© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 040/17 Zulässigkeit eines aufschiebend bedingten Anwendungsvorbehalts im Gesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 2 Zulässigkeit eines aufschiebend bedingten Anwendungsvorbehalts im Gesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 040/17 Abschluss der Arbeit: 02.03.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 3 1. Ausgangslage und Fragestellung Unionsbürger haben nach derzeitiger Rechtslage einen Anspruch auf Kindergeld, auch für Kinder, die nicht in Deutschland wohnen. Die Höhe des zu zahlenden Kindergeldes ist dabei unabhängig vom Wohnort des Kindes. Unionsrechtlich enthält die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit Vorgaben für die nationalen Rechtsordnungen. Ohne eine Modifizierung dieser Regelungen würde sich jede Streichung oder Verminderung des Kindergeldanspruches für Unionsbürger als europarechtswidrig erweisen. In der Literatur werden zudem Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit einer Änderung der VO (EG) 883/20014 geltend gemacht. Eine solche müsste sich an den Vorgaben der Europäischen Verträge, insbesondere den Freizügigkeiten messen lassen. Dabei erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass Einschränkungen des Kindergeldanspruches für Unionsbürger an diesen Vorgaben scheitern könnten.1 Eine Änderung der VO (EG) 883/20014 wäre damit unzulässig und könnte vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben werden. Wie der Medienberichterstattung zu entnehmen ist, lehnt die EU-Sozialkommissarin eine Anpassung der europäischen Vorschriften ab.2 Das Bundesministerium der Finanzen arbeitet derzeit an der Änderung von Kindergeldansprüchen für Unionsbürger. Geplant ist, Unionsbürgern, deren Kinder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnen, nur noch einen angepassten Kindergeldsatz zukommen zu lassen. Demnach soll Kindergeld in diesen Fällen nur noch gezahlt werden, soweit dies nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates des Kindes notwendig und angemessen ist. Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (Bearbeitungsstand 10.02.2017) enthält hierfür die notwendigen Änderungen im Einkommensteuergesetz und im Bundeskindergeldgesetz. Die Regelung soll durch eine Ergänzung des § 66 Absatz 1 EStG erfolgen. Dem Referentenentwurf ist zu entnehmen, dass auch das Bundesministerium der Finanzen von einer derzeitigen Unvereinbarkeit der beabsichtigten Regelungen mit dem Unionsrecht ausgeht. Um einen Rechtskonflikt zu vermeiden, sollen die benannten Änderungen daher erst Anwendung finden, sobald die entsprechenden unionsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen wurden. Nach Art. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfs soll daher folgende Regelung in das Einkommensteuergesetz aufgenommen werden: „Dem § 52 Absatz 49a werden folgende Sätze angefügt: § 66 Absatz 1 Satz 2 und 3 in der am 1. Januar 2018 geltenden Fassung ist nur anzuwenden, wenn die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30. April 2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1368/2014 der Kommission vom 17. Dezember 2014 (ABl. L 366 vom 20. Dezember 2014, S. 15) geändert worden ist, die Mitgliedstaaten ermächtigt, im Hinblick auf die Ausfuhr von Leistungen für ein Kind, das 1 Thüsing/Hütter, NZS 2016, 411 [412 f.]. 2 Vgl. etwa: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eu-sozialkommissarin-lehnt-schaeubles-vorschlag-zum-kindergeld -ab-14872146.html (letzter Zugriff: 23.02.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 4 in einem anderen Mitgliedstaat wohnt als dem Mitgliedstaat, in dem der Anspruchsberechtigte wohnt, die Höhe dieser Leistungen an die Bedingungen des Mitgliedstaats, in dem das Kind wohnt, zu koppeln. Satz 6 ist erstmals in dem Kalendermonat anzuwenden, der auf das Inkrafttreten der geänderten Verordnung (EG) Nr. 883/2004 folgt. Der Kalendermonat ist vom Bundesministerium der Finanzen im Bundessteuerblatt bekannt zu machen.“ In Art. 3 des Referentenentwurfes wird sodann das Inkrafttreten wie folgt geregelt: „Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.