© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 039/19 Verfassungsrechtlicher Rahmen von Verkehrs-, Verkaufs- und Zulassungsverboten für Kraftfahrzeuge Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 2 Verfassungsrechtlicher Rahmen von Verkehrs-, Verkaufs- und Zulassungsverboten für Kraftfahrzeuge Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 039/19 Abschluss der Arbeit: 7. März 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Bestehende Möglichkeiten für Verkehrsverbote 4 2.1. Verkehrsbeschränkungen nach § 45 Abs. 1 Straßenverkehrs- Ordnung 4 2.2. Verkehrsbeschränkungen aufgrund von Luftreinhalteplänen 5 2.3. Verkehrsbeschränkungen zur Einhaltung nationaler Immissionswerte 5 3. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Einführung zusätzlicher Verkehrsverbote 6 3.1. Gesetzgebungskompetenz 6 3.2. Grundrechtseingriff 6 3.3. Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs 7 3.3.1. Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge aufgrund der Fahrzeugbreite 7 3.3.2. Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge aus Klimaschutzgründen 8 4. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Einführung von Verkaufs- oder Zulassungsverboten für Kraftfahrzeuge 9 4.1. Gesetzgebungskompetenz 9 4.2. Grundrechtseingriff 10 4.3. Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, ob gesetzliche Verkehrsverbote für bestimmte Kraftfahrzeuge aus Gründen des Klimaschutzes möglich wären, insbesondere aufgrund der Kohlenstoffdioxid- Emissionen der Fahrzeuge. Geprüft werden soll zudem die Möglichkeit von Verkehrsverboten für Fahrzeuge, die eine bestimmte Breite überschreiten. Dabei wird auch auf die Frage eingegangen, ob die Verkehrsverbote für fest definierte Gebiete oder auch ganze Kommunen gelten könnten. Des Weiteren wird untersucht, ob ein generelles Verkaufsverbot für Dieselfahrzeuge oder Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor bzw. ein entsprechendes Zulassungsverbot verfassungsrechtlich zulässig wäre. Die Ausarbeitung beschränkt sich auf die Darstellung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der untersuchten Verbote. Eine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht wird nicht geprüft. 2. Bestehende Möglichkeiten für Verkehrsverbote Bevor auf die Möglichkeit zur Einführung weiterer Verkehrsverbote eingegangen wird, wird nachfolgend ein Überblick über bereits bestehende Möglichkeiten der Verkehrsbeschränkung gegeben. 2.1. Verkehrsbeschränkungen nach § 45 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung Die Straßenverkehrsbehörden sind nach § 45 Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)1 ermächtigt , die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs zu verbieten oder zu beschränken. Dazu werden die Vorschriftzeichen nach Anlage 2 zu § 41 StVO verwendet. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO ermöglicht beispielsweise, mit Verkehrszeichen Nr. 264 die Durchfahrt von Fahrzeugen, die eine festgelegte Breite überschreiten, zu verbieten . Voraussetzung ist eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs. Dazu wird in der Literatur ausgeführt: „Maßnahmen aus Gründen der Verkehrssicherheit setzen eine Gefahrenlage voraus, die bei durchschnittlichen Verkehrsverhältnissen die Unfallsituation negativ beeinflussen kann. Nicht erforderlich ist eine unmittelbare (konkrete) Gefahr, vielmehr reicht die (abstrakte) Gefährlichkeit von Verkehrssituationen zu bestimmten Zeiten aus, um Eingriffe der Verkehrsbehörden auszulösen“.2 Die Ordnung des Straßenverkehrs umfasst den ruhenden Verkehr sowie die Flüssigkeit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs. Dazu gehört eine Regelung des Verkehrs in der Weise, dass der Straßenraum von möglichst vielen Fahrzeugen genutzt werden kann.3 § 45 Abs. 1 S. 1 StVO gilt nur für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken. Eine Ausweitung auf Strecken, auf denen die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs nicht beeinträchtigt ist, ist nicht 1 Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549). 2 Schurig, in: ders., StVO, 16. Aufl. 2018, § 45 Nr. 2.2.1.a. 3 Schurig, in: ders., StVO, 16. Aufl. 2018, § 45 Nr. 2.2.1.b. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 5 möglich.4 Somit scheiden Verkehrsverbote für fest definierte Zonen oder gar ganze Kommunen nach dieser Norm aus. Verkehrsbeschränkungen oder -verbote sind nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 auch zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Abgasen möglich. Da die Zielrichtung dieser Ermächtigung der Gesundheitsschutz ist, sind Maßnahmen zum Klimaschutz auf dieser Grundlage nicht möglich.5 2.2. Verkehrsbeschränkungen aufgrund von Luftreinhalteplänen § 40 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)6 ermächtigt die zuständigen Straßenverkehrsbehörden , den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu beschränken oder zu verbieten, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen. Luftreinhaltpläne und Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen werden von den zuständigen Behörden zur Sicherstellung der Immissionsgrenzwerte einer Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG erstellt, die der Umsetzung von bindenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften (EG) oder der Europäischen Union (EU) dient. Eine solche Rechtsverordnung ist die 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die zur Umsetzung der sog. Luftreinhalterichtlinie der EU erlassen wurde. § 40 Abs. 1 BImSchG ist unter anderem die Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsverbote in den sog. Umweltzonen.7 Unter anderem werden auf dieser Grundlage Verkehrsverbote für Dieselkraftfahrzeuge verhängt. Die Luftreinhalterichtlinie enthält allerdings keine Immissionsgrenzwerte für Kohlenstoffdioxid (CO2). 2.3. Verkehrsbeschränkungen zur Einhaltung nationaler Immissionswerte Gemäß § 48a Abs. 1a BImschG kann der deutsche Gesetzgeber über die Erfüllung von bindenden Rechtsakten der EG oder der EU hinaus eigene Rechtsverordnungen zur Festlegung von Immissionswerten für weitere Schadstoffe erlassen. Bislang wurde noch keine entsprechende nationale Rechtsverordnung erlassen.8 Aufgrund der Ermächtigungsgrundlage könnte eine Verordnung zur Festlegung von Grenzwerten für CO2-Immissionen erlassen werden. Nach § 40 Abs. 2 BImSchG kann die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrtverkehr auf bestimmten Straßen oder in bestimmten Gebieten beschränken oder verbieten, wenn der Kraftfahrtverkehr zur Überschreitung von Grenzwerten beiträgt, die in einer nationalen Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1a BImschG 4 Schurig, in: ders., StVO, 16. Aufl. 2018, § 45 Nr. 2.2.1. 5 Vgl. Schurig, in: ders., StVO, 16. Aufl. 2018, § 45 Nr. 2.2.7. 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2771). 7 Jarass, in: ders., BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 40 Rn. 8 f. 8 Jarass, in: ders., BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 48a Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 6 festgelegt sind. Dabei sind die Verkehrsbedürfnisse und die städtebaulichen Belange zu berücksichtigen . Die Beschränkungen und Verbote können nicht nur bestimmte Straßen oder Straßenstrecken umfassen, sondern auch ganze Ortsteile oder kleinere Gemeinden.9 Innerhalb des Gebiets muss die Verkehrsbeschränkung aber für jede Straße gerechtfertigt sein, etwa aufgrund der Belastungslage oder zum Ausschluss von Verlagerungseffekten.10 Anstelle einer – nachfolgend zu prüfenden – gesetzlichen Regelung für ein Verkehrsverbot aufgrund des CO2-Ausstoßes könnte somit eine Rechtsverordnung mit Grenzwerten für CO2-Immissionen erlassen werden, auf die ein Verkehrsverbot nach § 40 Abs. 2 BImSchG gestützt werden könnte. 3. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Einführung zusätzlicher Verkehrsverbote Fraglich ist, ob zusätzliche Verkehrsverbote aufgrund der Breite eines Fahrzeugs oder aus Klimaschutzgründen gesetzlich festgeschrieben werden könnten. 3.1. Gesetzgebungskompetenz Der Schutz der Umwelt vor Immissionen unterfällt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Luftreinhaltung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG.11 Daneben ist auch der Kompetenztitel für den Straßenverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG einschlägig. Für ein Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge aufgrund ihrer Breite dürfte allein der letztgenannte Titel in Betracht kommen. Bei diesem ist Art. 72 Abs. 2 GG zu beachten, wonach der Bund das Gesetzgebungsrecht für diesen Bereich nur dann hat, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Da die bisher möglichen Verkehrsverbote in § 6 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz abschließend aufgezählt sind, erfordert eine Erweiterung eine bundesweite Regelung. 