Deutscher Bundestag Flüchtlings- und Asylrecht in Deutschland Rechtsgrundlagen, Verfahren und statistische Daten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 041/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 2 Flüchtlings- und Asylrecht in Deutschland Rechtsgrundlagen, Verfahren und statistische Daten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 041/12 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsgrundlagen des Asylrechts 4 2.1. Völkerrecht 4 2.2. Europarecht 5 2.3. Nationales Recht 6 3. Art. 16 a GG: Grundrecht auf Asyl 6 4. § 60 Abs. 1 AufenthG: Schutz nach der GFK 7 5. Subsidiärer Schutz 8 6. Das Asylverfahren 8 6.1. Antragstellung 8 6.2. Persönliche Anhörung 9 6.3. Rechte und Pflichten des Asylbewerbers 9 6.4. Status während des Asylverfahrens 10 6.4.1. Aufenthaltsgestattung 10 6.4.2. Unterbringung und Verteilung 10 6.4.3. Arbeitserlaubnis, Ausbildung und Studium 10 6.5. Entscheidung des BAMF 11 6.6. Status von in Deutschland geborenen Kindern von Asylbewerbern 11 7. Exkurs: Einbürgerung 11 8. Statistischer Anhang 11 8.1. Anzahl der Asylbewerber in Deutschland und Entwicklung der vergangenen Jahre 11 8.2. Die zehn Hauptherkunftsländer der Asylbewerber 12 8.3. Übernahmeersuchen von Deutschland nach der Dublin-II-VO an andere Mitgliedstaaten 12 8.4. Übernahmeersuchen von den Mitgliedstaaten nach der Dublin-II-VO an Deutschland 12 8.5. Überstellungen nach der Dublin-II-VO an andere Mitgliedstaaten 12 8.6. Entscheidungen und Entscheidungsquoten 12 8.7. Dauer des Asylverfahrens 13 8.8. Keine statistischen Auswertungen 13 9. Weiterführende Literatur 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 4 1. Einleitung Die Ausarbeitung gibt einen kurzen Überblick über das deutsche Flüchtlings- und Asylrecht, ergänzt durch Bezüge zu den relevanten völkerrechtlichen und europarechtlichen Vorschriften. Da es sich hierbei um eine recht umfangreiche und komplizierte Materie handelt, die nicht zuletzt durch vielfältige Rechtsprechung geprägt ist, ist eine detaillierte Darstellung im Rahmen einer Ausarbeitung nicht möglich. Im Anhang werden daher Literaturhinweise zur Vertiefung der Materie gegeben . Der statistische Anhang enthält einige Daten zu Asylbewerbern in Deutschland, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch im Internet zur Verfügung gestellt werden. 2. Rechtsgrundlagen des Asylrechts 2.1. Völkerrecht Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (GFK)1 in Verbindung mit dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967 (Protokoll)2 ist der wichtigste völkerrechtliche Vertrag des Flüchtlingsrechts. Die inzwischen von 144 Mitgliedstaaten ratifizierte GFK regelt die Rechtsstellung von Flüchtlingen nach Anerkennung durch einen Staat, die Ausgestaltung des Asylverfahrens hingegen bleibt grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen. Weder die GFK noch das Protokoll beinhalten ein subjektives Recht auf Asyl. Indes bietet die GFK mit Art. 33 Abs. 1 einen Schutz vor „Refoulement“, d.h. vor der Zurück- oder Ausweisung in einen Verfolgerstaat. Das „Refoulement-Verbot“ beinhaltet einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens zur Prüfung, ob eine Gefährdung bei Abschiebung oder Ausweisung in den betreffenden Staate besteht. Art. 1 A Nr. 2 GFK definiert einen Flüchtling als eine Person „die…aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; …“. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vom 4. November 1950, in Kraft getreten am 3. September 19533, enthält weder ein Recht auf Asyl, noch Verfahrensgarantien für die Bearbeitung des Asylantrages. Den Asylsuchenden und Flüchtlingen kommen jedoch alle in der Konvention garantierten Rechte als Person unter der Herrschaftsgewalt des Aufenthaltsstaates zu. Zudem haben einzelne Bestimmungen aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts- 1 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (BGBl. 1953 II S. 560). 