“ Für die Änderungen des Bundeskindergeldgesetzes sieht der Referentenentwurf parallele Regelungen vor. Auch hier wird die Anwendung der Neuregelungen an die vorherigen Änderungen des Unionsrechts geknüpft. Geprüft werden soll vorliegend die Regelungstechnik des Entwurfs. Dabei ist zu klären, ob die Kopplung an den zukünftigen Inhalt einer unionsrechtlichen Vorschrift verfassungsrechtlich zulässig ist. 2. Verfassungsrechtliche Problematik Die Zulässigkeit der hier zu prüfenden Anwendungsvorbehalte richtet sich zunächst danach, ob man diese als bloße inhaltliche Regelung des Gesetzes oder als Regelung eines bedingten Inkrafttretens einordnet. Rein formal enthält Art. 3 des Referentenentwurfs eine unbedingte Regelung des Inkrafttretens. Stützt man die rechtliche Prüfung auf eine rein formale Betrachtungsweise, bestehen keine verfassungsrechtlichen Probleme. Es liegt jedoch auch nicht fern, in den beabsichtigten Anwendungsvorbehalten Regelungen zum Inkrafttreten zu erblicken, die dieses vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig macht. Bei einer solchen rechtlichen Einordnung müssten dann die besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine bedingte Inkraftsetzung eingehalten werden. 3. Abgrenzung einer Inhaltsregelung von einer Bestimmung zum Inkrafttreten Ob es sich bei den vorliegenden Anwendungsvorbehalten um inhaltliche Regelungen des Gesetzes oder Regelungen zum bedingten Inkrafttreten handelt, lässt sich für die Rechtspraxis nicht mit letzter Sicherheit klären. Eine verfassungsgerichtliche Entscheidung in vergleichbaren Fällen besteht bisher nicht. Zunächst erscheint es vertretbar, eine rein formale Betrachtungsweise einzunehmen. Die Abgrenzung würde in diesem Fall der gesetzgeberischen Bezeichnung folgen. Ein Anwendungsvorbehalt wäre demnach bereits begrifflich keine Regelung des Inkrafttretens. Eine solche rein formale Abgrenzung wird in der Literatur teilweise befürwortet.3 Die vorliegenden Anwendungsvorbehalte würden mithin keine Regelungen zum Inkrafttreten enthalten. Der Referentenentwurf regelt die Bedingung nicht bei den Regelungen zum Inkrafttreten, sondern beinhaltet einen eigenständigen Anwendungsvorbehalt. Die Regelung zum Inkrafttreten in Art. 3 des Referentenentwurfs enthält 3 Weckerling-Wilhelm, in: Kluth/Krings [Hrsg.], Gesetzgebung, 2014, § 10 Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 5 hingegen keine Bedingung. Legt man die beschriebene rein formale Betrachtung vorliegend zugrunde , würden sich die Anwendungsvorbehalte als inhaltliche Regelungen im Gesetz erweisen und keinen besonderen Anforderungen unterliegen. Hiergegen spricht jedoch der Inhalt der Anwendungsvorbehalte. Es kann nicht ausgeblendet werden , dass ein aufschiebend bedingter Anwendungsvorbehalt faktisch die gleichen Rechtswirkungen wie ein aufschiebend bedingtes Inkrafttreten erzeugt. In beiden Fällen entfalten die gesetzlichen Vorschriften vor Eintritt der Bedingung noch keine Wirkungen. Für den Rechtsanwender besteht damit eine gewisse Unsicherheit über die tatsächlich geltende Rechtslage. Der Gesetzgeber trägt dieser Unsicherheit vorliegend Rechnung, indem er eine Veröffentlichung des Bedingungseintritts im Bundessteuerblatt vorsieht. Er stellt die geplanten Anwendungsvorbehalte damit unter selbige Publizitätserfordernisse, die auch für Regelungen zum aufschiebend bedingten Inkrafttreten gelten.4 Es liegt daher nicht fern, auch die weiteren Anforderungen eines bedingten Inkrafttretens auf die hiesige Konstellation zu übertragen. Auch Aspekte der Rechtsklarheit sprechen gegen eine rein formale Betrachtung. Für den Rechtsanwender sollte der Umfang der derzeit geltenden Rechtslage deutlich erkennbar sein. Ein aufschiebend bedingter Anwendungsvorbehalt lässt diese Klarheit jedoch offen. So ist es bei einfachem Blick in das Gesetz nicht möglich, ohne weiteres zwischen anwendbaren und nicht anwendbaren Vorschriften zu unterscheiden. Auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass über den Zeitpunkt der Normverbindlichkeit Klarheit herrschen muss.5 Um dieser Klarheit gerecht zu werden, unterliegen aufschiebend bedingte Regelungen zum Inkrafttreten besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen . In diesem Lichte erscheint es daher nicht sinnvoll, wenn allein die Bezeichnung einer Regelung die verfassungsrechtlichen Anforderungen modifizieren könnte. Die beabsichtigten Anwendungsvorbehalte gehen zudem über eine rein tatbestandliche Bedingtheit hinaus. Bei dieser findet ein in Kraft getretenes Gesetz nur deshalb keine Anwendung, weil seine tatbestandlichen Voraussetzungen unerfüllt bleiben. Beispielhaft stehen hierfür die sogenannten