bestimmt hierzu: „Der Gebrauch der öffentlichen Straße ist jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet (Gemeingebrauch).“ Wenn die Straßenbenutzung über den Gemeingebrauch hinausgeht, ist sie eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. § 18 SächsStrG bestimmt dementsprechend: „(1) Die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus ist Sondernutzung. 2Sie bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, in Ortsdurchfahrten der Erlaubnis der Gemeinde . […] (2) Die Erlaubnis darf nur auf Zeit oder Widerruf erteilt werden. […]“ Die Abgrenzung zwischen dem Gemeingebrauch und der Sondernutzung von Straßen ist immer eine Frage des Einzelfalls und bemisst sich maßgeblich nach der Widmung der Straße.6 Dies ist die hoheitliche Zweckbestimmung und legt den Nutzungsumfang fest, der typischerweise durch die Benutzung der Straße durch fließenden und ruhenden Verkehr geprägt ist.7 Die öffentliche Zweckbestimmung enthält in der Regel aber zudem kommunikative Elemente: So ist es auch als Gemeingebrauch anerkannt, nicht nur als Fußgänger unterwegs zu sein, sondern auch, mit einem Bekannten ein Gespräch zu führen.8 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass das Aufstellen von Plakatträgern eine Sondernutzung ist und die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis erforderlich ist.9 Ist die Werbung zu politischen Zwecken im Einzelfall von einer Sondernutzungserlaubnis abhängig, so verletzt dies für sich genommen nicht die Sonderstellung, die Art. 21 GG den Parteien einräumt. Wenn es sich um Sondernutzung handelt, muss eine Sondernutzungserlaubnis beantragt werden . Das behördliche Kontrollverfahren der Sondernutzungserlaubnis dient dazu, die verschie- 5 Straßengesetz für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Straßengesetz - SächsStrG) vom 21.1.1993 (SächsGVBl. S. 93), zuletzt geändert durch Art. 5 Sächsisches Standortegesetz vom 27.01.2012 (SächsGVBl. S. 130). 6 Ausführliche Nachweise bei von Danwitz, Thomas, Straßen- und Wegerecht, in: Schmidt-Aßmann, Eberhard (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 7. Kapitel, Rn. 60. 7 Anders ist dies beispielsweise auf Bundesautobahnen, wo der Fahrradverkehr generell ausgeschlossen ist, vgl. Stuchlik, Holger, Straßenrechtliche Sondernutzungen, GewArch 2004, B. I. 8 OLG Stuttgart, NJW 1976, S. 201, (202). 9 BVerwGE 47, 280 (282); 56, 63 ff.; BVerwG, NJW 1978, S. 1933 (1934); VG München, BayVBl. 2007, S. 732 ff.; VG Aachen, Beschluss vom 01.12.2006 - 6 L 628/06, BeckRS 2006, 27704. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 6 denen Belange, die bei der Benutzung des „knappen Gutes öffentliche Straße“ miteinander in Konflikt geraten können, in Einklang zu bringen. In der Regel ist die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis eine Ermessensentscheidung, die eine Verhältnismäßigkeitsprüfung enthält. Die zuständige Behörde kann ihre Ermessensbetätigung durch Richtlinien steuern. Für die Vorgaben für die Ermessensentscheidung über eine beantragte Sondernutzungserlaubnis können die Gemeinden Sondernutzungssatzungen erlassen, die ihrerseits den allgemeinen Regeln über die Entscheidung über Sondernutzungserlaubnisse unterliegen.10 So dürfen einerseits nur straßenbezogene Gesichtspunkte wie beispielsweise Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder die Aufrechterhaltung eines störungsfreien Gemeingebrauchs können die Ablehnung der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis rechtfertigen.11 Andererseits müssen im Rahmen der Ermessensbetätigung Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte – wie auch Art. 21 GG – beachtet werden.12 2.4. Einfluss der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien auf die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis Das Ermessen der Behörde im Rahmen der Erlaubniserteilung muss insbesondere in Wahlkampfzeiten (auf staatlicher wie kommunaler Ebene) unter Berücksichtigung der besonderen Stellung der politischen Parteien bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen ausgeübt werden.13 Die Bedeutung von Wahlen für einen demokratischen Staat (Art. 28 Abs. 1 S. 2 und Art. 38 