2 Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.1.1967 (BGBl. 1969 II S. 1294). Das Protokoll hat den Anwendungsbereich der GFK erweitert von Europa auf die ganze Welt. 3 BGBl 1952 II S. 685, 953. 47 Staaten haben die EMRK ratifiziert. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 5 hofs für Menschenrechte (EGMR) große Bedeutung für die Rechte der Flüchtlinge gewonnen. Hierzu zählen Art. 3, 5, 6, 8, 13 EMRK und Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 7 zur EMRK. Hervorgehoben sei Art. 3 EMRK, der bestimmt, dass niemand der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Der EGMR leitet aus dieser Vorschrift in ständiger Rechtsprechung ab, dass kein Vertragsstaat eine Person durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen wie eine Ausweisung, Abschiebung oder Auslieferung in den Heimatstaat oder einen dritten Staat zurückschicken darf, wenn ihm dort konkret diese Gefahren drohen. 2.2. Europarecht Mit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages am 1. Mai 1999 wurde das Asyl- und Einwanderungsrecht der Europäischen Union (EU) vergemeinschaftet. Ziel war in einer ersten Phase die Schaffung von gemeinsamen Mindestnormen im Bereich des Asylrechts im Zeitraum von 1999 bis 2004. Folgende Richtlinien und Verordnungen im Asyl- und Flüchtlingsrecht wurden in den folgenden Jahren verabschiedet: - Verordnung zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats , der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat vom 18.02.2003 (Dublin-II-VO) - Verordnung über die Einrichtung von „Eurodac“ bezüglich des Vergleichs von Fingerabdrücken vom 11.12.2000 (Eurodac-Verordnung); - Richtlinie über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung von Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten vom 20.07.2001; - Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten vom 27.01.2003 (Richtlinie Aufnahmebedingungen); - Richtlinie über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 29.04.2004 (Qualifikationsrichtlinie); - Richtlinie über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie). Soweit es sich um Richtlinien handelt, hat Deutschland diese in das nationale Recht umgesetzt. Verordnungen finden unmittelbare Anwendung, in der Praxis werden aber trotzdem häufig Anpassungen des nationalen Rechts vorgenommen. 2007 legte die Europäische Kommission ein Grünbuch vor mit einem Fahrplan für die zukünftige Asylstrategie. Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon sieht in Art. 78 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor, dass die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl entwickelt. Hierfür sollen die o.g. Richtlinien und Verordnungen überarbeitet werden, um nicht mehr nur Mindeststandards vorzusehen, sondern ein gemeinsames Asylsystem zu erreichen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 6 Hervorgehoben sei die Dublin-II-Verordnung, die im deutschen Asylrecht keine unwesentliche Rolle spielt. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist es, Mehrfachanträge von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten zu verhindern und sicherzustellen, dass jeder Asylbewerber Zugang zu einem Asylverfahren hat. Die Verordnung legt Kriterien fest, anhand derer die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Prüfung eines Asylverfahrens bestimmt wird. Kann anhand dieser Kriterien die Zuständigkeit nicht ermittelt werden, fällt die Zuständigkeit dem Mitgliedstaat zu, in dem der Asylantrag gestellt wurde. Abweichend von den Zuständigkeitskriterien kann jeder Mitgliedstaat auch freiwillig die Prüfung eines Asylantrags übernehmen. Mit Hilfe der Datenbank „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken können die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten überprüfen, ob ein Asylbewerber bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat oder illegal die Außengrenze eines Mitgliedstaates überschritten hat und nicht zurückgewiesen