Sicherstellungsgesetze. Diese finden im Falle des Verteidigungs- bzw. Spannungsfalles Anwendung. Trotz ihres vollständigen Inkrafttretens fehlt ihnen in Friedenszeiten jegliche Voraussetzung . Dennoch kann man von einem vollständigen Inkrafttreten ausgehen.6 Bei den vorliegend zu beurteilenden Regelungen liegt der Fall jedoch anders. Die geänderten Regelungen zum Kindergeld könnten jederzeit praktische Rechtswirkungen entfalten. Das Problem hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit würde nicht im Fehlen möglicher Anwendungsfälle bestehen. Gerade wegen ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit stellt der Gesetzgeber die Regelung unter den Anwendungsvorbehalt , um einen Konflikt mit dem Unionsrecht zu vermeiden. Der verfolgte Regelungsansatz geht damit über eine bloße tatbestandlich Bedingung hinaus. Es ergeben sich daher zwei unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten. Stellt man diese gegenüber, lässt sich keine eindeutige Aussage zugunsten eines bestimmten Ergebnisses erzielen. Zunächst ist es vertretbar, eine rein formale Sicht einzunehmen. Regelungen zur Anwendbarkeit und zum Inkrafttreten wären demnach zu trennen. Da Art. 3 des Referentenentwurfs keine Bedingung 4 Vgl. zu diesen: Weckerling-Wilhelm, [Fn. 3], Rn. 51. 5 BVerfG, Urteil vom 08. Juli 1976 – 1 BvL 19/75 –, juris, Rn. 99. 6 V. Lewinski, Bonner Kommentar, 162 Akt. 2013, Art. 82 GG Rn. 289. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 6 enthält, würden auch keine besonderen Anforderungen bestehen. Diese Ansicht zugrunde gelegt, würde der Referentenentwurf ohne weiteres den Anforderungen des Art. 82 Abs. 2 GG entsprechen. Das Einhalten weitergehender verfassungsrechtlicher Anforderungen wäre nicht erforderlich. Hingegen spricht wie dargelegt auch einiges dafür, die geplanten Anwendungsvorbehalte im Referentenentwurf materiell als aufschiebend bedingte Regelung zum Inkrafttreten einzuordnen. In diesem Fall müssten die dafür erforderlichen Voraussetzungen eingehalten werden (dazu sogleich). 4. Verfassungsrechtliche Anforderungen bei Einordnung als Inkrafttretensregelung Ordnet man den Anwendungsvorbehalt als aufschiebend bedingte Regelung des Inkrafttretens ein, ist diese an den Vorgaben des Art. 82 Abs. 2 GG zu messen. Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG überantwortet es zunächst dem Gesetzgeber, den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu regeln. Bei der Festlegung ist er grundsätzlich frei. Er muss diesen lediglich kalendarisch bestimmen.7 Eine Delegation des Bestimmungsrechts ist ihm hingegen verboten.8 Fehlt es an einer Regelung zum Inkrafttreten, findet automatisch Art. 82 Abs. 2 S. 2 GG Anwendung. Demnach treten die Gesetze vierzehn Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist. 4.1. Möglichkeiten einer aufschiebend bedingten Regelung des Inkrafttretens Art. 82 Abs. 2 GG enthält keine ausdrückliche Regelung für ein aufschiebend bedingtes Inkrafttreten von Gesetzen. Eine vom Bundesverfassungsgericht und in der Literatur allgemein anerkannte Möglichkeit, das Inkrafttreten eines Gesetzes auch bedingt zu regeln, besteht bei Zustimmungsgesetzen nach Art. 59 Abs. 2 GG. Ihr Inkrafttreten kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass der völkerrechtliche Vertrag verbindlich wird.9 Ebenso anerkannt werden Genehmigungsvorbehalte einer übergeordneten Ebene, wie sie vor allem im europäischen Beihilfegenehmigungsrecht vorkommen.10 Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus den generellen Schluss gezogen, dass dem Grundgesetz die „bedingte Inkraftsetzung gesetzlicher Regelungen keineswegs völlig fremd ist“.11 Es reiche demnach für Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG aus, wenn das Gesetz den Zeitpunkt des Inkrafttretens mit hinreichender Bestimmtheit regele. Dem sei dann Genüge getan, wenn kein nach dem Datum bestimmter Zeitpunkt festgelegt sei, sondern hierfür auf ein mit großer Wahrscheinlichkeit erwartetes 7 Butzer, in: Maunz/Dürig, 78. EL 2016, Art. 82 GG Rn. 274. 8 BVerfG, [Fn. 5] Rn. 111. 9 BVerfG, [Fn. 5] Rn. 96; Butzner, [Fn. 5] Rn. 282 m.w.N. 10 Butzer, [Fn. 7] Rn. 283 m.w.N.; vgl. hierzu etwa Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten vom 29.06.2012, BGBl. 2012 I S. 1424. 11 BVerfG, [Fn. 5] Rn. 96. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 7 bestimmtes Ereignis abgestellt werde.12 Zwingende Voraussetzung einer solchen Vorgehensweise sei jedoch, den Bedingungseintritt im Bundesgesetzblatt oder einem anderen Verkündigungsblatt bekannt zu machen.13 In der Literatur wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als wenig verallgemeinerungsfähig angesehen.14 Eine bedingte Regelung über das Inkrafttreten bleibe damit eher eine Ausnahme, die strengen Voraussetzungen unterliege.15 Grundsätzlich dürfe das Inkrafttreten nicht von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhängig gemacht werden.16 Nur wenige Stimmen in der Literatur leiten aus der aufgezeigten Rechtsprechung hingegen eine weitgehende Zulässigkeit eines bedingten Inkrafttretens ab.17 4.2. Einordnung des vorliegenden Referentenentwurfs Der vorliegende Referentenentwurf knüpft die Anwendbarkeit der Neuregelung zum Kindergeldanspruch an eine Änderung der VO (EG) 883/2004. Erst wenn diese die entsprechenden Ermächtigungen enthält, findet die Neuregelung Anwendung. Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner damaligen Entscheidung geforderte „große Wahrscheinlichkeit “ eines erwarteten bestimmten Ereignisses dürfte nicht vorliegen. Die Anwendungsvorbehalte im Referentenentwurf stellen auf eine Änderung der entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben ab. Dass diese tatsächlich geändert werden, ist derzeit nicht absehbar. Ein hierfür erforderliches Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union wurde bisher nicht eingeleitet und ist auch nicht beabsichtigt. Damit erweist sich der Bedingungseintritt als offen. Von einer großen Wahrscheinlichkeit im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung kann daher nicht ausgegangen werden. Gegen eine solche sprechen zudem auch die in der Literatur geltend gemachten Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit einer Änderung der VO (EG) 883/2004 mit den Europäischen Verträgen . Die Regelungen zum Anwendungsvorbehalt würden sich daher im Lichte der damaligen Rechtsprechung und mehrerer Literaturstimmen als unzulässige Bedingung für das Inkrafttreten erweisen. Die Anforderungen an ein bedingtes Inkrafttreten lassen sich jedoch, wie bereits aufgezeigt wurde, auch anderweitig interpretieren. Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weist einen eher singulären Charakter auf. Zudem liegt sie auch zeitlich lange zurück. Ob das Bundesverfassungsgericht gegenwärtig zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangen würde, ist damit offen. Die heutige enge Verzahnung zwischen weiten Teilen des nationalen Rechts und des Europarechts 12 BVerfG, [Fn. 5] Rn. 100. 13 Butzer, [Fn. 7] Rn. 284. 14 Butzer, [Fn. 7] Rn. 284. 15 Nierhaus, in: Sachs, 7. Aufl. 2014, Art. 82 GG Rn. 38. 16 Butzer, [Fn. 7] Rn. 284; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 14. Aufl. 2016, Art. 82 GG Rn. 10. 17 Weckerling-Wilhelm, [Fn. 3] Rn. 51; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, 13. Aufl. 2014, Art. 82 GG Rn. 49. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 040/17 Seite 8 war zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung noch nicht bekannt. Es ist daher nicht auszuschließen , dass das Bundesverfassungsgericht für diesen Bereich entsprechende Ausnahmen zulässt. Dies liegt auch wegen der Vergleichbarkeit mit den Transformationsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen durchaus nicht fern. Darüber hinaus werden auch die oben aufgezeigten Genehmigungsvorbehalte im Bereich des Beihilfenrechts für zulässig gehalten. Bei diesen wird das Inkrafttreten von einer vorherigen Genehmigung der Europäischen Kommission abhängig gemacht. Es erscheint vertretbar, diesen Ansatz auch auf das Erfordernis einer vorherigen Änderung des Unionsrechts auszudehnen. Zur Zulässigkeit gelangt man ferner auch, wenn man mit den oben genannten Literaturstimmen ein bedingtes Inkrafttreten auch ohne das Erfordernis einer großen Wahrscheinlichkeit weitgehend zulässt. In diesem Fall würde es ausreichen, wenn die Bedingung an das Inkrafttreten eines zukünftigen Rechtsaktes anknüpft. Zudem müsste der Bedingungseintritt für jedermann erkennbar sein, indem er entsprechend bekannt gemacht wird.18 Diesen Anforderung wird der Referentenentwurf gerecht. Im Ergebnis bleibt die abschließende rechtliche Beurteilung offen. Eine rechtssichere Aussage zugunsten eines bestimmten Ergebnisses lässt sich daher nicht treffen. *** 18 Weckerling-Wilhelm [Fn. 3], Rn. 51.