3.2. Grundrechtseingriff Durch ein Verkehrsverbot für bestimmte Fahrzeuge wird insbesondere das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG eingeschränkt. Das Eigentumsrecht umfasst das Recht, das Eigentum nach eigenen Vorstellungen zu nutzen12, was bei einem Verkehrsverbot auf bestimmten Strecken nicht länger möglich wäre. Zudem kommt zumindest mittelbar ein Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG in Bezug auf Personen, die beruflich auf dem Verbot nicht entsprechender Fahrzeuge angewiesen sind, in Betracht. Da der Eingriff die Art und Weise der Berufsausübung betreffen würde, wäre 9 BVerwGE 109, 29 (35). 10 Reese, in: Giesberts/Reinhardt (Hrsg.), BeckOK Umweltrecht, 49. Edition Stand: 1. Dezember 2017, § 40 BImSchG Rn. 18. 11 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 74 Rn. 249, 251. 12 Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 14 Rn. 146. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 7 er eine sog. Berufsausübungsregelung. An solche Regelungen werden grundsätzlich nur geringe verfassungsrechtliche Anforderungen gestellt.13 Zudem ist auch ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG durch ein Verkehrsverbot möglich. 3.3. Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs Die genannten Grundrechte sind durch Gesetz einschränkbar. Die Einschränkung müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs . Da die Verhältnismäßigkeit von der Ausgestaltung der konkreten Regelung abhängt, können nachfolgend nur allgemeine Grundsätze dargestellt werden. Grundrechtseingriffe sind nur dann verhältnismäßig, wenn sie einem legitimen Zweck dienen und zum Erreichen dieses Zwecks geeignet, erforderlich sowie angemessen sind.14 3.3.1. Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge aufgrund der Fahrzeugbreite Ziel eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge, die eine bestimmte Breite überschreiten, wäre wohl die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Straßenverkehrs und die Verhinderung von Verkehrsgefahren aufgrund von Platzmangel, somit also die Sicherstellung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Dabei handelt es sich um legitime gesetzgeberische Ziele. Das Verbot müsste geeignet sein, den legitimen Zweck zu erreichen. Geeignet wäre das Verkehrsverbot aber wohl nur in Bezug auf Straßenzüge, in denen aufgrund ihrer Enge die Durchfahrt von Fahrzeugen, die eine bestimmte Breite überschreiten, zu einer Einschränkung des Straßenverkehrs oder zu Gefahren für den Verkehr führt. Ein generelles Verkehrsverbot für Fahrzeuge oberhalb einer bestimmten Breite für fest definierte Gebiete oder gar ganze Kommunen dürfte zur Zweckerreichung eher nicht geeignet sein. Zudem dürfte es auch an der Erforderlichkeit eines solchen Verbots fehlen. Eine Maßnahme ist dann erforderlich, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, das in gleicher Weise geeignet ist, den legitimen Zweck zu erreichen.15 § 45 Abs. 1 S. 1 StVO ermächtigt bereits nach geltender Rechtslage die Straßenverkehrsbehörden, den Verkehr für bestimmte Straßen oder Straßenzügen zu verbieten. Die Norm befugt – wie oben ausgeführt – auch dazu, die Durchfahrt von Fahrzeugen , die eine bestimmte Breite überschreiten, zu verbieten. Da es sich dabei nicht um ein generelles , sondern nur um ein im Einzelfall einsetzbares Verbot handelt, stellt die Ermächtigung nach § 45 Abs. 1 S. 1 StVO den milderen Eingriff dar. Zwar ist dieser Eingriff nur bei Vorliegen einer Gefahrenlage für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs möglich. Da der Zweck des untersuchten generellen Verkehrsverbotes aber gerade darin läge, solche Gefahren zu verhindern, dürfte die Regelung des § 45 Abs. 1 S. 1 StVO ebenso geeignet sein, das Ziel zu erreichen. 13 Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 12 Rn. 335. 14 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 20 VII Rn. 110. 15 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 20 VII Rn. 113. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 8 Ein für bestimmte Bereiche oder ganze Kommunen einsetzbares generelles Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge, die eine bestimmte Breite überschreiten, dürfte somit mangels Geeignetheit und Erforderlichkeit verfassungsrechtlich unzulässig sein. 3.3.2. Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge aus Klimaschutzgründen Zweck eines emissionsbasierten Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge ist die Luftreinhaltung. Dass es sich dabei um ein legitimes Ziel handelt wird schon daraus ersichtlich, dass die Luftreinhaltung im Kompetenzkatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG ausdrücklich genannt wird. Wenn sich das Verkehrsverbot als Berufsausübungsregelung auswirkt, müsste es sich bei dem legitimen Zweck zudem um vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls handeln.16 Auch dies trifft bei der Luftreinhaltung zu. Das Verkehrsgebot müsste geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Ob dies bei einem emissionsbasierten Verkehrsverbot der Fall ist, hängt von der Ausgestaltung des Verbots, insbesondere hinsichtlich der Grenzwerte, und von den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zur Schädlichkeit der Immissionen vorliegen, ab. Gleiches gilt für die Frage, ob ein solches Verbot erforderlich wäre oder ob ein milderes Mittel in Betracht kommt, das den Zweck des Verbots in gleicher Weise gewährleistet . Hinsichtlich der Geeignetheit und der Erforderlichkeit einer gesetzlichen Maßnahme besteht allerdings ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers.17 Das Verkehrsverbot müsste sich zudem nach Abwägung der unterschiedlichen Interessen als angemessen erweisen. In Bezug auf ein emissionsbasiertes Verbot erfordert dies eine Abwägung zwischen den Risiken der Emissionen für die Luftreinhaltung und den Belastungen, die mit einem Verkehrsverbot für die Fahrzeugeigentümer und -nutzer sowie für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft verbunden sind.18 Verwiesen werden kann hier insbesondere auf die Maßstäbe, die das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge aufgestellt hat.19 Das Gericht unterscheidet bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zwischen Verkehrsverboten, die lediglich einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen (streckenbezogene Verbote) und solchen Verboten, die für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen bestehendes zusammenhängendes Verkehrsnetz gelten sollen (zonale Verbote). Streckenbezogene Verbote gehen nach Auffassung des Gerichts in ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssten. In Bezug auf zonale Verbote führt das BVerwG aus: „Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, 16 Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 146 m.w.N. 17 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition Stand: 15. November 2018, Art. 20 Rn. 195 f. 18 Vgl. BVerwG NVwZ 2018, 883 (887). 19 BVerwG NVwZ 2018, 883. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 9 sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.“20 Für zonale Verkehrsverbote verlangt das BVerwG zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine phasenweise erfolgende Einführung mit Übergangsfristen je nach Umfang des Schadstoffausstoßes. Darüber hinaus seien Ausnahmeregelungen für bestimmte Berufsgruppen, Anwohnergruppen aber auch Einzelpersonen zu prüfen. In Betracht kämen darüber hinaus Übergangsfristen zur Nachrüstung von betroffenen Fahrzeugen. Zu beachten ist allerdings, dass die Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge, auf die sich das Urteil bezieht, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung angeordnet werden. Der Gesundheitsschutz ist aufgrund der Schutzpflicht des Staates für die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein Rechtsgut von Verfassungsrang. Beim Klimaschutz bzw. bei der Luftreinhaltung ist dies nicht der Fall. Dies hat zur Folge, dass zum Gesundheitsschutz weitreichendere Eingriffe möglich sind, als zum Klimaschutz bzw. zur Luftreinhaltung. An Maßnahmen, die den letztgenannten Zielen dienen, sind strengere Anforderungen zu stellen, als an Maßnahmen zum Gesundheitsschutz. Dennoch können die Ausführungen des BVerwG als Anhaltspunkt für die Anforderungen an die Angemessenheit von Verkehrsverboten herangezogen werden. Erforderlich wäre somit eine Regelung, die die Befugnis zur Anordnung des Verkehrsverbots in das Ermessen der zuständigen Behörden stellt und Ausnahmeregelungen vorsieht. 4. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Einführung von Verkaufs- oder Zulassungsverboten für Kraftfahrzeuge Fraglich ist, ob generelle Verkaufs- und Zulassungsverbote für bestimmte Kraftfahrzeugarten, etwa Dieselfahrzeuge oder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, verfassungsrechtlich zulässig wären. Auch hier gilt, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von der Ausgestaltung der konkreten Regelung abhängt und daher nur allgemeine Grundsätze dargestellt werden können. 4.1. Gesetzgebungskompetenz Ein Verkaufsverbot für bestimmte Kraftfahrzeugarten könnte unter den Kompetenztitel für das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG fallen. Auf diesen Kompetenztitel ist aber nicht abzustellen , wenn ein stärkerer Sachzusammenhang zu spezielleren Kompetenztiteln besteht.21 Ein stärkerer Sachzusammenhang kann hier zum Kompetenztitel nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG 20 BVerwG NVwZ 2018, 883 (887). 