wurde. Auch die Charta der Grundrechte der EU (GRC) vom 7. Dezember 2000, die mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die gleiche Rechtsverbindlichkeit verliehen bekommen hat wie die europäischen Verträge, enthält Bestimmungen zum Asylrecht und zum Abschiebungsschutz. Art. 18 GRC sieht vor, dass das Recht auf Asyl nach Maßgabe der GFK und des Protokolls von 1967 sowie nach Maßgabe der europäischen Verträge gewährt wird. Art. 19 Abs. 2 GRC greift den Wortlaut des Art. 3 EMRK auf und verbietet Abschiebungen, Ausweisungen oder Auslieferungen an einen Staat, in dem für die betroffene Person das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. 2.3. Nationales Recht Politisch Verfolgte haben nach Art. 16 a des Grundgesetzes (GG) Anspruch auf Asyl in der Bundesrepublik Deutschland. Sie werden Asylberechtigte genannt. Die Rechte von Flüchtlingen, die wegen anderer anerkannter Verfolgungsgründe nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention zu schützen sind, werden im Aufenthaltsgesetz4 geregelt. Des Weiteren regelt das Asylverfahrensgesetz 5 u.a. das Asylverfahren, Unterbringung und Verteilung der Asylbewerber und das Gerichtsverfahren . 3. Art. 16 a GG: Grundrecht auf Asyl Art. 16 a Abs. 1 GG sieht vor, dass politisch Verfolgte Asylrecht genießen. Dieses Individualrecht auf Asyl gilt jedoch nicht uneingeschränkt, die Absätze 2 bis 5 des Art. 16 a GG sehen Beschränkungen des Schutzstatus vor. Nach Art. 16 a Abs. 2 GG kann sich derjenige nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen, der aus einem sog. sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Als sichere Drittstaaten gelten alle Mitgliedstaaten der EU und weitere durch Ge- 4 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.2.2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 25 des Gesetzes vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist. 5 Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22.11.2011 (BGBl. I S. 2258) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 7 setz bestimmte Staaten, in denen die Anwendung der GFK und der EMRK sichergestellt ist. Für den Ausschluss des Gebietsanspruchs genügt der bloße Gebietskontakt mit einem sicheren Drittstaat ; es muss allerdings feststehen, dass der Ausländer objektiv die Möglichkeit hatte, Schutz vor Verfolgung zu erlangen. Art. 16 a Abs. 3 beinhaltet das Konzept der sog. sicheren Herkunftsstaaten. Dies sind Staaten, bei denen vermutet wird, dass ein Ausländer nicht verfolgt wird, außer er trägt Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird. Art. 16 a Abs. 4 GG sieht eine Verfahrensverkürzung im Rechtsverfahren vor. Mit Art. 16 a Abs. 5 GG ermöglicht die Teilnahme am Zuständigkeitsmechanismus der Dublin-II- Verordnung („völkerrechtliche Öffnungsklausel“). Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a GG setzt voraus, dass die dem Flüchtling bei Rückkehr drohenden Gefahren als Verfolgung anzusehen ist. Die Verfolgung muss den Flüchtling selbst betreffen, in einer gewissen Intensität treffen und an die in Art. 1 GFK genannten Gründe anknüpfen (Rasse, Ethnie, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Überzeugung). Hat der Asylbewerber glaubhaft seine Gründe für die politische Verfolgung dargelegt, muss die Verfolgungsprognose ergeben, dass ihm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Verfolgung in seinem Heimatstaat droht und daher in absehbarer Zeit keine Rückkehr möglich ist. Folgende Schranken bestehen für die Gewährung des Grundrechts auf Asyl: Es darf keine „inländische Fluchtalternative“ bestehen und die politische Verfolgung muss vom Staat ausgehen, bzw. bei nichtstaatlicher Verfolgung muss diese dem Staat zuzurechnen sein. Ausgeschlossen ist die Anerkennung als Asylberechtigter gem. Art. 16 a Abs. 2 GG auch bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Wenn eine Abschiebung in den Drittstaat nicht möglich ist, werden Abschiebungsverbote