Abs. 1 GG) und die Bedeutung der Parteien für solche Wahlen, wie sie sich aus Art. 21 GG und §§ 1 f. Parteiengesetz (ParteiG) ergibt, schränken das behördliche Ermessen bei der Entscheidung über die Erlaubniserteilung dergestalt ein, dass im Regelfall ein Anspruch einer Partei auf Erteilung der Erlaubnis – wenngleich in bestimmten Grenzen – besteht.14 Der regelmäßig gegebene Anspruch auf Gestattung von Wahlsichtwerbung ist dabei zunächst nur auf Werbung in einem Umfang gerichtet, der für die Selbstdarstellung der jeweiligen Partei im Blick auf Umfang und Aufstellungsort der Werbung notwendig und angemessen ist.15 Der angemessene Umfang der Wahlwerbung bestimmt sich nach dem Grundsatz der „abgestuften Chancengleichheit “, wie er in § 5 ParteiG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat.16 Demzufolge ist es zulässig und gegebenenfalls sogar notwendig, die Parteien bei der Gewährung öffentlicher Leistungen wie beispielsweise bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für Wahlwerbezwecke nach ihrer Bedeutung ungleich zu behandeln.17 Die Bedeutung der Parteien 10 Vgl. § 18 Abs. 1 S. 4 Sächsisches Straßengesetz (SächsStrG) sowie VGH Mannheim, 5 S 3300/95, NVwZ-RR 1997, S. 677; VGH Mannheim, 8 S 716/01, VBlBW 2002, S.122; VGH Mannheim, 5 S 3121/08, NVwZ-RR 2010, S. 164. 11 VGH Mannheim, 1 S 1957/93, DÖV 1994, S. 568; OVG Saarlouis, 2 V 14/08, NVwZ-RR 1999, S. 218; OVG Münster, 23 B 878/87, NVwZ 1988, S. 269. 12 Vgl. z.B. § 11 BerlStrG, § 18 StrWG NRW sowie BVerfG, NVwZ 2002, S. 467; VG München, Beschluss vom 03.01.2004, Aktenzeichen M 2 E 04.6019, Rn. 18, juris. 13 BVerwGE 47, 280 ff. 14 BVerwGE 47, 280 (283); OVG Schleswig, NVwZ 1992 S. 70; VG Dresden, 3 K 1728/09, BeckRS 2011, 49898. 15 BVerwGE 47, 280 (284 f.); VG München, BayVBl. 2007, 732 ff. 16 BVerwGE 47, 280 (285 ff.); VG Gelsenkirchen, NWVBl 1999, S. 106 (107); OVG Bremen, NordÖR 2003, 251 f. 17 BVerwGE 47, 280 (290). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 7 bemisst sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorangegangener Wahlen zu Volksvertretungen . So ist es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts geboten, jeder Partei, die Stellplätze für Wahlplakate beansprucht, mindestens fünf Prozent der bereitgestellten Plätze zur Verfügung zu stellen.18 Die restlichen Plätze sind auf die Parteien nach deren Bedeutung zu verteilen.19 Zudem kann der Anspruch der Parteien auf Erlaubniserteilung durch schützenswerte Interessen der kommunalen Körperschaften begrenzt werden. Um eine wochenlange Verschandelung und Verschmutzung des Stadtbildes durch „wildes Plakatieren“ zu verhindern20 und um einen besonders schützenswerten historischen Stadtkern von einer Sichtwerbung für Wahlzwecke gänzlich freizuhalten, können die Anzahl der Wahlplakate und deren Aufstellungsort von der zuständigen Behörde bestimmt werden.21 Daneben kann der Antrag auch gänzlich abgelehnt werden , wenn die beabsichtigte Wahlwerbung zu einer Verkehrsgefährdung führen würde.22 Aus Gründen der Verkehrssicherheit kann die Aufstellung von Wahlplakaten dort unterbunden werden , wo die konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit gegeben ist, etwa wenn die Sicht auf eine gefährliche Kreuzung oder eine Ampelanlage versperrt würde.23 Schließlich verdichtet sich das Ermessen bei Wahlsichtwerbung nur in unmittelbaren Wahlkampfzeiten in einen Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis.24 Die Gemeinden haben während der „heißen Wahlkampfphase“ sicherzustellen, dass den Parteien, die sich an den Wahlen beteiligen, in angemessenem Umfang die Möglichkeit zur Selbstdarstellung durch Wahlsichtwerbung eröffnet ist.25 Der Umfang dieses Zeitraumes wird von den Gerichten uneinheitlich bewertet. Nur werden konkrete Zeitspannen genannt wie beispielsweise „regelmäßig jedenfalls die letzten vier Wochen vor dem Wahltermin“26 oder „Zeitraum von sechs Wochen“27. Regelmäßig stützen sich die Gerichte auf bloß ungefähre Zeiträume, wie beispielsweise „in Zeiten unmittelbarer Wahlvorbereitung“28, „Schlussphase des Wahlkampfes“, „verhältnismäßig kurze Wahlkampfzeiten“29, „wenige Wochen“30. Aus dieser Uneinheitlichkeit lässt sich folgern, dass die Kommunen als Satzungsgeber bezüglich des Wahlkampfzeitraumes über einen relativen 18 BVerwGE 47, 280 (291). 