21 Vgl. v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., 2012, Art. 74 Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 10 bestehen, der die Luftreinhaltung umfasst, da das Verkaufsverbot diese Zielsetzung verfolgt. Jedenfalls unterfiele das Verbot der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 GG. Unterstellte man das Verkaufsverbot dem Kompetenztitel über das Recht der Wirtschaft, wäre Art. 72 Abs. 2 GG zu beachten, wonach der Bund das Gesetzgebungsrecht für diesen Bereich nur dann hat, wenn eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist. In Bezug auf ein Verkaufsverbot für bestimmte Kraftfahrzeugarten dürfte dies der Fall sein. Die Gesetzgebungskompetenz für Regelungen über die Zulassung von Kraftfahrzeugen unterfällt dem Kompetenztitel des Kraftfahrwesens nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG22 und damit ebenfalls der konkurrierenden Gesetzgebung. Auch hier ist Art. 72 Abs. 2 GG zu beachten. Da die Zulassung von Kraftfahrzeugen in der bundesweit geltenden Straßenverkehrszulassungsordnung geregelt ist, liegt bei einer Änderung der Zulassungsvoraussetzungen die Erforderlichkeit einer bundesweiten Regelung vor. 4.2. Grundrechtseingriff Ein Verkaufsverbot für bestimmte Fahrzeugtypen greift insbesondere in die Berufsfreiheit der Hersteller und gewerblichen Verkäufer nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Fraglich ist, ob es sich bei dem Eingriff um eine Berufsausübungsregelung handelt, für die keine strengen verfassungsrechtlichen Bedingungen gelten, oder um eine objektive Berufszulassungsregelung, die nur unter erhöhten Anforderungen zulässig ist. Eine objektive Berufszulassungszulassungsregelung liegt bei Bedingungen vor, auf deren Erfüllung der Einzelne keinen Einfluss hat.23 Um eine objektive Berufszulassungsregelung würde es sich handeln, wenn die Herstellung bzw. der Verkauf von Fahrzeugen eines bestimmten Typs, etwa Dieselfahrzeugen oder solchen mit Verbrennungsmotor ein eigenständiger Beruf wäre. Bei Verkäufern dürfte dies sehr unwahrscheinlich sein, da diese üblicherweise sämtliche Fahrzeugtypen anbieten. Bei Herstellern dürfte in Bezug auf Dieselfahrzeuge gleiches gelten. In Bezug auf Verbrennungsmotoren kommt es darauf an, ob sämtliche Hersteller zum Zeitpunkt des Verbots bereits Fahrzeuge mit anderen Antriebsarten produzieren. Sollte es Hersteller geben, die ausschließlich Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor produzieren, würde sich ein Verbot des Verkaufs als objektive Berufszulassungsregelung auswirken. Diese sind nur zulässig zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.24 Ein Zulassungsverbot für Dieselfahrzeuge oder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor würde sich mittelbar ebenfalls als Eingriff in die Berufsfreiheit auswirken, da es dazu führen würde, dass deutsche Käufer die entsprechenden Fahrzeugtypen nicht erwerben würden und somit eine Produktion nur noch auf das Ausland ausgerichtet werden könnte. Das Recht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wäre durch ein Verkaufsverbot nicht betroffen sein, da das Eigentum an den betroffenen Fahrzeugen aufgrund des Verbots gar nicht erst erlangt werden könnte. Ein Zulassungsverbot könnte sich hingegen als Eingriff in das Eigentum darstellen, wenn ein entsprechendes Fahrzeug bereits erworben wurde. Hier kommt es darauf an, ob das Verbot nur für Erstzulassungen oder auch für weitere Zulassungen gilt. Ein Zulassungsverbot nur 22 Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition Stand: 15. November 2018, Art. 74 Rn. 83. 23 Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 140. 24 Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 148 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 11 für Erstzulassungen würde dazu führen, dass entsprechende Fahrzeuge nicht erworben würden. Es würde sich daher vor allem als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG auswirken. Aufgrund der Unterscheidung zwischen Dieselfahrzeugen bzw. Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und anderen Fahrzeugarten kommt zudem ein Eingriff in den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Dieser gebietet, wesentlich Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln.25 4.3. Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs Die genannten Grundrechtseingriffe müssten verhältnismäßig sein. Dazu müssten sie einem legitimen Zweck dienen und zum Erreichen dieses Zwecks geeignet, erforderlich sowie angemessen sind. Als Zweck eines Verkaufs- oder Zulassungsverbot für Dieselfahrzeuge oder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor kommt sowohl die Luftreinhaltung als auch der Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen schädliche Immissionen in Betracht. Dabei handelt es sich um legitime gesetzgeberische Ziele. Zudem handelt es sich auch um vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, die zur Rechtfertigung von Berufsausübungsregelungen notwendig sind. Falls sich, wie oben erwähnt, das untersuchte Verbot als objektive Berufszulassungsregelung auswirken würde, müsste es sich beim legitimen Zweck um ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut handeln. Dies dürfte beim Gesundheitsschutz und der Luftreinhaltung ebenfalls zutreffen. Das Verkaufs- bzw. Zulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder Dieselfahrzeuge müsste geeignet sein, den legitimen Zweck zu erreichen. Zudem müsste es auch erforderlich, also das mildeste Mittel zur Zweckerreichung sein. Als mildere Mittel kommen etwa Beschränkungen der Verkaufs- oder Zulassungsmöglichkeit auf Kraftfahrzeuge mit bestimmtem Schadstoffausstoß in Betracht. Ob die untersuchten Verbote zum Erreichen des Zwecks geeignet sind und ob Beschränkungen anstelle von Verboten in gleicher Weise geeignet wären, dem Gesundheitsschutz oder der Luftreinhaltung zu dienen, hängt von der Erkenntnislage zur Schädlichkeit der von den Fahrzeugen ausgehenden Emissionen ab. Dem Gesetzgeber steht aber, wie bereits erwähnt, hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ein Einschätzungsspielraum zu. Das Verkaufs- bzw. Zulassungsverbot müsste sich zudem nach Abwägung der unterschiedlichen Interessen als angemessen erweisen. Es müsste also abgewogen werden zwischen den Gefahren von Dieselfahrzeugen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor für die Gesundheit und die Luftreinheit auf der einen Seite und den Belastungen, die mit den Verkaufs- und Zulassungsverboten etwa für Hersteller, Verkäufer und Eigentümer einhergehen, auf der anderen Seite. Ein vollständiges Verbot des Verkaufs oder der Zulassung bestimmter Kraftfahrzeuge stellt einen ganz erheblichen Grundrechtseingriff dar. Insbesondere zum Gesundheitsschutz sind weitreichende Grundrechtseingriffe allerdings zulässig, da die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein Rechtsgut von Verfassungsrang ist. Dazu müsste eine Gesundheitsgefahr allerdings auch hinreichend wahrschein- 25 Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/19 Seite 12 lich sein. Falls sich, wie oben erwähnt, die untersuchten Verbote als objektive Berufszulassungsregelung auswirkten, müssten die Gefahren sogar nachweisbar oder höchstwahrscheinlich sein. Ob dies der Fall ist, wäre anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beurteilen. In Bezug auf die Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG muss zudem geprüft werden, ob eine Ungleichbehandlung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bzw. Dieselfahrzeugen und anderen Kraftfahrzeugarten sachlich gerechtfertigt wäre. Ein Vergleich von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und Elektrofahrzeugen dürfte zunächst ergeben, dass von letzteren aufgrund des fehlenden Schadstoffausstoßes26 wesentlich geringere Gefahren für die Gesundheit und die Luftreinhaltung ausgehen. Da zur Erzeugung des für Elektrofahrzeuge benötigten Stroms aktuell aber nicht nur erneuerbare Energien eingesetzt werden, tragen auch diese Fahrzeuge zur Freisetzung schädlicher Immissionen bei. Ob daher eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre, müsste anhand des sich für jede Antriebsart ergebenden Schadstoffausstoßes abgewogen werden. Gleiches gilt für die Ungleichbehandlung von Dieselfahrzeugen und Fahrzeugen, die mit anderem Kraftstoff betrieben werden. Generell kommen zur Abmilderung des Grundrechtseingriffs und damit zur Wahrung der Angemessenheit insbesondere Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen in Betracht. Ein Zulassungsverbot könnte zudem auf Erstzulassungen beschränkt werden. In Bezug auf ein Verbot des Verbrennungsmotors ist zu beachten, dass erst die nötige Infrastruktur für Elektrofahrzeuge zur Verfügung stehen müsste, bevor er ein solches Verbot erlassen dürfte. *** 26 Vgl. https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Verkehr/emob_klimabilanz_2017_bf.pdf (Stand: 6. März 2019).