geprüft, liegen keine vor, wird die Abschiebung in den Herkunftsstaat versucht. Ist ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-II-Verordnung zuständig, wird der Asylbewerber in diesen Mitgliedstaat überstellt und sein Asylverfahren von diesem Mitgliedstaat geprüft. Wird ein Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt, so wird ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt. 4. § 60 Abs. 1 AufenthG: Schutz nach der GFK Mit § 60 Abs. 1 AufenthG, dem sog. kleinen Asyl, wird die GFK in das deutsche Recht umgesetzt. Hiernach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, im dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Verfolgung kann gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vom Staat ausgehen, von Parteien oder Organisationen , die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder unter bestimmten im Gesetz genannten Bedingungen auch von nichtstaatlichen Akteuren. In § 60 Abs. 1 Satz 5 Au- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 8 fenthG ist auch ausdrücklich geregelt, dass die Qualifikationsrichtlinie für die Feststellung, ob eine Verfolgung vorliegt, ergänzend anzuwenden ist. Ausschlussgründe für die Gewährung des kleinen Asyls sind in § 60 Abs. 8 AufenthG und in § 3 Abs. 2 AsylVfG formuliert. Hat das BAMF unanfechtbar die Voraussetzungen für die Erteilung der Flüchtlingseigenschaft festgestellt, so ist dem Ausländer gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. 5. Subsidiärer Schutz Subsidiären Schutz erhalten Personen, denen bei Abschiebung in ihr Herkunftsland Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG), die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG) oder konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit (§ 60 Abs. 7 AufenthG) drohen oder deren Abschiebung eine Verletzung von Rechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention bewirken würde (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Geschützt sind diese Personen auch vor Abschiebungen in dritte Staaten, wenn die Gefahr der Weiterverbringung in den Verfolgerstaat besteht. Subsidiär geschützten Personen soll in der Regel nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis für maximal drei, mindestens aber ein Jahr erteilt werden. Nur in atypischen Fällen ist trotz des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge festgestellten Abschiebungsverbots eine Aufenthaltserlaubnis zu versagen. Bis zum Wegfall der subsidiären Schutzgründe ist der Aufenthalt lediglich geduldet (§ 60 a AufenthG). Die Aufenthaltserlaubnis kann bei Fristende nach § 25 Abs. 2 AufenthG verlängert werden, wenn die Schutzgründe weiter bestehen. Ein Anspruch auf automatische Erlangung einer Niederlassungserlaubnis zum unbefristeten Aufenthalt besteht zugunsten subsidiär geschützter Personen nicht, § 26 Abs. 3 AufenthG ist nicht anwendbar. Eine Niederlassungserlaubnis kann nach sieben Jahren ununterbrochenen erlaubten Aufenthalts erteilt werden (§ 26 Abs. 4 AufenthG), allerdings nur unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 9 AufenthG, worunter vor allem die Sicherung des Lebensunterhaltes fällt. Im Gegensatz zum Rechtsanspruch von Asylberechtigten und sonstigen Konventionsflüchtlingen auf Erlaubnis der Niederlassung nach § 26 Abs. 3 AufenthG hat die Ausländerbehörde hier einen Ermessenspielraum, d.h. sie kann die Interessen der geschützten Person mit den öffentlichen Interessen an einer Einwanderungsbegrenzung abwägen, wobei eine positive Integrationsprognose zugrunde zu legen ist. 6. Das Asylverfahren 6.1. Antragstellung Zuständig für die Bearbeitung von Asylanträgen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das seinen Hauptsitz in Nürnberg und diverse Außenstellen in den 16 Bundesländern hat. Stellt ein Ausländer an der Grenze einen Asylantrag, ist er gemäß § 18 Abs. 1 AsylVfG unverzüg- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 9 lich an die zuständige