19 BVerwGE 47, 280 (291). 20 BVerwGE 47, 293 (296). 21 BVerwGE 47, 280 (285); OVG Bremen, NJW 1968, S. 2078; VG Gelsenkirchen, 14 L 842/09, BeckRS 2009, 38106. 22 BVerwGE 47, 280 (284). 23 VGH Mannheim, DÖV 1987, S. 874 f. 24 Morlok, Martin, in: Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2006, Band II, Art. 21, Rn. 60. 25 OVG Saarlouis, 1 B 347/09, LKRZ 2009, 313; OVG Münster, 11 B 563/10, BeckRS 2010, 49057. 26 OVG Saarland, NVwZ-RR 1999, S. 218 f. 27 VG Saarland, Beschl. v. 25.8.1999, 2 F 21/99, BeckRS 2009, 33186. 28 BVerwGE 47, 280 (293); 47, 293 (300). 29 BVerwGE 56, 56 (59, 61). 30 VGH Baden-Württemberg, DÖV 1987, S. 874 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 8 Spielraum verfügen für die örtliche Wahlwerbung verfügen. Beispielhaft benennt Nr. 2.1 der „Satzung der Landeshauptstadt Dresden zur Verfahrensregelung über die Werbung für politische Zwecke auf öffentlichen Straßen während der Wahlkampfzeit“ (Satzung Verfahrensregelung Wahlwerbung – Anlage 1 –)31 vom 21.02.2008 folgenden Zeitraum: „Die Wahlkampfzeit beginnt mit der amtlichen Festsetzung des Wahltermins – frühestens 6 Monate vor der Wahl – und endet am Wahltag mit der Schließung der Wahllokale. Am 36. Tag vor der Wahl (Samstag) um 00:00 Uhr beginnt die Vorwahlzeit. Sie dauert bis zum Wahltag und ist Teil der Wahlkampfzeit.“ 3. Gebührenpflicht für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis 3.1. Grundsätzlich: Gebührenpflichtigkeit Die Straßengesetze der Länder sehen vor, dass die Erteilung einer Sondernutzungsgenehmigung mit einer Sondernutzungsgebühr verbunden werden kann.32 Die Sondernutzungsgebühr knüpft ausschließlich an die tatsächliche Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraums über den Gemeingebrauch hinaus an.33 Gebührenpflichtig ist, wer die Sondernutzung ausübt oder für sich ausüben lässt. In ständiger Rechtsprechung fallen die nach der jeweiligen Gebührenordnung entstehenden Sondernutzungsgebühren auch im Fall der Sondernutzungserlaubnis für politische Werbung an. Für den Gebührenanfall ist es unerheblich, dass die Sondernutzung eine Ausübungsform der durch die Art. 5 Abs. 1, 21 GG geschützten freien Meinungsäußerungen und parteipolitischen Tätigkeit sei.34 Die Gebühr wird nicht für die Ausübung der Meinungsfreiheit in ihren typischen Äußerungsformen „Wort, Schrift und Bild“, sondern dafür erhoben, dass für die Meinungskundgabe ein Recht auf Benutzung der öffentlichen Straße eingeräumt wird, dass der Veranstalter, auch wenn er politische Partei ist, vorher nicht besessen hat.35 Das Gebührenerhebungsrecht wird auch nicht durch Art. 21 GG oder § 5 PartG überlagert oder verdrängt. Nach § 5 Abs. 3 PartG können öffentliche Leistungen an bestimmte sachliche, von allen Parteien zu erfüllende Voraussetzungen gebunden werden, so dass auch die Überlassung von straßenrechtlichen Ressourcen von der Zahlung einer Gebühr oder eines Entgelts abhängig gemacht werden kann.36 31 Vgl. auch die gleichlautende Nr. 1.4 der Satzung der Stadt Leipzig zur Regelung der Werbung für politische Zwecke auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen während der Wahlkampfzeit (Wahlwerbesatzung) vom 02.11.2012. 32 Vgl. § 21 SächsStrG sowie BVerwGE 56, 63 (70); VGH Kassel Urt. v. 07.02.1990 – 5 UE 2282/86, KStZ 1991, S. 75; VG Leipzig Urt. v. 27.09.1999 – 6 K 1912/97, LKV 2000, S. 271; OVG Magdeburg Urt. v. 05.11.1998 – A 1 S 224/98, LKV 1999, S. 512. 33 VGH Mannheim, 5 S 1456/96, VBlBW 1996,S. 473; BVerwG, IV C 38.69, DÖV 1971, S. 103. 34 Vgl. BVerwGE 56, 63; VG Meiningen, 8 K 677/08, ThürVBl. 2010, S. 236. 35 BVerwG, NJW 1978, S. 1933; BVerfG, NVwZ 1992 S. 53. 36 Ipsen, Jörn in: Ipsen, Jörn (Hrsg.), Parteiengesetz: Kommentar 2008, § 5 Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 9 3.2. Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren Der Satzungsgeber hat bei der Bestimmung der Höhe der Sondernutzungsgebühren ein weites, nur durch die straßengesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben begrenztes Ermessen.37 Bei der Satzungsregelung, die Grundlage einer Gebührenerhebung und der Bemessung der Gebühr ist, sind Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen.38 Bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren ist insbesondere eine mit der Sondernutzung verbundene Grundrechtsausübung auf öffentlicher Straße nach Maßgabe des Äquivalenzprinzips39 zu berücksichtigen . Danach darf die Gebühr ihrer Höhe nach weder außer Verhältnis zu Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch noch außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Sondernutzung stehen.40 Nach § 21 Abs. 1 S. 3 SächsStrG muss sich dementsprechend die Gebühr nach dem wirtschaftlichen Interesse des jeweiligen Gebührenschuldners richten. Im Rahmen seines Satzungsermessen muss der Satzungsgeber bei Ausgestaltung einer Sondernutzungsgebühr zwischen einer wirtschaftliche Interessen verfolgenden und einer eine nicht mit wirtschaftlichen Interessen verbundenen Tätigkeit differenzieren. Eine aus der Differenzierung folgende Ermäßigung der Sondernutzungsgebühr bei nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten kommt insbesondere bei einer Sondernutzung von politischen Parteien in Betracht, die sich im Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Auftrags der Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes bewegt und idealtypischer Weise stets ohne wirtschaftlichen Interessenbezug erfolgt. Die Gebührenhöhe für die Wahlwerbung von Parteien muss unter derjenigen für kommerzielle Werbung liegen, weil nur die Bemessungsgröße der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch in Betracht kommt und Parteien mit der Wahlwerbung keine kommerziellen Interessen verfolgen. Neben dieser „wirtschaftlichen“ Betrachtung muss auch die verfassungsrechtlich garantierte Funktion der Parteien in einem „gebührenrechtlichen Parteienprivileg“ Ausdruck finden.41 Dementsprechend hat Art. 21 GG bei der Bemessung der Höhe einer Gebühr für die Sondernutzung von Straßen zum Zweck der Wahlwerbung eine begrenzende Funktion im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Gebührenmaßstäbe dahingehend, dass grundsätzlich eine Ermäßigung der Sondernutzungsgebühr vorzusehen ist.42 In keinem Fall darf die bezweckte politische Werbung durch den Gebührenanfall wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht werden.43 37 OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 885 (886). 38 Vgl. § 21 Abs. 1 S. 3 SächsStrG, § 11 Abs. 9 BerlStrG; § 19a Abs. 2 Satz 3 StrWG NRW. 39 BVerfGE 20, 257 (270). 40 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 1 B 27.09, BeckRS 2010, 55217; OVG Berlin-Brandenburg, OVG 1 B 26.08, NVwZ-RR 2011, S. 587. 41 VG Dresden, 12 K 149/00, LKV 2003, S. 148; Lübken, Marcus, Wahlkampfrecht NRW, 2. Auflage 2005, S. 169. 42 VG Dresden, 12 K 149/00, LKV 2003 S. 148. 43 Vgl. BVerfG, NJW 1977, 571; BVerwGE 58, 63 (71). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/13 Seite 10 Die konkrete Ausgestaltung der Gebührenpflichtigkeit von Wahlsichtwerbung bleibt jedoch – unter Berücksichtigung des Straßenrechts und der begrenzenden Funktion des Art. 21 GG – im Ermessen der jeweiligen Kommune. So kann für die Sondernutzung durch politische Parteien eine obligatorische Gebührenermäßigung vorgesehen werden.44 Die Kommune kann ihr Ermessen in zulässiger Weise beispielsweise auch dahingehend ausüben, dass sie Sondernutzungen, die ausschließlich politischen Zwecken dienen, generell von einer Sondernutzungsgebühr befreit (vgl. § 13 Abs. 4 Nr. 2 der Satzung der Landeshauptstadt Dresden über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen der öffentlichen Straßen in Dresden (Sondernutzungssatzung) vom 6.10.2005 – Anlage 2 –). In ebenso zulässiger Weise kann die Kommune ihr Ermessen dahingehend ausüben, dass sie Sondernutzungen von politischen Parteien zur Wahlwerbung sechs Wochen vor bis eine Woche nach dem Wahltag von einer Sondernutzungsgebühr befreit (vgl. § 6 Abs. 3 lit. e und Anlage 1 Nr. 13.2.15 der Satzung der Stadt Leipzig über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Sondernutzungssatzung ) vom 29.02.2012 – Anlage 3 –). ( ) 44 VG Dresden, 12 K 149/00, LKV 2003, S. 148.