bzw. nächstgelegene Aufnahmestelle weiterzuleiten. Ist er aus einem sicheren Drittstaat eingereist, so wird die Einreise verweigert und die Zurückschiebung oder Zurückweisung angeordnet. Dies gilt nicht, wenn Deutschland für die Prüfung des Asylverfahrens nach der Dublin-II-Verordnung zuständig ist. Die meisten Ausländer stellen nicht an der Grenze, sondern im Inland einen Asylantrag. Bei der Einreise über einen Flughafen wird bei Ausländern aus einem sicheren Herkunftsstaat sowie bei Ausländern, die ohne einen gültigen Pass oder Passersatz einreisen und bei den Grenzbehörden einen Asylantrag stellen, gemäß § 18a AsylVfG das sog. Flughafenverfahren durchgeführt. 6.2. Persönliche Anhörung Nach der Antragstellung findet innerhalb von einigen Tagen die persönliche Anhörung des Asylbewerbers in einer Außenstelle des BAMF statt. Diese hat zwingend stattzufinden, außer das BAMF will den Asylbewerber als asylberechtigt anerkennen, oder der Ausländer ist nach seinen Angaben aus einem sicheren Drittstaat eingereist (§ 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG). Der Ausländer hat die Pflicht, in der Anhörung selbst die Tatsachen vorzutragen, die seine Furcht vor politischer Verfolgung begründen, und die erforderlichen Angaben zu machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalt in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt worden ist. Ergeben sich während der Anhörung Anhaltspunkte auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Dublin-II-Verordnung, hat der Einzelentscheider des BAMF einen besonderen Schwerpunkt hierauf zu legen. Die Anhörung ist nicht öffentlich, es nehmen üblicherweise der Einzelentscheider und der Asylbewerber , ein vom BAMF zu bestellender Dolmetscher und ggf. ein Bevollmächtigter des Asylbewerbers teil. Vertreter des UNHCR oder des Bundes haben Zutritt zur Anhörung, Freunde und Unterstützer des Asylbewerbers können zugelassen werden. Von der Anhörung wird ein Protokoll gefertigt, welches dem Antragsteller zur Verfügung gestellt wird. 6.3. Rechte und Pflichten des Asylbewerbers Jeder Asylbewerber hat die Pflicht gemäß § 10 Abs. 1 AsylVfG, während des Asylverfahrens für Mitteilungen der Behörden und Gerichte jederzeit erreichbar zu sein. Er hat Mitwirkungspflichten bei der Anhörung (s.o. Punkt 6.2.). Der Asylbewerber hat das Recht auf einen Dolmetscher oder Sprachmittler in der Asylanhörung, der in die Muttersprache des Ausländers oder in eine andere Sprache übersetzt, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann (§ 17 AsylVfG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 10 6.4. Status während des Asylverfahrens 6.4.1. Aufenthaltsgestattung Dem Asylbewerber wird innerhalb von drei Tagen nach der Asylantragstellung eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ausgestellt, wenn er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Aufgrund der Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hat der Asylbewerber für die Dauer seines Asylverfahrens einen rechtlich gesicherten Aufenthalt, die Aufenthaltsgestattung ist aber kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 AufenthG. Die Aufenthaltsgestattung ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in der die für die für die Aufnahme zuständige Erstaufnahmeeinrichtung liegt (sog. Residenzpflicht). 6.4.2. Unterbringung und Verteilung Hat ein Ausländer seinen Asylantrag bei einer Außenstelle des BAMF gestellt, so ist er verpflichtet, bis zu sechs Wochen, längstens bis zu drei Monaten (§ 47 Abs. 1 AsylVfG) in der für die Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Kann nicht kurzfristig über den Asylantrag entschieden werden oder hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entscheidung des BAMF angeordnet, so ist der Asylbewerber unverzüglich aus der Aufnahmeeinrichtung zu entlassen und innerhalb des Bundeslandes zu verteilen (§ 50 Abs. 1 AsylVfG). In der Regel werden Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht (§ 53 Abs. 1 AsylVfG). Eine Umverteilung der Asylbewerber zwischen den Bundesländern findet nur dann statt, wenn die Aufnahmequote eines Landes erschöpft ist, oder andere Gründe bestehen. 6.4.3. Arbeitserlaubnis, Ausbildung und Studium Während der Zeit der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung ist Asylbewerbern eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Erst nach dem gestatteten Aufenthalt von mindestens einem Jahr kann die Ausländerbehörde ausnahmsweise eine Arbeitserlaubnis erteilen. Ebenfalls zustimmen muss die Bundesanstalt für Arbeit, die u.a. eine Vorrangprüfung für die konkrete Beschäftigung durchführen wird; d.h. deutsche Arbeitnehmer oder vorrangig zu berücksichtigende ausländischen Arbeitnehmer dürfen nicht zur Verfügung stehen. Die Aufnahme eines Studiums mit einer Aufenthaltsgestattung ist nicht ausdrücklich geregelt, sie bedarf der Erlaubnis durch die Ausländerbehörde. In der Praxis ist ein Studium mit Aufenthaltsgestattung eher die Ausnahme, Hindernisgründe sind u.a. die Residenzpflicht und finanzielle Aspekte , da weder Sozialhilfe, BaföG noch Zahlungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgen. Auch die Aufnahme einer Ausbildung muss von der Ausländerbehörde genehmigt werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 11 6.5. Entscheidung des BAMF Das BAMF entscheidet, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung des Ausländers als asylberechtigt nach Art. 16a GG oder für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 Aufenth G vorliegen. Ist dies nicht der Fall, prüft das BAMF auch, ob subsidiärer Schutz gemäß § 60 Abs. 2-7 AufenthG gegeben ist. Gegen die Entscheidung des BAMF ist Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten möglich. 6.6. Status von in Deutschland geborenen Kindern von Asylbewerbern Einem Kind, das in Deutschland geboren wird, kann gemäß § 33 AufenthG nur dann von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Haben die Eltern einen Asylantrag gestellt und sind im Besitz einer Aufenthaltsgestattung, wird auch das Kind eine Aufenthaltsgestattung bekommen. 7. Exkurs: Einbürgerung Die Einbürgerung eines Ausländers ist in den §§ 8 bis 16 Staatsangehörigkeitsgesetz6 geregelt. Ein Anspruch auf Einbürgerung entsteht, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt der Antragstellung ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sein mindestens acht Jahren seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigte Familie ohne Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bestreiten kann. Desweiteren darf keine Verurteilung wegen einer Straftat vorliegen, ausreichende Deutschkenntnisse vorhanden sein, im Regelfall die alte Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung aufgegeben werden und ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abgegeben werden. 8. Statistischer Anhang 8.1. Anzahl der Asylbewerber in Deutschland und Entwicklung der vergangenen Jahre7 2011 53.347 Asylanträge, davon 45.741 Erstanträge und 7.606 Folgeanträge 2010 48.589 Asylanträge, davon 41.332 Erstanträge und 7.257 Folgeanträge 2009 33.033 Asylanträge, davon 27.649 Erstanträge und 5.384 Folgeanträge 6 Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22.11.2011 (BGBl. I S. 2258) geändert worden ist. 7 Vgl. BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Ausgabe Dezember 2011, S. 3; http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/ DE/Downloads/Infothek/Statistik/statistik-anlage-teil-4-aktuelle-zahlen-zu-asyl.pdf?__blob=publicationFile (letzter Abruf 7.2.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 12 2008 28.018 Asylanträge, davon 22.085 Erstanträge und 5.933 Folgeanträge. 8.2. Die zehn Hauptherkunftsländer der Asylbewerber8 Im Jahr 2011 waren die zehn Hauptherkunftsländer der Asylbewerber: Afghanistan (7.767), Irak (5.831), Serbien (4.579), Iran (3.352), Syrien (2.634), Pakistan (2.539), Russische Föderation (1.689), Türkei (1.578), Kosovo (1.395), Mazedonien (1.131), sonstige (13.246). 8.3. Übernahmeersuchen von Deutschland nach der Dublin-II-VO an andere Mitgliedstaaten9 In 2010 stellte Deutschland die meisten Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Griechenland (2.458), an Italien (1.159), an Polen (1.128), an Schweden (698) und an Frankreich (613). Für 2011 liegen noch keine Zahlen des BAMF vor, die die Anfragen nach Mitgliedstaaten aufteilen.10 8.4. Übernahmeersuchen von den Mitgliedstaaten nach der Dublin-II-VO an Deutschland11 In 2010 erhielt Deutschland die meisten Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO von Frankreich (579), Belgien (561), der Schweiz (354), Schweden (279) und dem Vereinigten Königreich (246). Für 2011 liegen noch keine Zahlen des BAMF vor, die die Anfragen nach Mitgliedstaaten aufteilen. 8.5. Überstellungen nach der Dublin-II-VO an andere Mitgliedstaaten12 Im Jahr 2010 überstellte Deutschland insgesamt 2.847 Personen nach der Dublin-II-VO an die anderen Mitgliedstaaten, hiervon 545 Personen nach Polen, 395 Personen nach Italien, 311 Personen nach Schweden, 225 Personen nach Frankreich und 200 Personen nach Ungarn. 8.6. Entscheidungen und Entscheidungsquoten13 2011 ergingen insgesamt 43.362 Entscheidungen über Asylanträge, davon: 652 (1,5%) als Asylberechtigte gem. Art. 16 a GG 6.446 (14,9%) Gewährung von Flüchtlingsschutz gem. § 60 Abs. 1 AufenthG 2.577 (5,9%) Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 2, 3, 5, 7 AufenthaltG 8 Vgl. BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Ausgabe Dezember 2011, S. 7. 9 Vgl. BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2010, S. 41; http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/ Publikationen/Broschueren/bundesamt-in-zahlen-2010.pdf?__blob=publicationFile (letzter Abruf 7.2.2012). 10 In der Broschüre des BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Ausgabe Dezember 2011, S. 9, finden sich Zahlen der insgesamt an die Mitgliedstaaten gestellten Übernahmeersuchen nach Monaten. 11 Vgl. BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2010, S. 42. 12 Vgl. BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2010, S. 42. 13 Vgl. BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Ausgabe Dezember 2011, S. 10 mit weiteren Zahlen bis 1991. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 041/12 Seite 13 23.717 (54,7%) Ablehnungen 9.970 (23 %) formelle Entscheidungen. 8.7. Dauer des Asylverfahrens Die Dauer des Asylverfahrens lässt sich einer Anfrage der Fraktion Die LINKE entnehmen, die vierteljährlich die Bundesregierung um ergänzende Angaben zu den offiziellen Asylstatistiken bittet.14 Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des Asylbegehrens bis zur behördlichen Entscheidung betrug im Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2011 5,9 Monate. 8.8. Keine statistischen Auswertungen Es liegen keine statistischen Auswertungen über die Gründe für ein Asylverfahren vor, über die Dauer, die ein Asylbewerber durchschnittlich in Deutschland lebt oder darüber, wie viele Asylbewerber in ein anderes EU-Mitgliedsland weitergehen. In den veröffentlichten Statistiken des BAMF finden sich auch keine Angaben zu den meist genutzten Einreiserouten der Asylbewerber nach Deutschland. 9. Weiterführende Literatur Altmaier, Vom nationalen Ausländerrecht zum europäischen Migrationsrecht, ZAR 2010, 355. Duchrow/Spieß, Flüchtlings- und Asylrecht, 2. Auflage 2006, Beck-Rechtsberater. Farahat/Groß, Aktuelle Entwicklungen im humanitären Aufenthaltsrecht: Auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Schutzstatus, ZAE 2010, 302. Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 2. Auflage 2008, Kohlhammer Verlag. Hoppe, Aktuelle Rechtsprechung zum Asyl- und Flüchtlingsrecht, ZAR 2010, 164 (Teil 1), ZAR 2011, 214 (Teil 2). Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Auflage 2008, Beck Verlag. 14 BT-Drs. 17/7395, S. 4 ff.